Die Kosten der Coronakrise
Erstellt von Redaktion am Freitag 9. Oktober 2020
Wer begleicht die Rechnung?
Brett vorm Kopf – Faust unterm Kinn so schwimmen dann die Gelder hin.
Politische Schmarotzer haben noch nie für ihre Schäden gehaftet !
von Rudolf Hickel
Die Corona-Pandemie hat einen fundamentalen Paradigmenwechsel in der öffentlichen Haushaltspolitik erzwungen: Über lange Jahre war die Finanzpolitik auf die Begrenzung der Neuverschuldung beim Bund und eine Nullverschuldung bei den Ländern eingeschworen. Doch die sozial und ökonomisch hoch zerstörerische Gewalt der Coronakrise hat gleichsam über Nacht zum sprunghaften Anstieg der zu finanzierenden Staatsaufgaben geführt. Wie aber wurde auf diesen zuvor unvorstellbaren Finanzierungsbedarf der Gebietskörperschaften und sozialen Sicherungssysteme reagiert? Mit dem Mut, Tabus zu brechen – und das zuvor gepflegte Dogma eines Staats ohne Neuverschuldung hinter sich zu lassen.
Zur Finanzierung der vielen milliardenschweren Programme, die für die Bewältigung der Folgen der Coronakrise schnell und wirksam durchgesetzt werden mussten, wurden gigantische Kredite durch den Bund und die Länder auf den Finanzmärkten aufgenommen. Genau das ist in dieser historischen Krisensituation hochgradig rational.
Auch wenn es im ersten Moment überrascht, signalisieren selbst die Finanzmärkte, und insbesondere die großen institutionellen Anleger, Zustimmung, indem sie Staatsschuldtitel in Abwägung zwischen Rendite und Sicherheit als „sicheren Hafen“ weiter präferieren – trotz Minusrenditen etwa bei den zehnjährigen Staatsschuldtiteln.
Die gewaltige Dimension der durch die Corona-Pandemie ausgelösten Neuverschuldung lässt sich an den beiden Nachtragshaushalten des Bundes vom März und Juni 2020 demonstrieren. Durch neue Schulden in Höhe von insgesamt 217,7 Mrd. Euro geht die Bundesregierung mit sage und schreibe 137,8 Mrd. Euro über die zulässige Grenze hinaus. Das ist der Betrag, der nach der Schuldenbremse in Art. 115 Grundgesetz „binnen eines angemessenen Zeitraums getilgt“ werden muss. Auch die Bundesländer mussten trotz der seit 2020 grundsätzlich verbotenen Kreditaufnahme Haushaltslöcher im Umfang von über 60 Mrd. Euro stopfen.
Der gesamtstaatliche Finanzierungssaldo wird also im laufenden Jahr die Maastricht-Zielgröße für Neuverschuldungen von drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) um gut vier Prozent überschreiten. Auch die gesamtstaatliche Maastricht-Schuldenstandquote von knapp 60 Prozent im Jahr 2019 dürfte nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank Ende des laufenden Jahres mit 75 Prozent des BIP klar überschritten werden. In den Folgejahren wird dann ein leichter Rückgang auf 70 Prozent erwartet.[1]
Rechtlich zulässig ist diese eklatante Abweichung von der normalen Schuldenregel durch die seit 2009 geänderte Finanzverfassung: Art. 109 GG zur „Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern“ definiert neben der „Naturkatastrophe“ seither eine weitere Ausnahme, die exakt auf die Coronakrise passt: die „außergewöhnliche Notsituation, die sich der Kontrolle des Staates“ entzieht.[2] Das Konstrukt von 2009 ging allerdings stets davon aus, dass die Folgen des Ausnahmezustandes schnell in die Normalität überführt werden können und damit beherrschbar sind. Demzufolge sieht Art. 115 Absatz 2 Satz 7 GG vor, die durch die Ausnahme gerechtfertigte Zusatzkreditaufnahme „binnen eines angemessenen Zeitraums“ über einen Tilgungsplan zurückzuführen. Angesichts der gigantischen öffentlichen Neuverschuldung, die die Pandemie erzwungen hat, passt der vorgeschriebene kurzfristige Tilgungsplan jedoch nicht auf die Coronakrise, da er eine immense jährliche Belastung der Staatshaushalte zur Folge hätte.
Damit stellt sich die Frage, wie mit der Finanzierung dieses Schuldensprungs künftig umgegangen wird – und wer für die Tilgung samt Zinsen am Ende aufkommt. Als der Gesetzgeber ab 2009 mit der „außergewöhnlichen Notsituation“ eine Ausnahme von der maximalen Neuverschuldung des Bundes und der Nullverschuldung der Länder festschrieb, konnte er in keiner Weise von der fiskalischen Wucht einer solchen Situation wie der Coronakrise ausgehen. Allein schon deshalb ist es legitim, ja erforderlich, alternative Finanzierungsinstrumente zu konzipieren. Ohne diese müsste der Kapitaldienst für die gigantischen Summen aus den laufenden Haushalten finanziert werden. Die wahrscheinliche Folge wären massive Ausgabenkürzungen nach dem Muster der bisherigen Austeritätspolitik, sprich: vor allem Sozialabbau und das Zurückfahren öffentlicher Investitionen.
Trotzdem fordern die Gralshüter der Schuldenbremse in Politik und Wissenschaft einen engstirnig kurzen Tilgungsplan nach dem vorgegebenen Muster des Grundgesetzes. Um diesen auch durchsetzen zu können, wird die bisherige Schuldenbremse ohne jeden Hinweis auf die breite Kritik als Erfolg für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze dargestellt.[3] Dabei haben die letzten Jahre zu einer hoch defizitären Entwicklung der öffentlichen Investitionen geführt. Deshalb muss dringend eine Diskussion über die Frage geführt werden, welche Alternativen zur Finanzierung der Corona-Schulden sinnvoll sind. Denn von dieser Antwort hängt am Ende auch die Akzeptanz der hohen Belastungen für die Menschen ab.
Die Staatsverschuldung neu vermessen
Im Widerspruch zur im Grundgesetz festgeschriebenen zügigen Tilgungsverpflichtung gewinnt in der Finanz- und Wirtschaftswissenschaft mittlerweile die Position an Bedeutung, dass – angesichts der anhaltenden makroökonomischen Konstellation von Null- oder gar Minuszinsen – keine Veranlassung besteht, sich über die hohen Staatsschulden größere Sorgen zu machen. Im Gegenteil könne es geradezu sinnvoll sein, die existierenden Schuldenberge auf lange Zeit hinzunehmen. Pioniere dieser „progressiven Denkschule“ sind die Ökonomen Olivier Blanchard und Lawrence Summers, die diese Kernthesen schon im Oktober 2017 – also lange vor der Corona-Pandemie – auf der Konferenz „Rethinking Macroeconomic Policy“ des „Peterson Institute for International Economics“ präsentiert haben.[4] Auch in Deutschland gewinnt die produktive Rolle der Staatsverschuldung in hochreifen Wachstumsgesellschaften mit sich säkular abschwächender Wirtschaftsdynamik gegenüber der fiskalisch-orthodoxen Denkschule an Bedeutung.
Für den Verzicht auf eine schnelle Tilgung und den auf mittlere Sicht produktiven Einsatz der Staatsverschuldung sprechen die makroökonomischen Rahmenbedingungen: Die Zinssätze liegen knapp über der Nullzone und die gesamtwirtschaftliche Preisentwicklung bewegt sich wegen unzureichender Nachfrage in der Realwirtschaft mit knapp über null Prozent nicht im Bereich der Inflation. Es droht daher eher eine Deflation, die den ökonomischen Absturz beschleunigen würde. Hinzu kommt eine sich abschwächende Finanzierung von Sachinvestitionen ohne den Einsatz von Krediten. Daher werden mit den Staatskrediten nicht, wie immer wieder behauptet, private Investitionen verdrängt („crowding-out“). Im Gegenteil: Staatliche Ausgaben verstärken die unternehmerische Investitionsbereitschaft sogar noch („crowding-in“). Auch die immer wieder zu hörende Behauptung, mit Schulden werde künftigen Generationen eine schwere Last vererbt, trifft nicht zu. Schulden haben immer dann eine positive intergenerative Wirkung, wenn mit öffentlichen Krediten in eine zukunftsfähige Infrastruktur investiert und eine intakte Umwelt vererbt wird. Aufgrund derartiger Vorteile ist künftigen Generationen eine gerecht verteilte Beteiligung an den Staatsschulden über die Finanzierung des Kapitaldienstes durchaus zumutbar.
Das zentrale Problem stellt dagegen das seit vielen Jahren zu beobachtende sogenannte Übersparen dar:[5] Die Geldvermögensbildung wächst erheblich schneller als die Sachinvestitionen. Dadurch fließen Einkommen aus Wertschöpfung nicht in ausreichendem Ausmaß wieder per Nachfrage in die Wirtschaft zurück. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum einen konzentriert sich der Reichtum immer stärker bei den Einkommens- und Vermögensstarken, die in den vergangenen Jahrzehnten durch eine aggressive Suche nach rentablen Anlagen bei hoher Risikobereitschaft immer größere Geldvermögen akkumulieren konnten. Zum anderen schöpfen die produzierenden Unternehmen immer weniger ihre Möglichkeiten zur Kreditfinanzierung für produktive Investitionen aus. Seitdem die Finanzmärkte eine immer größere Rolle bei der Vermögensmaximierung spielen, fällt die gesamte Kreditaufnahme geringer aus als die Sachinvestitionen, werden also auch hier gewaltige Finanzierungsüberschüsse gebildet. Anstatt jedoch die Überschüsse der privaten Haushalte und auch der produzierenden Unternehmen durch die Aufnahme von staatlichen Krediten für öffentliche Investitionen zu nutzen, weitete sich das gesamtwirtschaftliche Übersparen sogar noch aus. Dagegen muss der Staat als „Lückenbüßer“ auftreten, der die entsprechende Kreditaufnahme zur Finanzierung der notwendigen Ausgaben übernimmt.
»Übersparen« als zentrales Problem
Diese gesamtwirtschaftlichen Zusammenhänge wurden in den letzten Jahren durch die herrschende Austeritätsideologie systematisch verdrängt. Vor allem der Bund entwickelte sich seit 2015 mit der die Schuldenbremse noch überbietenden Zielsetzung der „schwarzen Null“ selbst zum Überschusssektor, trug also zum Übersparen bei. Anders als in früheren Jahren schöpft der Staat heute nicht mehr die Finanzierungsüberschüsse vor allem der privaten Haushalte ab.[6] Das dadurch noch potenzierte gesamtwirtschaftliche Übersparen – durch die privaten Haushalte, den Staat und die nicht-finanziellen Kapitalgesellschaften – erklärt die sinkenden Zinssätze, die eher deflationäre als inflationäre Lage und schließlich die zur Stagnation neigende wirtschaftliche Wachstumsschwäche.
Dieser Spar-Investitionsfalle lässt sich nur dadurch entrinnen, dass der Staat aus der Rolle des bloßen Sparers aussteigt und die Finanzierungsüberschüsse der privaten Haushalte sowie der produktionswirtschaftlichen Unternehmen abschöpft und so erst wieder ökonomisch und gesellschaftlich produktiv macht. Denn sinnvolle öffentliche Investitionen schaffen neue Aufträge für die Wirtschaft. Die Vorschläge aus der progressiven Denkschule der Finanzwissenschaft zeigen damit, dass die Aufnahme öffentlicher Kredite seriös begründet ist. Dies gilt insbesondere in der Coronakrise, die durch enorme Nachfrage- und Angebotsdefizite geprägt ist. Der makroökonomische Spielraum für staatliche Kreditfinanzierung, so die Schlussfolgerung, wird in dem gegenwärtigen stagnativen Klima jedenfalls über Jahre hinaus groß sein. Eine langanhaltende Verschuldung gefährdet somit nicht, sondern stärkt die Finanzstabilität und das Wirtschaftswachstum.
Offensichtlich genießt diese Schuldenpolitik auch das Vertrauen der Finanzmärkte, wie die anhaltende Präferenz für deutsche Staatsanleihen trotz einer Minusrendite auf den weltweiten Finanzmärkten zeigt. Unlängst bezeichnete sogar der ausgesprochen schuldenrestriktive Präsident der Deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, in einem Interview die zu erwartende Schuldenstandquote von 75 Prozent der Wirtschaftsleistung als zwar sehr hoch, fügte jedoch hinzu: „Aber sie lässt sich weiter stemmen.“[7] Im Monatsbericht vom August 2020 betont die Deutsche Bundesbank: „Steigende Defizite und Schulden sind gerechtfertigt, um der Pandemie und ihren Folgen zu begegnen und dauerhaften wirtschaftlichen Schäden entgegenzuwirken.“[8]
Olaf Scholz und die fatale schwarze Null
Höchst fatal ist dagegen die Ankündigung von Olaf Scholz: „Natürlich muss es unsere Perspektive sein, dass wir ab 2022 wieder Haushalte aufstellen, die den grundgesetzlichen Vorgaben für normale Zeiten entsprechen.“ Aufgrund dieses eklatanten Widerspruchs – auf der einen Seite der gesamtwirtschaftlich erfolgreiche Einsatz der Staatsverschuldung gegen die Coronakrise, auf der anderen Seite der wachsende Druck, diese Verschuldung möglichst schnell durch einen Tilgungsplan zu beenden – wuchert die mit Ängsten besetzte Diskussion über die Frage, wer die Rechnung für den Kapitaldienst der Corona-Schulden eigentlich bezahlen soll.
Denn diejenigen, die eine schnelle Rückkehr zur schwarzen Null und damit die Abwicklung der aufgehäuften Neuschulden verlangen, setzen darauf, die Finanzierung des Kapitaldienstes über die öffentlichen Kernhaushalte durchzusetzen. Dadurch droht die Gefahr des Abbaus staatlicher Ausgaben auch im Bereich der öffentlichen Zukunftsvorsorge, etwa bei der Rentenversicherung, zusammen mit der Anhebung von Massensteuern.
Hände falten zum Gebet und ein Lied – zwei, drei
Dabei kann die Schuldenfinanzierung bis zum Ende der Coronakrise und damit zu einer noch länger nicht eintretenden Rückkehr zu einer normalen Wirtschafts- und öffentlichen Budgetentwicklung problemlos fortgesetzt werden.[9] Wenn jedoch die am Ende erforderliche Tilgung politisch durchgesetzt wird, geht es um eine gerechte Verteilung der Lasten durch einen gesellschaftlich fairen Ausgleich – mit einem besonderen Beitrag der Einkommensstarken und Vermögenden.
Voraussetzung dieses Lastenausgleichs wäre die Einrichtung eines Corona-Solidarfonds. Haushaltstechnisch bietet dieser den Vorteil, die Corona-Kreditlasten gegenüber der normalen Haushaltsführung abzuschotten. Alle im öffentlichen Sektor aufgenommenen Kredite für Ausgaben und Einnahmeausfälle durch die Coronakrise würden dafür in einem Sondervermögen beim Bund zusammengefasst, angesiedelt etwa bei der „Kreditanstalt für Wiederaufbau“, in das die Länder mit deren Verantwortung für die Kommunen eingebunden wären. Nach einer tilgungsfreien Zeit von drei Jahren könnten über insgesamt 30 Jahre die Zinslasten und die Tilgungsbeträge pro Jahr finanziert werden. Bei der Schätzung des maximalen Gesamtpotentials an Corona-Krediten von bis zu 1900 Mrd. Euro wären pro Jahr allein an Tilgung knapp 63 Mrd. Euro aufzubringen.
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — BSPC 26 in Hamburg: 4.9.2017 Opening
Sonntag 11. Oktober 2020 um 6:05
War Corona geplant? Paul Schreyer über die „angekündigte Krise“
https://www.youtube.com/watch?v=2HWo0RJ3eYI&feature=share&fbclid=IwAR3FSCi_UKnouhAXqfsPuM8lRw7WyxMvpEgS_L1Y-_Zm3Z0-LAqW3z-R7xU
Sonntag 11. Oktober 2020 um 6:20
Kassenarzt-Chef Gassen wirft Robert Koch-Institut falschen Alarmismus vor
10. Oktober 2020
https://www.deutschlandfunk.de/corona-pandemie-kassenarzt-chef-gassen-wirft-robert-koch.1939.de.html?drn%3Anews_id=1181952&fbclid=IwAR0rvUuFM1SnsNpFBCkewMCNs6qpxyLXJqGJQnqkBCs_iYYEBOV5bay-SCg
Donnerstag 15. Oktober 2020 um 6:18
ZDFheute live: Corona-Maßnahmen im Check
https://www.facebook.com/ZDFheute/videos/615521492457188
ohne Worte
https://www.facebook.com/Die.Wahrheit2/videos/277946323274391/