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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am Sonntag 30. Juni 2019

It’s not the Verkehrsmittel, stupid

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Durch die Woche mit Johanna Roth

Gelegentlich soll es ja hilfreich sein, sich in die Lage eines Feindbilds zu versetzen. Und damit meine ich jetzt nicht die bemerkenswert hartnäckige Illusion, Rechtsextreme bekämpfe man am besten, indem man ihnen auf möglichst hohem intellektuellem Niveau erläutert, dass und warum sie Rechtsextreme sind, woraufhin diese sich freundlich bedanken, ihr Handeln überdenken, ihr Umfeld bekehren und ihre Parlamentssitze räumen, weil es ihnen ja genau daran gefehlt hatte: an Erkenntnis.

Nein, ich spreche von einem harmlosen kleinen Ausflug auf die dunkle Seite: Vergangene Woche bin ich sowohl innerhalb Deutschlands geflogen als auch dieselbe Strecke mit dem Zug gefahren, habe ein Auto durch die Hauptstadt gesteuert und bin ins Büro geradelt. Und so richtig toll war das alles nicht.

Bevor Sie jetzt tief Luft holen: Flight Shaming wirkt bei mir nicht mehr. Solange die Deutsche Bahn sich außerstande sieht, einer Person mit Bahncard und Fernbeziehung wenigstens ein ähnliches Preisniveau zu bieten wie Lufthansa und Eurowings anstatt mindestens das Doppelte zum selben Buchungs- und Reisezeitpunkt, versuche ich zu sparen, indem ich die Strecke nach München zweimal im Jahr fliege, statt wie sonst grummelnd den günstigsten Zug um halb 5 Uhr morgens zu buchen. Anstelle von Schlafdefizit und Schnupfen hole ich mir dann ein schlechtes Gewissen, aber warum soll das eigentlich primär mein Problem sein und nicht das derjenigen, die die (Preis-)Politik machen? Klimaschutz muss man sich leisten können, das gilt vielleicht nicht länger für Bioprodukte im Supermarkt, aber umso mehr für die Wahl des Fortbewegungsmittels. Soll das Ganze nicht zum Selbstvergewisserungsdiskurs einer privilegierten Mittelschicht verkommen, braucht es da dringend Lösungen.

President Trump Arrives in Osaka (48138484362).jpg

Die Großmäuler der Staaten nehmen gleich ganze Flugzeuge ich Beschlag

Seitdem ich mich diese Woche in Berlin mal unter die Autofahrer begeben habe, weiß ich aus staunender Beobachtung: It’s not the Verkehrsmittel, stupid. Menschen auf Rädern sind potenziell genauso schlimm wie Menschen in Autos. Sie schneiden beim Überholen, drängeln sich an der roten Ampel vor, und zwar rein aus Prinzip, auch wenn sie wissen, dass du sie gleich wieder überholen wirst. Sie ertragen es nicht, Zweiter zu sein, und sie drängen weniger aggressive Radfahrer mit genauso selbstgewissem Grinsen ab, wie sie auch den Autos, die vorsichtig an ihrem ausladenden Fahrstil vorbeizufahren versuchen, auf die Motorhaube hauen. Idioten – es sind, ich erwähne dies nur der Vollständigkeit halber, hauptsächlich Männer, die sich so verhalten – aus Innenstädten verbannen geht freilich nicht, umso schneller müssen die Autos raus, denn je mehr Menschen Fahrrad fahren, desto enger wird es, und dann gnade uns Gott.

Quelle        :         TAZ      >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen    :

Oben    —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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