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RENTENANGST

Die Nöte der Retter

Erstellt von Redaktion am Dienstag 11. Juni 2019

Politische Verbrecher welche die Welt beherrschen

Wäre es nicht so einfach ? Die DLRG verweigert die Hilfe in oder an Deutschen Gewässern so lange, wie die Politik ihre Hilfe für in Seenot geratenen Flüchtlinge verweigert. Es müssen mehr Einheimische BürgerInnen absaufen damit das Volk aufwacht.

Von Kevin Culina

Im Mittelmeer retten Freiwillige Geflüchtete vor dem Ertrinken. Die Konfrontation mit Leid und Tod ist belastend, aufreibend und traumatisierend. Wie können die NGOs das auffangen?

ch musste die leblosen Körper über die Leiche ins Boot ziehen“, sagt Barbara Held. Es war, das weiß sie noch ganz genau, der 21. Oktober 2016. Held und andere HelferInnen waren dabei, 150 Geflüchtete aus einem überfüllten Schlauchboot zu retten. „Wie aus dem Nichts kam die libysche Küstenwache angeschossen, zerstörte das Boot, prügelte auf die Menschen ein“, erzählt sie. Panik sei ausgebrochen, Held habe einen Mann ins Boot gezogen, ihn zu reanimieren versucht, minutenlang, ohne Erfolg. Neben dem Schiff seien vier Menschen getrieben, offenbar noch lebend, aber augenscheinlich in bedrohlichem Zustand. „Ich musste mich entscheiden“, sagt sie: Bricht sie die Reanimation ab und versucht das Leben der vier anderen zu retten? Oder macht sie weiter?

Es ist ein fundamentales ethisches Dilemma. Seit die Seenotrettungs-NGOs ab dem Jahr 2015 im Mittelmeer aktiv wurden, haben wohl Hunderte Menschen wie Held in ähnlichen Situationen Entscheidungen treffen müssen, auf die sie niemand vorbereiten kann, in denen es kein Richtig und kein Falsch gibt, und die sie womöglich ihr Leben lang mit sich herumtragen.

Held entschied sich für die Rettung der vier, zog sie aus dem Wasser, versorgte sie auf der Leiche des Mannes. „Das waren ganz dramatische Erlebnisse“, sagt sie. Die 51-Jährige sitzt in einer Kneipe in Hamburg, Schanzenviertel. Sie arbeitet in ihrer Freizeit als ehrenamtliche Ärztin auf den Schiffen der Seenotrettungsorganisation Sea-Watch, einer von einem guten Dutzend privater Rettungs-NGOs, die in den letzten Jahren in kürzester Zeit gegründet wurden, um das Sterben auf dem Meer zu bekämpfen.

Beruflich verarztet Held Gäste auf Kreuzfahrtschiffen, auf dem alten Schiff aus der ZDF-Serie „Traumschiff“ etwa. Auf der „Sea-Watch“ kümmert sie sich meist mit einem weiteren Kollegen und zwei Assistierenden um erschöpfte Geflüchtete, leistet medizinische Erstversorgung, behandelt Verletzungen. Held ist dabei ständig mit dem Tod konfrontiert.

Auf den Schiffen von Sea-Watch sind überwiegend Freiwillige, mehrheitlich männlich, seit 2015 waren knapp 400 Aktivist*innen auf den Schiffen aktiv. In Deutschland fahren sie Lkw, studieren Politikwissenschaften, kochen in Restaurants oder pflegen Kranke. In ihrem Urlaub suchen sie in Seenot geratene, überfüllte Schlauchboote, retten Leben oder kommen zu spät. Traumatisierende und belastende Erlebnisse gehören zum Alltag der Aktivist*innen – und bleiben nicht immer folgenlos.

„Allem Negativen müssen wir etwas Positives entgegenstellen. Das wirkt von außen sicher befremdlich“, sagt Held.

Wenn Menschen ertrinken, bilden das Wasser und die Restluft in den Lungen einen sogenannten Schaumpilz vor dem Mund. Er sei klebrig, sagt Held. Während der Einsätze im Oktober 2016 sei das gesamte Schiffshospital voll mit solchen Patienten gewesen. Die Medizincrew begann zu schrubben, niedergeschlagen, müde. Über die Boxen habe ihr Kollege Musik von Manu Chao gespielt, die Crew zu tanzen begonnen. Unter rhythmischen Klängen habe sich eine Art Putzparty entwickelt, wie viele sie wohl im heimischen Wohnzimmer veranstalten. Nur wurde dabei eben der Schaum der Ertrunkenen vom Schiff geschrubbt.

Auf einer anderen Fahrt habe die Crew mehrfach Leichen an Bord gehabt. Das passiert häufiger. Die Sonne prallte auf das Deck, der Geruch der Verwesung hätte immer weiter zugenommen. „Ein unglaublicher Gestank, ich musste mich fast übergeben“, sagt Held. Der Schiffskoch hätte daraufhin einen Apfelkuchen gebacken. „Der Geruch des Apfelkuchens hat alles andere ausgelöscht“. Noch heute verbinde Held das Gebäck mit dieser Situation. „Ich als Ärztin kenne das“, sagt sie und meint den Tod. Sie könne solche Situationen verarbeiten, als geschulte Medizinerin mit Berufserfahrung. Andere der oft sehr jungen AktivistInnen aber seien an Bord immer wieder überfordert. „Miteinander reden“ helfe, Erlebtes besprechen und eigene Gefühle artikulieren. „Solange man in Action ist, hält man es aus“, sagt Held, „doch in der Ruhe kommt es dann oft hoch“.

Wie sollte eine politische Organisation mit solchen Belastungen der eigenen Aktivist*innen umgehen? Welche Verantwortung trägt der Verein für die psychische Gesundheit seiner Crews? Und wissen die überhaupt, worauf sie sich einlassen, wenn sie das Schiff betreten?

In einem alten Backsteinhaus in Berlin ist das Büro von Sea-Watch, umgeben von Start-ups und anderen politischen Organisationen. Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings leuchten in den kleinen Konferenzraum, in dem Raphael Cuadros vor seinem Laptop sitzt und durch Steckbriefe von Psychotherapeut*innen scrollt. Die Abgebildeten bieten den Seenotretter*innen kostenlose Sitzungen an.

An der Bürotür hängen Poster, „Don’t forget them at sea“ steht auf einem. Vergesst sie nicht auf dem Meer. Gemeint sind wohl die Geflüchteten, die in den Wellen des Mittelmeers ihr Leben riskieren. Doch Sea-Watch will auch an diejenigen denken, die nach ihren Rettungseinsätzen wieder zu Hause in Deutschland sitzen. Und mit den Erinnerungen kämpfen.

Cuadros ist ausgebildeter Psychologe. In Tel Aviv spezialisierte er sich in Trauma-Studien, bevor er Anfang 2017 zurück nach Berlin kam. Eine Ausschreibung von Sea-Watch suchte ehrenamtliche Psycholog*innen, die eine eigene therapeutische Begleitung, ein Netzwerk für ihre Aktiven aufbauen sollten. Cuadros wollte mitmachen. „Was ich gut kann, konnte ich hier einbringen“, sagt er.

„Die Leute begeben sich in eine psychische Gefahrensituation“, erklärt Cuadros. „Das kann unglaublich belastend sein.“ Insbesondere die Konfrontation mit dem Tod sei für viele Aktivist*innen ungewohnt, schockierend, aufwühlend. Bei den ersten Fahrten ab 2015 habe es keine organisierte psychologische Betreuung gegeben. Aber die Crew berichtete von Belastungen. Der Verein sei daraufhin von einem externen Team unterstützt worden, welches sonst etwa Mitarbeiter*innen der Bahn oder der Feuerwehr nach Großeinsätzen betreue.

Das Arbeitsschutzgesetz verpflichtet seit 2013 Unternehmen, die psychische Gesundheit ihrer Angestellten zu berücksichtigen. Vereine wie Sea-Watch mit ihren Freiwilligen betrifft das Gesetz nicht. Anfang 2017 entschied sich Sea-Watch, eigene Strukturen aufzubauen. Nicht alle Aktivist*innen waren damit offenbar zufrieden, etwa der christliche Anstrich war einigen fremd, ist aus manchen Gesprächen zu hören.

Cuadros betont, dass Sea-Watch selbst Verantwortung übernehmen wollte. „Die müssen wissen, worauf sie sich einlassen“, sagt der Psychologe. Die Crew würde vor jedem Einsatz aufgeklärt, über die rechtliche Situation ebenso wie über zu erwartende psychische Belastungen. „Nur wer verstanden hat, was da passieren kann und wird, kann eine informierte Entscheidung treffen.“ Freiwillige bekämen im Vorfeld Informationsmaterial über die Mission. Mit Fragebögen zur Selbstreflexion würden sie angeregt, über eigenes Verhalten nachzudenken: Wie reagieren sie in Stress­situationen? Welche Unterstützung wünschen sie sich? Beim „Briefing“ im Hafen lerne das Team sich kennen, mache das Schiff fertig, spreche über Ängste.

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Auch Polen halten die Frontex für eine angeheuerte Mörderbande !

Mit Zweierteams, sogenannten Buddys, soll möglicher Einsamkeit auf dem Schiff begegnet werden. „Die Buddys müssen sich wenigstens einmal am Tag über die eigenen Gefühle austauschen, und sei es nur ein Gespräch bei einer Zigarette oder beim Essen“, sagt Cuadros. Der Austausch unter Vertrauenspersonen sei wichtig, das Sprechen über eigene Bedürfnisse. Zurück an Land wird die Gruppe in einem „De-Briefing“ psychologisch betreut. Dabei spricht sie gemeinsam über das Erlebte. Wer möchte, kann mit Fachpersonal Einzelgespräche führen. „Da saßen wir zusammen, haben gemeinsam geweint und gelacht“, sagt Barbara Held. Sie betont die Solidarität, denn „vom Punk bis zum Unternehmer mit Segelschein, auf dem Boot sind wir alle gleich“.

Nicht alles sei aufzufangen, räumt Cuadros ein. Sea-Watch versuche in der Vorbereitung möglichst genau über Gefahren aufzuklären, schaffe Ansprechpersonen, ermögliche Therapieangebote. Dennoch sei die Belastung enorm. Viele Akti­vist*innen würden sich sehr mit der Seenot­rettung verbunden fühlen, politisch wie emotional, voll in ihrem Einsatz aufgehen – und sich dabei manchmal selbst vergessen.

Cuadros und sein Team haben einen festen Ablauf geschaffen, versuchen ihre Aktiven abzusichern. Außerdem, das betont er, könnten die Freiwilligen jederzeit aussteigen, kurz vor dem Betreten des Boots sowie auf dem Schiff selbst. Sea-Watch halte jederzeit Ersatzpersonal bereit.

Quelle          :            TAZ           >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben      —         Sea-Watch 2 beim Auslaufen aus dem Hamburger Hafen im März 2016

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2.) von Oben    —        Pia Klemp als Rednerin anlässlich der 19. Sonntagsdemonstration gegen die unmenschliche Asyl- und Flüchtlingspolitik der österreichischen Bundesregierung in Bregenz am 5. Mai 2019

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