Eine Erklärung der Clans
Erstellt von Redaktion am Sonntag 17. Oktober 2021
Eine Frage des Rückhalts
Der Rückkehr Meister vom Rücktritt
Von Pascal Beucker
Er gehört zur Demokratie wie die Wahl. Dabei folgt der Rücktritt keiner Gesetzmäßigkeit, außer vielleicht: Wer zurücktritt, ist meist früher wieder da als gedacht.
Der eine kündigt seinen Abgang an, aber nicht seinen Rücktritt; der andere erklärt seinen Rücktritt, ohne abtreten zu wollen. Und beides wirkt merkwürdig. Wie und warum muss jemand seinen Abschied aus der Politik nehmen? Das ist die grundsätzliche Frage, die die aktuellen Fälle des CDU-Vorsitzenden Armin Laschet und seines ÖVP-Pendants Sebastian Kurz bei all ihrer Unterschiedlichkeit aufwerfen. Eine einfache Antwort darauf ist nicht möglich. Denn es gibt zwar viele Gründe für einen Rücktritt, aber keine allgemein anerkannten verbindlichen Standards, wann er auch vollzogen werden muss.
Der Null-Rücktritt
Wenn die Staatsanwaltschaft wie im Fall Kurz Ermittlungen gegen einen Politiker aufnimmt, bedeutet das zwar stets, dass der Betroffene politisch angeschlagen ist. Aber zu einem Rücktritt führt das nicht unbedingt. So trat Otto Graf Lambsdorff wegen seiner Verstrickung in die Flick-Affäre nicht bereits als Bundeswirtschaftsminister zurück, als der Bundestag im Dezember 1983 seine Immunität aufhob, sondern erst, als im Juni 1984 die Anklage gegen ihn zugelassen wurde. Im Februar 1987 wurde er wegen Steuerhinterziehung rechtskräftig verurteilt. Für seine Partei offenkundig nur ein Kavaliersdelikt: Ein Jahr später machte die FDP Lambsdorff zu ihrem neuen Vorsitzenden, 1993 wurde er Ehrenvorsitzender. Immerhin: Minister wurde er nicht mehr.
Steigt wer früher aus dem Rennen – der schickt seinen Sohn als Penner !
Der spätere Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann blieb Generalsekretär der CSU, obwohl er 1960 wegen „fahrlässigen Falscheides“ in der Münchner Spielbankaffäre zu vier Monaten Gefängnis auf Bewährung verurteilt wurde. Sein Bundestagsmandat behielt „Old Schwurhand“ ebenfalls. Ein Jahr später wurde er in einem zweiten Prozess zwar freigesprochen, allerdings nur, weil ihm ein medizinisches Gutachten bescheinigte, zum Zeitpunkt der Falschaussage habe eine Überfunktion seiner Schilddrüse zu „Unterzuckerung des Blutes und verminderter geistiger Leistungsfähigkeit“ geführt. Mit diesem „Jagdschein“ setzte Friedrich Zimmermann seine politische Karriere unverdrossen fort. Sie führte ihn bis ins Bundeskabinett.
Der Pseudo-Rücktritt
Ob ein Politiker zurücktreten muss, hängt nicht allein von dem ab, was ihm vorgeworfen wird. Das ist nur ein Faktor, und nicht unbedingt der maßgebliche. Letztlich entscheidend ist, ob der Betroffene über eine ausreichende Rückendeckung in den eigenen Reihen verfügt – wozu auch ein eventueller Koalitionspartner zählt. Reicht sie nicht, hat der Politiker verloren, sein Abgang ist besiegelt – und zwar unabhängig davon, wie gravierend die Angriffe sind.
Das erklärt, warum der unter Korruptionsverdacht stehende Kurz zwar als österreichischer Bundeskanzler zurückgetreten ist, nicht aber als ÖVP-Vorsitzender. Als Kanzler musste er abtreten, weil er den Rückhalt der mitregierenden Grünen verloren hatte, für den ÖVP-Vorsitz reicht der seiner eigenen Partei. Und die stützt ihn zumindest derzeit noch.
Mit dem Sturz von Franz Josef Strauß als Bundesverteidigungsminister 1962 gab es ein vergleichbares Szenario auch schon einmal in Deutschland. Damals musste der kleine Koalitionspartner jedoch etwas brachialer deutlich machen, was die Stunde geschlagen hatte. Der Anlass: Strauß war der Initiator der Spiegel-Affäre, auf seine Intervention hin wurden wochenlang die Redaktionsräume des Hamburger Nachrichtenmagazins von der Polizei besetzt und musste Chefredakteur Rudolf Augstein wegen angeblichen Landesverrats 103 Tage in Untersuchungshaft. Über seine zentrale Rolle bei diesem ungeheuerlichen Angriff auf die Pressefreiheit belog der CSU-Politiker dann auch noch den Bundestag. Das führte zu einer Regierungskrise, denn die FDP forderte den Rücktritt von Strauß, was dieser jedoch nicht einsah. So traten dann am 19. November 1962 alle vier FDP-Minister aus Protest zurück. Strauß musste kapitulieren. Am 30. November 1962 erklärte er seinen Rücktritt als Verteidigungsminister. CSU-Vorsitzender blieb der bullige Bajuware, vier Jahre später wurde er sogar wieder Minister, diesmal für Finanzen.
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Die politische Karriere von Franz Josef Strauß war durchzogen von heftigen Skandalen, doch bis auf die Spiegel-Affäre blieben sie für ihn allesamt folgenlos. Denn stets konnte sich das Vorbild Markus Söders („FJS ist der größte Sohn der CSU“) darauf verlassen, dass die CSU bedingungslos hinter ihm stand – und die bayerischen Wähler ebenso: mit seiner einmaligen Nachkriegsmischung aus brutaler Hemdsärmeligkeit und monarchistischem Repräsentationswahn gewann Strauß drei Landtagswahlen hintereinander haushoch und regierte von 1978 bis zu seinem Tod 1988 in Bayern mit einer satten absoluten Mehrheit. Nur sein Traum, Bundeskanzler zu werden, erfüllte sich nicht. Seine Kanzlerkandidatur 1980 blieb vergeblich.
Der definitive Rücktritt
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Oben — For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. 13.06. – 15.06.1988 36. CDU-Bundesparteitag in der Rhein-Main-Halle in Wiesbaden