Deutsches Jüdisches Leben
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 6. Januar 2021
Wider die Abstumpfung!
Ein Schlagloch von Charlotte Wiedemann
Die Debatte über Antisemitismus braucht einen neuen Anfang, abgerüstet und sensibel. Jüdische Diversität anzuerkennen, ist dazu ein Schlüssel.
Für das Simon-Wiesenthal-Center zählt das Goethe-Institut zu den gefährlichsten antisemitischen Kräften weltweit, weil es sich mit anderen Kultureinrichtungen an einer Initiative gegen den Missbrauch des Antisemitismusvorwurfs beteiligt. Das hat eine kafkaeske Note; doch wer nicht weiß, dass das Wiesenthal-Center eine parteiliche, rechte Lobby-Einrichtung ist, mag gleichwohl verunsichert sein. Eine Anschuldigung, die unter dem Namen des berühmten Überlebenden und Nazi-Jägers daherkommt, als Verleumdung zu bezeichnen, das bedarf eines inneren Rucks, der auch mir nicht leichtfällt.
Zu den neuen Erfahrungen könnte gehören: Juden und Jüdinnen haben verschiedene Meinungen und Haltungen
Doch birgt dieser Vorfall gleichfalls etwas Gutes: Er markiert einen Endpunkt, der zum Wendepunkt werden könnte – werden muss. Denn solche irrigen Urteile, die sich eine aus der Schoah abgeleitete Autorität anmaßen, haben zunehmend Abstumpfung zur Folge. Ein Antisemitismusvorwurf bewirkt oft nur noch Schulterzucken, und das ist schlimm.
Um eine Wende einzuleiten, muss Sensibilität wieder eine Tugend werden. Die Anerkennung, dass es im eigenen Inneren die Möglichkeit antisemitischer Regungen gibt, sollte eine Voraussetzung für die Beteiligung am öffentlichen Gespräch sein. Wie für Rassismus gilt für Antisemitismus: Niemand ist per se immun. Und gerade in Deutschland ist die Pose eigener Unanfechtbarkeit nicht angebracht: Richter auf der rastlosen Suche nach weiteren zu Richtenden.
Über Israels Politik wird es keine Einigung geben, dennoch wäre eine moralische und geschichtspolitische Abrüstung der Debatte möglich. Folgendes Gedankenspiel mag dabei helfen: Würde die AfD eine Regierungsmehrheit in Deutschland erringen, bliebe die Außenpolitik, nach allem, was dazu absehbar ist, pro-israelisch. Zugleich würden Gedenkstätten die Etats gekürzt, von Schlimmerem nicht zu reden. Nähe zu Israels Regierung ist nicht gleichbedeutend mit Respekt für die Opfer, gar Antifaschismus. Differenzieren und entflechten wäre nützlich.
Streit um Zionismus
Das Streitthema Zionismus könnte zunächst besser bei den Volkshochschulen aufgehoben sein, denn es fehlt ja weithin an Wissen, woher spezifisch jüdische Einwände gegen Zionismus rühren können, geschichtlich oder heute, religiös oder politisch. Manche junge nichtjüdische Deutsche umarmen heute den Zionismus so wie früher ihre Eltern die Klezmer-Musik.
Das Bedürfnis dahinter mag ähnlich sein, aber seit damals haben sich zwei Dinge grundlegend geändert: Erstens ist es heute möglich, dass nichtjüdische Deutsche Juden des Antisemitismus bezichtigen; ein Tabubruch, der sich durch eine besonders enge Bindung an Israel zu legitimieren glaubt. Und zweitens existiert eine Palette jüdischer Haltungen, die man bei aller Vorsicht doch als Diversität bezeichnen kann. Beides hängt ganz offenkundig zusammen.
Jüdische Diversität entstand durch die Nachkommen von Zugewanderten aus der ehemaligen Sowjetunion wie von Juden der DDR auf eine akzentuiertere Weise, aber auch durch junge Israelis, die gegenwärtig nicht in Israel leben möchten – und die in Berlin, Stadt der Wannseekonferenz, glauben, freier atmen zu können. Menschen, die ihre eigene Identität mit einem idealisierten Israel-Bild verknüpfen, haben begreiflicherweise Mühe, solcher Art von Dissidenz mit Gelassenheit zu begegnen.
Quelle : TAZ-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Oben — A menorah organized by Chabad in Berlin stands at the Brandenburg Gate in Berlin, Germany on Sunday, December 25, 2016, the second night of Hanukkah. The menorah is part of Chabad-Lubavitch’s worldwide Hanukkah campaign that includes 15,000 large public menorahs in more than 90 countries around the world, including in front of landmarks such as the White House, the Eiffel Tower, and the Kremlin. The campaign was set into motion by the Lubavitcher Rebbe, Rabbi Menachem M. Schneerson, of righteous memory, in 1973. Credit: Alex Timanoff / Chabad.org This photograph is being made available only for publication by news organizations for use in reporting on the events captured in the photo. The photograph may not be manipulated in any way and may not be used out of context or in commercial, political materials, advertisements, emails, products, or promotions.
Dienstag 12. Januar 2021 um 23:17
Diese ständige Etikettierung von Menschen in Gruppen erachte ich nicht als förderlich. Betrachtet doch jeden Menschen frei von Komplexen mit einem Vornamen und charakterlicher Eigenschaften. Alle Menschen haben etwas an erkennbare innerliche, optische Schönheiten an sich. Lobt bitte eure Menschen im Alltag. Ob persönlich bekannt oder nicht. Hauptsache respektvoll. Das macht das Charisma einer Zivilgesellschaft aus.