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Expedition „Mosaic“ : Arktis

Erstellt von Redaktion am Freitag 31. Januar 2020

„Die Arktis ist schon in einem neuen Modus“

Hans-Insel

Das was Politik nicht weiß oder wirtschaftlich nicht wissen darf, erklärt  hier die Physikerin Dorothea Bauch.

Das Interview führte Fruederike Grabitz

Die Physikerin Dorothea Bauch war mit „Mosaic“, der größten Polarexpedition unserer Zeit, in der Arktis. Im taz-Interview erzählt sie von der Forschung und dem Alltag auf dem Expeditionsschiff.

taz: Du* kommst gerade von der Mosaic-For­schungs­expe­di­ti­on im Polarmeer. Was hat dich motiviert, über drei Monate in Dunkelheit und bei Kälte bis minus 45 Grad zu arbeiten?

Dorothea Bauch: Für mich als Wissenschaftlerin war das wahnsinnig faszinierend, im Polarwinter wissenschaftlich zu arbeiten. Das war bisher, wenn überhaupt, nur im Sommer möglich.

Euer Schiff, die „Polarstern“, driftet auf den Spuren von Fridtjof Nansen, der sich 1893 mit seinem hölzernen Forschungsschiff „Fram“ in der Eisdrift einfrieren ließ. Warum ist die Forschung im arktischen Winter auch heute noch so schwierig?

Die „Polarstern“ hat sich ja ins Eis gesetzt und bewegt sich mit ihm. Allein schon dorthin zu kommen ist eine Herausforderung. Wenn ein Eisbrecher bei seiner Fahrt Gegenwind hat, kann es sein, dass er sich zwar innerhalb des Eises bewegt, sich aber aufgrund der Eisdrift als Nettobewegung rückwärts bewegt. Als ich mit den Forschern des ersten Expeditions-Abschnitts abgeholt wurde, haben wir von 86° Nord bis Tromsø in Norwegen drei Wochen gebraucht, es hätte aber auch nur eine sein können.

Warum ist es denn wichtig, die Arktis im Winter zu erforschen?

Bisher haben wir für den Polwinter Schätzwerte aus Sommerdaten verwendet. Aber das funktioniert nicht wirklich, denn es gibt dort Mechanismen oder Prozesse, die es anderswo nicht gibt. Wir kennen zum Beispiel Wolken, die sich vor dem Mund bilden, wenn wir bei frostigem Wetter ausatmen. Diese Kondensation gibt es in der Arktis oft nicht. Wolkenbildung funktioniert dadurch grundlegend anders. Und die Prozesse am Pol beeinflussen das Klima hier – so gesehen, ist die Arktis nicht weit weg.

Was ist noch besonders an der Expedition?

Vor allem die Größe: es sind ja sechs Expeditionen hintereinander, die sich von September 2019 bis September 2020 über ein ganzes Jahr erstrecken. Das Ziel von „Mosaic“ ist, die Prozesse im Polarmeer, Eis und Atmosphäre zu verstehen. Dadurch, dass so viele Wissenschaftler aus unterschiedlichen Fachrichtungen dabei sind und wir vernetzte Geräte auf dem Eis installiert betreiben, haben wir die Möglichkeit zur Vernetzung von Fragen wie: In welcher Wechselwirkung stehen der Wind, das Eis, Schneedicke und Gasfluss? Ich selbst habe mit Kollegen Eis-Bohrkerne in Hinblick auf Gasflüsse und Eisbildungsprozesse untersucht. Das Meereis spielt ja eine Rolle für den Transport von Methan.

Methan ist als Gas 34-mal so klimaschädlich wies CO2. Welche Bedeutung hat eure Forschung für das Verständnis des Klimawandels?

Es geht um ein grundlegendes Verständnis für das Erstellen von Prognosen. Wir wollen nicht untersuchen, ob es den Klimawandel gibt. Das ist wissenschaftlicher Konsens, so wie man einen Mediziner nicht fragen würde, ob es Krebs gibt. Es geht darum, zu beobachten, wie sich die Arktis durch ihn verändert. Weil jetzt die Eisdecke im Sommer zusammenbricht, gehen wir davon aus, dass die Arktis sich schon in einem neuen Modus befindet.

Du warst im Sommer 2015 schon einmal mit der „Polarstern“ am Nordpol. Hast du dort eine Klimaveränderung wahrgenommen?

Vier Jahre sind zu kurz, um das in Bezug auf Klimaveränderungen zu vergleichen. Aber insgesamt ist das Eis weniger dick. Als wir jetzt ankamen und unser Forschungscamp aufbauen wollten, war es nicht einfach, dafür überhaupt eine geeignete Scholle zu finden.

Welche praktischen Folgen hat es, wenn das Polareis dünner wird?

Es gibt Feedback-Mechanismen, die das System entweder eine Weile stabil halten oder es komplett aus dem Gleichgewicht bringen. Das hat großen Einfluss auf den Wärmehaushalt der Erde. Dann haben wir zum Beispiel Auswirkungen auf die Schifffahrtswege. Und durch ein Steigen des Meeresspiegels werden soziale Konflikte und große Flüchtlingsströme von Menschen, die ihre Heimat verlieren, wahrscheinlicher.

In der Vorbereitung auf die Expedition hast du unter anderem Schießen gelernt.

Quelle      :       TAZ        >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen         :

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