DER ROTE FADEN
Erstellt von Redaktion am Dienstag 5. November 2019
Lebensstile von Politikern
Durch die Woche mit Robert Misik
Normal musst du sein! Dürfen linke Politiker Porsche fahren oder Brioni-Anzüge tragen? Wann immer solche Lebensstilfragen aufpoppen, geraten Argumente durcheinander.
Eine Freundin von mir vertritt die Ansicht, die Mentalitätsunterschiede zwischen Deutschen und Österreichern träten besonders plakativ in zwei Liedern zutage: in dem Song „Ruaf mi net an“ des verstorbenen Wiener Liedermachers Georg Danzer und in „Zu spät“ von den Ärzten.
Beide haben dasselbe Thema, nämlich verschmähte Liebe. Hauptfigur ist jeweils ein junger Mann, der von seiner Freundin verlassen wurde, weil sie sich einen klügeren, reicheren, prestigeträchtigeren Partner gesucht hat. Doch während in der deutschen Version die Ich-Figur in gigantomanische Fantasien verfällt, versinkt die österreichische Figur in weinerlichem Selbstmitleid.
Bei den Ärzten heißt es: „Doch eines Tages werd’ ich mich rächen / Ich werd’ die Herzen aller Mädchen brechen / Dann bin ich ein Star, der in der Zeitung steht / Und dann tut es dir leid, doch dann ist es zu spät.“
Bei Danzer dagegen tut der trauernde Twentysomething gar nichts, nimmt Tabletten, kann nicht mehr schlafen und verwünscht den neuen Liebhaber, der die Ex in Restaurants einlädt und ein teures Auto fährt. „I waß du hasd jetzt an Freund mid an Porsche / Geh sag ihm er soll do in Oasch geh.“ Allein dafür, dass er „Porsche“ auf „Oasch geh“ („in den Arsch gehen“) reimte, gebührt Danzer der Literaturnobelpreis. Der Porsche steht hier für Protzerei, für das Neureiche, auch ein bisschen für das Ludenhafte. Porsche repräsentiert auch ein wenig das Unseriöse, Krösushafte.
Wir führen ja bei uns in Österreich meist ähnliche Debatten wie ihr in Deutschland, nur noch ein bisschen dümmer. Deswegen hatte die österreichische Sozialdemokratie zuletzt ihre „Porsche“-Debatte. Die SPÖ ist ja bei den vergangenen Parlamentswahlen auf 21 Prozent abgestürzt, Tags darauf trat der Bundesgeschäftsführer zurück und holte seine Habseligkeiten mit seinem schicken Oldtimer-Porsche aus der Parteizentrale. Als sich dann noch herausstellte, dass auch der Tiroler Landesvorsitzende mit einem modernen Porsche-Modell durch die Gegend kurvt, waren die „Luxus-Sozis“ in den Schlagzeilen und buchstäblich „im Oasch“.
Entkontextualisierte Debatte
Wann immer solche politischen Lebensstilfragen aufpoppen, geraten die Argumente durcheinander. Die einen meinen, linke Politiker müssten auch durch ihren Lebensstil ausdrücken, dass sie auf der Seite der einfachen Leute stehen, und dafür sind Villen, Luxuskarossen und teure Uhren, Brioni-Anzüge und Zigarren Gift. Die anderen meinen, dass diese Leute sich das Zeug ja erstens von ihrem verdienten Geld gekauft haben, sie daher auch niemandem Rechenschaft schuldig seien, dass es zweitens darum gehe, ob sie gute Politik machen, nicht ob sie in Sack und Asche herumliefen, und dass die Linken, drittens, doch für Wohlstand und Luxus für alle eintreten, nicht für Armut für jeden.
Quelle : TAZ >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs