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Eine neue Uno in alter Welt?

Erstellt von Redaktion am Sonntag 21. April 2019

Für eine UNO der dritten Generation

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Von Jo Leinen und Andreas Bummel

Vor hundert Jahren schlug die erste demokratische Regierung Deutschlands ein Weltparlament vor. Wir brauchen es dringender denn je.

Bei den Vereinten Nationen in New York und in vielen Hauptstädten ist von einer tiefen Krise des Multilateralismus die Rede. Die Attacken von US-Präsident Donald Trump gegen das Pariser Klimaabkommen, die Welthandels­organisation, die Zusammenarbeit in der Nato, die US-Finanzierung wichtiger UN-Programme oder den Menschenrechtsrat, ja sogar gegen den Weltpostverein sind nicht ohne Wirkung geblieben. In einem Akt verzweifelter Symbolpolitik begeht die UNO am 24. April 2019 sogar einen neuen internationalen Tag „für Multilateralismus und Friedensdiplomatie“.

Es herrscht Verunsicherung. Die Klimakrise spitzt sich zu und jeder weiß, dass die Gegenmaßnahmen der internationalen Gemeinschaft nicht ausreichen. Wegen der Blockade des Sicherheitsrates hat die UNO in Syrien versagt. Das höchste UN-Gremium ist kaum noch glaubwürdig und das Vetorecht der ständigen fünf Mitglieder nicht mehr zu rechtfertigen. Es gibt internationale Spannungen mit den Atommächten Russland und China. Großbritannien hat sich mit dem Chaos-Brexit derweil selbst ins Abseits manövriert. Von Emmanuel Macrons „Pariser Friedensforum“ im vergangenen Jahr, bei dem er 65 Staats- und Regierungschefs versammelte, um über eine Verbesserung der Global Governance zu sprechen, sind wenig Impulse ausgegangen. Die von Außenminister Heiko Maas initiierte Allianz für Multilateralismus muss erst noch Form annehmen und mit konkreten Anliegen verknüpft werden. Währenddessen beobachten Demokratieforscher den möglichen Beginn einer weltweiten Autokratisierungswelle. Erstmals seit 1940 soll es 2017 mehr Staaten gegeben haben, die im Hinblick auf Demokratisierung Rückschritte statt Fortschritte gemacht haben. Für die globale Kooperation verheißt eine Schwächung der Demokratie und ein anhaltender Aufstieg nationalistischer Führungsfiguren nichts Gutes.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter Demokratie ohne Grenzen, fordern, dass das bevorstehende 75. Jubiläum der UNO im kommenden Jahr Anlass für eine Bilanz sein muss. Die Nationalstaaten und ihre zwischenstaatlichen Organisationen, in deren Zentrum die UNO steht, sind im Umgang mit den globalen Herausforderungen unserer Zeit überfordert. Es stellt sich die Frage, wie nach dem Völkerbund und den Vereinten Nationen eine Weltorganisation der dritten Generation gestaltet und etabliert werden kann, ohne dass die Politik wie in den vorherigen Fällen erst durch eine globale Katastrophe den nötigen Willen dazu aufbringt. Nur ein Wandel der globalen politischen Strukturen wird es ermöglichen, die großen Probleme unserer Zeit, allen voran den Klimawandel, in den Griff zu bekommen.

Einen wichtigen Impuls liefert ein Blick zurück auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg. Nach der Novemberrevolution von 1918 und der erzwungenen Abdankung von Wilhelm II. war Deutschland auf dem Weg zu einer Republik. Bei den Wahlen zur Deutschen Nationalversammlung am 19. Januar 1919 galt erstmals ein allgemeines, gleiches, geheimes und direktes Wahlrecht, und zwar auch für Frauen. An den Pariser Verhandlungen der Siegermächte des Ersten Weltkrieges, die auch die Gründung des Völkerbundes umfassten, konnte die neue deutsche Regierung nicht direkt teilnehmen. Um die deutschen Vorstellungen dennoch zu verdeutlichen, verabschiedete das aus den Wahlen im Januar hervorgegangene Kabinett von Reichsministerpräsident Philipp Scheidemann am 23. April 1919, fünf Tage vor der Annahme einer Völkerbundssatzung durch die Friedenskonferenz in Versailles, einen eigenen Satzungsentwurf.

Der deutsche Entwurf für eine Völkerbundssatzung sah unter anderem einen Staatenkongress als Versammlung der Mitgliedsstaaten, einen ständigen Internationalen Gerichtshof sowie ein Sekretariat vor. Für Beschlüsse des Staatenkongresses waren in der Regel Zweidrittelmehrheiten festgeschrieben. Ein Einstimmigkeitsprinzip oder Vetorecht, wie es den UN-Sicherheitsrat noch heute lähmt, war nicht vorgesehen. Das herausstechendste Merkmal aber war die Einsetzung eines Weltparlaments, das sich zunächst aus Vertretern der einzelnen Parlamente der Mitgliedsstaaten zusammensetzen sollte.

Die revolutionäre deutsche Regierung griff damit einen Vorschlag der damaligen Friedensbewegung auf. Dort stieß die Gestaltung des Völkerbundes als exklusive Veranstaltung der Regierungen, wie von den Alliierten geplant, nicht auf Gegenliebe. In Bern versammelten sich im März 1919 bei einer internationalen Konferenz über sechzig Friedensorganisationen aus 22 Ländern. Sie forderten „ein von den Völkern gewähltes internatio­nales Parlament“ mit vollen legislativen Kompetenzen, wobei jedes Land je eine Million Einwohner ein Mitglied wählen solle. Letzteres war die Formel, die zusammen mit einer Höchstzahl von zehn Mitgliedern je Land auch im deutschen Entwurf Eingang fand.

Die Regelung war als ein Provisorium gedacht. Das erste Weltparlament sollte mit Zustimmung des Staatenkongresses selbst über die spätere Zusammensetzung befinden. Es wird berichtet, dass im Auswärtigen Amt auch andere Möglichkeiten erörtert worden seien, darunter Direktwahlen oder gleitende Skalen für die Sitzverteilung. Es habe sich aber durchgesetzt, die Regelung zunächst pragmatisch, einfach und übersichtlich zu halten, damit sie für die Bevölkerung verständlich bliebe.

Quelle     :         TAZ       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —         Friends of Europe – One year after Fukushima: The future of nuclear energy in Europe

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Unten     —        Andreas Bummel Vortrag „Das demokratische Weltparlament“.

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