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Eine politische Analyse II

Erstellt von Redaktion am Montag 20. November 2017

Irrlehren der Wirtschaftswissenschaft:
Geldschöpfung (Teil 2)

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Geldschöpfung

politische analyse

Der akademische Streit um die Quellen, Rechtmäßigkeit und Auswirkungen der Geldschöpfung hat für den Alltag der meisten Menschen keine Bedeutung. Denn er wird oft auf der Ebene von Theorien ausgetragen, die mit der Wirklichkeit wenig zu tun haben. Aber alleine die Wirklichkeit ist der Gradmesser für die Schlüssigkeit eine Weltbildes. Wenn Theorie und Wirklichkeit nicht übereinstimmen, ist immer die Theorie falsch. Deshalb gilt auch für die Geldschöpfung: Wie vollzieht sich die Geldschöpfung in der Wirklichkeit, wie entstehen Kredit und Schulden in der Wirklichkeit?

Wer Schulden machen will, braucht Kredit. Wer Kredit haben will, muss Sicherheiten bringen. Keine Bank vergibt Geld ohne Sicherheiten. Die Anforderungen an die Sicherheiten sind wohl unterschiedlich je nach Gesetzeslage, Marktlage und Risiko. Aber ohne sie wird kein Kredit vergeben, kein Geld verliehen, weder auf der privaten noch auf der Ebene der Staaten. Wer also behauptet, dass die Banken unbegrenzt Kredite vergeben, hat vermutlich noch nie einen in Anspruch genommen oder beim Kreditantrag geschlafen.

Dabei ist der Rahmen der Kreditvergabe immer abhängig von der Kreditwürdigkeit sowohl des Kreditnehmers als auch der Bank. Denn auch sie kann nur soviel Kredite ausgeben, wie es der Rahmen der Gesetze (z.B. Mindestreserve) und der Regulierungen (z.B. Basel I, II usw.), aber auch die eigene Bonität zulassen. Wissen das die Verschwörungstheoretiker und Wirtschaftsgelehrten nicht oder ist ihnen die Wirklichkeit zu banal?

Woher aber erhalten die Geschäftsbanken das Geld für den Kredit? Entgegen verschiedener Lehrmeinungen (Geldschöpfung Teil 1: Falsche Ansichten zum Geld?) entsteht es nicht aus dem Prozess der Kreditvergabe selbst, sozusagen als unbefleckte Empfängnis des Geldverkehrs. Das Geld für die Kreditvergabe erhalten die Banken aus verschiedenen Quellen. Da sind zum einen die Einlagen der Sparer, zum anderen der Interbankenverkehr, also die Kreditvergabe unter den Banken, drittens die Kredite der Notenbanken und das Eigenkapital. Diese Quellen werden unterschiedlich stark je nach Marktlage in Anspruch genommen.

Seit der Finanzkrise und der späteren Eurokrise haben einige Änderungen stattgefunden, die aber am Prinzip der Geldbeschaffung nichts geändert geändert haben. So befindet sich der Interbankenhandel auf dem Rückzug, weil einerseits die Banken untereinander misstrauischer geworden sind und andererseits die EZB die Geschäftsbanken ausreichend mit billigem Geld versorgt. Die EZB hat im Verlauf der Entwicklung besonders nach der Eurokrise ihre Politik der Geldvergabe geändert. Zuerst weichte sie die Bedingungen der Kreditvergabe auf. Wurden früher Kredite an Geschäftsbanken nur ausgegeben gegen Hinterlegung erstklassiger Sicherheiten, in der Regel Anleihen mit AAA-Rating, so wurden später auch Sicherheiten minderer Qualität akzeptiert. Das war kein hinterhältiger Plan verschworener Kreise, sondern die damals einzige Möglichkeit, die Kreditvergabe gegen Hinterlegung von Sicherheiten auszudehnen. Aber auch hierbei gilt festzuhalten, dass die EZB nicht wahllos aus dem Füllhorn Geld über die Finanzmärkte ausschüttete, sondern von den Geschäftsbanken ebenso Sicherheiten, wenn auch in minderer Qualität, verlangte wie die Geschäftsbanken gegenüber dem privaten Kreditnehmer.

Für beide aber galt, dass der Kredit mit Sicherheiten hinterlegt sein musste. Diese bestehen in erster Linie in Sachwerten, also Immobilien, Wertpapiere, Produktionsanlagen. Der Kredit gründet sich also auf das Vorhandensein materieller Werte, nicht auf eine Idee wie der Schaffung des Kredits aus dem Vergabeprozess. Er entsteht demnach aus Vorhandenem, bereits Geschaffenem und weitestgehend Schuldenfreiem, was auch die wuchernden Schuldentheorien widerlegt, die Wirtschaftstätigkeit auf das Vorhandensein von Schulden gründet. Insofern ist der Kredit mit der Beleihung von Sachwerten nichts anderes als ein noch nicht vollzogener Verkauf dieser als Sicherheiten hinterlegten Sachwerte.

Wenn der Kreditnehmer, egal ob Geschäftsbank oder Privatmann, den Kredit beim Kreditgeber bedient, das heißt die vereinbarten Zinsen zahlt und nach der vereinbarten Laufzeit tilgt, erhält er die alleinige Verfügungsgewalt über die Sachwerte zurück, die er an den Kreditgeber verpfändet hatte. Der Verkauf der an den Kreditgeber verpfändeten Sicherheit wird nicht vollzogen, da der Kreditgeber in vollem Umfang bedient wurde.

Kann der Kreditnehmer, die Bedingungen des Kreditvertrages nicht erfüllen, dann ist der Kreditgeber berechtigt, sich aus der hinterlegten Sicherheit schadlos zu halten, d.h. er kann sie zur Deckung seiner Forderung vermarkten. Das gilt für das Verhältnis zwischen Notenbank und Geschäftsbank genau so wie zwischen Geschäftsbank und privatem Kreditnehmer. Wenn der Schuldner nicht zahlen kann, darf der Gläubiger sich am Vermögen des Schuldners schadlos halten. Das war schon immer so, seit es Kredite gibt und besteht auch weiterhin so, weil es ein Verfahren ist, das sich über die Jahrhunderte entwickelt und dadurch auch als erfolgreich erwiesen hat. Und es machte keinen Unterschied, ob der Kreditgeber Rothschild hieß oder Fugger oder Medici, Jude war oder „guter“ Christenmensch. Den Gesetzen des Marktes sind Nationalität und Religion egal.

Infolge der Verwerfungen an den Finanzmärkten durch die Eurokrise hat sich aber die Politik der EZB geändert. Mittlerweile nimmt sie die Anleihen der Geschäftsbanken nicht mehr als Sicherheit für die Geldvergabe, sondern sie kauft sie den Banken ab, um den Markt mit noch mehr Geld zu versorgen. Sie hofft, damit die Kreditvergabe stärker anregen zu können, weil sie nach ihrem Bild von Kapitalismus glaubt, dass Investition und Wirtschaftswachstum um so höher sind, je billiger das Geld ist. Das ist der Irrtum. Aber es ist auch die einzig verbliebene Möglichkeit, um von institutioneller Seite die Wirtschaftstätigkeit anzuregen. Doch letztlich entscheidend für die Investitionsentscheidung eines Unternehmers ist nicht die Zinshöhe sondern die Aufnahmefähigkeit des Marktes. Wenn diese nicht gegeben ist, wird ihn kein Zinssatz der Welt dazu bewegen, in einen Markt zu investieren, der aufgrund der herrschenden Überkapazitäten keine Aussicht auf Rendite erwarten lässt. Und deshalb schließt Siemens seine Generatorensparte, nicht weil die Zinsen zu hoch sind sondern die Überkapazitäten auf diesem speziellen Markt.

Wenn nach der Bedienung der Verbindlichkeiten aus dem Kreditverhältnis der Kreditnehmer alle Schulden, also das entliehene Geld, zurückgezahlt hat und der Kreditgeber sein verliehenes Geld zurückbekommen hat, ist doch nur die Ausgangssituation wieder hergestellt. Der Kreditgeber verfügt dann wieder über dieselbe Summe, die er vor der Kreditvergabe gehabt hat. Es ist also aus dem reinen Verleihvorgang, dem Kredit, kein neues Geld entstanden, sondern das Geld ist in der gleichen Höhe wieder an seine Quelle zurück geflossen. Bei der derzeitigen Höhe des Leitzinses der EZB und auch anderer Notenbanken von Null Prozent hat die Notenbank kein neues Geld erhalten sondern nur das, das sie an den Kreditnehmer verliehen hatte.

Das einzige Geld, das in diesem Vorgang der Kreditvergabe neu entstanden ist, ist der Betrag für den ZINS. Dabei muss vorausgesetzt werden, dass er höher als Null Prozent liegt, was bei den Geschäftsbanken im Gegensatz zur EZB derzeit noch der Fall ist. Der Zinsbetrag ist der Ertrag des Geldverleihers. Hier wurde neuer Wert geschaffen. Die Quelle dieses neuen Wertes ist die Arbeitskraft. Aber das sei hier erst nur einmal dahin gestellt, ohne dass es im weiteren Verlauf des Themas Geldschöpfung ausführlicher erklärt werden soll.

Die Frage, die im Falle des Kredits noch nicht beantwortet ist, ist die nach dem Ursprung des Geldes, das die EZB oder die Notenbanken generell verleihen. Das ist vermutlich auch der Punkt, an dem sich die vielen Spekulationen und Verschwörungstheorien entwickeln. Ist im Falle der Geschäftsbanken noch nachvollziehbar, dass diese ihr Geld aus den oben erwähnten Quellen erhalten, auch wenn das sogar von einigen mittlerweile angezweifelt wird, die sich mit der Wirklichkeit nicht zu beschäftigen scheinen, so scheint es über der Notenbank keine Institution zu geben, von der diese sich das Geld besorgen kann, das sie verleiht. Das ist richtig und dadurch kann auch der Eindruck entstehen, dass sie das Geld aus dem „Nichts“ schöpft.

Aber die Notenbanken verleihen nicht nur Geld, sie erhalten auch welches. So erhielten sie in den Zeiten des „Normalbetriebs“ der Finanzmärkte, also vor Lehman-Pleite und Eurokrise, Zinsen auf das von ihnen an die Geschäftsbanken entliehene Geld. Heute erhalten sie kaum noch Zinsen auf das entliehen Geld, aber die Zinszahlungen aus den Anleihen, die sie den Geschäftsbanken abgekauft haben. Diese Einnahmen decken aber nicht die Summen ab, die die EZB für den Kauf der Anleihen ausgeben hat. Sie hat sich also neues Geld beschaffen müssen, indem sie ihre Bilanz ausgeweitet hat. Diese ist auf mittlerweile über 4 Billionen Euro angeschwollen.

Aber im Gegensatz zu allen anderen Kreditnehmern muss die EZB auf diese Summe keine Zinsen zahlen. Sie hat kein Kreditverhältnis gegenüber Dritten, aus dem die Gefahr einer Zahlungsunfähigkeit erwachsen könnte. Denn sie muss keine Zinsen zahlen und auch nicht innerhalb einer vertraglich vereinbarten Frist das aufgenommene oder neu geschaffene Geld tilgen. Zudem sind diese 4 Billionen der EZB keine Schulden. Denn sie hat dafür Anleihen gekauft, also Werte, die sie wieder über die Börse oder bei den Banken vermarkten kann. Sie wird beim Verkauf der Wertpapiere wieder Geld dafür zurück erhalten. Eine andere Frage, die im Moment niemand beantworten kann, ist, ob die EZB die angekauften Papiere mit Gewinn oder Verlust wieder veräußert. Dieses durch den Verkauf an die EZB zurückgeflossene Geld kann wieder aus dem Geldkreislauf genommen und sogar auch vernichtet werden, wenn es den geldpolitischen Zielen der EZB angemessen erscheint. Es wird also wieder dorthin zurück gehen, wo es hergekommen ist, dem „Nichts“.

Aber dieser Vorgang ist nicht Neues, weshalb die Aufregung in der Öffentlichkeit und auf den speziellen Foren nicht nachvollziehbar ist. Sie ist allein dem Mangel an Wissen und Erkenntnis und dem Übermaß an Weltuntergangsfantasien geschuldet. Denn auch in den Zeiten des „Normalbetriebs“ an den Finanzmärkten haben die Notenbanken, auch die verherrlichte Deutsche Bundesbank, nicht anders gehandelt. Auch damals wurde Geld aus dem „Nichts“ geschaffen. Jedes Mal wenn die Bundesbank den Geschäftsbanken einen Zins- oder Mengentender (Verfahren der Geldzuteilung) frischen Geldes zum Ersteigern anbot, handelte es sich um Geld, das noch nicht erwirtschaftet worden war. Dieses Geld, um das die Geschäftsbanken sich bemühten, war ein Vorschuss der Bundesbank auf die Ertragskraft der deutschen Wirtschaft. Es war noch nicht durch Wirtschaftstätigkeit geschaffen worden. Um diesen Betrag wurde die damalige Geldmenge der D-Mark ausgeweitet, später auch des Euro ausgeweitet.

Die Geschäftsbanken griffen zu in der Hoffnung, aber auch auf dem Hintergrund ihrer Geschäftserfahrung, dass sie dieses Geld an Kredit suchende Kunden weiterreichen konnten. Die Ertragskraft der Unternehmen, bei den Privatkunden die Ertragskraft ihrer Arbeitskraft sorgten im Regelfalle dafür, dass der entliehene Betrag zuzüglich der vereinbarten Zinsen an die Geschäftsbanken zurück floss. Ebenso zahlten die Geschäftsbanken den entliehenen Betrag bei der Bundesbank zuzüglich der vereinbarten Zinsen zurück.

Das Verfahren der Geldschöpfung ist im Wesentlichen gleich geblieben. Es ist ein Vorschuss auf künftige Entwicklung. Nur die Summen sind größer geworden und die Angst in Teilen der Bevölkerung nach der Lehman-Pleite und den Erschütterungen der Finanzmärkte danach. Das liegt aber in erster Linie daran, dass man sich früher nicht für den Prozess der Geldschöpfung interessiert hatte und nun, angesichts der Bedrohung, die der moderne Kapitalismus für die Finanzmärkte brachte, sich vielen Vorgängen gegenüber sieht, die man nicht durchschaut. Aber da handelt es sich nicht um Mysterien. Das ist alles nachvollziehbar, wenn man denn versucht zu verstehen und die Wirklichkeit an sich heranlässt. Wer aber überall nur Hinterlist und Verschwörung vermutet und sich an diesem Bild festklammert, wird die Wirklichkeit nicht erkennen. Aber nur die Erkenntnis über die wirklichen Abläufe ist die Voraussetzung für die Überwindung der Angst.

Geldschöpfung Teil 1: Falsche Ansichten zum Geld?

Rüdiger Rauls Buchveröffentlichungen:

Wie funktioniert Geld? Buchbeschreibung

Kolonie Konzern Krieg – Stationen kapitalistischer Entwicklung Buchbeschreibung

Zukunft Sozialismus oder die Grenzen des Kapitalismus Buchbeschreibung

Die Entwicklung der frühen Gesellschaften-Die Geschichte Afghanistans Buchbeschreibung

Was braucht mein Kind? Buchbeschreibung

Späte Wahrheit (Prosa) Buchbeschreibung

Herausgeber von:

Imre Szabo: Die Hintermänner ( ein politischer Krimi)Buchbeschreibung

Imre Szabo: Die Unsichtbaren ( ein politischer Krimi)Buchbeschreibung

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Grafikquelle     :

Beschreibung Anteile und Strukturen in der Natürlichen Ökonomie
Quelle Eigenes Werk
Urheber bzw.
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Dennis Söhl
Datum 04. April 2013
Genehmigung genehmigt

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