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DIE STEILE THESE

Erstellt von Redaktion am Samstag 11. August 2018

Nackte männliche Oberkörper sind reine Machtdemonstration

File:Protest - "Hartz 4 macht nackig".JPG

Von Felix Zimmermann

Es gibt zivilisatorische Errungenschaften, die sollten wir nicht einfach so aufgeben. Völlig unverständlich ist es etwa, dass immer noch Menschen mampfend durch die Gegend laufen, wo doch der Tisch oder tischartige Möbel längst erfunden wurden, an denen man sich – am besten auch noch in Gesellschaft – niederlassen kann, um sich in Ruhe zu stärken.

Genau diesem Problem haben wir uns schon vor Jahren am Beispiel des Wraps gewidmet, also jenes massenhaft vor allem an Bahnhöfen oder anderen Knotenpunkten unserer mobilen Gesellschaft ausliegenden Teigfladens mit Füllung („Das obere Ende der Wickel“, taz vom 21. Januar 2012), den sich die Gehetzten stopfend zuführen, und der, auch wenn er seine Vorbilder scheinbar in vielen Esskulturen findet, was aber allein aus Marketingkalkül behauptet wird, nur für diesen Zweck erfunden wurde. Leider hatte unser Abgesang auf den Wrap damals keinen durchschlagenden Erfolg, viel zu häufig wird er noch gekauft und verzehrt und dementsprechend auch in großen Stückzahlen hergestellt.

Aber wir probieren es erneut und schreiben optimistisch gegen einen weiteren Zivilisationsbruch an, der vor allem in den – hoffentlich bald zurückliegenden – heißesten Wochen des Jahres zu beobachten ist: Männer, die mit nacktem Oberkörper unterwegs sind, und zwar zum Teil weit außerhalb des geschützten Raums ihrer Behausung, wo sie ja wirklich rumlaufen können, wie sie wollen. Es geht also um den Körper, allerdings wirklich nur ums Obenrum, denn fürs Untenrum ist bekanntlich die Kollegin Margarete Stokowski in glänzender Weise und unerreicht kompetent („Untenrum frei“, Reinbek bei Hamburg 2016).

Obenrum frei am Strand? Noch nachvollziehbar

Datei:Berliner Strandleben Heinrich Zille.jpg

Und die alljährlich aufkommende Aus­ein­an­dersetzung über die Frage, ob Männer kurze Hose tragen dürfen/sollen oder nicht, verläuft ebenso alljährlich dann auch wieder ungeklärt im sommerlichen Sande. Sie ist aber auch viel weniger relevant, denn das nackte Obenrum steht für so ungleich viel mehr; neben der Abkehr von einem mühsam errungenen zivilisatorischen Fortschritt ja auch für eines der großen Themen unserer Zeit: die Gleichberechtigung.

Wir alle haben es zuletzt sehr häufig mit­erleben müssen: Männer entledigen sich ihrer Oberbekleidung, wenn sie sich in die Öffentlichkeit begeben. So sieht man sie nicht nur im Kontext von Urlaub und Müßiggang etwa in Strandnähe, was noch einigermaßen und mit viel gutem Willen nachvollziehbar wäre, die Sache aber insgesamt nicht besser machen würde, sondern man erlebt sie auch obenrum frei bei Verrichtung ihres Alltags. Auf dem Weg zur Arbeit, beim Einkaufen, auf dem Rad, joggend, im Supermarkt vor der Fleischtheke und nicht selten auch, wenn sie im Kreis von Freunden und der Familie unterwegs sind. Da läuft dann ein Halbnackter umgeben von den Seinen, sie sommerlich-leicht angezogen – aber eben: angezogen –, die Kinder auch, weil sie sich so viel Rücksichtslosigkeit noch nicht trauen.

Obenrum frei woanders? Schlicht unsolidarisch

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Deutsch: „Hartz 4 macht nackig“.
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Author High Contrast
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I, the copyright holder of this work, hereby publish it under the following license:
w:en:Creative Commons
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Unten     —    Berliner Strandleben, 1901, Aquarell von Heinrich Zille (1858-1929), Privatbesitz, Berlin

Urheber     —      Heinrich Zille  (1858–1929)

Dieses Werk ist gemeinfrei, weil seine urheberrechtliche Schutzfrist abgelaufen ist.
Dies gilt für das Herkunftsland des Werks und alle weiteren Staaten mit einer gesetzlichen Schutzfrist von 75 oder weniger Jahren nach dem Tod des Urhebers.

 

 

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