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Die Kandidatenmacher

Erstellt von Redaktion am Sonntag 19. Februar 2017

Bis vor wenigen Wochen galt der konservative Kandidat François Fillon als Favorit für das französische Präsidentenamt. Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen ihn im Zusammenhang mit der vorgeblichen Beschäftigung seiner Ehefrau und seiner Kinder. Fillons Finanzgebahren ist unter den Machteliten der Fünften Republik nicht unüblich. Das Familien-Netzwerk seiner mächtigen Freunde und Berater, das ihn zum Kandidaten gemacht hat, ist weiterhin aktiv.

Charlie Hebdo

von François Denord und Paul Lagneau-Ymonet

Jedem aussichtsreichen Präsidentschaftskandidaten wächst stets ein Kreis aktiver Unterstützer zu. Diese Leute bringen ihre Macht, ihren Ehrgeiz und ihr Know-how ein, um das politische Programme „ihres“ Kandidaten zu beeinflussen. Nach Nicolas Sarkozy, dem „Präsidenten der Reichen“ , stand dessen früherer Ministerpräsident François Fillon im Rampenlicht, ein Mann der Wirtschaft, des starken Staats und der Religion.

Wie auch immer die Affäre um Fillons illegale Geschäfte und die Scheinbeschäftigungen seiner Frau Penelope ausgeht – dass Geld für diesen Mann einen höheren Stellenwert besitzt als Kultur, Bildung und Prestige, machen schon seine illustren Helfer deutlich: Finanzexperten haben für ihn den Kurs bestimmt, Unternehmensberater die Kampagne organisiert, Werbeleute das Image gepflegt.

Die Namen der Unterstützer sprechen für sich: Der Wirtschaftsexperte in Fillons Team war Henri de Castries, bis 2016 Vorstandsvorsitzender des weltweit größten Versicherungkonzerns Axa. Castries kam 1989 zu Axa, davor hatte er neun Jahre im Finanzministerium gedient, wo er zwischen 1986 und 1988 mit den ersten Privatisierungsmaßnahmen befasst war. Während Castries seine Karriere bei Axa fortsetzte, gründete sein Chef Claude Bébéar im Jahr 2000 das Institut Montaigne, das heute einer der einflussreichsten liberalen Thinktanks Frankreichs ist. Castries hat in eine steinreiche Familie eingeheiratet, die unter anderem mehrere Grundstücke in dem vornehmen Pariser Stadtteil Faubourg Saint-Germain besitzt. Er schätzt „starke Führungskräfte“ und pathetische Worte. Für ihn sei das Anpacken von Reformen, erläuterte er im Figaro vom 2. November 2016, eine Frage von „Ehre und Tugend“.

Während Fillon von Castries’ transatlantischen Beziehungen profitieren sollte, hielt er sich auch zwei Russlandexperten: Jean de Boishue, sein langjähriger Berater aus seiner Zeit als Ministerpräsident (2007–2012), und Igor Mitrofanoff, sein begnadeter Redenschreiber. Vor allem Boishue, der aus dem russischen Grafengeschlecht Meschtscherski stammt, werden gute Beziehungen zum Kreml nachgesagt.

Henri de Castries ist seit 2012 auch Chef der Leitgremiums der Bilderberg-Gruppe, eines exklusiven Zirkels aus Unternehmern, Politikern, Exmilitärs und Journalisten, der seit 1954 existiert und zu dem vor vier Jahren auch Fillon eingeladen war. Dessen Wahlprogramm hat Castries während der gesamten Vorwahlzeit stark beeinflusst. Als Fillon Ende November überraschend die konservativen Vorwahlen gewann, orchestrierte Castries die Kampagne und fütterte die Medien mit Informationen über das geplante Kabinett.

Die eigentlichen Strategen waren François Bouvard und Jean-Paul Fau­gère. Der Jesuitenschüler Bouvard ist promovierter Ingenieur (Katholisches Institut für Kunst und Gewerbe, Lille) und Absolvent der Harvard Business School. Bouvard leitete die Ausarbeitung des Wahlprogramms, wozu ihn seine langjährige Erfahrung (1989–2013) als Unternehmensberater bei Mc­Kinsey qualifiziert.

Als die Fillon-Regierung 2007 eine große Reform der öffentlichen Verwaltung nach Managementkriterien einleitete (Révision générale des politiques publiques, RGPP), war Faugère einer der Leiter der Evaluierungskommis­sion. Kurz darauf machte ihn Fillon zu seinem Kabinettschef. Faugères Devise lautete schon damals: „mit weniger Besseres machen“. McKinsey hat die französische Reform zum Vorzeigeprojekt erklärt.

Manager des Fillon-Teams wurde Pierre Danon, von 2008 bis 2012 Vorstandsvorsitzender des Internetbreitbandanbieters Numericable-Completel. Der IT-Manager kennt Fillon, seit er für die Regierung den Verkauf der vierten Mobilfunklizenz organisierte. Dabei hatte er sofort einen guten Eindruck von dem konservativen Politiker: „Er war ruhig, höflich, hörte zu … Und ich dachte mir: Dieser Typ ist nicht schlecht.“

Unterstützung vom Arbeitgeberverband

Danon ist Experte in Sachen Kostensenkung, der in mehreren Aufsichtsräten sitzt und dafür üppige Tantiemen bezieht. Als Anlass, in die Politik zu gehen, nennt er ein Schlüsselerlebnis: „Die Angriffe auf die Familie Peugeot, die sich stets für die Beschäftigung in Frankreich eingesetzt hat, fand ich widerlich. Ich war schockiert darüber, dass man sich von Deutschland abwandte, um mit Spanien und Italien zu liebäugeln.“ Alsbald begann Pierre Danon, Treffen des Regierungschefs mit ihm bekannten Bossen zu arrangieren. Er leitete Arbeitsgruppen zur Ausarbeitung des Wirtschaftsprogramms und bestritt zahlreiche öffentlichen Auftritte in ganz Frankreich. Im Herbst 2016 tönte er bei einer Diskussion im Gewerkschaftshaus von Massy (Es­sonne), im Notfall werde Fillon „die Armee einsetzen, um die Blockaden der Raffinerien aufzuheben“. Seitdem gehörte er zu den offiziellen Sprechern des Präsidentschaftskandidaten. Im Organigramm ist Danon für den Bereich „Zivilgesellschaft“ zuständig, den ein Expräsident des Arbeitgeberverbands Medef (Mouvement des Entreprises de France) leitet, der den Kontakt zu Fillons Anhängern pflegen soll. Danons Ehefrau ist die renommierte Finanzexpertin Laurence Danon-­Ar­naud, die von 2005 bis 2013 die Medef-Kommission „Prospectives“ geleitet hat. Viele der Ideen des Arbeitgeberverbands finden sich in Fillons Wahlprogramm wieder. Und auch die stellvertretende Medef-Generalsekretärin Dorothée Pineau hat sich in Fillons Vorwahlkampf engagiert. Dasselbe gilt für Viviane Chaine-Ribeiro, die Vorsitzende des Berufs- und Arbeitgeberverbands für Consultinggesellschaften  (Syntec), die als Nachfolgerin für Pierre Gattaz an der Spitze der Medef gehandelt wird: Sie fungierte sogar als eine offizielle Sprecherin Fillons.

In Sachen PR konnte sich Fillon zudem auf die erfahrene Anne Méaux stützen, ein Star der Pariser Pressesprecherzunft. Die Absolventin der Eliteuniversität Sciences Po und der juristischen Fakultät in Arras hatte bereits 1974 – als Zwanzigjährige – den Präsidentschaftskandidaten Valéry Giscard d’Estaing unterstützt. Von 1981 bis 1986 hatte sie die Doppelfunk­tion als Pressesprecherin von Präsident d’Es­taing wie der Fraktion der Union pour la démocratie française (UDF).

1988 gründete Méaux die „Kommunikationsagentur“ Image Sept, die heute in Paris, London, Brüssel, Singapur und New York vertreten ist. Das vorwiegend weibliche Team betreut hundert PR-Kunden aus Privatwirtschaft und Politik, aber auch öffentliche Insti­tu­tio­nen wie die Pariser Oper. Ihre heutige Position verdankt Méaux vor allem einem Klienten: François Pinault, dem Geschäftsführer von Kering (ehemals Pi­nault-Printemps-Redoute-Gruppe, PPR). Als die Fürstin der Lobbyisten den Orden eines Offiziers der Ehrenlegion erhielt, durfte ihr größter Förderer die Eloge halten.

Wie viele Konservative ist Anne Méaux eine große Verehrerin der russisch-amerikanischen Publizistin und Romanautorin Ayn Rand (1905–1982), die Egoismus als höchste Tugend gerühmt und jede Form staatlicher Einmischung abgelehnt hat. Dieser Überzeugung folgend, hat sie mit anderen alten Weggefährten beschlossen, Fillon zu unterstützen.

Die französischen Anhänger des Libertarismus à la Ayn Rand verherrlichen die Freiheit des Einzelnen und missachten alle Konventionen. Aber sie pflegen auch einen Standesdünkel, der bei Fillons Entourage auffallend stark ausgeprägt ist: Man gehört zu vornehmen Familien, schätzt vorteilhafte eheliche Verbindungen und bevorzugt einen traditionellen Lebensstil.

Um die Spenden für Fillon kümmerte sich Arnaud de Montlaur vom Finanzkonzern Quilvest. Das Unternehmen gehört seit sieben Generatio­nen der Familie Bemberg, die Ende des 19. Jahrhunderts als Bierbrauer in Argentinien ein Vermögen machte, ehe sie in den europäischen Adel einheiratete.

Fillons Helfer kommen fast alle aus dem Großbourgeoisie, sind meist über sechzig, bekleiden leitende Posten in der öffentlichen Verwaltung oder Privatwirtschaft und sind bemüht, den Einfluss der teilweise adligen, auf jeden Fall aber namhaften Familiendynastien zu erhalten, deren Mitglieder sich als Wahrer des Gemeinwohls und nationalen Erbes verstehen.

Quelle : Le Monde diplomatique >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle :  Das vom Zeichner Luz angefertigte Titelblatt der ersten Ausgabe nach dem Anschlag vom 7. Januar 2015 an einem Zeitungsstand in Paris.

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