DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

LINKE vor ihrem Parteitag

Erstellt von Redaktion am Dienstag 1. September 2020

Zwischen Sozialdemokratisierung und Klassenpolitik

Parteitages der Partei DIE LINKE 2019, Bonn.2.jpg

Quelle       :      AKL

Von Thies Gleiss

Die LINKE wird, wenn das Corona-Virus nicht doch noch mal für eine weitere Verschiebung sorgt, zu Allerheiligen in Erfurt ihren nächsten ordentlichen Parteitag durchführen. Wichtigste inhaltliche Frage ist dabei die Einstellung der Partei auf die Bundestagswahlen 2021 (siehe dazu den separaten Artikel von Tim Fürup und Thies Gleiss in dieser „aufmüpfig“), und wichtigstes organisatorisches Vorhaben ist die Neuwahl eines Parteivorstandes.

Seit acht Jahren sind Katja Kipping und Bernd Riexinger Vorsitzende und Vorsitzender der LINKEN. Sie sind auf dem legendären Göttinger Parteitag 2012 auf dem Hintergrund einer kriselnden und stark zerstrittenen Partei gewählt worden. Der gesellschaftspolitische Hintergrund der Jahre zuvor – 2007-2009 die tiefste Krise des Kapitalismus seit 1929  und ein kontinuierlicher Niedergang der Sozialdemokratie – hätte eigentlich eine strahlende LINKE als Alternative zum politischen Modell der SPD und als Antwort auf den krisenhaften Kapitalismus möglich gemacht, aber nach dem bis heute besten Wahlergebnis der LINKEN bei den Bundestagswahlen 2009, geriet die LINKE stattdessen in tiefe, fast spaltende Diskussionen über den weiteren Kurs. Auch damals war die Hauptfrage: Soll sich die LINKE als kompromisslose, antikapitalistische Partei aufbauen, die in erster Linie die gesellschaftliche Opposition zum Kapitalismus organisiert und soziale Widerstandsbewegungen stärkt, oder wird weiterer politischer Erfolg nur durch Anpassung an die sterbende SPD und die GRÜNEN (die nach dem Reaktorunfall von Fukushima 2011 gerade einen ersten Höhenflug erlebten), oder gar durch Anpassung an nur eingebildete Idealformen der Sozialdemokratie, und darauf aufbauende parlamentarische Bündnisangebote erreicht werden?

Mit der Wahl von Katja Kipping und vor allem des linken Gewerkschafters Bernd Riexinger setzten sich die Partei und das Konzept einer aktiven Mitgliederpartei und damit im weiteren Sinne die Parteilinke gegen die Fraktionen aus Bund und Ländern und die sich um sie gruppierenden parlamentarisch-reformerischen Kräfte durch. Der parlamentarisch-reformerische Flügel hatte zwar offen über eine Abspaltung diskutiert, aber es siegte die Einsicht, dass das erfolgreiche Projekt einer neuen linken Massenpartei in Deutschland nur als gemeinsames Projekt verschiedener, auch strategisch unterschiedlicher Flügel weiterhin gelingen kann.

Verbindende Klassenpolitik und Bewegungspartei

Die beiden neuen Vorsitzenden verfolgten danach einen durchaus erfolgreichen Kurs, die Parteiflügel zusammenzuhalten und gleichzeitig die Partei als eine auf gesellschaftliche Protestbewegungen ausgerichtete Aktivenpartei aufzubauen. Mit den Konzepten „Bewegungspartei“ und „Verbindende Klassenpolitik“ entstanden strategische Ausrichtungen, die selbstverständlich auch nicht widerspruchsfrei waren – wir von der Antikapitalistischen Linken haben sie regelmäßig konstruktiv kritisch begleitet – die aber zu einer realen und radikalen Politik befähigten. Es wurden Kampagnen zur Krise im Gesundheitswesen (lange vor der Corona-Krise), zu den explodierenden Mieten und zum sozialökologischen Umbau organisiert. Die LINKE tauchte als aktive und ohne Stellvertreter*innenpose auftretende Kraft auf in den sozialen Protestbewegungen gegen Überwachungsstaat und neue Polizeigesetze; gegen die internationalen Freihandelsverträge; gegen den weiteren Ausbau von Atomenergie und vor allem den Braunkohleabbau; als solidarische Kraft bei betrieblichen Streiks und in der Bewegung gegen Rassismus und zur Solidarität mit den Geflüchteten. Nach den Vorstellungen der AKL hätte die LINKE durchaus mehr selbstständig agieren, als nur reagieren sollen, aber im Grundsatz war die Entscheidung richtig, die Krise der Partei DIE LINKE durch einen neuen Aufbruch der Mitgliedschaft lösen zu wollen. Das gilt auch für heute.

Die Partei stabilisierte sich und es kam zu absoluten Mitgliederzuwachs vor allem durch Organisierung junger Leute. Leider gelang es in der Regel nicht, diese neuen Mitglieder in lebendige Parteistrukturen vor Ort einzubinden. Es wurden keine Anstrengungen gemacht, die jungen Mitglieder und potenzielle weitere neue Mitglieder dort zu organisieren, wo sie leben, wo sie arbeiten, studieren und politisch aktiv sind. Auf Kreisebene setzte sich mehr und mehr das falsche Konzept durch, nur auf Wahlkämpfe zu setzen und nur kommunal-parlamentarische Arbeitsfelder anzubieten, womit leider keine jungen Mitglieder dauerhaft zu gewinnen sind, sondern nur eine kleine Auswahl, politisch und emotional fehlorientierter Nachwuchsparlamentarier*innen.

Die sozio-ökonomische Gesamtsituation führte zu der bekannten Sonderrolle Deutschlands bei der Bewältigung der Wirtschaftskrise von 2008 innerhalb Europas und der EU. Die EU geriet in eine bis heute andauernde Existenzkrise. Die Migrations- und Flüchtlingsbewegungen wuchsen an und weltweit entstanden rechte, rassistische und nationalistische Parteien mit Massenzulauf, die sich angesichts der Defizite der offiziellen bürgerlichen Regierungspolitik als die harte und kompromisslose bürgerliche Alternative verkauften.

In Deutschland stieg die „Alternative für Deutschland“ (AfD) zu einer in allen Parlamentswahlen erfolgreichen rechts-nationalistischen Massenpartei auf, die massiv Druck auf die etablierten bürgerlichen Parteien ausübte. Die bekannten Koalitionen – nicht zuletzt die „Große Koalition“ in Berlin – verloren ihre exklusiven Mehrheiten. Schon die letzten Jahre konnten sich diese Mehrheiten nur auf dem Fundament einer wachsenden Legitimationskrise der Regierungsparteien mit großer Nichtteilnahme bei den Parlamentswahlen durchsetzen. Jetzt wuchsen die Wahlbeteiligungsquoten wieder, aber die große Gewinnerin war die AfD. SPD und CDU verloren zudem an die GRÜNEN, die sich angesichts der thematisch zeitweise alles überragenden Klimakrise streckenweise auf den zweiten Platz der Parlamentsparteien festsetzten.

Die LINKE – was für ein Armutszeugnis für eine junge, sozialkritische und auf radikale Veränderung setzende Partei – musste die höheren Wahlbeteiligungen sogar fürchten. Ihre Wählerinnen und Wähler blieben zu Haus, die bisherigen Nichtwähler*innen landeten bei der AfD. Bei manchmal nur geringen Wahlverlusten in absoluten Stimmenzahlen sanken die Prozentpunkte für die LINKE.

Die ungelösten Fragen

Die LINKE blieb gegenüber dem Aufschwung der Rechten und Nationalisten und angesichts der immer bedeutender werdenden Flüchtlingsfrage, trotz mehrmaliger Mehrheitsbeschlüsse, sich anders aufzustellen, eine uneinheitliche und unattraktive Partei. Maßgebliche Spitzenkräfte der Partei, allen voran die Fraktionsspitze um Sahra Wagenknecht, widersetzten sich einem harten Kampf gegen die AfD, sondern wollten einen weichen Kurs, der die Anhänger*innen der AfD zur LINKEN locken, und der sich sogar in einzelnen Punkten inhaltlich der AfD annähern sollte.

Ebenso tragisch war die Rolle der LINKEN auf europäischer Ebene. Sie fand angesichts der tiefen EU-Krise keine gemeinsame Linie. Es wurde ein widersprüchlicher Wahlkampf zum EU-Parlament geführt, der zwischen abstrakter EU-Verliebtheit (nicht ganz so krass wie bei den GRÜNEN, aber auch etwas bizarr angesichts der Realitäten) und klarer Analyse der Todeskrise des kapitalistischen Staatenbundes namens EU hin- und herpendelte. Wer nichts zu sagen hat, der und die werden nicht gewählt. So einfach lässt sich das magere Ergebnis der LINKEN bei der EU-Wahl 2019 erklären.

Es zeigt sich, dass das bisher erfolgreiche Konzept des Aufbaus der LINKEN, ein Bündnis strategischer unterschiedlicher Ansätze zu sein, dass sich von Fall zu Fall einigen und Widersprüche aushalten muss, an den beiden Punkten „Flüchtlinge und Migration“ und „Europäische Union“ nicht funktioniert hat. Die LINKE hätte sich in diesen beiden Fragen nicht nur klar und eindeutig als EU-Gegnerin und als erste Adresse einer ungeteilten -Solidarität mit den Geflüchteten positionieren, sondern auch eine entsprechende Praxis folgen lassen müssen. Wir von der AKL haben dies auch gefordert, aber es geschah leider nicht. Es hätte im Übrigen geschehen können, ohne dass die Partei sich gespalten hätte, aber es sollte nicht sein.

Neben diesen ungelösten inhaltlichen Fragen ragen die wenigen parlamentarischen Erfolge der LINKEN etwas unnutzbar hervor: Die zweimalige Wahl der LINKEN als Mehrheitspartei in Thüringen mit einem Ministerpräsidenten, der zwar viel tut, nicht als Linker zu erscheinen, aber immerhin Mitglied der Partei ist, sowie die neuen Regierungsbeteiligungen der LINKEN in Berlin und Bremen, haben zwar durchaus über die jeweiligen Länder hinausgehende Bedeutung, aber die LINKE konnte und kann sie offenkundig nicht nutzen.

Allein in Berlin nahm die LINKE in der Mietenfrage aufgrund einer breiten städtischen Mobilisierung eine etwas radikaler Position ein und erwirkte den Mietendeckel. Bremen entwickelt sich zu einem ähnlichen Fiasko für die LINKE wie vorher in Brandenburg.

Auch das relativ gute Abschneiden bei Wahlen in Hessen, Hamburg, Bayern und Nordrhein-Westfalen, wo die parlamentarischen Präsenzen gehalten oder recht ordentliche Ergebnisse unterhalb der Fünfprozent-Grenze erreicht wurden, brachte kaum Impulse für den Aufbau einer Bewegungspartei.

Die LINKE als Wahlkampfpartei aufzustellen ist immer nicht ausreichend und sehr schwankend. Wenn dann Versagen bei den großen, wahlbestimmenden Themen hinzukommt, wird die LINKE im besten Fall stagnieren.

Der alte Streit kehrt zurück

So ist es kein Wunder, dass der alte Streit zwischen den Sozialdemokraten und denen, die etwas anderes und etwas mehr sein wollen innerhalb der LINKEN wieder an Fahrt aufnimmt. Kurioserweise begann es mit einer Aufspaltung dieses „sozialdemokratischen Lagers“ in der LINKEN.

Es gibt drei Ansätze, die LINKE als sozialdemokratische Kraft aufbauen zu wollen: Auf der einen Seite stehen die „parlamentarischen Reformer*innen“, die sich Veränderung ausschließlich als parlamentarische Absprache und Regierungspolitik, notfalls als gespielte Regierungspolitik in der Opposition, vorstellen können. Es sind die Langzeitparlamentarier*innen, die teilweise noch aus PDS-Zeiten begründete parlamentarische Karrieren verfolgen. Ihnen sind große programmatische Ziele fremd oder unheimlich. Sie wollen ein Bündnis mit der SPD und notfalls auch noch mit den GRÜNEN zu jedem Preis. Dieses Bündnis wird – wie ihr Spitzenmann Dietmar Bartsch gerade so schön erklärte – auf diskursive Weise durch Absprachen der Spitzengremien der Fraktionen (notfalls noch der Parteien) erreicht, die Mitglieder werden vor vollendete Tatsachen gestellt und stimmen dann schon zu. Einzige Voraussetzung ist allerdings, dass die Anzahl der Parlamentsmandate oder zumindest die Umfragewerte für kommende Wahlen für solche Bündnisse zur Mehrheit reichen, was seit geraumer Zeit auf Bundesebene nicht mehr gegeben ist.

Zweitens gibt es die Vorstellung, dass ein Bündnis mit SPD und GRÜNEN nur an den etablierten Parteispitzen vorbei und von unten aufgebaut werden kann. Eine Bewegung der parlamentarischen Hinterbänkler*innen und der Unterstützer*innen dieser Parteien außerhalb der Parlamente müsse dafür sorgen, dass im Grunde die gleiche, wenn auch etwas sozialere reformerische Politik durchgesetzt wird, die der zuerst beschriebene sozialdemokratische Club in der LINKEN durch Spitzenabsprachen erreichen will. Eine solche Bewegung muss im Vorfeld von Wahlen entstehen und, wie es damals in der LINKEN bezeichnenderweise genannt wurde, die alten Parteiführungen verscheuchen und die Partei aufmischen. Mit dem Projekt „Aufstehen“ wurde allerdings nur eine Karikatur einer solchen Bewegung versucht.

Die dritte Gruppe sozialdemokratischer LINKER möchte eine politische Stimmung in der Gesellschaft auslösen, ähnlich der von 1998 vielleicht, die sich für neue reformerische, auch grundlegend reformerische Projekte engagiert und damit „neue linke Mehrheiten“ fühlbar und sichtbar macht. Sie orientiert sich an individualistischen Politikkonzepten, steht kollektiven oder Klassenkämpfen skeptisch gegenüber. Bewegung von unten und Regieren gehören in diesem Konzept zusammen, weil sie beide nur als individuelle Aktion Vieler, aber völlig im Rahmen der bestehenden gesellschaftlichen Strukturen angesehen werden. Sie orientieren sich an Konzepten, wie sie die GRÜNEN eine Zeit lang hatten und auch heute immer mal wieder herauskramen. Katja Kipping und ihr „Institut für solidarische Moderne“ sind die Vorsprecherinnen dieser Gruppe, erstere hatte sich als Parteivorsitzende aber geraume Zeit zurückgehalten. Auch Bernd Riexinger lässt sich seit einiger Zeit auf diese Positionen ein.

Alle drei Gruppen des Sozialdemokratismus waren in der Zeit als die beiden Parteivorsitzenden und die sie unterstützenden Parteikräfte relativ ruhig und erfolgreich den Schwerpunkt auf die Partei und die Mitgliedschaft, auf soziale Bewegungen und Klassenpolitik setzten, in der Bundestagsfraktion eine mehr oder weniger gewollte Allianz eingegangen. Ihr gemeinsames Interesse lag vor allem in der Verteidigung der Machtpositionen der Parlamentsfraktionen gegenüber der Partei und in der Auseinandersetzung mit den linken Kräften in der LINKEN, die überhaupt kein sozialdemokratisches Politikmodell verfolgen. Es gab 2017 zur Bundestagswahl zwar Gerangel um das seltsame Amt „Spitzenkandidat“ und „Spitzenkandidatin“, aber es setzten sich schnell die Fraktionsvorsitzenden Bartsch und Wagenknecht durch und duldeten die Parteivorsitzenden nur noch neben sich. Dieses Vierer-Bündnis zerbrach nach der letzten Bundestagswahl.

Zuerst riefen Sahra Wagenknecht und ihre Unterstützer*innen dazu auf, eine „Massenbewegung“ namens „Aufstehen“ zu gründen, die den gewünschten Aufstand der Basis von SPD, GRÜNEN und LINKE gegen ihr Parteiestablishment ausführen sollte. Vom LINKE-Parteiestablishment zum Aufstand gegen selbiges aufzurufen und eine Bewegung künstlich über Werbeagentur und Internethashtags aufzubauen – das konnte nicht funktionieren. Wir von der AKL haben dies vom ersten Tag an kritisiert und bis zum letzten traurigen Punkt recht behalten. In der Summe hat „Aufstehen“ nur der LINKEN geschadet, insbesondere dem größten Landesverband in Nordrhein-Westfalen. Den Initiator*innen ist Parteischädigung im nicht kleinen Ausmaß vorzuwerfen. Die traurige Rolle der LINKEN gegenüber dem Aufstieg des Rassismus und der AfD geht unter anderem auf die falsche, anbiedernde Rolle der „Aufstehen“-Leute gegenüber der AfD zurück. Gleichzeitig war die „Aufstehen“-Gruppe permanent mit unpolitischen und unzutreffenden Angriffen auf die Parteiführung beschäftigt.

Aktuell melden sich auch die alten „Reformkräfte“ und Regierungslinken zu Wort. Sie haben mit einem gemeinsamen Text die Parteitagsdebatte eröffnet, wo sie wieder die alten Ideen von Regierungsmehrheiten mit SPD und GRÜNEN, von Spitzenabsprachen und politischem Kleinhandel um Posten und Positionen ausgraben und von der LINKEN die Preisgabe aller Prinzipien zugunsten einer „diskursiven Politikgestaltung am Einzelfall“ verlangen.

Von den Parteivorsitzenden, dem Schatzmeister und dem Bundesgeschäftsführer ist ein Versuchsballon gestartet worden, die dritte Gruppe unserer Sozialdemokrat*innen, angeführt von Katja Kipping, als mögliche Frieden bringende Kompromisslinie zwischen den Regierungslinken um Dietmar Bartsch und den „Aufstehen“-Leuten zu verkaufen. Sie nutzen die Begriffe der anderen und versuchen, sie mit den alten Parteiaufbaukonzepten zu versöhnen. Aber dieser Ansatz, eine Regierungsoption durch die Hintertür einzuführen, wurde im Gesamtgremium des Parteivorstands erst einmal deutlich zurückgewiesen.

Es gibt heute immer noch keine gesellschaftliche Aufbruchsstimmung für eine GRÜNE-LINKE-SPD Koalition und es gibt auch keine Mehrheiten dafür in den Umfragen. Die Erzählung, die CDU wäre der Hauptfeind und SPD und GRÜNE wären „natürliche“ Verbündete der LINKEN ist so falsch wie die jahrelang vorgetragene These, dass es ein „linkes Lager“ oder „progressive Mehrheit links von der Union“ geben würde.

Zurück zum Aufbau einer handlungsfähigen Klassenpartei

Die gesamte Regierungsdebatte ist vollständig nutzlos und schädlich für die Partei. Es gibt keine Abkürzung zum Aufbau einer widerständigen Klassenpartei, die im wirklichen Leben als Stimme des Protestes verankert ist. Selbst da, wo die LINKE in der Regierung ist, sind die fortschrittlichen Ergebnisse winzig und erfordern dennoch eine breite Mobilisierung der Bevölkerung. Es ist ein tödlicher Irrtum, anzunehmen, eine gute Ministerin und ein toller Staatssekretär würden eine solche gesellschaftliche Mobilisierung irgendwie ersetzen können. Das letzte traurige Beispiel in einer langen Kette ist die PODEMOS im spanischen Staat.

Selbstverständlich darf eine LINKE niemals verstecken, dass auch sie regieren will und regieren kann. Aber das funktioniert nicht durch Schönreden oder Schönsaufen der realen SPD und der GRÜNEN. Beide Parteien wollen ausdrücklich neunzig Prozent des Programms der LINKEN nicht nur nicht, sondern wollen sie verhindern, insbesondere eine Orientierung auf eine sozialistische Gesellschaft und eine weltweite neue Wirtschaftsordnung. Eine Regierung mit SPD oder gar den GRÜNEN wäre heute kein linkes Regieren. Eine Regierungsorientierung der LINKEN braucht andere Koalitionspartnerinnen: Streikende Belegschaften, widerständige Klima-Aktivist*innen, engagierte Mieterinitiativen, Menschenrechtsgruppen, internationale Solidarität und unabhängige, kritische, linke Intellektuelle. Wenn sie nicht vorhanden sind, geht halt nur der mühsame Weg der Ebene zur Erringung echter neuer Mehrheiten für unsere Positionen

Um zu einer solchen Partei zu werden, muss sich die LINKE allerdings auch aus der massiven Umklammerung durch den Parlamentarismus befreien. Die materielle Macht der Parlamentsfraktionen und der persönliche Karrierismus und die Konkurrenz der Eitelkeiten der gewählten Berufspolitiker*innen prägen nicht nur die gesamte Debatte der Partei, sondern sie sind auch einer der wichtigen Gründe dafür, dass die abwartenden, zaudernden, sich mit dem Erreichten zufriedengebenden sozialdemokratischen Kräfte in den eigenen Reihen nicht weniger, sondern mehr werden, und dass die Zeit „für sie arbeitet“.

Wir von der AKL haben regelmäßig konkrete Vorschläge gemacht, wie die demokratische Kultur der Partei gestärkt und der Druck der parlamentarischen Kräfte gemildert werden kann. Sie sind alle noch aktuell und ihre Einlösung dringender denn je: Befristung der Mandate; Rotation der Ämter; keine Ämterhäufung; Trennung von Amt und Mandat, strikte Beschränkung aller materiellen und finanziellen Privilegien der Mandatsträger*innen.

Wie abgehoben und irregleitet die nur-parlamentarische Politik ist, der sich die LINKE leider immer mehr verschrieben hat, wird fast jeden Tag am Verhalten unserer Parlaments-Fraktion deutlich. Nicht alle einzelnen Abgeordneten sind so, aber immer mehr, und in der Summe wirkt die Fraktion leider gemeinschaftlich in die falsche Richtung. Die großen Themen einer antikapitalistischen Bewegung und der Wiederbelebung der Idee des Sozialismus als Alternative werden im Parlament tagespolitischen Parlamentsbündnissen, diplomatischen Abwägungen oder auch nur der Geschäftsordnung des Parlaments geopfert. Den Rest an Glaubwürdigkeit erledigen dann ein von außen nur schwer zu respektierender Konkurrenzkampf und das Fegefeuer der Eitelkeiten der einzelnen Abgeordneten und ihrer aufgeblähten Büros gegeneinander.

Eine linke Partei, auch die LINKE, muss selbstverständlich an Wahlen zum Parlament teilnehmen, andernfalls würde sie viel verpassen. Aber sie muss es mit der Aufgeklärtheit machen, die sie in allen anderen Konflikten in der Gesellschaft ja auch zeigen muss. Lässt sie sich treiben, dann wird aus den linken Parlamentarier*innen schnell das Ausführungsorgan zur Verteidigung der herrschenden Verhältnisse.

Die AKL ist gegründet worden, sich eben dieser Entwicklung entgegenzustellen. Darauf verpflichten sich unsere Delegierten, Gewählten für Parteigremien und Mandatsträger*innen.

Thies Gleiss ist Mitglied im Parteivorstand und Mitglied des Bundessprecher*innenrates der AKL

akl - Antikapitalistische Linke

————————————————————————

Grafikquellen       :

Oben       —         Parteitag der Linkspartei in Bonn. 2. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE, 22. und 23. Februar 2019, Bonn.

——————————–

2.) von Oben        —         Übernahme von AKL     – Danke !

—————————

Unten     —       Ein bunter Scherbenhaufen von rot  bis braun – ein Scherbenhaufen

Ein Kommentar zu “LINKE vor ihrem Parteitag”

  1. Obelix sagt:

    DIE LINKE muss die Kämpfe um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden verbinden.
    Erklärung von Bernd Riexinger

    Liebe Genossinnen und Genossen,

    ich werde nach über acht Jahren als Parteivorsitzender der LINKEN nicht erneut für dieses Amt kandidieren. Achteinhalb Jahre umfassen weit mehr als die Hälfte des „Lebens“ unserer Partei DIE LINKE. Es war eine gute Zeit.

    Ich habe die Arbeit als Parteivorsitzender sehr gerne gemacht und bin stolz darauf, dass wir DIE LINKE zu einer gesamtdeutschen Partei aufgebaut und weiterentwickelt haben, die heute eine stabile Kraft im bundesdeutschen Parteiensystem ist. Erstmalig seit Jahrzehnten etablierte sich in Deutschland eine gesamtdeutsche Partei links von der SPD. Das ist bei Weitem keine Selbstverständlichkeit.

    Meine Geschichte ist mit der LINKEN verbunden, persönlich und exemplarisch. Vor der LINKEN war ich lange Jahre Linker ohne Partei, durchaus im guten Sinne ein radikaler Linker. Ich war Gewerkschaftsführer und habe – z.T. gegen das bleierne Zögern der Gewerkschaftsführungen – den Massenprotest gegen die Agenda 2010 mit auf die Füße gestellt mit einer Mobilisierung von unten. In der Falle von Globalisierung und Neoliberalismus brauchten die Gewerkschaften einen neuen strategischen Partner. Mit Blick auf die Demütigungen von Niedriglohn und Lohndrückerei, von Aushungern und Vermarkten des Öffentlichen war es überlebenswichtig, dass die gesellschaftliche Linke auch in einer Partei zusammenkommt. Deshalb habe ich die WASG mitgegründet und war danach lange Landessprecher der LINKEN in Baden Württemberg. Und deshalb hatte ich achteinhalb Jahre lang immer das Gefühl, hier genau am richtigen Ort zu sein.

    Als Katja Kipping und ich den Vorsitz übernommen haben, war die Situation der LINKEN riskant: Befördert durch die Proteste gegen die Wirtschaftskrise, gegen Bankenrettung und Schuldenbremse waren die Umfragen und Wahlergebnisse schnell gewachsen. Aber die Parteientwicklung war nicht – konnte nicht – in der gleichen Geschwindigkeit hinterherkommen. Zum Teil litten wir auch daran, dass eine plurale LINKE eine neue Sache war. Ich erinnere mich noch gut an die Begeisterung der ersten Jahre, das elektrisierte Gefühl, dass inmitten einer der größten Angriffe des Kapitals DIE LINKE erstmalig stärker wird, zusammenkommt, statt sich über den richtigen Weg zu zerstreiten. Das war nicht einfach, durch alle Phasen der Parteientwicklung durchzuhalten. Die Erfahrungen mit und die Erwartungen an eine linke Partei waren unterschiedlich. Bei denen, die die Erfahrungen des Zusammenbruchs des „Staatssozialismus“ mitbrachten, andere, die jahrzehntelang Abwehrkämpfe führen mussten. Bei denen, die immer im Betrieb gekämpft haben und die, denen Gewerkschaften eher ein bisschen suspekt waren. Das ging nicht immer einfach so zusammen. Als Katja Kipping und ich den Vorsitz übernommen haben, hatte der Streit eine bedrohliche Größenordnung angenommen. Die Partei hatte sich in innerparteilichen Auseinandersetzungen zerrieben und wir hatten viele verloren. Es war unsere Aufgabe, die Partei zu einen und die anstehenden Bundestagswahlen zu bestehen. Beides ist gelungen. Wir haben angefangen mit Zuhören, Gespräche führen, die Basis besuchen, aufbauen, wertschätzen. Wir hörten auf, Mitglieder zu verlieren. Wir haben Perspektiven zusammengebracht, um das Gemeinsame zu stärken. Das Gemeinsame und nicht das Trennende in den Vordergrund zu stellen, war und ist eine Daueraufgabe der politischen Führung. Bei den Bundestagswahlen im folgenden Jahr war zwar das Ausnahmeergebnis aus der Zeit in der Finanzkrise nicht zu wiederholen, aber wir lagen deutlich über den Umfragen des Vorjahres. DIE LINKE wurde drittstärkste Kraft im Bundestag.

    Nach der Bundestagswahl 2013 habe ich mit dem begonnen, wofür immer mein Herz besonders geschlagen hat: Programme für Nachwuchsbildung in der Partei auf den Weg bringen – nicht nur Wissensvermittlung, sondern Strategie, Organisierung, wie machen die jungen Leute die Partei vor Ort zu einem lebendigen, brummenden Zentrum, das für neue Mitglieder und Interessierte attraktiv ist? Und: Konzepte für Kampagnen, für eine neue Kultur in der Partei, für (Selbst-) Organisierung.

    Von Anfang an war es mir wichtig, eine aktive verbindende Mitgliederpartei aufzubauen, die in der Gesellschaft verankert, bündnisfähig und verbunden mit den fortschrittlichen sozialen, ökologischen und demokratischen Bewegungen ist. Eine Partei, die klar und unbestechlich die Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentnerinnen und Rentner vertritt, die vielfältigen Spaltungsprozesse als Folge der neoliberalen Politik überwinden und gemeinsame (Klassen) Interessen einer veränderten Erwerbsbevölkerung herauszuarbeiten und vertreten will. Die verlässlich ihre Stimme gegen Aufrüstung, Krieg und militärische Interventionen erhebt.

    Wir wussten, wir können uns nicht darauf verlassen, dass die Medien unsere Positionen wiedergeben, wir müssen unsere eigenen Kampagnen organisieren: Kampagnen, die Leute zum Mitmachen einladen, die vor Ort funktionieren und auch bundesweit. Derzeit, mit Pflegenotstand-stoppen und Mieten, sind wir in zentralen Auseinandersetzungen präsent. Wir sind verlässlicher Bündnispartner gegen Rechtsradikalismus und Rassismus. Ebenso im Kampf gegen Aufrüstung und Krieg.

    Ich bin in meiner politischen Arbeit immer sehr von Antonio Gramsci beeindruckt gewesen. Nicht nur, weil er so unbeugsam war, weil seine Energie noch im Gefängnis für all diese Analysen und Schriften gereicht hat. Auch weil er immer so sehr die Menschen, ihren Blick auf die Welt einbezogen hat, weil er nicht in geschichtlichen Notwendigkeiten dachte, sondern in Kräfteverhältnissen, die verändert werden müssen.

    Für eine linke Partei bedeutet das: Sie muss verankert sein in den Kommunen und Vereinen, in den Gewerkschaften, in den Nachbarschaften. Das passiert nicht von allein, das muss geplant werden, strategisch und politisch sein und muss so angelegt sein, dass sich die Menschen gern mit uns verbinden. Besonders in einer Zeit, in der sich viele von „der Politik“ abwenden, weil sie sich zu Recht nichts von der einen oder anderen Volkspartei versprechen. Viel meiner Arbeit ist hier reingegangen. Dass wir vom linken Community Organizing lernen und Projekte in den Nachbarschaften gründen. Eine ganze Reihe davon ist inzwischen aktiv. Sie organisieren Mieterinnen und Mieter gegen die Wohnungsbau-Riesen, sie stärken die Partei, sie besuchen die Menschen zu Hause und fragen, was ihnen wichtig ist. Bisher waren das nicht Teil einer wirklichen Parteientheorie und nicht bewusster Teil der Strategie zur Stärkung der LINKEN.

    Ergebnis dieser Entwicklung ist, dass die Kurve der Mitgliederzahlen wieder nach oben zeigt. Heute ist DIE LINKE im Westen deutlich stärker als vor acht Jahren. Zweidrittel unserer Neumitglieder sind unter 35 Jahre jung. Wir sind jünger, bewegungsorientierter und breiter aufgestellt. Wir sind migrantischer geworden. Wir hatten schon immer die härteste Frauenquote bei den internen Wahlen, wir gewinnen aber endlich auch zunehmend Frauen als Mitglieder. Die Zahl unserer Kommunalwahlmandate und damit unserer örtlichen Verankerung ist erheblich gestiegen. In der Mietenfrage wurde DIE LINKE zur führenden politischen Kraft, nicht zuletzt dank einer konsequenten Politik für die Mieterinnen und Mieter in Berlin. In Thüringen wurde der erste linke Ministerpräsident gewählt und bestätigt, wir konnten in Hessen erneut in den Landtag einziehen, wie auch in Hamburg dazu gewinnen, in Berlin und Bremen in die Landesregierung eintreten. Natürlich gab es auch Rückschläge, aber insgesamt konnten wir die Akzeptanz der LINKEN verbessern.

    Die Partei hat neue Wählergruppen gewonnen. Gerade bei Beschäftigten im Gesundheitswesen, im sozialen Bereich und in den (neuen) Dienstleistungsbranchen verzeichneten wir deutliche Terraingewinne. Das sehe ich als großen Erfolg.

    Ich war überwältigt, als ich bei meiner ersten Wiederwahl knapp 90 Prozent der Stimmen bekommen habe. Es war ein großes Kompliment, ein Vertrauensscheck, eine Anerkennung des Zuhörens und Zusammenführens. Mit den Jahren ist es normal, dass der Zuspruch etwas nachlässt. Wenn man frischen Wind und neue Ideen in die Partei einbringt, können nie alle mitgehen. Das ist normal und in Ordnung. Auch wenn weniger gut ausgegangene Wahlen in manchen Ländern stärker den Vorsitzenden angelastet werden. Das ist zwar nicht ganz richtig, es ist aber auch nicht total falsch. Auch das auszuhalten, ist Aufgabe von Vorsitzenden. Ich war immer getragen von einem starken Rückhalt in der Partei, und das hat sich nicht geändert.

    Auch inhaltlich programmatisch hat sich DIE LINKE weiterentwickelt. Nach und nach wurden in den wichtigsten Politikfeldern Konzepte ausgearbeitet und präzisiert. Bei der Gesundheitsversorgung, der Rente, dem Investitionsprogramm im öffentlichen Sektor, der Weiterentwicklung des Sozialstaates, der Steuerpolitik oder des Klimaschutzes liegen heute konkrete Konzepte auf dem Tisch, die eine klare und meist durchgerechnete Alternative zur vorherrschenden Politik formulieren. DIE LINKE sagt heute nicht nur, was sie ablehnt und bekämpft, sondern auch, wohin sie will und wofür sie positiv steht. Dazu haben zahlreiche Diskussions-Foren in den Regionen, zwei Zukunftskongresse, zahlreiche Fachtagungen, die Zusammenarbeit mit den Fachpolitikerinnen und Fachpolitikern der Fraktion beigetragen. Die Gespräche mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung wurden intensiviert und verbessert.

    Ich will aber nicht versäumen, eine Auseinandersetzung anzusprechen, die mich besonders geschmerzt hat und die mir besonders nahe gegangen ist. Kurz nach der Bundestagswahl 2017 – bei der wir uns übrigens verbessern konnten – fing die Diskussion an, dass wir zu viel über Solidarität mit Geflüchteten sprechen und zu wenig über die Beschäftigten. Ein Vorwurf, der mir mit meinen über 50 Jahren Gewerkschaftsmitgliedschaft nicht sehr nahe zu liegen schien. Ich weiß, nicht alle waren mit mir einverstanden. Ich war sehr froh und stolz, dass wir auf dem darauffolgenden Parteitag mit überwältigender Mehrheit Position bezogen haben. Dass wir für Menschlichkeit und Menschenrechte, und das heißt eben, für offene Grenzen stehen.

    Für mich ist es eine existenzielle, linke Frage, dass wir nicht weichen, wenn gegen Geflüchtete und Menschen mit migrantischen Wurzeln gehetzt wird. Wenn Leute sagen, „dafür ist kein Geld da“, sagen wir nicht, „ach so“. „Die Leute ernst nehmen“, heißt nicht, ihnen nach dem Mund zu reden. Denn das die Menschen das Gefühl haben, für alles ist Geld da, nur für sie nicht, das ist ja nicht falsch, nur dass die Geflüchteten das nicht ändern können. Diese Gefühle müssen wir zum Gegenstand unserer Politik machen. Es ist kein Wunder, dass viele Menschen das Gefühl haben, dass jeder für sich allein kämpft, statt in einer Gesellschaft zu leben, miteinander verbunden zu sein, wenn über Jahrzehnte soziale Strukturen abgebaut oder auf den Markt geworfen werden, die diese Zusammenhänge bilden. Wenn Menschen sich bei der Pflege ihrer Angehörigen scheinbar nur zwischen schlechter Versorgung, bankrott zu gehen oder einer „osteuropäischen Pflegekraft“ zu Billigstlöhnen entscheiden können. Der rückenkranke Amazon-Arbeiter, die Krankenschwester vor dem Burnout, der Beschäftigte in der Rüstungsindustrie, der nicht in die Nachrichten schauen kann, die rumänischen Tönnies-Arbeiter, die sich mit Corona anstecken mussten. Die Menschen, die nicht wissen, wie sie die gestiegene Miete bezahlen sollen. Das sind die Erfahrungen, die Gefühle der Menschen, für die wir, für und mit denen ich mein Leben lang gearbeitet habe. In jedem Kampf liegt es nahe, wird es von oben nahegelegt, die Linien zwischen sich und dem Nachbarn, der Nachbarin, jemand, der oder die anders zu sein scheint, zu ziehen. Aber wir machen das nicht. Wir sind DIE LINKE. Solidarität ist unsere DNA.

    Dass wir diese Debatte entscheiden konnten, ist nicht ohne Kosten geblieben. Einige versuchten, aus der Mitte der Partei heraus ein neues Projekt, vielleicht eine neue Partei zu gründen. Beides ist nicht gelungen. Jetzt geht es darum, uns mit Energie und mit Stolz auf die eigene Politik, die eigene Partei in die kommenden Auseinandersetzungen, in die Wahlen und Kampagnen, in die Organisierungen vor Ort zu werfen.

    Zwei Themen waren und sind mir besonders wichtig: Wie in diesen unübersichtlichen Zeiten eine verbindende Klassenpolitik aussehen kann, warum sie ein wichtiger Bezugspunkt für eine linke Partei ist. Warum wir die vielfältigen Spaltungslinien, die die neoliberale Politik hinterlassen hat, überwinden müssen und damit die gemeinsamen Interessen der Beschäftigten, Erwerbslosen und Rentnerinnen und Rentner konsequent vertreten können.

    Und dass wir uns in die Umbrüche der Zeit mit einem eigenen Entwurf begeben müssen. Daher mein Plädoyer für einen sozialen und ökologischen Systemwechsel, für einen linken Green New Deal. Es gibt keinen Gegensatz von linker sozialer Politik und Klimagerechtigkeit. Linke Politik auf der Höhe der Zeit muss beides umfassen. Der Grundgedanke, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der kein Mensch sich zwischen seinem Arbeitsplatz und der Zukunft seiner Kinder oder Enkel entscheiden muss, ist bestechend und motivierend. Das Interesse an auskömmlichen Löhnen und guter Arbeit, der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme, der öffentlichen Wohlfahrt und Infrastruktur wird verknüpft mit dem sozialökologischen Umbau der Wirtschaft, radikalem Klimaschutz, Abrüstung, Verteilungsgerechtigkeit und Wirtschaftsdemokratie. Weltweit gehen dafür Millionen Menschen auf die Straße. DIE LINKE kann Bündnisse und Allianzen schmieden, um ein solches gesellschaftliches Projekt, das zugleich ein internationales ist, auf den Weg zu bringen.

    Wenn die Gesellschaft im Umbruch ist, hat DIE LINKE die Aufgabe, ein gesellschaftliches Projekt auf den Weg zu bringen, das sich gegen einen autoritären Kapitalismus wehrt und sich mit »greenwashing«, d.h. mit einer grünen Modernisierung des Kapitalismus, nicht zufrieden gibt. Sie muss die Kämpfe um Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, Demokratie und Frieden verbinden. Für diese große Aufgabe müssen sich die gesellschaftliche Linke und die Partei DIE LINKE weiterentwickeln. Ich bin überzeugt, dass DIE LINKE für die Zukunft gerüstet ist, wenn sie Einstiege in ein gesellschaftliches Projekt auf den Weg bringt, das gleichermaßen für soziale und Klimagerechtigkeit steht.

    Ich werde noch bis zum nächsten Parteitag den Parteivorsitz ausüben. Trotzdem bedanke ich mich an dieser Stelle bei meinen engen Wegbegleiterinnen und Wegbegleitern, bei den vielen Genossinnen und Genossen, die unverdrossen an einer sozial gerechten Gesellschaft arbeiten, die sich einmischen, an der Seite streikender Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter stehen oder Teil sozialer Bewegungen sind oder sich in Gewerkschaften und Kommunalparlamenten engagieren. Sie sorgen dafür, dass DIE LINKE eine politisch wirksame Kraft in der Gesellschaft ist. Die vielen Kontakte und Begegnungen mit ihnen haben mich bereichert und wesentlich dazu beigetragen, dass ich mit Ausdauer und Optimismus meiner Aufgabe nachgegangen bin. Eine handlungsfähige linke Partei ist immer das Ergebnis der vielen engagierten Parteimitglieder. Sie sind es, die dafür sorgen, dass wir in Parlamenten auf allen Ebenen und auch im Bundestag vertreten sind.

    Mit Katja Kipping verbindet mich von Anfang an eine vertrauensvolle Zusammenarbeit. Wir haben bewiesen, dass Teamarbeit zwischen zwei Vorsitzenden möglich ist, die aus unterschiedlichen politischen und kulturellen Zusammenhängen kommen und unterschiedliche Gruppen ansprechen, und die manchmal auch unterschiedlicher Auffassung sind. Wir haben zusammen einige Auseinandersetzungen bestanden und konnten uns aufeinander verlassen. Dafür möchte ich mich an dieser Stelle herzlich bedanken.

    Ich werde mich weiterhin mit Begeisterung und Optimismus für eine starke LINKE engagieren und freue mich auf die weiteren Schritte auf unserem gemeinsamen Weg.

    Kommentare

    Volker Schneider

    „Einige versuchten, aus der Mitte der Partei heraus ein neues Projekt, vielleicht eine neue Partei zu gründen. Beides ist nicht gelungen.“ Blödsinn gewinnt auch durch späte Wiederholungen nicht an Substanz.

    Sascha H. Wagner
    Lieber Volker meinst Du nicht auch das irgendwann mal gut sein muss? Als Fraktionsgeschäftsführer wäre etwas mehr Zurückhaltung in dieser Situation sicher angebracht. Die Partei ist das ständige Nachtreten (in alle drei Richtungen) leid. Es muss jetzt nach vorne gehen und das sollte uns alle miteinander beschäftigen wie wir das hinbekommen. In Anbetracht der damaligen Situation (Göttingen) war es nicht selbstverständlich wie die Partei sich entwickeln würde. Lasst uns doch mal endlich dazu übergehen gemeinsame Strategien zu entwickeln. Gönnen wir den Vorsitzenden doch auch einen würdevollen Abschied und kämpfen wir für eine starke neue Parteiführung die ihre Ideen mit der Partei weiterentwickeln kann. Das würde uns weiterbringen – im Interesse aller. Denn nur durch eine starke Partei haben wir am Ende auch eine starke Fraktion im Bundestag. Sollte in deinem Eigeninteresse liegen.
    · Antworten · 3 Tage · Bearbeitet

    Volker Schneider
    Lieber Sascha, wo warst du denn mit dieser Kritik als Bernd nachgetreten hat?
    · Antworten · 3 Tage
    Sascha H. Wagner
    Also findest Du es richtig dieses Rad immer weiterzudrehen?

    Volker Schneider
    Du verwechselst hier irgendwie Ursache und Wirkung, Sascha. Seit gestern habe ich vieles gelesen, insbesondere beide Erklärungen unserer Vorsitzenden. Kommentiert habe ich das alles nicht, ganz im Sinne deiner Forderung eines würdevollen Abschieds. Das was Bernd in seiner Erklärung dann aber von sich gibt, trifft mich persönlich als Mitglied von Aufstehen Berlin und hat mit einem würdevollen Abschied herzlich wenig zu tun. Und dazu habe ich eine private Meinung, die ich mir auch erlaube von mir zu geben, zumal ich hier nicht (übrigens ganz im Gegensatz zu dir) unter meiner Funktion agiere. Also noch mal, wo waren oder sind denn deine kritischen Anmerkungen zu dieser Erklärung?
    · Antworten · 3 Tage · Bearbeitet
    Sascha H. Wagner
    Dann viel Vergnügen bei Deinem Werk.
    Ich bin übrigens zwar Zwilling, aber immer die gleiche Person. Egal in welcher Funktion. Das ist vermutlich der Unterschied.
    · Antworten · 3 Tage · Bearbeitet

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>