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Geschäfte mit der Armut

Erstellt von Redaktion am Freitag 4. März 2011

Mikrokredite: Das Geschäft mit der Armut

File:Muhammad Yunus in Houston.jpg

Nach langem Streit mit Bangladeschs Premier ist dem Friedensnobelpreisträger und Direktor Muhammad Yunus von der von ihm gegründeten Bank gekündigt worden. Als Begründung wurde das hohe Alter von 70 Jahre angegeben. Gegen die Entschluß der Zentralbank wehrt sich die Grammeen Bank und erklärte die Kündigung für unwirksam.

Das Geschäft mit den Mikrokrediten scheint seit einigen Jahren aus dem Ruder gelaufen zu sein und passt sich mehr und mehr den privaten Kredithaien an, welche auch an den Ärmsten der Armen noch ihren guten Schnitt machen wollen. Hierzu ein Bericht von Christa Wicherich:

 Indien erlebt gegenwärtig eine Finanzkrise, die in ihren Strukturen von der Entstehung bis zur „Rettung“ frappierende Parallelen zur Subprime-Krise in den Vereinigten Staaten aufweist. Diese Krise betrifft Mikrofinanzinstitutionen (MFIs), die seit der Liberalisierung des indischen Finanzsektors Anfang der 90er Jahre als Vermittler zwischen den Kreditnehmerinnen an der Basis und kommerziellen Banken agieren.

Da ein Gesetz die Dienstleistung kommerzieller Banken auf die Kreditvergabe beschränkt, nahmen MFIs bei indischen und immer häufiger auch bei ausländischen Banken – sehr prominent darunter die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau – Kredite zum üblichen Zinssatz auf, die sie, allerdings mit satten Zins- und Gebührenaufschlägen, an die Frauen weiterverliehen. Die Garantie, die die MFIs Banken und Investoren boten, war dabei die hohe Rückzahlungsquote der Frauen von über 95 Prozent.

Damit wurde zwar die Kreditvergabe an besitzlose indische Frauen erst ermöglicht, jedoch von Beginn an als Finanzdienstleistung kommerzialisiert und der Verwertungslogik des Finanzmarkts unterworfen. Wie die billigen Hypothekenkredite für einkommensschwache Haushalte in den USA, so bedeuteten auch die Kleinkredite für arme Frauen in den ländlichen Regionen eine Finanzialisierung ihres Alltags und die Integration in den globalen Finanzmarkt und dessen Renditelogik.

Die guten Renditeaussichten lösten einen wahren Boom aus: Die Zahl der MFIs oder „Non-Banking Finance Companies“ stieg in Indien in knapp 20 Jahren auf über 3000 an. Ihr oberstes Ziel ist die Durchdringung von Regionen ohne Bankenzugang oder – wie es die indische Regierung formulierte – die „finanzielle Inklusion“ der bisher vom etablierten Finanzmarkt Ausgeschlossenen. Die MFIs expandierten und konkurrierten, so dass sich nach einem Konzentrationsprozess sechs Marktführer herausbildeten, die immer mehr Kapital vom internationalen Finanzmarkt in die Dörfer Indiens kanalisierten. Gleichzeitig wuchs im Ausland, vor allem in Luxemburg, die Zahl der Investmentfonds, die ihr Kapital in MFIs anlegen. Bizarrerweise profitierten diese Fonds wie auch die MFIs von der globalen Krise 2008/9, in der nomadisierendes Kapital neue Renditemöglichkeiten suchte. Den Anlegern wurden quasi doppelte Rendite zugesichert, nämlich finanzielle und moralische, weil die Kleinkredite als Patentrezept für Armutsreduktion, zum Frauen-Empowerment und zu Entwicklung schlechthin gepriesen wurden.

Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen

IE

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Author Ed Schipul
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Ein Kommentar zu “Geschäfte mit der Armut”

  1. UP. sagt:

    In fast keinem anderen Land als Indien klafft die Schere zwischen den Ärmsten und Reichsten grösser auf. Und die Tragödie ist, dass sich die zunächst gute Idee der Mikrokredite als Rohrkrepierer für die Kreditnehmer herausgestellt hat.

    Mehrfach wurde auf ARTE, PHOENIX und anderen entsprechenden Kanälen über die verratenen und betrogenen Menschen berichtet. Die Suizidrate der Betroffenen – nicht nur Frauen, die erste Zielgruppe, sondern auch der Mann der Familie – hat dramatische Zahlen erreicht.
    Es wurde von einer Familie berichtet, die regelrecht verleitet wurde, in einem kleinen Baumwollfeld zu investieren. Die Erträge durch Verfall der Baumwollpreise reichte danach nicht einmal für die Rückzahlung der relativ geringen Raten des Kreditbetrages, der sich in Höhen von 100 – 150 € bewegt – ein Betrag, den die Witwe des durch Selbsttötung verstorbenen Ehemannes ihr Leben lang nicht aufbringen werden kann. Das Fatale an der Sachlage ist, dass auch wieder einmal die Kinder in diesen Kreditwucher eingebunden sind und wegen des Geldmangels keine Schulen besuchen können.

    The american way of banking-buisiness ist in Indien bei den Ärmsten angekommen.

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