Gegen das Patriarchat
Erstellt von Redaktion am Freitag 27. Dezember 2019
„Ich glaube an My body, my choice“
Das Interview mit Sascha Lobe führte Patricia Hecht
Der Autor und Blogger Sascha Lobo engagiert sich im Kampf gegen den Paragrafen 219a. Ein Gespräch über feministische Kämpfe und männliche Solidarität.
taz: Herr Lobo, Sie haben die Website des neuen Vereins „Pro Choice“ gebaut, der sich für die Abschaffung des Paragrafen 219a starkmacht. Warum?
Sascha Lobo: Ich möchte keine Gelegenheit auslassen, das Patriarchat zu bekämpfen. Die Geschlechterfrage gehört zu den drängendsten und auch komplexesten Themen unserer Zeit. Was sich hinter scheinbaren Detailfragen wie diesem Paragrafen verbirgt, ist ein großer, umfassender Kampf von Feministinnen.
Sind Sie Feminist?
Ja, und zwar intersektional, sexpositiv, sexarbeits- und transinklusiv, wenn ich auch – etwa in diesem Interview – nicht immer alle sprachlichen Inklusionen abbilde. Feminismus heißt für mich, eine radikale Form von Gleichberechtigung für alle Geschlechter und Sexualitäten zu schaffen. Und sich andererseits bewusst zu machen, wie wirkmächtig und gewalttätig das Patriarchat in der Gesellschaft wütet.
Sie beschäftigen sich vor allem mit Digitalisierung und dem Internet. Wie kamen Sie auf den Paragrafen?
Ich habe das Privileg, mit Privilegien überhäuft zu sein. Als wirtschaftlich unabhängiger, mittelalter, weißer, weitgehend heterosexueller Cis-Mann mit großer medialer Reichweite kann ich mir aussuchen, wofür ich kämpfe. Ich habe keinen eigenen Kampf, denn die heutige Gesellschaft ist bereits um meine Bedürfnisse herum gebaut. Das kann man zum Beispiel an meiner Frisur erkennen. Sie ist einigermaßen lächerlich – und trotzdem werde ich überall gebeten zu sagen, was ich denke. Eine schwarze Frau mit einer solchen Frisur würde in der deutschen Öffentlichkeit wahrscheinlich viel weniger ernst genommen werden. In meiner Freiheit, auszuwählen, was ich gesellschaftlich verändern will, liegt aber auch eine Verantwortung. Und die Bewegung gegen den 219a braucht Geld. Also habe ich gefragt, ob ich helfen kann.
Wen haben Sie gefragt?
Im Sommer gab es einen Spendenaufruf von Aktivistinnen, die sich in der Solidaritätsbewegung für die Ärztin Kristina Hänel engagieren. Durch die Anzeigenserie gegen Ärzte und Ärztinnen und die bizarre Reform des Paragrafen, für die die SPD auch noch Applaus haben wollte, haben die Betroffenen jede Menge Kosten. Ich dachte, ich kann mehr bewirken, wenn ich nicht nur einmalig spende, sondern helfe, die nächste Ebene zu erreichen. Ich kenne mich ein wenig mit Fundraising und Crowdfunding im Netz aus. Beides findet in der Bewegung bisher nur in Ansätzen statt – obwohl gleichzeitig die Gegenseite aufrüstet. Also zum Beispiel antifeministische Männer, oft aus der radikalen Rechten, die Ärztinnen für komplett harmlose Sätze auf ihrer Webseite anzeigen.
Was haben Sie konkret gemacht?
Ich habe Kontakt aufgenommen und angeboten, eine Infrastruktur einzurichten, mit der es einfacher möglich ist, Spenden zu sammeln. Dann habe ich die Domain Pro-Choice.de gekauft und eine Seite für den Verein gebaut, den die Aktivistinnen gründen wollten.
Wie stehen Sie zu Schwangerschaftsabbrüchen?
Ich glaube an das Prinzip „My body, my choice“. In jeder Dimension. Schwangerschaftsabbrüche sollten ganz grundsätzlich nicht strafbewehrt sein.
Gar nicht?
Man sollte ethisch, moralisch und juristisch diskutieren, ab welchem Zeitpunkt genau sie nicht mehr sinnvoll sind. Aber allein, dass sie verboten sind, dass es sich bei Abbrüchen um eine Straftat gegen das Leben handelt und sie im Strafgesetzbuch neben Mord und Totschlag stehen, halte ich für einen absurden Atavismus einer patriarchalen und rassistischen Gesellschaft. Niemand hat das Recht, Frauen Vorschriften über ihre eigenen Körper zu machen.
Auf Ihrer Website, auf der Sie auch Ihre politischen Positionen beschreiben, findet sich kein Hinweis auf die Relevanz von reproduktiven Rechten. Warum haben Sie das bisher nicht öffentlich gemacht?
Ich benenne auf meiner Seite unter anderem mein Eintreten gegen Misogynie, worunter ich die Paragrafen zum Schwangerschaftsabbruch subsumieren würde.
Müssten Sie nicht konkreter werden, um Themen wie die Paragrafen 218 oder 219a sichtbar zu machen?
Reproduktive Rechte hervorzuheben oder nicht, war für mich bisher nicht der zentrale Aspekt. Das Thema ist öffentlich präsenter geworden, deshalb helfe ich mit. Auf die Gefahr hin, dass dann Leute denken, man würde zugunsten der eigenen Prominenz auf fahrende Züge aufspringen. Aber das ist mir völlig egal, allein schon, weil es eindeutig angenehmere Züge gäbe. Ich versuche, Feminismus in meine tägliche Arbeit mindestens einfließen zu lassen. Die Frage ist immer auch, wie lautstark ich mich als Mann äußern sollte, der in der Öffentlichkeit steht.
Wie meinen Sie das?
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Sascha Lobo auf der Re:publica 17
Image: Martin Kraft (photo.martinkraft.com)
License: CC BY-SA 3.0
via Wikimedia Commons
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