Erstellt von Redaktion am Donnerstag 30. September 2021
Warum politisch jetzt das 21. Jahrhundert beginnt
Die Ära Merkel war spektakulär misserfolgreich, wenn man die wichtigsten Maßstäbe der jüngeren Generationen anlegt – etwa Klima, Digitalisierung und soziale Gerechtigkeit. Nun gibt es endlich Hoffnung.
Die Ära Merkel ist zu Ende, und jetzt, endlich, endlich beginnt in Deutschland das 21. Jahrhundert auch politisch. Die 16 Jahre zuvor werden von vielen Menschen als erfolgreiche Jahre gesehen, selbst von nicht konservativen. Das stimmt – wenn man Stabilität als quasi einzigen Maßstab anlegt. Das ist nicht nichts. Im Gegenteil. Wenn die eigene Erwartung ist, dass Politik möglichst wenig verändern, sondern unauffällig die Gegenwart wegverwalten soll, dann ist der Merkel-Style aus purem Gold.
Für eine solche Haltung kann es absolut nachvollziehbare Gründe geben. Zum Beispiel etwas zu große Selbstzufriedenheit, etwas zu viel Furcht vor Veränderungen oder Zynismus. Ins Positive gewendet aber auch eine gewisse Skepsis, was Fortschritt angeht. Positiv deshalb, weil oft nicht leicht erkennbar ist, ob eine Weiterentwicklung eher gut oder eher ungünstig wirken wird.
Die Ära Merkel war nicht erfolgreich, sondern spektakulär misserfolgreich, wenn man die wichtigsten Maßstäbe der jüngeren Generationen anlegt, nämlich Klima, Digitalisierung, soziale Gerechtigkeit im weiteren Sinn. Die Fixierung auf Stabilität kann leicht zur Erstarrung führen, was in Zeiten des multiplen Wandels schnell umkippt – in toxischen Konservatismus: bewahren zu wollen, was ins Verderben führt.
Zum Thema Klima kann man eine beliebige Person auf jeder Fridays-for-Future-Demonstration befragen, sie wird ohne Zögern ein halbes Dutzend katastrophale Versäumnisse aufzählen können. Zum Thema Digitalisierung gibt es jede Menge Statistiken und Analysen, die messbar und im direkten Vergleich mit anderen Ländern das deutsche Digitaldebakel offenbaren. Bitterschlechte Infrastruktur, erbärmlicher Stand der digitalen Verwaltung, große Hindernisse bei der digitalen Wettbewerbsfähigkeit. Kein einziges – ja wirklich! –, kein einziges Breitband-Versprechen der letzten vier Regierungen Merkel wurde eingelöst, kein großes Digitalprojekt des Bundes ist zugleich menschenwürdig und erfolgreich, und der größte, neue Digitalkonzern erwies sich vergangenes Jahr als Betrugsmaschine, für die Merkel und andere Unionsgrößen auch noch warben.
Das alles ist beim besten Willen nicht erfolgreich. Der toxische Konservatismus der Merkel-Ära scheint wirtschaftlich erfolgreich, hat in Wirklichkeit aber jede notwendige Weiterentwicklung zugunsten der ökonomischen Besitzstandswahrer herausgezögert. Merkel hat es als Wirtschaftspolitik betrachtet, die großen, deutschen Konzerne vor der Realität des digitalen und ökologischen Wandels zu schützen. Auch deshalb hinkt Deutschland digitalwirtschaftlich mindestens zehn Jahre hinterher.
Die mangelhaften Klima- und Digitalisierungsbemühungen der Merkel-Regierungen werden höchst ungünstig ergänzt durch die verbogene soziale Gerechtigkeit, zumindest mit Blick auf soziale Gerechtigkeit im Sinn der jüngeren Generationen. Denn der unterscheidet sich offensichtlich von den Definitionen der älteren, und hier lohnt sich zum Verständnis der neuen, postmerkelschen Ära die nähere Betrachtung.
Viele Junge haben den Staat als bevormundend und unfähig erlebt
Den Unterschied konnte man in sozialen Medien gut erkennen. Erstwählende haben zu 23 Prozent FDP gewählt, zu 22 Prozent Grüne, zu 15 Prozent SPD und zu 10 Prozent Union. In eher älteren sozialen Medien wie Twitter und Facebook ergoss sich gruseliger Spott über die Jugend, die FDP nur wählen könne, weil sie noch keine Ahnung habe und generell uninformiert sei. Dahinter verbirgt sich eines der großen, gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit, natürlich auch abseits von Twitter. Quer durch alle politischen Lager sind Menschen davon überzeugt, dass es nur eine korrekte Haltung gäbe (die zufällig stets auch ihrer eigenen entspricht). Und schlimmer noch – dass alle, die diese Haltung nicht teilen, das nur aus zwei Gründen tun können: Entweder sind sie irgendwie bösartig, oder sie verfügen nicht über alle Informationen. Der Jugend zu sagen, sie kenne sich halt noch nicht aus, ist die am wenigsten elegante Art, die eigene, ungeheure Weisheit hervorzuheben, es ist Angeben für Pseudobescheidene. Was für eine Hybris.
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — PEGIDA Demonstration Dresden 2015-03-23
Erstellt am Donnerstag 30. September 2021 um 12:02 und abgelegt unter APO, P.CDU / CSU, Regierungs - Werte, Traurige Wahrheiten.
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