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Der Tabubruch in Thüringen

Erstellt von Redaktion am Samstag 8. Februar 2020

Tage, an denen etwas zu Ende geht

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Eine Analyse von , , und , Erfurt

Der Tabubruch in Thüringen war kein Zufall, sondern das Ergebnis von Taktik und Fahrlässigkeit. Wie konnte es so weit kommen? Eine Rekonstruktion

Es gibt diese langen Abende, an denen ist spürbar, dass etwas unwiederbringlich zu Ende geht. Wie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag dieser Woche, im Thüringer Landtag: Die CDU-Fraktion tagt, im Bernhard-Vogel-Saal, benannt nach dem alten Ministerpräsidenten aus den glorreichen Epochen dieser Partei.

Es ist ein Gast da, über dessen Anwesenheit man sich hier in normalen Zeiten vielleicht freuen würde: Annegret Kramp-Karrenbauer, die Bundeschefin der Union. Aber normal sind diese Zeiten nicht. Dies ist eine Nacht des Chaos. Und Kramp-Karrenbauer bekommt das zu spüren.

Eineinhalb Stunden sollte ihr Gespräch mit den Mitgliedern der Thüringer Landtagsfraktion eigentlich dauern, es sollte sich um die Frage drehen, warum die CDU einen Ministerpräsidenten gewählt hat, der zwar von der FDP nominiert, aber auch von der AfD getragen wurde. Es sollte um die Frage gehen, warum die Union damit einen Tabubruch gewagt hat, der die politische Landschaft der Bundesrepublik verändern kann.

Erschöpft, konsterniert, wie benommen

Eigentlich will Kramp-Karrenbauer die Fraktion ins Gebet nehmen. Den Thüringern klarmachen, dass sie einen Fehler gemacht haben. Ihnen klarmachen, wie dieser Fehler zu korrigieren sei: durch Neuwahlen.

Doch, so berichten es Teilnehmer der Sitzung, und so dringt es immer wieder aus dem Saal: In Wahrheit passiert das Gegenteil. In Wahrheit wird Kramp-Karrenbauer attackiert.

Viele Thüringer Landtagsabgeordnete empfinden es als Anmaßung, manche als Schande, was seit der Wahl des FDP-Mannes Thomas Kemmerich geschehen ist. Aber die Schande ist aus ihrer Sicht nicht, dass Kemmerich auch von der AfD gestützt wurde – das finden viele von ihnen nicht weiter schlimm. Stattdessen empört die Parlamentarier, dass „Berlin“ sich so einmische. Dass sogar die Kanzlerin sich eingeschaltet habe und von einem „unverzeihlichen Vorgang“ gesprochen hat. Dass niemand in Berlin Ahnung „vom Osten“ und der Lage hier habe.

Am Ende werden die Abgeordneten mehr als sechseinhalb Stunden tagen. Kramp-Karrenbauer wird irgendwann zwischendrin abreisen. Sie wird nicht nur erschöpft aussehen, sondern konsterniert. Wie benommen.

Die Linke will sich weiter um eine demokratische Mehrheit für den Ex-Ministerpräsidenten Ramelow bemühen. Thomas Kemmerich will vorerst im Amt bleiben. © Foto: Martin Schutt/dpa

Wie eine Befreiung von Fesseln

Mit der Wahl Thomas Kemmerichs zum Kurzzeit-Ministerpräsidenten ist ein Problem der ostdeutschen CDU offenbar geworden, von dem man schon vorher ahnte, dass es existiert – aber wohl niemand hat vermutet, dass es so massiv ist.

Es gibt sehr viele Parlamentarier, die keine größeren Probleme damit haben, mit der AfD zu stimmen. Es gibt aber viele, die die Linke verachten. Die Abgeordneten der Thüringer Union haben seit der Wahl Kemmerichs in ihren Wahlkreisen permanent Lob und Zuspruch erhalten. Endlich traut ihr euch mal was! Endlich tut ihr das Richtige! Es muss sich wie eine Befreiung von Fesseln angefühlt haben.

Zugleich erlebten sie aber eine bundesweite Empörung, einen Sturm der Entrüstung. Und am Ende die Rücktrittsankündigung Kemmerichs – auch weil der Druck aus der FDP- und der CDU-Führung in Berlin so groß war.

Jetzt ist das Gefühl der Abgeordneten: Wir wurden von oben gestutzt. Das sei ja wie zu DDR-Zeiten, erklärt einer.

Mohring ist schwach

Dass Mike Mohring, der CDU-Landes- und Fraktionschef, gerade vor den Trümmern seiner politischen Karriere steht, liegt auch an einem Dilemma, dem er nicht mehr gewachsen war: Von oben, aus Berlin, gewaltiger Anti-AfD-Druck. Von unten, von der Basis, und aus der eigenen Fraktion, gewaltiger Druck, sich stärker auf die AfD zuzubewegen.

Wenn ein Landesvorsitzender nicht stark ist, sondern schwach, hat er fast keine Chance, das auszugleichen. Eine andere Richtung vorzugeben. Zu führen.

Und Mohring war zuletzt politisch geschwächt, nicht erst in diesen Stunden. Wer verstehen will, wie es dazu kommen konnte, dass die Thüringer CDU Thomas Kemmerich gewählt hat, dass diese stolze Landespartei einen FDP-Kandidaten gemeinsam mit der AfD gewählt hat, der muss zurück in die Zeit unmittelbar nach der Thüringer Landtagswahl, in den Oktober 2019.

Keine Deals mit den Sozialisten!

Mohring hatte ja geahnt, dass er in ein strategisches Problem geraten könnte durch den Wahlausgang: Die regierende rot-rot-grüne Koalition unter dem Linken Bodo Ramelow hatte keine eigene parlamentarische Mehrheit mehr. Zugleich gab es auch keine Mehrheit für eines der klassischen Bündnisse. Klar war stattdessen: Es gibt keine Mehrheit, an der die CDU sich nicht beteiligt.

Aber das bringt einen nicht aushaltbaren Widerspruch hervor. Mohring musste sich entscheiden: entweder eine Regierung der Linken zu stützen, oder eine mit der AfD anzustreben. Die politische Realität in einem ostdeutschen Bundesland stand plötzlich im kompletten Gegensatz zur Beschlusslage der Bundes-CDU. Denn die besagt, dass es keine Kooperation mit AfD und Linken geben darf.

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Sie hatte den Mumm, die sprichwörtlichen Perlen vor die Sau zu werfen !

 Nur – was, wenn ein Land nicht regiert werden kann, solange die CDU nicht wenigstens eines dieser beiden Prinzipien aufgibt?

Mohring kündigte noch am Wahlabend an, in Richtung einer Kooperation mit den Linken zu gehen. Er warb für solch ein Bündnis, mal mehr und mal weniger deutlich. Aber die Bundes-CDU, nicht nur Annegret Kramp-Karrenbauer, erklärte ihn für verrückt. Sie wiesen ihn öffentlich zurecht. Sie stellten sich mit aller Vehemenz gegen jede Form der links-schwarzen Zusammenarbeit. Keine Deals mit den Sozialisten!

Kalkül und innere Zerrissenheit

Quelle      :       Zeit-online        >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —          Wahlabend Thüringen: Thomas L. Kemmerich (FDP))

  • CC BY-SA 3.0
  • File:2019-10-27 Wahlabend Landtagswahl Thüringen by OlafKosinsky MG 2178.jpg
  • Created: 2019-10-27 19:03:23
  • Ein Kommentar zu “Der Tabubruch in Thüringen”

    1. Peter Luschdisch sagt:

      https://www.youtube.com/watch?v=eUVTzitcbj4&feature=youtu.be&fbclid=IwAR0rztD7jZbOxyXE-FUcWDlmsiVv3AiZo5fjcIRBKXD37H1Mh_7L-NxbKG0

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