Ego – Union – Ergebnisse
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 22. Juli 2020
Der Gipfel der Uneinigkeit
Von Eric Bonse
27 Länder mit unterschiedlichen InteressenDer schaffen die Einigung über ein historisches ASufbauprogramm. Aber nicht, wel sie an einem Strang zogen. neue Deal sollte die EU aus der schlimmsten Wirtschaftskrise retten. Doch es war ein Feilschen um Milliarden und demokratische Werte.
Das Scheitern lag nahe. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel zweifelte bis zuletzt an einer Einigung. Doch gelang nach vier langen und quälenden Verhandlungstagen schließlich der Durchbruch beim Marathongipfel der Europäischen Union in Brüssel.
Zuerst einigten sich die 27 Staats- und Regierungschefs unter Leitung von Ratspräsident Charles Michel auf einen Kompromiss bei den Coronahilfen: Die Zuschüsse wurden auf Druck der „sparsamen vier“ (Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden) abgesenkt, die Kredite erhöht.
Dann schwächten die Staats- und Regierungschefs die geplante Rechtsstaatsklausel ab und verteilten noch einige millionenschwere Geldgeschenke. Sogar Deutschland, das seit dem 1. Juli für sechs Monate den EU-Vorsitz führt, bekam im Morgengrauen noch fix 1,3 Milliarden Extrahilfen für ostdeutsche Regionen und die ländliche Entwicklung zugesprochen.
Am Ende schienen alle zufrieden, gerade weil jeder Staat einen Erfolg für sein Land vorweisen kann. Frankreichs Staatschefs Emmanuel Macron sprach sogar von einem „historischen Tag für Europa“. „Wir sind uns bewusst, dass dies ein historischer Moment in Europa ist“, sekundierte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen nach dem Gipfel.
Der neue Deal soll die EU aus der schlimmsten Wirtschaftskrise seit ihrer Gründung retten, in die sie infolge der Coronapandemie rutschte. Gleichzeitig soll er die Finanzierung des „European Green Deal“ für eine klimafreundliche Wirtschaft sichern.
Doch über den Klimaschutz wurde in den vier Gipfeltagen kaum diskutiert, und ausgerechnet die Hilfen für Gesundheit und Forschung wurden zusammengestrichen. Und auch sonst hat die späte Einigung einige Macken und Lücken, die noch zu Problemen im Europaparlament führen könnten.
Der Coronahilfsfonds: Schulden für den Wiederaufbau
Es ist ein Novum in der EU-Geschichte: Zum ersten Mal nimmt Brüssel in großem Stil Schulden auf, um einen Coronahilfsfonds zu finanzieren. Der neue Sonderfonds mit dem wohlklingenden Titel „Next Generation EU“ soll bis zu 750 Milliarden Euro umfassen und bis 2026 laufen.
Allerdings wird es nun nur noch 390 Milliarden Euro an (nicht rückzahlbaren) Zuschüssen geben – und nicht 500 Milliarden, wie Kanzlerin Angela Merkel und Präsident Emmanuel Macron gefordert hatten. Dies haben die „sparsamen vier“ durchgeboxt. Am Gesamtvolumen haben sie aber nicht gerüttelt; 360 Milliarden werden als Kredite vergeben.
Unklar ist, wie viel Geld am Ende in den Krisenländern wie Italien oder Spanien ankommt. Denn der Gipfel hat den Verteilerschlüssel geändert, über 30 Prozent der Mittel wird nun erst 2022 entschieden. Die EU-Kommission will das Geld mit der Gießkanne verteilen; selbst von Corona kaum betroffene Länder wie Polen sollen profitieren.
Vorher müssen sie allerdings ein Reformprogramm vorlegen, das den Plänen der Brüsseler Behörde entspricht. Der „Wiederaufbau“ und die „Resilienz“, also Widerstandskraft, werden ebenso gefördert wie Klimaschutz und Digitalisierung. Wenn ein EU-Land Zweifel an den Reformen hat, kann es Einspruch einlegen und die Zahlung stoppen. Auch diese „Notbremse“ haben die Nordländer durchgesetzt.
Unklar ist, wie die Schulden zurückgezahlt werden. Der Gipfel hat zwar eine Plastikabgabe beschlossen, die 2021 kommen soll. Die Digitalsteuer und eine sogenannte CO2-Grenzsteuer sollen 2023 folgen. Doch das dürfte kaum reichen, um die Schulden zu bedienen, zumal die Rückzahlung bereits 2026 oder noch früher beginnen soll.
Das EU-Budget: Sparen bei Gesundheit und Klima
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Die nächste Krise ist beschlossen
Sommerschlussverkauf statt Solidarität
Kommentar von Eric Bonse
Die EU hat sich entlarvt: Sie ist keine solidarische Werteunion, sondern eine Gemeinschaft der Egoisten, die nur im äußersten Notfall hilft.
Den Negativrekord für den längsten und quälendsten EU-Gipfel aller Zeiten haben sie nur knapp verfehlt. Lediglich ein paar Minuten fehlten, dann hätten Gastgeber Charles Michel und Kanzlerin Angela Merkel am Dienstag den unseligen Gipfel von Nizza im Jahr 2000 überboten.
Nun haben sie sich doch noch zusammengerauft. Im Morgengrauen fiel am Dienstag in Brüssel der Beschluss für das größte Finanzpaket aller Zeiten. 1,8 Billionen Euro haben Michel und Merkel bis 2027 lockergemacht, um sich gegen die Krise zu stemmen. Brüssel wird kein zweites Nizza.
Dennoch bleibt ein bitterer Nachgeschmack nach diesem zweitlängsten Gipfel der EU-Geschichte. Und das liegt nicht nur an Zugeständnissen der letzten Minute, mit denen die späte Zustimmung erkauft wurde. Es liegt auch und vor allem am unseligen Geschacher der letzten Tage.
„Geiz ist geil“ – dieser Werbespruch schien tagelang das neue Motto der EU zu sein. Vor allem die „Frugal Four“, also die geizigen Nordländer, hatten es darauf angelegt, die Coronahilfen für den Süden zusammenzustreichen und sich gleichzeitig milliardenschwere Rabatte zu sichern.
Wie im Sommerschlussverkauf ging es in den letzten Stunden dieses Gipfel-Marathons zu. Michel und Merkel stockten die Nachlässe für die Niederlande, Österreich, Dänemark und Schweden weiter auf, gleichzeitig wurden die Budgets für Forschung und Studenten zusammengestrichen.
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Grafikquellen :
Oben — Федеральный канцлер Федеративной Республики Германия Ангела Меркель и Президент Франции Эммануэль Макрон перед началом встречи в «нормандском формате»
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