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Der Fahrrad – Eklat

Erstellt von Redaktion am Montag 8. April 2019

Ein „Freitag“-Redakteur bekennt sich zum Wutradeln

File:Adi Holzer Werksverzeichnis 850 Lebenslauf.jpg

Von Ulrike Baureithel

A–Z Ein „Freitag“-Redakteur bekennt sich zum Wutradeln, ein anderer versucht sich im Straßenverkehr mit Zen. Unser A-Z zum Schwerpunkt Verkehr aus der Redaktion.

A

Abfuhr Ich schlage gern auf Dächer von Autos, die meinem Rad und mir zu nahe kommen, oder auch gegen die seitlichen Fensterscheiben; ich habe Autofahrer schon bis zur nächsten Ampel oder auf einen nahen Parkplatz verfolgt, wenn sie mir gerade gefährlich dreist die Vorfahrt genommen, mich geschnitten hatten. An der Ampel oder auf dem Parkplatz liefere ich mir heftige Wortgefechte, frage laut, ob ihm oder ihr da im Blechpanzer klar sei, dass sie mich gerade fast schwer verletzt oder getötet hätten, aber dieser pädagogische Impuls ist nur die halbe Wahrheit. Vielmehr erfüllt der Streit auf der Straße für mich die Funktion, die Klaus Theweleit vergangene Woche im „Freitag“ dem Fußball attestiert hatte: Angstabbau und Gewaltabfuhr. Fußball aber spiele ich nur einmal pro Woche.

Manchmal endet das Ganze sogar recht zivilisiert: Einmal stritt ich mit einer Autofahrerin derb, dann entschuldigte sie sich plötzlich für ihren Vorfahrtsraub, lächelte ungläubig, was wohl daran lag, dass ich meinen ganzen Ärger gegendert hatte, nach „Idiot“ eine kurze Pause, dann „in“: „Idiotin“. Sebastian Puschner

Amsterdam Als er im Ohrenzeugen seine 50 Charaktere beschrieb, hat Elias Canetti einen Typus wohl übersehen: Die Radfahrende. Sie, meistens mittleren Alters – also zwischen 60 und 70, nimmt man die heutige Forschung zur ewigen Jugend ernst – treibt sich rastlos und unermüdlich auf den Amsterdamer Radwegen herum. Meist kann man ihr Gesicht nicht erkennen, da sie, sobald man sich nach ihrem Gebrüll (Es klingt etwa so: „Weg van het fietspad!“, also Runter vom Radweg! und „Stomme touristen!“, ja genau, dumme Touristen) umsieht und in letzter Sekunde noch in den Straßengraben, oder besser, den nächsten Kanal springt, schon längst mit klapperndem Fahrrad und zwei Umzugskartons links und rechts, an einem vorbei gerast ist.

Und auch nachdem man sich selbst, durch viele Jahren der Ansässigkeit, zur erfahrenen Amsterdamer Radfahrerin emporgeklommen hat und sich nun mittlerweile mit ähnlichen Fahrkünsten brüstet (bei Familie und Freunden im Ausland zumindest), zieht die eingeborene Radfahrende – inzwischen um einige Jahre älter – mühelos und mit atemberaubender Geschwindigkeit an einem vorbei. Meistens pfeift sie auch noch ein kleines Liedchen. Ich stelle mir vor, dass sie dabei lächelt.Valentina Gianera 

H

Helm Wahrscheinlich ist es die Chemie, die fehlt. Ich habe noch nie einen Helm getragen. Als meine Eltern sagten: Helm muss sein!, da war ich schon Mitte 20, lebte in meiner eigenen Wohnung. Warum tragt ihr dann keinen?, fragte ich meinen Vater. Ach, sagte er.

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Mittlerweile habe ich selber Kinder, bin morgens immer heilfroh, wenn wir aus der Tür raus sind, mein Sohn auf dem Fahrrad sitzt. „Mama, wo ist mein Helm?“, ruft er auf halber Strecke zur Kita und bremst. „Fahr mal vorsichtiger“, sage ich. War ich nur vergesslich, oder fahrlässig? Wie die anderen Kitaeltern mich ansahen, als fahre er freihändig, doch er war doch nur kopfmäßig frei. Einmal sind wir mit einem 2-Jährigen nach Hause spaziert, er hatte noch kein Fahrrad, aber er trug einen riesigen, orangen Helm. Warum?, fragte ich die Mutter. Zur Gewöhnung! Maxi Leinkauf

Quelle      :      Der Freitag          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben     —        Handkolorierte Farbradierung «Lebenslauf» aus der Rosentaler Suite von Adi Holzer 1997 (Werksverzeichnis 850). Adi Holzer vergleicht das Leben mit dem ausbalancierten Drahtseilakt eines Seiltänzers. Er verwendet in der Farbradierung Hinweise auf Ereignisse und Orte in Österreich aus seinem eigenen Leben: Burg Greifenstein, Tieffliegerangriff bei Mauthausen 1945, Wiener Riesenrad, Kinderwiege, Grabkreuz seines Vaters in Stockerau, Kirche von Winklern. Am linken Rand der Radierung findet sich die verblasste Inschrift: «Ich habe eine kleine Zeit Mühe und Arbeit gehabt und habe großen Trost gefunden. Gruss an Johannes Brahms.» Am rechten Rand steht eine verblasste Inschrift mit dem Namen der österreichischen Dichterin Gertraud Patterer. Am unteren Bildrand findet sich ein Hinweis darauf, dass Adi Holzer schon früher einen «Lebenslauf» in kleinerem Format veröffentlicht hat. Rechts davon weist Adi Holzer darauf hin, dass er diese Farbradierung seiner Frau «Kirsten Inger Mygind» widmet, die er bei Verwendung der Initialen Kim nennt und mit dem Kosenamen «Kimchen» anspricht.

Urheber Adi Holzer
Der Urheberrechtsinhaber dieser Datei, Adi Holzer, erlaubt es jedem, diese für jeden Zweck zu benutzen, vorausgesetzt, dass der Urheberrechtsinhaber ordnungsgemäß genannt wird. Weiterverbreitung, Abänderungen, kommerzielle Nutzung sowie jede andere Verwendung sind gestattet.
Namensnennung: Adi Holzer

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Unten        —    Namensnennung: Bundesarchiv, Bild 183-R13688 / CC-BY-SA 3.0

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