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Eine steile These

Erstellt von Redaktion am Sonntag 22. März 2020

Die Missachtung der Mathematik hat die Coronakrise verschärft

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Blick auf die Berliner Charité – Wenn nichts wissende Politiker Rat bei gut bezahlten Experten suchen ?

Von Gunnar Hinck

Christian Drosten, für die Medien der „Chefvirologe der Berliner Charité“, ist der Mann der Stunde. Die Zeit fragt: „Ist das unser neuer Kanzler?“. Das ist bemerkenswert, denn Kanzlerfähigkeit attestiert die Hamburger Wochenzeitung nur sehr selten. Schließlich ist für sie das Maß aller Dinge der Ex-Kanzler, Krisenmanager und Allesversteher Helmut Schmidt, der jahrzehntelang ihr Herausgeber war.

Die Christian Drostens der Republik sind gerade gefragt, ihre wissenschaftlichen Ratschläge begehrt. Die Öffentlichkeit hängt an ihren Lippen, weil sie erklären, wie das so funktioniert mit den Viren und wie schnell sich Covid-19 verbreitet.

Die derzeitige Bewunderung für die Wissenschaftler ist die Kehrseite von gesellschaftlicher Gleichgültigkeit in normalen Zeiten. Wenn nicht gerade eine Pandemie ausbricht, sind Virologen, Naturwissenschaftler generell sowie auch Mathematiker die Nerds, denen man nicht richtig zuhört. Wäre Deutschland ein Haus, würden die Christian Drostens im Keller leben. Abgeschieden forschen sie vor sich hin, während die Bewohner der oberen Etagen durchaus froh sind, dass sie da unten leben – man könnte sie ja mal brauchen.

Naturwissenschaftler sind in normalen Zeiten eine stille Provokation für die Mehrheitsgesellschaft, weil sie das tun, was viele wollen. Sie gehen einer sinnhaften Beschäftigung nach und pfeifen darauf, was in der gehobenen Berufswelt sonst zählt: oberflächliches Sozialprestige, Blenden, Bluffen, Geld. Sie könnten, wenn sie wollen, ihre Intelligenz problemlos in ein viel höheres Einkommen ummünzen. Die Unternehmensberatung McKinsey etwa, wo überzahlte Berater Unternehmen oder dem Staat das Geld aus der Tasche ziehen, versucht seit Jahren, gezielt Mathematiker und Physiker zu rekrutieren.

Christian Drosten, gelernter Arzt, entschied sich, im Labor zu verschwinden und zu forschen. Als Ober- oder Chefarzt im wehenden weißen Kittel hätte er bereits früher viel Anerkennung bekommen können.

Naturwissenschaftler konzentrieren sich auf einen so altmodischen Wert wie Erkenntnisinteresse. Sie wollen wissen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und nicht so, wie wir sie uns wünschen.

Mathe-Nerds sind schon in der Pubertät oft die Außenseiter. Nerds tanzen eher ungelenk und verbringen zu viel Zeit mit Science-Fiction-Lektüre. Sie sind eher unsportlich und tragen praktische Kleidung. Ihr Interessensgebiet ist für andere unsexy und schwer zu durchschauen. Natürlich trifft das nicht auf alle zu, sondern, wie Naturwissenschaftler sagen würden, auf eine Teilmenge. Allerdings eine relativ große.

Nerds werden erst mit Ende zwanzig außerhalb der eigenen Population sexuell und fortpflanzungstechnisch interessant, wenn sie einen Titel tragen und weiter gekommen sind als der hippe Hobby-DJ aus der gleichen Schulkasse, der immer noch irgendwelche Projekte macht.

Gerade Mathematik, die Grundlage der Naturwissenschaften, ist uncool – zumindest in Kreisen, die zwar nicht unbedingt an den Schalthebeln der Macht sitzen, aber den Zeitgeist und den gesellschaftlichen Geschmack entscheidend mitbestimmen.

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In den sogenannten klassisch gebildeten Milieus ist es sozial akzeptiert, wenn man damit kokettiert, schlecht in Mathe gewesen zu sein. Kein Mensch in diesen Milieus würde zum Beispiel auf einer Party beim Smalltalk zugeben, dass er noch nichts von Goethe gelesen hat; das würde den sozialen Tod bedeuten.

Diese Haltung zeigt sich auch bei vielen, die derzeit an den föderalen Hebeln sitzen. Sie mögen zwar Goethe kennen, konnten sich aber meist nicht vorstellen, dass bei einer Exponentialkurve eine anfangs scheinbar harmlose Zunahme der Infizierten plötzklich so durch die Decke schießt. Das hat Folgen, die derzeit Tote fordern.

Quelle      :            TAZ       >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben        —       Potsdamer Platz; Blick vom Hochhaus

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2 Kommentare zu “Eine steile These”

  1. Coffebreakblog sagt:

    Wahrend US-Linke bisweilen Skandinavien idealisieren, vermuten Rechte dort eine sozialistische Vorholle. Zuletzt verglich Fox News Danemark mit Venezuela. Nur eine steile These von vielen.

  2. Homedika sagt:

    Damit treffen Sie den Nagel auf den Kopf. Genau das wollte ich ja zum Ausdruck bringen. Fur Sie ist das allerdings eine Kritik bzw. problematisch, aus meiner Sicht aber gerade nicht. Es geht mit der Extremismustheorie in der Tat nicht vorrangig darum, das Menschenbild von links und rechts spezifisch zu analysier 3FC0 en (das passiert allerdings in den Einzelstudien dennoch auf der zweiten Ebene, also der Ebene der Phanomenologie, dazu gibt es durchaus verschiedene Studien in der Exremismusforschung). Die Extremismustheorie versucht zunachst auf der ersten Ebene die Frage zu beantworten: Vor welchen politischen Gruppierungen muss sich der demokratische Verfassungsstaat schutzen? Und auf diese Frage kann man gar keine andere Antwort geben als: Anti-Demokraten. Und da es diese nun einmal von rechts wie von links geben kann, erfolgt naturlich in diesem einen Punkt eine Gleichsetzung , aber eben nur in diesem einen Punkt. Wonach sollte der demokratische Verfassungsstaat auch sonst urteilen? Die Alternative ware ja eine ideologische Gesinnungsprufung. Das hatte aber mit einer demokratischen Gesellschaft und Meinungsfreiheit nicht mehr viel zu tun. Gerade wenn man eine offene, demokratische und pluralistische Gesellschaft will, MUSS der Staat auf eine ideologische Gesinnungsprufung verzichten und sich auf das Demokratiekriterium beschranken (das ubrigens als obersten Wert die Menschenwurde und damit die Menschenrechte EINSCHLIESST).

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