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Die SPD und Ampel

Erstellt von Redaktion am Sonntag 3. Oktober 2021

Das Orakel von Germany

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Von Robert Misik

Viel spricht für eine Ampelregierung auch wenn die schwierig wird. Trotzdem könnte Olaf Scholz werden, was Joe Biden für die USA ist.

Zu den paradoxen Charakteristika unserer Zeit zählt: Je bedrohlicher die Lage und um so verunsichernder die Polykrisen sind (Corona, Wirtschaft, Klimakatastrophe), desto zentraler wird das Sicherheitsbedürfnis der Menschen. Eigentlich braucht es radikale Änderungen, aber gerade deshalb ist es verständlich, dass die Bürger und Bürgerinnen beim Wählen vorsichtig sind.

Denn wer will schon riskante Experimente, wenn sowieso schon überall alles kracht und kollabiert? Wer etwas verändern will, muss zugleich versprechen, dass alles schon ganz gemäßigt und solide angegangen werde. Auch das ist eine Lehre des deutschen Wahlsonntags.

Die SPD hat gewonnen, aber nicht triumphal. Die Union ist gerade noch mit einem blauen Auge davongekommen. Auch sonst blieb alles im Rahmen, und bei der berühmten Links-rechts-Achse steht es eher fifty-fifty. Die Wähler und Wählerinnen haben gesprochen. Aber was wollen sie uns damit sagen?

Zunächst: Die Sozialdemokraten haben diese Wahl gewonnen, und zwar gar nicht so undeutlich. Schließlich liegen sie nicht nur knapp 1,6 Prozentpunkte vor der Union. Die Union hat rund 10 Prozentpunkte verloren, die SPD 5 gewonnen, und nimmt man die Umfragen der vergangenen Jahre, hat sie sogar 10 Punkte zugelegt. Gemessen an der Ausgangslage ist das ein mittleres Wahlwunder.

Es wäre zu billig, das alleine auf Zufälle oder auf Personen zu reduzieren. Was heißt denn Sozialdemokratie für den Großteil der Wähler und Wählerinnen? Auf Seite der normalen Leute stehen, für die Arbeiter sein, dafür sorgen, dass es gerecht zugeht, garniert mit etwas gesellschaftspolitischer Modernisierung. Wenn Sozialdemokraten nur ein wenig den Eindruck erwecken, in dieser Hinsicht ein wenig glaubwürdiger zu werden, dann werden sie zurzeit gewählt.

Nach Hartz IV

Die Deutung, dass die SPD bloß einen guten Wahlkampf gemacht habe, die Union eben einen schlechten, greift schon etwas arg kurz. Olaf Scholz ist maßvoll, aber markant nach links gerückt. Der eher linke und der eher rechte Flügel der Partei zogen an einem Strang. Mit den Botschaften Mindestlohn, Respekt und ein investierender Staat zeichnete die SPD ein kongruentes Bild und macht damit sogar ihr Hartz-IV-Trauma vergessen. Der Kandidat verkörperte die Botschaft: Scholz kann’s, der wird das solide machen.

Bloß: Armin Laschet ist ja auch nicht der unfähige Volltrottel, als der er jetzt gerne hingestellt wird. Aber er repräsentierte eine zerrissene Partei, die nicht mehr weiß, wo sie hinwill. Eigentlich hatte er schon verloren, bevor alles begann. Man erinnere sich an das Fiasko im Parteivorstand bei der Nominierung des Kandidaten. Es geht alles schief, rief Wolfgang Schäuble da mal in einer der vielen Krisensitzungen in der Nacht aus. So war es.

Die Sozialdemokraten wurden also stärkste Partei, weil sie Sozialdemokraten sind – und nicht, weil Olaf Scholz smart genug ist, Lachkrämpfe zu vermeiden, wenn er durch vom Hochwasser zerstörte Städte latscht.

Vielleicht hilft ja ein Blick über den deutschen Tellerrand hinaus. Sozialdemokraten haben in vielen Ländern Europas in jüngster Zeit Wahlen gewonnen. Sie regieren in ganz Skandinavien, in Dänemark, in Spanien und Portugal, und mit Joe Biden sitzt ein Mann im Weißen Haus, der viel mit Olaf Scholz gemeinsam hat. Er ist ein Mann aus dem Zentrum seiner Partei, der sich mit einem erstarkten linken Parteiflügel arrangierte, der als Präsident linker ist, „als es der Senator Joe Biden je war“ (Die Zeit).

Das Erfolgsrezept: Mitte-Links

Biden punktet heute mit den klassisch progressiv-sozialdemokratischen Botschaften. Dazu gehört, dass die Gesellschaft „von unten und aus der Mitte heraus wieder aufgebaut“ werden müsse. Denn die Entfesselung der Märkte und der Trickle-down-Effekt haben nicht funktioniert. Denn die Reichen werden reicher, die Armen ärmer.

Die Menschen wollen nun soziale Sicherheit, ordentliche Löhne und nicht wie Nummern behandelt werden. Sie wollen auch nicht herumkommandiert werden. Man liegt gar nicht so arg schief, wenn man in Olaf Scholz den Joe Biden Deutschlands sieht.

Daraus wird nicht automatisch ein neues sozialdemokratisches Jahrzehnt, wie es manche plötzlich schon proklamieren. Anders als in früheren Epochen verkörpern die Sozialdemokraten keinen planetarischen Zeitgeist. Die Gesellschaften sind polarisiert und die Wahlsiege sind auch viel zu knapp.

Heute wird man – jedenfalls in Demokratien mit Verhältniswahlrecht – oft mit 25 Prozent Stimmenanteil schon stärkste Partei. Das bedeutet aber auch, dass Sozialdemokraten eher klapprigen Koalitionen vorstehen und dabei so viele Kompromisse eingehen müssen, dass sie am Ende wenige Spuren hinterlassen. Abgesehen von der Ausnahmefigur Antonio Costas in Portugal sitzt kaum ein regierender Sozialdemokrat auf einer soliden strategischen Mehrheit.

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Aber: Es gibt eine Nachfrage nach Sozialdemokratie, die dann zum Tragen kommt, wenn das Angebot einigermaßen stimmt.

Sogar Kommunisten können siegen

Es ist vielleicht nur ein skurriler Zufall, dass in der zweitgrößten Stadt Österreichs – in Graz – zeitgleich zur deutschen Bundestagswahl bei den Kommunalwahlen die Kommunisten stärkste Partei (!) wurden und die konservative Volkspartei gleichsam zertrümmerten.

Die Grazer Kommunisten präsentieren sich seit 25 Jahren volksnah, bescheiden und auf der Seite der Benachteiligten. Das Ergebnis sind jetzt 30 Prozent (die Grünen haben 16, die Sozialdemokraten fast zehn, was sich auf eine satte Mehrheit links der Mitte summiert). Klar hat dieser Erfolg der KPÖ etwas Irreales. Aber er ist auch ein Symptom.

Zurück nach Deutschland. Die Union hat zwar den Traum noch immer nicht aufgegeben, sich irgendwie zurück ins Kanzleramt zu tricksen. Aber diese Versuche haben eine bescheidene Legitimität. Gewiss, das Grundgesetz steht dem nicht im Wege. Aber Armin Laschet als Kanzler würde der Botschaft der Wählerinnen und Wähler schon arg widersprechen.

Die Union, die sich gerade im Schlammcatchen übt, wirkt nicht einmal verhandlungs-, geschweige denn regierungsfähig. Im Grunde sollte daher alles auf die Ampel aus SPD, Grünen und FDP zulaufen. Nur: Diese Konstellation versetzt niemanden in wirkliche Feierlaune. Die Gewählten auch nicht.

Rot-Grün war ein logisches Projekt

Quelle       :         TAZ – online         >>>>>          weiterlesen

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Oben      —      Neue Version von Ampel.JPG

Author Original:Stefan-XpVector: Jfd34       /     Source    :

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Attribution: Stefan-Xp

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Unten       —       Karikatur von Gerhard Mester zum Thema Klimawandel und Kohleverbrennung: – Totschlagargument Arbeitsplätze (Stichworte: Globus, Erde, Klima, Kohle, Energie, Umwelt)

Ein Kommentar zu “Die SPD und Ampel”

  1. Jimmy Bulanik sagt:

    Eine Mehrheit für Grün-Rot-Rot besteht nicht. Diese drei Parteien hätten ihre Inhalte einbringen können. Dabei wäre die Macht ausgewogen verteilt gewesen. Die Disziplin wäre dairn leicht herzustellen.

    Die Option Jamaika aus Union, FDP und Grüne ist nichts weiter als eine Theorie welche genutzt wird um politisch Druck aufzubauen. Im Kern ist dies zu vergleichen mit einem politischem Poker.

    Die Option einer Ampel aus SPD, Bündnis 90 / Die Grünen und FDP ist gegenwärtig ein politischer Kompromiss. Wichtig dabei ist die FDP darin in die Schranken zu weisen. Sie wären darin der Junior. Die Leitlinien eines Vertrages werden darin Die SPD und die Bündnis 90 / Die Grünen vorgeben. Die Überschneidungen zwischen der SPD und den Bündnis 90 / Die Grünen sind hoch.

    Der Pragmatismus welcher bei der Bildung von Landesregierungen besteht zieht in dem Fall auf der Ebene des Bundes ein.

    Aussenpolitisch ist diese Konstellation sowohl innerhalb der Europäischen Union, die Verbindungen zu Ländern und Volkswirtschaften ausserhalb der Europäischen Union als einfach zu bewerten.

    Die Option einer Neuauflage einer großen Kolalition ist unwahrscheinlich. Eine Neuwahl wäre besser als eine weitere Bildung einer großen Koalition. Diese Partein haben sich gegenseitig verbraucht.

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