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RENTENANGST

der rote faden

Erstellt von Redaktion am Sonntag 4. März 2018

Leben, lieben, sein – nichts geht mehr ohne Intensität

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Durch die Woche mit Robert Misik

Trott

In seinem berühmten Buch „Das Ende der Geschichte“ formulierte der US-amerikanische Politologe Francis Fukuyama einen eigentümlichen Gedanken: Es sei denkbar, dass die Geschichte wieder in Gang komme, wenn zu viel Langeweile um sich greife. Wir sind heute Zeugen von Geschehnissen, die diesen Gedanken verständlicher machen. Die liberale Demokratie, die auf marktwirtschaftlicher Ordnung basierte, etablierte einen Trott ohne Spannung. Regierungen wurden gewählt, abgewählt, neue gewählt, aber dieser demokratische Prozess war weitgehend ohne Intensität.

Bis dann plötzlich mit einem Mal alles in einem seltsamen Moment aus dem Lot geriet und innerhalb weniger Jahre in verschiedenen Demokratien die pluralistische Demokratie von ihren Feinden herausgefordert wurde.

Vielleicht auch, weil zu viel Stabilität einfach langweilig ist? Wir Menschen der Jetztzeit sind für den Trott nicht gemacht. Wenn nichts geschieht, sehnen wir uns danach, dass sich etwas ereignen möge.

Die amerikanische Großessayistin Susan Sontag, die man auch eine Ikone der Intensität nennen kann, hielt immer die Intensität des Erlebens hoch. Auch ein wüster, noch nie gedachter Gedanke kann diese Intensität bieten. Von „intellektueller Ekstase“ sprach Sontag. Das „Ideal der Intensität“ steht bei ihr der Langeweile gegenüber, der Abgedroschenheit, dem Alltäglichen, dem Zahmen.

Ekstase

Natürlich, man kann so ziemlich alles auf laue oder auf intensive Weise tun, von der Kunst über die Politik bis zur Lebensführung. Das Feld paradigmatischer Intensität ist aber immer noch die Liebe. Liebe ist etwas, schrieb der französische Philosoph Alain Badiou in seinem schmalen Büchlein „Lob der Liebe“, das für jeden das ausmacht, „was dem Leben Intensität und Bedeutung verleiht“. Sie ist ohne Risiko nicht zu haben.

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Liebe überwältigt, sie ist ein Absturz, „to fall in love“ heißt es nicht zufällig im Englischen. Liebe ist der Rausch der Leidenschaft, der immer in abgrundtiefes Leiden abbiegen kann. Wir haben kulturelle Skripts im Kopf, die unser Bild von der Liebe immer schon modellieren: Bilder vom Beginner-Gefühl, von den Begegnungen, die alles infrage stellen, vom Triumph der Liebe über Widrigkeiten. Es sind alles Bilder von umstürzenden Momenten, eher selten Bilder von Dauer. Wie viele Hollywoodfilme gibt es über das Abenteuer des Beginns – und wie viele über die Hartnäckigkeit von Partnerschaften, die Jahrzehnte überdauern und Krisen meistern?

Obsession

Wir haben Klischees im Kopf und immerzu die gleichen Begriffe auf der Zunge. Dass man sich nur in der Intensität „wirklich spürt“ und all das.

Quelle   :       TAZ    >>>>>     weiterlesen

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Grafikquelle  :

Oben    —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

Unten   —     Austrian writer and journalist Robert Misik speaking in front of some ~10.000+ persons who are demonstrating against actual Austrian ‚policy‘ on asylum rights. This event was supported by a considerable quantity of renowned Austrian artists, writers and politicians. Please note that camera’s time stamp is set to UT, which is local CEST -2h.

 

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