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Die deutsche Nazigroteske

Erstellt von Redaktion am Mittwoch 19. September 2012

Eine deutsche Nazigroteske

File:Bundesarchiv B 145 Bild-P049482, Berlin, Hitlerjugend bei Fahrradausflug.jpg

von Hilal Sezgin

Haben wir schon wieder 1992? Bei den grotesken Meldungen um den NSU wird klar: Deutschland braucht eine zweite, viel gründlichere Entnazifizierung.

Die Geschichte wiederholt sich nicht, sagt man. Mag sein. Aber gewisse Dinge wiederholen sich bis zur Ermüdung. Immer wieder, wenn wir von ihnen lesen, sind wir entsetzt, doch nicht wirklich überrascht.

Nehmen wir die NSU, zum Beispiel. Als es losging mit der Berichterstattung zu Filz und Vertuschung, Versäumnissen und „Pannen“, habe ich beschlossen, die Meldungen zu sammeln. Und längst aufgegeben. Sammeln? Unmöglich! Es kommt ja alle paar Tage etwas Neues ans Tageslicht. Eins grotesker als das andere. Die Sache mit den 40 V-Leuten im 140-köpfigen „Thüringer Heimatschutz“; der Versuch, ausgerechnet Uwe Mundlos für den Geheimdienst anzuwerben; die Info, dass es ein V-Mann war, der dem Zwickauer Trio den Sprengstoff beschaffte; die Unterschlagung von Dokumenten und das Ignorieren von Hinweisen auf den Aufenthalt des Zwickauer Trios. Und das sind nur die jüngsten Meldungen – Meldungen, die man gar nicht mehr vernünftig kommentieren kann. Meldungen wie ein Treppenwitz.

Der Waldschrat plakatiert

In dem Zusammenhang musste ich an Julia Roberts und Denzel Washington in dem Film „Die Akte“ denken. Solche Filme sind nur in den USA möglich. Nur dem US-amerikanischen Sicherheitsapparat traut der Kinobesucher so viel Manipulation zu, dass man darüber Thriller drehen kann. Bei uns, denken wir, sei das alles nicht möglich.

Das stimmt natürlich. Bei uns in Deutschland wäre das ganz anders. Wenn man die NSU-Katastrophe verfilmen wollte, würde ein von Anfang an durchsichtiger und auch kurzer Film daraus. Ein paar Hände, die Geld und gelegentlich eine Waffe verschenken; schwarze Stiefel, die marschieren und Leute zusammentreten; in der Hauptrolle ein Aktenvernichtungsgerät. Um die Sache etwas aufzupeppen, könnte man nebenher einen Subplot laufen lassen: Ein bayerischer Waldschrat plakatiert deutsche Großstädte und sucht nach einem vermissten, potenziell radikalisierten Ibrahim.

Bei uns würde übrigens auch niemand eine leere Akte in ein Archiv stellen, bei uns wird der Pappdeckel gleich mitgeschreddert; allerdings gibt es zum Vorgang des Schredderns eine Aktennotiz; diese wird öffentlich abgestritten und geht eine Woche später verloren. Bei unseren Behörden hat alles seine Richtigkeit.

Quelle: TAZ >>>>> weiterlesen

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