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Frauen in Saudi-Arabien

Erstellt von Redaktion am Montag 18. Juni 2018

Der geplatzte Traum von der Gleichheit

File:Manal al-Sharif (منال الشريف) - Oslo Freedom Forum 2012 (1).jpg

Von Manal al-Sharif

Warum ich nicht nach Saudi-Arabien zurückgehen und mit meinem Sohn Auto fahren kann.

Die jüngsten Verhaftungen von Frauenrechtlerinnen haben kaputt gemacht, was eigentlich in diesem Monat ein historisches Ereignis in Saudi-Arabien hätte sein sollen – die Aufhebung des Fahrverbots für Frauen.

Im vergangenen Oktober habe ich, kurz nachdem bekannt gegeben worden war, dass Frauen von diesem Juni an Auto fahren dürfen, geschrieben: „Zum ersten Mal wage ich es, von einem anderen Saudi-Arabien in den kommenden Jahren zu träumen.“ Und jetzt tut es mir weh, zu sehen, wie meine Hoffnungen und Träume sich in Luft auflösen.

Ich war gerade dabei, letzte Hand an die „Miles4Freedom“-  Website anzulegen, eine neue Kampagne zur Unterstützung saudischer Frauen, die Auto fahren wollen. Dann erreichte mich diese Nachricht: Mindestens sieben saudische Vorkämpferinnen wurden in ihren Wohnungen festgenommen, ohne Haftbefehl, ohne irgendeine Erklärung, ohne Begründung.

Es fällt mir schwer, zu verstehen, was hier passiert ist und warum. Drei der Verhafteten sind Freundinnen von mir, die unermüdlich für Frauenrechte gekämpft haben. Nur sehr langsam wird klarer, was in meiner Heimat gerade geschieht. Der Schluss, den man daraus ziehen muss: Am 24. Juni wird das Fahrverbot für Frauen in Saudi-Arabien endlich aufgehoben. Aber die Verhaftungen sprechen dagegen, dass in dem Königreich wirklich fortschrittliche Veränderungen stattfinden.

Zunächst war ich vollkommen überrascht, ich konnte es nicht glauben. Ich fragte die Familien der festgenommenen Frauen, um eine Bestätigung zu bekommen, bevor ich etwas auf Twitter postete. Aber die Familien wurden vollkommen darüber im Dunkeln gelassen, warum die Aktivistinnen am ersten Tag des heiligen Monats Ramadan festgenommen wurden, eines Monats der Vergebung und der Gnade.

Die am folgenden Tag veröffentlichte offizielle Erklärung war genauso vage und alarmierend wie die Festnahmen selbst. Darin wurden die sieben Verhafteten beschuldigt, eine „Zelle“ gebildet zu haben, die eine Bedrohung der Sicherheit des Staates darstelle, weil sie „mit ausländischen Organisationen Kontakt“ habe, „deren Ziel es ist, die Stabilität des Landes und sein soziales und religiöses Gefüge zu bedrohen“. In den sozialen Medien kursierte bereits ein Hashtag, der sie als „Agentinnen ausländischer Botschaften“ bezeichnete, zusammen mit einer Grafik, auf der ihre Gesichter mit dem Wort „Verräter“ überstempelt sind.

File:Medina Road - Jeddah - Saudi Arabia.jpg

Nach dem ersten Schock über die Festnahmen gab es immer mehr Nachrichten: Drei weitere Frauenrechtlerinnen waren festgenommen worden, diesmal von jener Gruppe, die schon 1990 gegen das Fahrverbot protestiert hatte. Eine von ihnen, Aisha Almane, ist gerade 70 Jahre alt geworden. Ich kenne sie persönlich gut: Für mich ist sie die Großmutter der Frauenrechtsbewegung in Saudi-Arabien. Jedes Mal, wenn ich sie treffe, inspiriert mich ihre Entschlossenheit und spornt mich ihre Leidenschaft an. Das ist eine Frau, die ihr gesamtes als Geschäftsfrau verdientes Vermögen investiert hat, um saudische Frauen durch Bildung zu stärken. Bis zu den Festnahmen hatte ich vorgehabt, vor dem 24. Juni nach Saudi-Arabien zurückzukehren. Ich wollte das Ende des Ramadan mit Aisha Almane und meinem 12-jährigen Sohn Aboudi feiern, der in Saudi-Arabien lebt. Er darf mich nicht in Australien besuchen, wo ich mit meinem anderen Sohn lebe, dem dreijährigen Daniel. Daniel seinerseits darf Saudi-Arabien nicht besuchen, weil sein Vater Brasilianer ist und er weder die saudische Staatsangehörigkeit noch ein Visum für das Heimatland seiner Mutter bekommt.

Ich musste Aboudi am Telefon erklären, warum ich im Juni nun doch nicht komme, warum der erste gemeinsame Roadtrip, den wir mit mir am Steuer je geplant haben, nun doch nicht stattfinden wird. Denn natürlich geistert es mir im Kopf herum: Wäre ich in Saudi-Arabien, wäre ich wahrscheinlich unter den festgenommenen Frauen.

Farasan Islands.jpg

Seit Kronprinz Mohammed bin Salman, im Volksmund MBS, im Juni letzten Jahres zum Nachfolger des Königs bestimmt wurde, ist das jetzt die dritte Verhaftungswelle. Die erste gab es im September, als über 80 Geistliche, einflussreiche Social-Media-Autoren und Universitätsprofessoren ohne erklärten Grund eingesperrt wurden. Die Behörden weigerten sich, Auskunft über die Festnahmen zu geben. Die Begründung dafür: Die Privatsphäre der Häftlinge solle gewahrt werden. Die zweite Welle folgte im November, als Hunderte Geschäftsleute und Beamte festgenommen oder unter Arrest gestellt wurden, angeblich als Schlag gegen die Korruption.

Die Festnahmen stehen im völligen Widerspruch zu den jüngsten ermutigenden Veränderungen, insbesondere den Einschränkungen, die der Religionspolizei auferlegt wurden und den Verbesserungen der Lage von Frauen. Diese wichtigen und mutigen Reformen haben das Profil des jungen und ehrgeizigen Kronprinzen deutlich aufgewertet.

Quelle    :     TAZ        >>>>>       weiterlesen

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Oben    —      Manal al-Sharif

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2.) von Oben   —    Medina Road – Jeddah – SA

Source Own work
Author Ammar shaker

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Unten   —    sunset view from Farasan Island in the Red Sea – Saudi Arabia, Jazan

 

 

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