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Mit Gott gegen den Yankee

Erstellt von Redaktion am Freitag 8. April 2016

Fromm und rechts in Alabama

File:Alabama schild.jpg

von Serge Halimi

Beim Parteitag der Republikaner in Mobile wurde Donald Trump nicht beim Namen genannt. Die Lokalpolitiker dort fürchten ihn nicht nur wegen seiner radikalen Reden, sondern auch als Yankee aus dem Nordosten. Das Fußvolk der Partei dagegen freut sich über einen Kandidaten, der dem politischen Establishment fernsteht.

Mobile, Alabama, 27. Februar. Drei Tage vor dem „Super Tuesday“ mit Vorwahlen in mehreren südlichen US-Bundesstaaten findet der Parteitag der Republikaner von Alabama im großen Saal des Kongress­zen­trums statt. Einige hundert Landes- und Kommunalpolitiker nehmen da­ran teil.

Überraschenderweise trifft man hier eher einen schwarzen Delegierten als einen Fan von Donald Trump. Dabei scheint der New Yorker Milliardär in Alabama sehr beliebt zu sein, was sich bei den Vorwahlen bestätigen wird. Und die Republikanische Partei besteht hier fast ausschließlich aus Weißen.

Keiner der Redner auf der Tribüne erwähnt den Namen Trump – aber alle haben ihn im Kopf, denn sein erfolgreicher Wahlkampf stellt die Weichen für die Zukunft der Partei. Bei jeder Wahl gibt es ein oder zwei Kandidaten, die innerhalb der Partei nicht sonderlich beliebt sind. Der texanische Senator und Trump-Rivale Ted Cruz zum Beispiel: Den meisten seiner Parlamentskollegen fällt es schwer, diesen unsympathischen Mann zu unterstützen. Aber bei Trump geht es um etwas ganz anderes: um das, was man in der Wirtschaft als „feindliche Übernahme“ bezeichnen würde.

Viele Republikaner und die überwiegende Mehrheit der Parteitagsdelegierten sind nämlich der Ansicht, Trump habe keinerlei politisches Fundament und außer seinem übersteigerten Narzissmus und seinen autoritären Ausbrüchen nichts zu bieten. Der Ruf seiner Luxushotels oder seiner Wodka­marke sei ihm wichtiger als die Zukunft der „Partei von Lincoln und Reagan“. Daher veranstalten die republikanischen Delegierten an diesem Samstag in Mobile ein recht hilflos wirkendes Manöver: Sie bestätigen per elektronischer Abstimmung die Grundsätze ihrer Partei – und fürchten zugleich, dass Trump diese bald zu Konfetti verarbeiten wird.

Abscheu und Verehrung für Trump

Um zu überprüfen, ob das kleine Gerät, mit dem sie über die verschiedenen Anträge abstimmen werden, richtig funktioniert, wählen die etwa 300 Delegierten des Landesverbands zunächst ihren Lieblingskriegsfilm: „Patton“ siegt mit weitem Vorsprung vor „Pearl Harbor“. Die zur Auswahl stehenden Filme und das Ergebnis lassen darauf schließen, dass die Parteivertreter große Schlachten lieben – solche, die mit einem Sieg enden.

Danach folgen die wichtigeren Abstimmungen: 76 Prozent sind dafür, dass die nächsten Vorwahlen in Alaba­ma „geschlossen“ stattfinden, also nur unter registrierten Wählern der Partei. Der Zweck dieser Entscheidung ist klar: 2020 sollen es unorthodoxe Kandidaten wie Trump schwerer haben, demokratische oder parteiungebundene Wähler an die Urnen locken zu können. Beim nächsten Antrag wird die Botschaft an den Casino-Besitzer Trump noch deutlicher: Gefordert wird das Verbot „jeder Form von Glücksspiel“ in Alabama.

Das restliche Parteitagsprogramm ist Routine: Man kritisiert die „zerstörerische Politik von Barack Obama und Hillary Clinton“, erinnert daran, dass der Ausgang der Präsidentschaftswahl auch für das politische Kräfteverhältnis im obersten Gerichtshof entscheidend sein wird, fordert erneut, das Abtreibungsgesetz zu verschärfen, und lehnt ein weiteres Mal schärfere Waffenkontrollen ab.

Am Eingang zum Versammlungssaal werden an mehreren Tischen unter entsprechenden Plakaten die Kandidaten präsentiert, die sich Ende Februar noch im Rennen befinden: Ted Cruz, Marco Rubio, John Kasich und Ben Carson. Anstecker und Aufkleber mit ihren Namen werden verteilt. Donald Trump ist hier nicht vertreten. Die republikanischen Mandatsträger von Alabama rechnen in jedem Fall schon mit einer Katastrophe: entweder im November, wenn Trump verliert, oder danach, wenn er gewählt wird.

Fromm und rechts in Alabama

Dass man ihn hier nicht mag, hat offenkundig nichts mit seinen Schmähungen gegen Muslime zu tun: Im Antrag Nr. 2016-06 wird vorgeschlagen, die USA sollten allen „Flüchtlingen aus Ländern, die Verbindungen zum ­radikalen Islam unterhalten“, das Asyl verweigern. „Man hat den Eindruck, die halbe Welt will in die Vereinigten Staaten kommen und Amerikaner töten“, verteidigt ein Abgeordneter die Eingabe. Sein Statement und die unscharfe Formulierung des Antragstextes machen deutlich, dass hier bestenfalls rudimentäre Kenntnisse der internationalen Politik vorhanden sind. Der französische Reporter im Saal wird ganz naiv gefragt, ob denn die Mehrheit der Bevölkerung seines Landes muslimisch sei. Der Antrag wird mit knapper Mehrheit abgelehnt.

Beim anschließenden Dinner (das zwar 150 Dollar kostet, aber trotzdem nicht schmeckt) sind zwei Drittel der Kellner schwarz, 98 Prozent der Gäste weiß. Jeder der Kandidaten hat einen Vertreter hingeschickt. Im Falle von Ben Carson ist es dessen Sohn. Er greift Trump indirekt an, indem er zu Beginn seiner Tischrede aus der Bibel zitiert: „Hütet euch vor falschen Propheten.“ Sein Vater wird sich 13 Tage später dennoch entschließen, Trump zu unterstützen. Der Redner für Ted Cruz zieht ebenfalls das biblische Register und will damit auf die politische Verlässlichkeit des Kandidaten hinweisen: „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen.“ Marco Rubio hat ein politisches Schwergewicht geschickt: Rick Santorum ist in evangelikalen Kreisen sehr beliebt. Offenbar weniger bekannt ist der Kommunalpolitiker, der anschließend Trumps Kandidatur verteidigt: „Das Beste an ihm ist, dass er die Massen mobilisiert.“

Schließlich folgt der angekündigte Höhepunkt des Abends, der die Organisatoren sicherlich am teuersten zu stehen kam: Mark Geist, ehemaliger Angestellter eines privaten Sicherheitsdienstes in Libyen, heute hoch bezahlter Vortragsredner, erzählt detailliert, wie sich der Angriff auf das US-amerikanische Konsulat in Bengasi im September 2012 abgespielt hat.  Seine Schlussfolgerung, mit der an diesem Abend alle einverstanden sind, ist eindeutig: Die Nachlässigkeit von Hillary Clinton, damals Außenministerin unter Obama, sei für den Tod von Botschafter John Stevens verantwortlich.

Das ist der Ton dieses Wahlkampfs. Dabei sind die Leute hier keine Wutbürger, keine Opfer von Prekarisierung oder der Verlagerung von Arbeitsplätzen. Fast jeder hat seine Reise, das Hotelzimmer und das Essen selbst bezahlt. Beim örtlichen Mindestlohn von 7,25 Dollar – dem niedrigsten im ganzen Land – müsste man dafür zwei bis drei Wochen arbeiten.

Wird die Abscheu dieser republikanischen Parteifunktionäre vor Obama und Clinton am Ende größer sein als ihr Misstrauen gegen Trump? Für Vaughn Poe, einen der wenigen schwarzen Kommunalpolitiker hier, ist das keineswegs sicher. Die Beliebtheit des New Yorker Milliardärs führt er auf den Einfluss von Reality Shows und den Hang der Wähler zum Extremismus zurück.

Mit Gott gegen den Yankee

Quelle: le monde diplomatique >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle – Wikipedia: Alabama Grenzschild am Lee Highway 72 / CC-BY-SA 4.0

Author Andreas Faessler

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