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Der Durchbruch

Erstellt von Redaktion am Freitag 28. August 2015

Syrer in Sachsen

23.06.2015 - Bürgermob in Freital und Gegendemo zum Schutz der Asylsuchendenunterkunft (19114289781).jpg

Autor: Wolfgang Blaschka
Datum: 27. August 2015

Die Koinzidenz beider Ereignisse ist frappierend: Der Südosten Europas wie auch der von Deutschland hallen wider vom Bürgerkrieg in Syrien. Während erschöpfte Flüchtlingskolonnen an der mazedonischen Grenze von Armee-Einheiten mit Blendgranaten, Tränengas und Gummiknüppeln festgehalten und gejagt werden, randalieren in Sachsen deutsche Neonazis gegen ankommende Kriegsflüchtlinge aus Syrien. Sie können von Polizei-Hundertschaften kaum in Schach gehalten werden, sei es mit Tränengas noch mit Knüppeln. Sie gehen in der vierten Nacht in Folge auf deutsche Antifaschisten, auf Flüchtlings-Helfer wie auch auf Polizisten los. Den unbewaffneten Syrern immerhin gelang der Durchbruch an beiden Brennpunkten: Sie erreichten inzwischen sowohl die Züge am mazedonischen Grenzbahnhof als auch per Bus ihre erste Unterkunft in Sachsen. An beiden Orten herrscht Ausnahmezustand.

In beiden Situationen geht es um dasselbe: Ist Europa willens und in der Lage, die Auswirkungen seiner verheerenden Nahost-Politik zu bewältigen? Bisher scheint es das nicht. Was bleibt, klingt wie ein Offenbarungseid: Kriege befeuern können die europäischen Staaten mit links; die Folgen jedoch zu tragen vermögen sie nicht, schon gar nicht mit rechts. Was sich derzeit an den Südost-Grenzen der EU abspielt, ist die unmittelbare Folge des imperialistischen Wahnsinns von 2003, des Irakkrieges im Zuge des großen Terrorkrieges, der nach George W. Bush über hundert Jahre andauern möge, also ein ganzes „amerikanisches Jahrhundert“ lang. Europa war in wechselnden „Koalitionen der Willigen“ immer dabei, wenn es um Regime-Change und nachhaltige Besatzung ging.

Die Zerstörung der staatlichen Strukturen nach der Entmachtung und Hinrichtung Saddam Husseins sowie die Etablierung einer strikt schiitisch dominierten Regierung hatte die absehbare Konsequenz, dass die ehemals staatstragenden Sunniten rigoros „abgewickelt“ wurden wie weiland die „regierungsnahen Funktionsträger“ der ehemaligen DDR. Vom Kantinenwirt bis zum Lehrer, vom Verwaltungsbeamten bis zum General wurden sie aussortiert und kaltgestellt, und mussten sich neue Beschäftigung und Betätigungsfelder suchen. Die fanden sie selbstredend in Opposition zur neuen Regierung, welche sie so gründlich entsorgt hatte.

Der Iran, seit 1979 traditioneller Erzfeind der USA, konnte sich zur vorherrschenden Regionalmacht mausern, mit der inzwischen sogar ein gewisses Einvernehmen herrscht. Noch in den 80-er Jahren hatte ein solches mit dem Irak bestanden – für acht Jahre blutigsten Krieges gegen den Iran. Westliche Außenpolitik taumelt von einem Dilemma in die nächste Bredouille: Von Afghanistan über Irak und Libyen nach Syrien – ein Desaster nach dem anderen! Die Blutspur der NATO düngte den Boden des Islamismus.

Ein teures Unterfangen, menschlich wie ökonomisch: Von der erhofften Erdölausbeute im Irak keine Spur für den Westen, dafür 500.000 Tote und eine Schneise der Verwüstung im Irak. Daraufhin das Entstehen und Erstarken des IS, jener kruden Vorstellung, mittels Mittelalter die verderbte Moderne besiegen zu können, die sich der Folter ebenso bedient wie das Kalifat der Enthauptung. Der Siegeszug religiöser Fanatiker im vormals laizistischen Staat wurde „lange Zeit unterschätzt“, resümierte Obama nur lakonisch. Inzwischen wurde bekannt, dass ein entsprechend warnendes DIA-Dossier von der US-Administration „bewusst ignoriert“ wurde.

Frühere Kommandeure der irakischen Armee liefen mitsamt militärischen Kenntnissen und Ausrüstungsgegenständen zum IS über, anstatt sich ihm entgegenzustellen. Kampflos übernahmen sunnitische Gotteskrieger weite Teile des Irak; von dort griffen sie auf das bürgerkriegsgeschundene Syrien über. Dort rüstete der Westen die sunnitischen „Rebellen“ auf, um die ebenfalls säkulare Assad-Regierung zu schwächen; sie zu stürzen gelang ihm bis heute nicht. Nur eines funktionierte wie geschmiert: Dem IS in Syrien weite Territorien zu überlassen, um Jesiden zu jagen, Kurden zu massakrieren und Weltkulturerbe-Stätten unwiederbringlich zu zerstören. Und über 13 Millionen Flüchtlinge zu generieren, die der Hölle zu entkommen trachten, entweder den Bomben Baschar al-Assads oder den Killerkommandos der Al-Nusra-Front, der Al Qaida, des IS. Einzig die Kurden vermochten denen bisher zu widerstehen.

Deutschland war an dieser Entwicklung ursächlich mit beteiligt: Seine Kriegsbeihilfe hatte auch ohne direkten Bundeswehr-Einsatz vor Ort die Führung des Irak-Krieges erst ermöglicht. Es fungierte als Nachschub-Basis und Drehkreuz für Truppentransporte sowie als sicheres Hinterland zur Verletzten-Versorgung. Der BND lieferte der CIA sogar den Kriegsvorwand frei Haus, serviert wie auf dem Silbertablett: Die Lüge von den angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddam Husseins, die sich später niemals und nirgendwo finden ließen, weil es sie nicht gab. Nun schlägt dieser Krieg mit seinen Folgerungen zurück – in Form von nicht enden wollenden Flüchtlingsströmen. Schröder und Fischer sitzen längst in gemachten Nestern, derweil ihr „Curveball“ zum Bumerang mutierte. Sie hätten den Krieg verhindern können – durch Sperrung des Luftraums und Aufdeckung der perfiden Kriegslüge. Sie taten es nicht. Stattdessen saßen BND-Agenten mitten in Bagdad, die den Piloten exakte Koordinaten zu gezielten Bombardierungen durchgaben.

Nun brennt es in Mecklenburg-Vorpommern in der NS-Dorfgemeinschaft Jemel und in Sachsens braunen Biotopen, an Deutschlands widerlichsten Orten: Freital, Heidenau und Nauen, dicht gefolgt von Remchingen in Baden-Württemberg und dem oberbayerischen Reichertshofen. Der IS-Terror entfachte mittelbar den Nazi-Terror aufs neu, wie eine Fackel die nächste. Das entschuldigt nichts, erklärt aber manches: Rechtes „Rebellentum“ gibt es fast überall, und es führt jedesmal ins Pogrom, in tödliches Verderben vor allem für die Schwächsten, in den Triumph der Niedertracht, der Lüge, der Verfolgung von Minderheiten. Rassismus und religiöser Irrwitz, Nationalismus und Militarismus bedingen und beflügeln einander; sie sind aus demselben Holz geschnitzt, wenngleich zu verschiedenen Keulen geformt, die oft genug erbarmungslos aufeinander einschlagen in fataler Kumpanei voll trauter Feindschaft. Ein Menschenleben gilt ihnen wenig, nicht einmal das eigene, wo es dies zu opfern gilt, welchem Helden- oder Märtyrerkult auch immer.

Wo sichere Zuflucht nur mit dem Polizeiknüppel zu erzwingen und Brandstiftung nur mit Tränengas-Kartuschen zu verhindern sind, läuft etwas gewaltig schief. Europa sollte seinen unverdienten Friedensnobelpreis beschämt zurückgeben, solange es seiner eigenen Kriegstreiberei und seinem Rassismus-Problem nicht Herr geworden ist. Sein Blinddarm ist akut entzündet, der muss schleunigst herausoperiert werden, möglichst noch vor dem Durchbruch! Der Patient wird aufhören müssen seine Waffen zu exportieren, die die Überlebenden an deren Einsatzorten heillos in die Flucht schlagen. Ansonsten gäbe er sich selbst die Keule: Kriege, die von hier ausgehen oder geschürt und eskaliert werden, kehren irgendwann zurück. Wer Tornados aussendet, könnte Hurricanes ernten, nicht nur ein paar zehntausend menschliche Zeugen seiner hochnäsig begangenen Verbrechen wider Menschlichkeit und Vernunft.


Grafikquelle :

23.06.2015 – Bürgermob in Freital und Gegendemo zum Schutz der Asylsuchendenunterkunft

2 Kommentare zu “Der Durchbruch”

  1. Legner sagt:

    „…DEUTSCHLANDS WIDERLICHSTE ORTE,Freital,Heidenau…“
    Schmierenfink. Es ist ein verbales „Totmachen“ von wunderschönen Städten und Landstrichen. Dort leben Menschen und das ist „Volksverhetzung“.

  2. Ludger D. sagt:

    Wie gut, dass es Neonazis gibt = Sarkasmus.

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