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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am Dienstag 13. August 2019

Paternalistische, antiaufklärerische Kacke

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Robert Misik

Nach dem Massenmord eines weißen Rechtsextremisten in El Paso tauchte ein Manifest auf, das mit ziemlicher Sicherheit vom Täter stammt. Darin rattert er all die Ausrottungs­fantasien runter, die von den Anhängern der „White Supremacy“ üblicherweise verbreitet werden, und erklärt, warum er einen Anschlag auf Hispanics verübte. Bald wurde das Manifest in allen Medien analysiert und in den Social Media diskutiert. Und beinahe genauso schnell tauchte die Warnung auf, dieses Manifest doch bitte durch Berichterstattung nicht zu verbreiten.

Nun ist die Frage naheliegend, ob man nicht das Geschäft des Hass-Killers besorgt, indem man seine Hass-Theorien diskutiert – und ihnen damit genau die Öffentlichkeit gibt, die der Täter sich wünschte.

Aber zugleich ist das eine zutiefst fragwürdige Position. Denn sie geht von der stillschweigenden Voraussetzung aus, dass irgendwelche imaginierten „normalen Leser“ mit der Drecksideologie infiziert werden könnten, wenn sie damit in Berührung kämen. Man müsse sie deshalb vor dieser Berührung schützen. Sehen wir einmal von dem Faktum ab, dass eine Person, die für die Glaubenssätze der „White Supremacy“ empfänglich ist, es sowieso selbst schaffen wird, den Text zu er­googeln, steckt dahinter eine sehr seltsame Auffassung. Nämlich, dass die Menschen leider zu doof dafür seien, ihre eigenen Urteile treffen zu könnten. Dass sie, strunzdumm, wie sie sind, die falschen Schlüsse aus einer solchen Lektüre ziehen könnten.

Gelegentlich wird ja sogar gefordert, man möge solche Texte kritisch dekonstrieren, ohne auch nur Sätze aus den Dokumenten wiederzugeben. Also: Kritisieren, ohne den Leuten genau zu sagen, was kritisiert wird. Das hat einen gewissen Hautgout, da ja auch diejenigen, die die Texte einer kritischen Analyse unterziehen, die Texte gelesen haben. Die werden ja keineswegs dazu aufgefordert, solche Texte nicht zu lesen. Was aber nichts anderes heißt als: Es gibt eine aufgeklärte, ungefährdete Minderheit, die den Text lesen darf, und dann eine große Masse der Dummchen, die vor Lektüre bewahrt werden müssen. Was aber schon ziemlich hart an der Auffassung vorbeischrammt, dass für eine Kaste der eingeweihten Hohepriester eben andere Regeln gelten als für die große unaufgeklärte Masse.

Bajs.jpg

Vollends skurril wird es, wenn diese Auffassung von jenen Menschen vertreten wird, die ansonsten sehr positiv der Tatsache gegenüberstehen, dass mit dem Strukturwandel von Öffentlichkeit die klassischen Medien ihre „Gatekeeperfunktion“ verlieren. Wie geht das aber mit der Idee zusammen, dass die „normalen Leute“ sehr wohl Gatekeeper brauchen, also Leute, die ihnen schädliche Nachrichten vorenthalten, weil sie diese falsch verstehen könnten?

Quelle       :          TAZ           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben    —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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