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Femizide in Österreich

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 12. August 2021

Tödliches Pflaster für Frauen

Von Ralf Leonhard

17 Femizide wurden 2021 in Österreich verübt. Gleichzeitig wer­den Fall­kon­fe­ren­zen seltener und es fehlt Geld für Frauenhäuser und Initiativen.

Mitte Juli wird in Graz eine 17-Jährige in ihrer Wohnung mit tödlichen Schnitt- und Stichverletzungen aufgefunden. Tot ist auch der fünf Monate alte Fötus in der werdenden Mutter. Als Tatverdächtigen nimmt die Polizei wenig später den 19-jährigen Freund der jungen Frau fest.

Im April starb eine 35-jährige Frau, die der Ex-Partner in ihrer Wiener Trafik mit Benzin überschüttet und angezündet hatte. Der mutmaßliche Täter gestand die Tat, leugnete aber die Tötungsabsicht. Ende April wurde kurz nach dem tödlichen Schussattentat auf eine Krankenschwester deren ehemaliger Lebensgefährte festgenommen. Es handelt sich um den Betreiber eines Craft-Beer-Lokals, den die Öffentlichkeit seit Jahren als „Bierwirt“ kennt. Er hatte wegen Persönlichkeitsrechts gegen die Grünen-Fraktionschefin Sigrid Maurer geklagt, weil sie obszöne Postings, die von seinem Computer versandt wurden, öffentlich gemacht hatte. Der Prozess wurde inzwischen eingestellt, der „Bierwirt“ hatte seine Anzeige nach mehreren juristischen Instanzen zurückgezogen.

Österreich ist ein tödliches Pflaster für Frauen. Nach einer Zählung der „Autonomen Österreichischen Frauenhäuser“ sind im Jahr 2021 bis jetzt 17 Frauen in Österreich ermordet worden. In mindestens 22 weiteren Fällen überlebte das weibliche Opfer den Mordversuch oder schwere Gewalttaten, die auch tödlich hätten ausgehen können. Tatverdächtig ist fast immer der Partner oder Ex-Partner, Auslöser meist die bevorstehende oder vollzogene Trennung.

In einer Statistik, die Eurostat im Herbst 2020 veröffentlichte, wird Österreich als das einzige EU-Land geführt, wo mehr Frauen als Männer Gewaltverbrechen zum Opfer fallen. Einen Höchstwert erreichten Femizide in Österreich 2018, als 41 Opfer registriert wurden – mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2014. 2020 waren es 31. Für die feministische Schriftstellerin Marlene Streeruwitz ist es das katholische Erbe, das im Land der erfolgreichen Gegenreformation eine latente und offene Frauenfeindlichkeit erzeugt habe. Dass nicht wenige der Femizide von muslimischen Zuwanderern verübt werden, ist für sie im Interview mit der taz kein Widerspruch: „Es gibt einen Schulterschluss zwischen Fundamentalismen jeder Art.“

Relativ sicher, nur nicht für Frauen

Für die Linzer Psychiaterin und Gerichtsgutachterin Adelheid Kastner gibt es noch eine andere Erklärung. „Wir haben eine geringe Zahl an männlichen Opfern, weil Männer meist in kriminellen Subkulturen und eskalierenden Streiten getötet werden“, so Kastner vergangenen Mai in der Tageszeitung Der Standard. Es gebe in Österreich wenig Bandenkriminalität und keine Tradition, Waffen mitzuführen, wenn sich „die Männer im Wirtshaus ansaufen“. Kastner weiter: „Wir sind ein relativ sicheres Land, was das betrifft. Für Frauen sind wir nicht so sicher, weil sie in über 90 Prozent der Fälle in Beziehungskonstellationen getötet werden.“ Sie trifft sich in ihrer Analyse aber mit Streeruwitz, wenn sie die dahinterstehenden Rollenbilder verantwortlich macht.

Nach jedem Femizid ruft das feministische Bündnis „Claim the Space“ zu einer Kundgebung am Wiener Karlsplatz auf. Es orientiert sich an der 2015 in Argentinien entstandenen Bewegung „ni una menos“, die sich als „kollektiven Aufschrei gegen machistische Gewalt“ definiert. Gelegentlich wird auch in größeren Demonstrationen gegen Gewalt an Frauen protestiert. Zuletzt im vergangenen Mai. Mit dem Slogan „Stoppt Femizide, man tötet nicht aus Liebe“ wandte sie sich auch gegen die Boulevardpresse, die Frauenmorde oft als „Beziehungstat“ verharmlost.

Österreich hat eigentlich gute Gesetze, um Frauen zu schützen. 1997 trat in Österreich das Gewaltschutzgesetz in Kraft. Das war Pionierarbeit, weil nicht mehr die – meist weiblichen – Opfer häuslicher Gewalt aus der Wohnung fliehen müssen, sondern die Täter von der Polizei weggewiesen werden können. Sie kann Gewalttäter selbst aus deren eigener Wohnung weisen und über sie ein Rückkehrverbot verhängen. 2020 wurden 11.652 Betretungs- und Annäherungsverbote ausgesprochen.

Doch obwohl die Regelung regelmäßig angewandt wird, also dass Männer und nicht Frauen das eigene Zuhause verlassen müssen, sind die Frauenhäuser in Österreich weiterhin überfüllt. Und immer wenn die konservative ÖVP mit der rechten FPÖ koaliert, sind Rückschritte paktiert. So wurde unter der türkis-blauen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) das Budget für Fraueninitiativen, die nicht in das konservative Weltbild passen, gekürzt. Die Fallkonferenzen, bei denen in Fällen akuter Gewaltdrohungen Frauenschutzorganisationen und Polizei präventive Maßnahmen diskutieren und planen konnten, wurden 2018 ohne Begründung abgeschafft. Unter Türkis-Grün sind sie wiederbelebt worden, doch jetzt nur auf Initiative der Polizei. Früher habe es allein in Wien bis zu 80 Fallkonferenzen gegeben, vergangenes Jahr keine einzige, sagt Maria Rösslhumer, die Leiterin der Autonomen Frauenhäuser.

Es fehlt das Geld für die Opferhilfe

Quelle        :        TAZ-online        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Demonstration am Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen am 25. November 2019 in Mexiko-Stadt vor dem Anti-Monumento (Gegen-Denkmal) „Ni Una Más“, das zum Internationalen Frauentag am 8. März 2019 vor dem Palacio de Bellas Artes errichtet wurde[79]

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