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Debatte Rechtspopulismus

Erstellt von Redaktion am Freitag 1. April 2016

Gewinner, die Verlierer führen

File:Erdogan waving flag of Palestine to get simpathy of his voters while keep Turkey's ties with Israel & US.gif

von Georg Seesslen

Das Fußvolk der Rechtspopulisten glaubt an Identität, die Führung ans Geld. Gemeinsamkeit entsteht durch willkürlich definierte Feinde.

Die Flüchtlingsfrage ist für rechtspopulistische Strategen ein idealer Ansatzpunkt zur Rekrutierung neuer Anhänger und Radikalisierung alter. Mit diesem Motiv kann man der Mehrheit Bilder, Erzählungen und Begriffe aufzwingen. Offensichtlich gibt es im Mainstream genügend Medien und Personen, die auf diesen Anstoß im gewünschten Sinne reagieren.

Eine rechte Propagandamaschine trifft auf ihr Lieblingsmaterial, Opportunismus und Mitläufertum. Die eigentlichen Ziele des Rechtspopulismus indes gehen weit über das Aufhalten der „Flüchtlingsströme“ und die Betonung nationaler „Werte“ hinaus.

Die Renationalisierung von Kultur und Politik scheint auf den ersten Blick vor allem eine Form der „Identitätspolitik“ zu sein. Immer wieder scheint die Authentisierungsfloskel auf: „die wahren Finnen“, „richtige“ Deutsche, Franzosen zuerst. Antiislamismus, die geile Erwartung der Schießbefehle an den Grenzen, Rassismus. Das ist das Angebot einer antimodernen, antidemokratischen und antieuropäischen Erzählung.

Doch welches Interesse steckt dahinter? Zunächst verblüfft, wie viele Multimillionäre, wie viele Unternehmer und Vertreter eher von Kapital- als von Identitätsinteressen an den Spitzen der rechtspopulistischen Bewegungen in Europa und in den USA stehen. „Von unten“, wie ein nicht unerheblicher Teil ihrer Anhängerschaft, kommt da keiner. Die Trumps, Blochers, Le Pens sind Vertreter eines neuen Kapitals, das sich rasch und in zweifelhaftem Zusammenhang mit Krisen vermehrte. Frauke Petry ist eine der neuen Unternehmerinnen, während Beatrix von Storch als „Herzogin von Oldenburg“ eher alte Macht repräsentiert.

Superreiche und Reiche, Vertreter der Finanzwirtschaft, der Oligarchen und des Feudalismus führen Menschen, die von der Angst um ihren Arbeitsplatz, um ihren Wohnraum umgetrieben werden. Was sagt uns das?

Gemeinsamkeit wird künstlich hergestellt

Die Führungsriegen der rechtspopulistischen Gruppierungen und ihr Fußvolk haben offensichtlich noch weniger gemeinsam als bei den von ihnen angegriffenen „Altparteien“. Gemeinsamkeit wird daher künstlich hergestellt, in einer vulgären, medienaffinen, aggressiven Sprechweise. Oder in der Konstruktion gemeinsamer, willkürlich definierter Feinde. Die Erzählung von Flut, Grenze, Verschwörung und Heilserwartung durch die Rückkehr zu Vor-Demokratie und Vor-Moderne muss irrational sein, weil sonst der Widerspruch zwischen ökonomischen Interessen oben und Aggressionsrausch unten rasch offenkundig würde.

Schon Hannah Arendt hat in dieser brisanten Allianz von Kapital und Straße die Gewalt des Faschismus ausgemacht. Wir könnten uns das in etwa so vorstellen: Die Überschussenergien zweier „extremer“ Klassen: der einen, die von allem zu viel hat, zu viel Geld, zu viel Macht. Und der anderen, die von vielem zu wenig hat, nicht nur finanziell, sondern auch was demokratische Teilhabe und Bildung anbelangt.

Fragt sich, warum VertreterInnen des neuen Reichtums unglamouröse Bewegungen führen, statt das Geld in Sankt Moritz zirkulieren zu lassen?

Ein Krisensymptom des Neoliberalismus

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle – Wikipedia: Carlos Latuffhttp://twitpic.com/5bg2tf  Public Domain

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