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RENTENANGST

Ein Kampf gegen Oben

Erstellt von Redaktion am Samstag 23. Dezember 2017

Der Kampf ums gute Leben

Sie wachen über Ihr persönliches „Gute Leben“ mit verstärkter Polizeipräsenz.

Von Ulrich Brand

Warum es keine Utopie sein muss, dass unsere Lebensweise 2018 solidarischer und nachhaltiger wird.

Wir leben in einer paradoxen Situation. Auf der einen Seite wissen wir ziemlich gut, dass sich in der Welt einiges ändern müsste. Unsicherheit und viele offene Kriege, soziale Spaltung und eine unzureichende Existenzsicherung für viele Menschen hierzulande, Verelendung und Tod in vielen Ländern des globalen Südens, ökologische Zerstörung heute und weitere in der Zukunft. Eine scheinbar kaum aufzuhaltende politische Rechtsentwicklung macht wütend oder lässt resignieren. Den taz-LeserInnen muss ich das alles gar nicht erläutern.

Auf der anderen Seite soll es dann doch irgendwie so bleiben, wie es ist. Es lebt sich für viele nicht schlecht unter Bedingungen der „imperialen Lebensweise“. Wir greifen in unserem Alltag recht selbstverständlich auf Produkte zurück, die unter naturzerstörenden und ausbeuterischen Bedingungen anderswo hergestellt wurden. Das geschieht meist unbewusst – beziehungsweise wollen es viele gar nicht so genau wissen. Es ist aber nicht nur das individuelle Handeln, das diese alles andere als solidarische oder nachhaltige Lebensweise am Laufen hält. Es sind auch machtvolle Produktionsstrukturen, die in der kapitalistischen Konkurrenz Handys, Autos und Nahrungsmittel produzieren, Profite und Wachstum generieren. Die imperiale Lebensweise steht für den zunehmenden Zugriff des Kapitalismus auf die Lebensverhältnisse, ist mit globaler wie nationaler Ausbeutung und Ungleichheit verbunden, verschärft Ressourcenkonflikte und zerstört die Umwelt.

Die imperiale Lebensweise, wie sie in Europa gelebt wird, ist statusorientiert und basiert auch auf sozialer Ungleichheit. Die Mittelschichten grenzen sich gegen die unteren Schichten bewusst ab, indem sie zeigen, dass sie sich aufgrund ihres hohen Einkommens etwa ein größeres Auto, viele Reisen und mehr Konsum anderer Güter und Dienstleistungen leisten können. Das führt dazu, dass Menschen mit weniger Geld umso mehr ausgeschlossen werden.

Was müsste sich 2018 ändern, damit wir eine Alternative haben zu der Ausformung des Kapitalismus, in der wir heute leben? Wie können wir in der nächsten Zeit die politischen und gesellschaftlichen Bedingungen erzeugen, die die imperiale Lebensweise eindämmen und eine solidarische Produktions- und Lebensweise stärken?

Vor diesem Hintergrund stelle ich mir 2018 gerne so vor: Irgendwann endet das ganze Geschwurbel um die Regierungsbildung damit, dass die SPD von den Medien und dem eigenen rechten Parteiflügel buchstäblich in die Große ­Koalition reingeprügelt wurde, eine „Groko“, die ja übrigens mit 53,4 Prozent der Stimmen und 399 von 709 Sitzen im Bundestag so groß gar nicht ist. Das Mantra lautet: Stabilität! Keine Experimente!

Immer mehr Menschen wird aber deutlich, dass es einer progressiven Alternative bedarf, um drängende Zukunftsfragen anzugehen: Umgang mit Einwanderung und angemessene Integrationspolitik statt Ausgrenzung, die Vermeidung kommender Krisen durch den weiterhin dominanten Finanzmarktkapitalismus. Es steht der sozialökologische Umbau der Wirtschaft an inklusive Rückbau der Automobilindustrie; gute Arbeit für alle statt Prekarisierung vieler; die umsichtige politische Gestaltung der Digitalisierung, statt dass sie von Konzernen vorangetrieben wird. Ein politisches Bündnis wird also notwendig, das nicht wie Angela Merkel und Wolfgang Schäuble auf die weitere Spaltung Europas setzt, sondern auf eine politisch und wirtschaftlich attraktive Union.

Das Unbehagen an der imperialen Lebensweise wird deutlicher. Angesichts der politischen Rechtsentwicklung der letzten Jahre aktiviert sich die Zivilgesellschaft noch stärker in Bereichen wie Armutsbekämpfung, Integration, Antirassismus, solidarische Ökonomie oder Umweltpolitik.

Parteipolitisch werden im Jahr 2018 wieder stärker rot-rot-grüne Optionen diskutiert. Neben parteipolitischen Annäherungen verschieben sich die gesellschaftlichen Debatten. Der Zusammenhang zwischen der Lebensweise hierzulande und den sozialökologischen Katastrophen andernorts, aber auch der immer unsinniger werdenden Fixierung auf Wachstum und Status wird nicht länger verleugnet. Die SUV-Monsterautos werden für immer mehr Menschen zum Symbol umweltpolitischer Ignoranz und albernen Statusdenkens der Eliten oder jener, die gern dazugehören wollen. Eltern organisieren sich gegen Feinstaubbelastung und Lärm, soziale Bewegungen demonstrieren für „autobefreite“ Städte, und Kinder erobern sich den jahrzehntelang zugeparkten öffentlichen Raum zurück.

Die Lügen der Manager und deren Besoffenheit an den hohen Profiten (vor allem an den Standorten außerhalb Deutschlands), die Engstirnigkeit der Anteilseigner erzeugen Unmut. Immer mehr wird im Lichte von Dieselskandal und Tricksereien von Autoindustrie und Staat deutlich, dass es hier gründlicher Veränderungen bedarf – die nicht auf dem Rücken der Beschäftigten geschehen darf. Der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und der Fahrradinfrastruktur wird aus der Gesellschaft heraus verlangt. Viele kommunale Regierungen machen mit. Damit werden die Städte nicht nur lebenswerter, sondern die Menschen mobiler und gesünder.

Quelle     :     TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquelle   :   W20-Konferenz in Berlin (26. April)

 

 

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