Der Fall Kavanaugh oder:
Erstellt von Redaktion am Dienstag 20. November 2018
Backlash in the USA
von Tamara Ehss
Auch wenn die Republikaner und damit Donald Trump bei den kommenden Midterms, den Wahlen zum Repräsentantenhaus am 6. November, eine erste Niederlage erleiden könnten: In der Rechtsprechung hat sich der Trumpismus bereits auf Jahre hinaus erfolgreich festgesetzt. Damit wird er politisch immer noch wirken, wenn Donald Trump die politische Bühne längst verlassen hat.
In den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit hat der 45. US-Präsident mehr Richterstellen neu besetzt als irgendeiner seiner Vorgänger. Das betrifft vor allem die Posten an Berufungsgerichten, schlägt sich inzwischen allerdings auch am höchsten US-Gericht, dem Supreme Court, nieder.
So besetzte Trump die bereits Anfang des Jahres 2016 mit dem Tod von Antonin Scalia frei gewordene Stelle mit seinem Vertrauten Neil Gorsuch. Hierbei war ihm die monatelange Blockadetaktik der Republikaner zu Gute gekommen. Sie bremsten am Ende von Barack Obamas zweiter Amtszeit einen Kandidaten nach dem anderen aus, dessen Nominierung die Demokraten im Kongress durchzusetzen versuchten.[1] Mit Obamas letzter – von der Opposition ausgebremster – Nominierung hätte das Mehrheitsverhältnis von 5:4 zugunsten der Republikaner gedreht werden können. Stattdessen bleibt der Supreme Court nun konservativ besetzt – und dies auf Jahre hinaus, weil die Richter auf Lebenszeit berufen sind.
Denn nach Gorsuch konnte Trump noch einen zweiten Bewerber durchsetzen: Obwohl er sich bester Gesundheit erfreut, stellte der 82jährige Richter Anthony Kennedy im Sommer 2018 nach politischem Druck sein Amt zur Verfügung. Er war zwar einst von Ronald Reagan vorgeschlagen worden und somit auf republikanischem Ticket an den Supreme Court gelangt, hatte jedoch für den Geschmack Trumps und seiner Gefolgsleute in gesellschaftspolitisch umstrittenen Fragen zu oft gemeinsam mit den demokratisch nominierten Richtern gestimmt. Vor allem bei der Gleichstellung Homosexueller sowie bei der Bestätigung des seit dem „Roe v. Wade“-Urteil von 1973 stets umkämpften Rechts auf Abtreibung schloss Kennedy sich den Progressiven an und bildete damit die entscheidende swing vote.
Als Kennedys Nachfolger wurde nun Brett Kavanaugh nominiert. Dessen Anhörungen im Senat dürften ob ihrer Heftigkeit in die US-Justizgeschichte eingehen. Denn dabei standen nicht nur Kavanaughs Überzeugungen – etwa zum Recht auf Schwangerschaftsabbruch – auf dem Prüfstand. Letztlich sorgten Vergewaltigungsvorwürfe für eine mediale Aufmerksamkeit und gesellschaftspolitische Kontroverse, die die tiefen Gräben offenbarten, die durch den Trumpismus geschlagen worden sind.
Die Republikaner hielten trotz massiver Proteste an ihrem Kandidaten fest und Kavanaugh wurde letztlich bestätigt, wenn auch mit der denkbar knappsten Mehrheit von 50 zu 48 Stimmen.
Mit Neil Gorsuch und Brett Kavanaugh – beide erst Anfang 50 und damit die weitaus jüngsten Richter – verfestigt sich nun nicht nur die republikanische Mehrheit am Supreme Court, sondern vor allem deren antiliberale Ausprägung.
Diesen Wandel werden in Zukunft wohl insbesondere die sozialen Bewegungen zu spüren bekommen. Es waren vor allem engagierte Gruppen und NGOs im Bereich der Frauen- und Menschenrechte oder auch des Umweltschutzes, die in den vergangenen Jahrzehnten mittels strategischer Prozessführung (strategic ligitigation) eine politische Liberalisierung erreichten. Durch die Strategie des „Naming – Blaming – Claiming“[2] konnten sie in Prozessen vor dem Supreme Court umstrittene Gesetze oder die bisherige Rechtsprechung zu Fall bringen. Spätestens seit den Tagen des Warren Courts, also seit der Supreme Court unter Earl Warren als Chief Justice in den 1950er-Jahren eine interventionistische Rechtsprechung in Gang gesetzt hatte, erwies sich der Rechtsweg unter Umständen als schneller und nachhaltiger als die klassische parteipolitische Partizipation.[3]
Franklin D. Roosevelt als Pionier
Quelle : Blätter >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Judge Brett Michael Kavanaugh…