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Gewalt gegen Politiker

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 24. Mai 2018

Die sächsischen Vertriebenen

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Von Steffi Unsleber

Sie wurden von Neonazis gejagt. Man hat ihnen das Auto angezündet. Bis linke sächsische Politiker nicht mehr konnten. Sie sind weggezogen.

Wer sich regelmäßig mit Lokalpolitikern aus Ostdeutschland trifft, empfindet irgendwann Erstaunen. Warum geben Menschen nicht auf, obwohl sie täglich bedroht und beschimpft werden? Wie können sie jahrelang Tür an Tür mit Menschen wohnen, die ihnen den Tod wünschen?

Vier Politiker aus Sachsen, die jahrelang von der rechten Szene drangsaliert wurden, haben nach taz-Informationen in den vergangenen Monaten ihr Amt niedergelegt und ihre Heimatorte verlassen.

Eine Recherche bei den Opferberatungsstellen Deutschlands hat ergeben: Solche Fälle sind immer noch relativ selten. Allerdings gehen Berater davon aus, dass sie oft nicht davon erfahren, weil sich die Menschen dafür schämen.

Zwei der Lokalpolitiker aus Sachsen, die fortgezogen sind, wurden in den vergangenen Jahren von der taz begleitet. Sie waren auch bereit, sich an ihren neuen Wohnorten besuchen zu lassen. Die anderen beiden haben auf Anfragen nicht reagiert.

Fall I: Michael Richter

Michael Richter ist in seinem neuen Auto zum Treffen gekommen. Er ist ein bisschen stolz, als er es zeigt, denn bis zum Schluss haben seine Verfolger in Freital nicht herausgefunden, wo er den Wagen damals geparkt hat. Womöglich hat ihm das das Leben gerettet.

Es ist ein warmer Frühlingstag, die Luft ist weich, es riecht nach Wasser vom nahen See. Richter sitzt in einem Café und trinkt schwarzen Tee. Im hintersten Eck, neben der Toilette, damit nicht jeder gleich hört, was er da erzählt.

Wo das Treffen genau stattfindet, soll geheim bleiben, darum bittet Richter. Auch wenn jetzt viele hundert Kilometer zwischen ihm und den Freitaler Terroristen liegen – die rechte Szene ist gut vernetzt. Er will nicht, dass sie gleich wieder wissen, wo er wohnt. „Südliches Bayern“, sagt er. Es ist schön hier, eine Urlaubsregion. Richter ist jetzt arbeitslos, deshalb geht er oft wandern. Viele Menschen, mit denen er losziehen könnte, kennt er jedoch nicht. Manchmal besuchen ihn Freunde aus Freital.

Die Jagd auf Michael Richter begann im März 2015. Damals fanden die ersten Antiasyldemonstrationen in Freital statt, einer Kreisstadt südwestlich von Dresden. Richter war dort Stadtrat für die Linkspartei und organisierte den Gegenprotest. Kurze Zeit später erhielt er Morddrohungen. „Diese feige Ratte, steinigt ihn“, schrieb ein Freitaler aus der rechten Szene bei Facebook.

Kurz nach Pfingsten hatte jemand Michael Richters Wahlplakate in der Stadt abgerissen und vor dem Büro der Linkspartei abgelegt.

Lief Richter in diesen Tagen durch Freital, hängten sich manchmal Menschen aus vorbeifahrenden Autos und pöbelten ihn an. Er kenne diese Menschen nicht, gab er später bei der Polizei an.

Michael Richter war damals viel unterwegs. Er fuhr auch zu Demonstrationen. Ein VW Golf, grün, mit dem Kennzeichen FTL-OB 112. Ein Witz, sagt Michael Richter. Schließlich war er als Stadtrat die Feuerwehr für den Oberbürgermeister – er half aus, wenn es brannte.

Die Menschen aus Freital, die gerne auf Jagd gingen, begannen Richter zu verfolgen. Sie liefen ihm hinterher, fotografierten ihn und sein Auto. Das war im Mai und im Juni 2015.

Im Juli 2015 trafen sie sich in Freital vor dem Rewe-Supermarkt, um einen Anschlag auf Richters Auto zu planen. Man könne die Seitenscheibe mit einem Baseballschläger zertrümmern und dann einen tschechischen Böller und einen Rauchtopf hineinwerfen, sagte einer. „Freital soll brennen“, schrieben sie später im Chat. Sie verabredeten sich zweimal, brachen die Aktion aber wieder ab, weil der Fluchtweg unklar war.

Am 26. Juli 2015 kam Michael Richter von einer Reise zurück. Er stellte sein Auto gegen 17 Uhr auf dem Parkplatz vor seinem Haus ab. Er zog sich in seine Wohnung zurück und legte sich einige Stunden später schlafen.

Um Viertel vor eins erwachte er, weil er draußen einen Knall hörte. Er ging zum Badezimmerfenster und sah, wie aus seinem Auto eine schwarze Wolke aufstieg. Er lief die Treppe hinunter und rief die Polizei. Der Nachbar von Michael Richter fotografierte das zerstörte Auto aus seinem Fenster und schickte die Fotos per Facebook an diejenigen, die den Anschlag begangen hatten. Sie hätten ihn darum gebeten, sagte er später der Polizei. „Geile Sache, nun ist die Sau Fußgänger“, antwortete einer.

Der Fall landete auf dem Stapel Akten einer überforderten Staatsanwältin in Dresden, die keine Verbindung zu den anderen Anschlägen in Freital erkennen konnte. Die Täter blieben frei.

Zwei Wochen später wurde der Briefkasten von Michael Richter mit Bauschaum zugeklebt. „Richter, wir kriegen dich …“, stand auf einem Aufkleber, den jemand danebengeklebt hatte.

Quelle   :        TAZ         >>>>>      weiterlesen

„Opfer rechter Gewalt werden isoliert“

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Interview: Steffi Unsleber

Robert Enge, Berater für Betroffene rechter Gewalt des RAA Sachsen, über fehlenden Schutz.

taz: Herr Enge, Sie beraten Opfer rechter Gewalt in Sachsen. Werden Lokalpolitiker, die entsprechende Drohungen erhalten, gut geschützt?

Robert Enge: Es fällt immer wieder auf, wie unterschiedlich der Schutz ist. Politiker auf Ministerebene oder Oberbürgermeister werden meist gut geschützt. Politiker auf Gemeindeebene sind manchmal sehr alleine. Oft reichen auch die Ressourcen nicht aus – zum Beispiel in Freital, wo das Revier nur zwei Streifenwagen hat und wo sich die Täter monatelang gegenüber dem Polizeirevier treffen konnten, weil sie sich so sicher gefühlt haben. Obwohl das Umfeld der Rechtsterroristen dort nach wie vor wohnt und es nach den Verhaftungen weitere Angriffe gab, haben die Opfer keinen Polizeischutz erhalten. Das führt dann dazu, dass Opfer rechter Gewalt aus diesen Orten wegziehen. Die Täter bleiben dort.

Wie geht die Polizei mit Opfern um?

Quelle    :     TAZ        >>>>>      weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben   ––   Freital 26.06.2015

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