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Die Flucht des Dolmetschers

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 10. Dezember 2015

Die Flucht des Dolmetschers

von Marcus Bensmann

Najib hat einst als Englischlehrer und Übersetzer gearbeitet – auch für unseren Autor. Eine Arbeit, die ihm Todesdrohungen eintrug.

Najib hat mich um Hilfe gebeten. Er hat andere um Hilfe gebeten. Niemand hat ihn gehört. Auch ich nicht. Also ist er am 29. September 2015 mit seiner Frau und seiner dreijährigen Tochter aus Afghanistan aufgebrochen, nach Deutschland.

Heute sitze ich Najib in München gegenüber und höre mir die Geschichte seiner Flucht an. Einer Flucht, für die ich mich mitverantwortlich fühle. Aber der Reihe nach.

Begegnung im Basar

Als ich Najib in Afghanistan das erste Mal sah, war er 17 Jahre alt und ging aufs College. Wir begegneten uns in einem Teppichladen in der Stadt Masar-i-Scharif. Er sprach passabel Englisch, ich suchte einen Dolmetscher. Er war geschickt im Verhandeln, und ich bekam schnell die Gespräche mit dem Imam, den Menschen auf dem Basar, den Warlords der Stadt. Ich wollte damals wissen, welche Auswirkungen der Bundeswehreinsatz in Nordafghanistan auf die Bevölkerung hatte. Das war im Februar 2006. Die Geschichte wurde in der „taz“ veröffentlicht.

Es sollte meine letzte Reise nach Afghanistan sein. Ich vergaß Najib. Bis er sich vor einem Jahr über Facebook bei mir meldete. Er brauche Hilfe. Die Taliban bedrohten ihn, da er mit Ausländern wie mir zusammengearbeitet habe sowie Jungen und Mädchen in Englisch unterrichte. Die internationalen Truppen zögen sich zurück, die Lage verschlechtere sich immer mehr. Ich riet ihm, zum UN-Flüchtlingswerk zu gehen. Ich vergaß Najib erneut.

Der nächste Hilferuf kam im Mai 2015. Najib schrieb, er müsse das Land verlassen. Bewaffnete hätten das Gehöft der Familie in der nordafghanischen Stadt Ankhoi gestürmt. Sein Vater sei entführt und getötet worden, der Leichnam vor dem Haus mit einem Drohbrief abgelegt worden. Najib hatte die Todesdrohung eingescannt und mir gemailt: Sie trug den schwarzen Briefkopf des Islamischen Emirats Afghanistan. In dem Brief stand: „Du warst ein Diener und Übersetzer für Ungläubige und Ausländer. Wir werden dich nicht am Leben lassen.“ Ich leitete die Mail an Reporter ohne Grenzen weiter. Und dachte erneut, ich hätte meine Pflicht getan. Ich hörte nichts mehr von Najib. Bis vor einem Monat.

„Guess where I am“

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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Fotoquelle: Wikipedia – Urheber Stephen J. Otero –/– Gemeinfrei

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