Die Syrer in Ravensburg
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 18. Oktober 2018
Offener Brief zu der Aktion „لسوريين في رافنسبورغ die Syrer in Ravensburg „
Hallo Frau Amend,
das war gestern Abend eine große und wuchtige Demonstration gegen Rechts. Ohne Zwischenfälle – auch nicht, als am Schluss die Antifa die Marktstrasse heraufmarschierte und ich – auf dem Weg in die „Räuberhöhle“ ein wenig zwischen sie geriet. Dank an die Frauen und männer in „Schwarz“ und „Knallorange“!
Nichtsdestotrotz ist und war Ihr Verhalten meiner Person gegenüber respektlos. Am Beginn – noch vor der Veranstaltung – als wir nicht einmal 100 Leute waren, war ich für Ihre Kamera gut genug und das richtige Futter, denn wer weiß, wenn’s bei den 100 Leuten geblieben wäre … Und als Sie mich noch von sich aus nach einem „Zitat“ fragen wollten und wir „auseinandergerissen“ wurden, sagten Sie mir, Sie würden mich noch später darauf ansprechen. Am Ende der Veranstaltung *) jedoch, nachdem aus den knapp 100 Leuten 2.500 geworden waren, sagten Sie – von mir auf das „Zitat“ angesprochen (ich zitiere): „Ich hab’s mir anders überlegt,“ und „vertrösteten“ mich damit, dass ich ja im live-stream zu sehen war. Als wenn es darum ginge!!!
Ihr Verhalten passt genau zu dem Bild, das ich seit nun 20 Jahren Tag für Tag, Morgen für Morgen von der Schwäbischen Zeitung präsentiert bekomme bzw. bis zum 28. Februar 2018 print lesen musste: „BILD light“, wie ich es schon vor 15 Jahren in einem Leserbrief beschrieb. Oberflächlich, sensationslüstern, populistisch, abhängig, parteilich und sehr, sehr selbstsicher, weil monopolistisch am Ort. Es ist bekannt, das dies von Oben so gewollt ist und Sie letztlich nicht anders können.
Da die Rechten im Laufe des Tages ihre „Mahnwache“ abgesagt hatten, bin auch ich zur Demo gegangen. Ansonsten allerdings wäre ich zu Hause geblieben, was ich schon begründet hatte! Allerdings war es für mich schwer erträglich, als Lilo Rademacher und mein theologischer Kollege, Herr Langenbacher, ihre Reden hielten.
Aufpeitschende und in ihrer Tonalität den Reden von Demagogen ähnelnde Ansprachen, konterkarieren den Aufruf zur „verbalen Abrüstung“ (der bitter notwendig ist) und erreichen bei den Adressaten genau das Gegenteil von dem, was sie erreichen wollen. Als ich am Beginn der Veranstaltung von jemandem gefragt wurde, ob man denn mit den Rechten überhaupt vernünftig reden könne, war meine Antwort, dass dies zwar sehr schwierig wäre, es aber nur eine Möglichkeit gäbe, diese zu erreichen: Zuhören und von der Sache her (nicht ihrer unsäglichen Tonalität) ihnen zustimmen, wo sie nun mal berechtigten Grund zur (sachlichen) Kritik haben. Aber schon allein, wenn ich einen solchen Satz hier schreibe – und da bin ich sicher! – werde ich von denen ausgepfiffen und ausgebuht, die ganz weit links stehen und ebenso verblendet sind, wie die ganz weit Rechten – eben nur auf einem anderen Auge.
Die Rede von Herrn Rademacher war eines Seelsorgers und Theologen absolut nicht würdig. Sein Vergleich mit der teilweise gebräunten und der weiß gebliebenen Haut seines eigenen europäischen und deutschen Körpers in diesem Sommer war höchst peinlich und auch für einen Vergleich – physiologisch, kuluturell, genetisch und psychologisch gesehen – nicht zulässig. Und doch haben ihm 2.499 Menschen zugejubelt, woran man sieht, dass auch ein Herr Langenbacher – zwar wohl ein Linker – Demagoge ist, dem es gelingt, Menschen dahin zu bringen, wo sie eigentlich nicht hin wollen. Abgesehen davon ist das Thema der „Hautfarben“ viel zu ernst, viel zu traurig, viel zu bitter, viel zu tödlich, als dass man so einen billigen und mehr als oberflächlichen „Vergleich“ heranziehen könnte. Gerade die Katholische Kirche und die Kirchen überhaupt, haben hier (bis heute) dermaßen versagt, dass es sich als katholischer Seelsorger verbietet, dermaßen Billiges, Manipulierendes und Demagogisches von sich zu geben.
Meine MAXIMEN
1. Ich bin keiner der „besorgten Bürger“, sondern ich versuche im Alltag die Sorgen meiner ausländischen und einheimischen Nachbarn mit zu tragen, in dem ich ihnen zuhöre und, wenn NOT-wendig, mit anpacke!
2. Ich gehöre politisch und gesellschaftlich gesehen eher zum „linken Lager“. Aber auch mir gilt in gleicher Weise wie dem „Klassenfeind“ von Rechts, der Appell, verbal abzurüsten!
3. Ich kann den politisch und gesellschaftlich Andersdenkenden und Andersmeinenden nur dann wirklich verstehen und ihn erreichen, wenn ich selbst in keiner Ideologie – auch nicht der linken – gefangen bin. „Frieden schaffen ohne Waffen“ heißt auch immer: ausgestreckte Hand, statt geballte Faust.
Mit freundlichem Gruß,