DER ROTE FADEB
Erstellt von Redaktion am Dienstag 13. Juli 2021
Wahlkampagne der CDU mit heller Außenkruste
Durch die Woche mit Nina Apin
„Deutschland machen“ – der Wahlkampfslogan der CDU klingt so einfach wie infantil. Was rauskommt, hängt sehr davon ab, wer sich da was bäckt.
Für mich begann die Woche etwas ungewöhnlich mit einer Spritze in den Oberarm. Aber wie aufregend muss der Wochenauftakt erst für Paul Ziemiak gewesen sein: Als Union-Generalsekretär durfte er am Dienstag der Öffentlichkeit die neue Wahlkampagne der CDU vorstellen: Deutschland machen.
Deutschland machen? Irgendwie eine irritierend infantile Vorstellung: Als ob man sich ein gewachsenes Land mit 83 Millionen Einwohnern und ziemlicher Vergangenheit einfach zur Bundestagswahl neu zusammenbacken könnte wie einen Auflauf aus Küchenresten. Aber lässt man sich mal auf das Gedankenspiel ein, dann ist die Empörung, die der Kampagne entgegenschlug, auch ein bisschen künstlich. Denn in gewisser Weise ist sie einfach ehrlich.
Politik soll ja immer Visionen haben und, voilà, so ist das Deutschland, das sich die CDU so vorstellt, wenn sie sich eins backen könnte. Und gebacken hat sie eben aus dem, was sie in ihrer eigenen Küche so vorfindet, also: Weißbrot im Übermaß. Weiße (verkleidete) Polizistinnen, weiße Facharbeiter, weiße Kinder, Eltern und Greise. Gut, schwul oder Migra-Hintergrund hätte es zwar auch gegeben (Spahn, Ziemiak), aber zum Glück sieht man das ja nicht. Diversity findet in der Union halt im Inneren statt, die Außenkruste bleibt schön hell.
Andererseits – was hatte man denn erwartet von den Christsozialen? Regenbogenschwingende Queers, smarte Kopftuchträgerinnen, schneidige schwarze Bundeswehrsoldaten auf dem Plakat? Einen langhaarigen Ökobauern haben ja noch nicht mal die Grünen im Programm.
Wenn man meine Tochter bitten würde, Deutschland zu machen, dann würde es vermutlich aus Kleinstädten mit bunten Holzhäusern bestehen. Es gäbe superschnelles Gratis-WLAN für alle, im Kanzleramt säße die Ebay-Kleinanzeigen-WG, beraten vom Youtube-Gamer Paluten, Greta Thunberg und, hin und wieder, Angela Merkel (anderen Politiker:innen traut meine Tochter nicht recht). Wohnen wäre kostenlos, und statt Straßen gäbe es minutiös verzweigte Multitrassen für Züge, selbstfahrende Autos, Fahrräder und Scooter (auf Wunsch werden sicher gern entsprechende Skizzen gefertigt).
Wilde Möpse
Wie sich Hans-Georg Maaßen Deutschland vorstellt, möchte ich hier nicht ergründen – die vorherrschende Farbschattierung im Lande dürfte klar sein. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk wäre nicht mehr linksradikal unterwandert. Statt Schmierblättern wie der taz würden stramme Patrioten… ach, man kann es sich denken, ich kriege schon beim Schreiben schlechte Laune.
Haben nicht die weißen Europäer die Ureinwohner der USA und Australiens ausgerottet ?
Wesentlich amüsanter ist es, sich das Wunschdeutschland etwa der Hedonistischen Internationale, Sektion Wilde Möpse, auszumalen, die eine Pressemitteilung schickte, aus der klar hervorgeht, wie ihr Deutschland aussehen würde: Da wäre endlich Schluss mit der Diskriminierung von FLINTA-Körpern (wenn Sie nicht wissen, was das ist, sind Sie leider unqualifiziert für dieses Land!). Alle würden dort immerzu mit freiem Oberkörper herumlaufen und stolz ihre Nippel in den Wind halten – textilfrei und ungeniert.
Quelle : TAZ -online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs
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Unten — Paul Ziemiak (CDU), Mitglied des Deutschen Bundestages bei einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 30. Oktober 2020 in Berlin.