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Ein-Euro-Jobs

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 18. Dezember 2008

»Mit dem Urteil tun sich Abgründe auf«

Die Jobcenter bieten weiche Sessel für Personen, welche nirgendwo anders eingestzt werden können – also selber Arbeitslos wären !

Heftige Kritik an Bundessozialgericht wegen Spruch zur Zwangsbeschäftigung in Ein-Euro-Jobs.

Ein Gespräch mit Wolfgang Radner
Interview: Gitta Düperthal

Wolfgang Radner arbeitet in einer Hartz-IV-Beratung, die beim Kreisverband Die Linke in Gelsenkirchen angesiedelt ist.

Das Bundessozialgericht in Kassel hat entschieden, auch langzeitarbeitslose Akademiker müßten Ein-Euro-Jobs mit 30 Wochenstunden antreten. Lehnen sie das ab, kann ihnen die staatliche Unterstützung von heute 351 Euro letztlich bis auf ein Drittel gekürzt werden. Fällt das Ihrer Ansicht nach unter »Fördern und Fordern«, wie die Richter behaupten?

Nein, mit solchen Urteilen tun sich Abgründe auf. Der Akademiker z. B. wird keine Zeit mehr haben, sich auf eine seiner Ausbildung angemessene Arbeit zu bewerben – so wird er unfreiwillig anderen Konkurrenz machen und sie um ihre Arbeitsmöglichkeiten bringen. In diesem Zusammenhang ist auf ein weiteres Urteil des Bundessozialgerichts hinzuweisen: Kosten für öffentliche Verkehrsmittel, die durch die Fahrt zu Ein-Euro-Jobs entstehen, müssen Betroffene neuerdings selber tragen. Auch das wird zugemutet. Beispiel: Ein Ein-Euro-Jobber aus Offenbach wird zu einem Job in Frankfurt am Main verdonnert – die Monatskarte von 110 Euro muß er selber zahlen. Von den 150 durch den Job erworbenen Euro bleiben nur 40 übrig! Erhält er nicht 1,50, sondern nur einen Euro, zahlt er noch zehn Euro von seinem Regelsatz drauf. Solche höchstrichterlichen Fehlurteile sind weltfremd und dreist. Ein-Euro-Jobber liegen mit allem, was sie erhalten – Kosten der Unterkunft, Regelsatz plus Job – bei etwa 6,50 Euro Stundenlohn. Also unter dem von der SPD geforderten Mindestlohn von 7,50 Euro. Das ist Armut per Gesetz.

Im Fall des klagenden heute 58jährigen Ingenieurs aus dem Ostallgäu urteilte das Gericht in Kassel, eine 30-Stunden-Woche sei zumutbar. Der Mann war mehrere Jahre arbeitslos und sollte zuletzt für 1,50 pro Stunde für die Gemeinde Bäume mit Wildschutzfolie umwickeln. Wie sehen Sie das?

Von wegen »fordern und fördern«: Interessant wäre, ihn zu fragen, wie viele Jobangebote ihm die Arbeitsagentur bisher unterbreitet hat – ich vermute kein einziges. Es wird nur gefordert: Bist du nicht willig, streichen wir dir die Kohle. Dazu kommt: Hätte er ein zweites Ein-Euro-Angebot abgelehnt, hätte man das zweite Drittel seines Regelsatzes einbehalten, bei einer weiteren Verfehlung wäre er auf Null. Das ist Zwangsarbeit – aber das Bundessozialgericht sieht das anders. Die politischen Parteien suchen sich ihre Richter nach ihrem Gusto und entsprechendem Parteibuch aus.

Sie engagieren sich in einer Beratungsstelle für Erwerbslose bei der Linken Gelsenkirchen. Kommen zu Ihnen Menschen mit ähnlichen Erfahrungen?

Quelle : Junge Welt >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle4: NuckmannEigenes Werk

 

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