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Die Heilige Johanna von BMW

Erstellt von Redaktion am Dienstag 11. August 2015

Ein Leichenschmaus für servile Medien

Autor: U. Gellermann
Datum: 10. August 2015

Über Tote, behauptet eine Phrase, solle man nichts Abträgliches sagen. Oder auch „de mor­tu­is nihil ni­si bene“, wenn sich der Mensch mit Latein stadtfein macht. Aber über die Lebenden, die sich in den Medien an der toten Johanna Quandt, verwitwete BMW, gütlich tun, um den ordinären Kapitalismus mit einer Heiligen aufzuhübschen, über die wird man wohl die Wahrheit sagen müssen. Über jene Nekrophilen in den Redaktionen, deren Augen ständig den Boden absuchen, um reiche Füße zum Küssen zu finden, denen muss man ihren Nachruf beizeiten schreiben, denn wenn die gestorben sind, gilt vielleicht erneut jene Pietät, die der Wahrheit abträglich ist.

Eine „Pflichtbewusste Patriarchin“ wird eine der reichsten Frauen Deutschlands genannt. Als „Mäzenin“ taucht die BMW-Dame in fast allen Nachrufen auf, als ob ihre Stiftung Gutes getan habe, als sie einen Medienpreis ausgerechnet an die BILD-Zeitung vergab. „Johanna Quandt machte BMW zum Weltkonzern“, gluckert es im Sumpf der Medien: Diese vielen Stunden am Fließband, nur um den Massen Autos zu schenken, arme Johanna! „Frau Quandt war einfach nett, man musste sie mögen“, schreibt da einer, der sie wahrscheinlich kaum gesehen, geschweige denn ihre Treppe geputzt hat.

Doch die wahre Orgie der Liebedienerei wurde ganzseitig in der „Süddeutschen Zeitung“ gefeiert. Na schön, BMW hat seinen Sitz in München, wie die SZ auch. Zu Recht wittert die Redaktion Anzeigen, Einladungen zu BMW-Empfängen und erstklassige Testwagen. Aber muss man deshalb mit der Schmonzette von der Frau Quandt im Supermarkt beginnen, die angeblich ihre Verwandtschaft mit den Quandts gegenüber der Kassiererin scheu abstritt? Muss man wirklich Johanna Quandt in die Phalanx der Witwen Springer und Bertelsmann einordnen, ohne zu erwähnen, dass sie alle drei nur Drittfrauen waren? Und muss man ihr ernsthaft Bescheidenheit attestieren, die doch nichts anderes als professionelle Vorsicht vor dem Licht der Öffentlichkeit war? „Esse non videri“ (Sein, nicht scheinen), zitiert einer der Lohnschreiber das Quandt´sche Familienmotto ohne die Fadenscheinigkeit des Spruchs auch nur einmal an der Wirklichkeit zu messen.

Die Wirklichkeit der „bescheidenen“ Quandt-Sippe ist in Berlin am Brandenburger Tor, Pariser Platz 7 zu besichtigen. Dort stand einst die Villa Max Liebermanns, des deutsch-jüdischen Malers, den die Nazis in Acht und Bann getan hatten, dessen Witwe kurz vor Auschwitz den Freitod wählte und dessen Verwandte von den Nazis ermordet wurden. Genau dieses Grundstück erwarben die Quandts 1995 als Berliner Familien-Absteige und bewiesen so ihre ‚besondere‘ Zurückhaltung mit einer späten Arisierung jüdischen Eigentums durch Profiteure des Nazi-Systems. Dass eine der mächtigsten Familien Deutschlands diesen Platz am deutschen Symbol-Tor besetzt, ist als Herrschafts-Chiffre kaum zu überbieten, nur den Regierungsmedien will es einfach nicht auffallen.

Schon im Ersten Weltkrieg gehörte der Konzerngründer Günther Quandt als Leiter der „Reichswoll-AG“ zu den Kriegsprofiteuren. Später setzte er, bereits Mitte 1931, auf die Nazis und traf sich mit Hitler im Berliner Hotel Kaiserhof, um der NSDAP für den Fall eines Linksputsches 25 Millionen Reichsmark zur Verfügung zu stellen. Nach `33 bedankten sich die Nazis mit Rüstungsaufträgen und stellten dem Wehrwirtschaftsführer großzügig jede Menge Zwangsarbeiter zur Verfügung, die sich in den Quandt-Betrieben gern zu Tode schuften durften. „Ihre hervorstechendste Eigenschaft aber ist Ihr Glaube an Deutschland und an den Führer“, bescheinigte Hermann Josef Abs von der Deutschen Bank dem Günther Quandt im Jahre 1941 in einer Laudatio. Da war auf dem Gelände eines der Quandt-Werke in Hannover bereis ein KZ-Außenlager errichtet, komplett mit Galgen und allem was zum Massenmord so dazu gehörte.

Wenn das Nazi-Kapitel der Quandts mal nicht ausgeblendet wurde, wie im Nachruf der SÜDDEUTSCHEN, dann wird es unerträglich verniedlicht: „Kein tröstender Schimmer fiel in diese Dunkelheit (der Nazi-Vergangenheit)“, sorgt sich die SZ, um dann einen Biographen der Quandts zu zitieren, der, zu Johanna gewandt, zu bedauern wußte: „Das war gewiss nicht leicht für sie.“ Arme Frau inmitten ihrer Aber-Milliarden, auf Sklavenarbeit fussend, wurde sie angeblich erst spät mit den Quellen ihres Reichtums konfrontiert. Doch wenn das Nürnberger-Kriegsverbrechertribunal konsequent gewesen wäre, hätten die Quandts enteignet werden müssen. Für den Firmenchef und Mann von Johanna hätte ja schon ein solider Galgen für Kriegsverbrecher auf dem Firmengelände bereitgestanden. Das alles wußte Frau Quandt, zumindest hätte sie es wissen können.

Selbst wenn in den untertänigen Medien mal zaghaft an die Nazi-Quandts erinnert wurde, blieb die moderne, schicke, neoliberale Sklavenarbeit ganz sicher außen vor. Leiharbeiter und Werksvertragsarbeiter – Menschen im Niedriglohnsektor – sichern BMW heute prima Gewinne. Nein, man hängt heute niemanden mehr auf, um das Arbeitstempo zu steigern. Man stellt Leute ein, die der Belegschaft eine lebende Mahnung sind: Mucke ja nicht auf, sonst gehörst Du auch zu denen, die umgehend gefeuert werden können und schlechtere Löhne bekommen. Über diese mehr als 15.000 Kollegen in der Konzern-Sonderbehandlung schweigt jeder Nachruf: Damit soll nicht einmal die tote Johanna belästigt werden.

Und dann muss die Verstorbene, Pietät hin und her, doch mal zitiert werden: „Ich denke, wir wollen bei den Bezügen keine amerikanischen Verhältnisse“ sagte sie einst zu den exorbitanten Manager-Gehältern, „aber ich bezweifle stark, dass gesetzliche Regelungen in dieser Frage hilfreich sind. Es ist und bleibt ein ordnungspolitisches Armutszeugnis, Fehlentwicklungen mit dem Gesetzbuch bekämpfen zu wollen.“ So war sie, die nette Johanna: „Fehlentwicklungen“ wie Armut und Ausbeutung, extremer Reichtum auf der einen, gewolltes Elend auf der anderen Seite, das wollen wir doch lieber nicht mit Gesetzen bekämpfen. – Selbst die beste Heilige bewirkt nicht das Wunder, die verordnete Blindheit in den Redaktionen zu heilen.


Grafikquelle :   Johanna Maria Quandt (Berlin, 2012)

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