Der braune Faden
Erstellt von Redaktion am Mittwoch 10. August 2011
Eine Betrachtung der Vergangenheit
Einmal dressierter Mörder- immer ein Mörder
Einen Weg durch die Bundesrepuklik von Adenauer bis zum heutigen Tag zieht Kurt Nelhiebel in seinen Aufsatz. Das Verhältnis der Deutschen Bevölkerung zu den Juden und Kommunisten ist wesentlicher Inhalt seiner Betrachtung. So geht er dann auch auf das verdrängte Erbe des „Dritten Reichs“, das große Beschweigen sowie die Blindheit auf dem rechten Auge ein, um bei dem neuen Feindbild des Anti-Islamismus zu Enden. Eine eindringliche Betrachtung der Vergangenheit:
Die Debatte über das neue Feindbild des Anti-Islamismus[1] verweist auf eine traurige Tradition der Bundesrepublik. Von Beginn der bundesdeutschen Geschichte an spielten die gezielte Feindbildproduktion und deren Instrumentalisierung eine maßgebliche Rolle – insbesondere mit Blick auf den Antisemitismus und seine strategisch-ideologische Verbindung mit dem Antikommunismus. Dabei konnten diese Strategien problemlos an das Erbe des Nationalsozialismus anknüpfen.
Wie es nach dem Zweiten Weltkrieg um die Haltung der Westdeutschen gegenüber den Juden bestellt war, offenbarte erstmals eine Umfrage, die der amerikanische Hochkommissar für Deutschland, John McCloy, 1951 bei deutschen Instituten in Auftrag gegeben hatte. 17 Prozent der Befragten meinten damals, die Juden, die das NS-Regime überlebt hatten, hätten das geringste Anrecht auf Hilfe. In erster Linie sollte den Kriegerwitwen und den Kriegswaisen geholfen werden. Als zweite Gruppe wurden die Bombengeschädigten genannt, als dritte die Vertriebenen, dann die Angehörigen der Teilnehmer am Attentat auf Hitler. An letzter Stelle wurden die Juden genannt. Nur zwei Prozent der Befragten billigten ihnen das größte Anrecht auf Hilfe zu.
Ein ähnliches Bild ergab 1952 eine Erhebung des Allensbacher Instituts für Demoskopie zur Haltung der Deutschen gegenüber Wiedergutmachungsleistungen an Israel. Nur 11 Prozent waren uneingeschränkt dafür, 44 Prozent hielten sie für überflüssig, 21 Prozent wollten sich nicht dazu äußern.[2] Konrad Adenauer wollte Israel anfänglich mit zehn Mio. DM abspeisen, die er einem Mittelsmann als „Geste der Wiedergutmachung“ anbot. Die Israelis quittierten die Offerte mit eisigem Schweigen. In der Hoffnung, sich damit den Rücken für die Aufstellung deutscher Streitkräfte freizuhalten, erhöhte Adenauer sein Angebot später auf 3,4 Mrd. DM. Dieser Betrag wurde dann im Luxemburger Abkommen von 1952 festgeschrieben. Zu entrichten war er in jährlichen Raten von 261 Mio. DM; das entsprach knapp einem halben Prozent der Ausgaben des Bundeshaushalts von 1953.
Dennoch votierten bei der Abstimmung im Bundestag am 18. März 1953 nur 106 Abgeordnete der Regierungsparteien für das Wiedergutmachungsabkommen. 15 stimmten mit Nein und 68 enthielten sich der Stimme. Gerettet wurde das Abkommen durch 133 Ja-Stimmen aus den Reihen der oppositionellen SPD. Insgesamt ein blamables Resultat – gemessen an dem Anspruch, mit dem die Bundesrepublik heute auftritt, blamabel aber auch gemessen an den Erwartungen, die der amerikanische Hochkommissar McCloy damals hegte. Für ihn war die Haltung Deutschlands gegenüber den Juden angesichts der ungeheuren Schuld, die das deutsche Volk als Ganzes ihnen gegenüber trage, die „Zentralfrage der inneren Reinigung, mit der diese steht und fällt.“
Diese innere Reinigung fand jedoch nicht statt. Noch immer krank an der nationalsozialistisch verwüsteten Seele, aber leidlich aufgerichtet durch das Ersuchen der Feinde von gestern, sich am Kampf gegen den Kommunismus zu beteiligen, machten sich die Deutschen an die Beseitigung der materiellen Trümmer, beeindruckt von den Verheißungen der freien Marktwirtschaft eines Ludwig Erhard und der christlich-demokratischen Aura des ersten Nachkriegskanzlers Konrad Adenauer. Der wusste die andressierten Ängste und Aggressionen der Deutschen geschickt zu nutzen. Lange bevor George W. Bush die Welt mit der Lüge von irakischen Massenvernichtungswaffen hinters Licht führte, erschlich Adenauer sich mit der Lüge von einem bevorstehenden Angriff aus dem Osten die Zustimmung zur Aufstellung deutscher Streitkräfte. In einem Interview der „New York Times“ vom 18. August 1950 behauptete er unter Berufung auf Militärexperten, die Russen organisierten ihre in der sowjetisch besetzten Zone Deutschlands stationierten starken militärischen Kräfte in einer Art und Weise, „wie das nur für Angriffszwecke der Fall“ sei.
Die Nazipropaganda vom jüdisch-bolschewistischen Feind im Osten noch im Hinterkopf, hielten viele die Fortsetzung des Kampfes gegen den Kommunismus im Namen der Demokratie für gottgewollt. Niemand brauchte sich fortan seines Beifalls für die Naziparole „Macht Deutschland vom Marxismus frei!“ mehr zu schämen. Dass ein wegen Auschwitzverbrechen verurteilter ehemaliger Direktor des IG-Farben-Konzerns für seine Verdienste beim Wiederaufbau mit dem Großen Bundesverdienstkreuz geehrt wurde, hielt niemand für anstößig.
Von Adenauer über Strauß und Kohl bis Friedrich Merz
Berauscht von der Tüchtigkeit seiner Landsleute erklärte der CSU-Vorsitzende Franz Josef Strauß den Siegern, das deutsche Volk habe angesichts seiner wirtschaftlichen Leistungen ein Anrecht darauf, „von Auschwitz nichts mehr hören zu wollen“. Helmut Kohl, damals noch Abgeordneter der CDU im rheinland-pfälzischen Landtag, kritisierte den Initiator des Auschwitzprozesses, Fritz Bauer, mit den Worten, der zeitliche Abstand zum „Dritten Reich“ sei noch viel zu kurz, um ein abschließendes Urteil über den Nationalsozialismus fällen zu können.
Später dann, als dieser Abstand auf 60 Jahre angewachsen war, hielten manche, wie etwa der 1955 geborene CDU-Politiker Friedrich Merz, das Nachdenken über die Vergangenheit schon wieder für überflüssig. Seine Generation, ließ Merz sich vernehmen, wolle sich für Auschwitz und die deutsche Vergangenheit nicht mehr in Haftung nehmen lassen.
Das empfand der Präsident des Zentralrates der Juden in Deutschland, Paul Spiegel, als „Schlag ins Gesicht der Opfer und Überlebenden des Naziregimes“. Mit dem Abstreifen der Verantwortung für die Lehren der Geschichte würden „rechtsradikale Parolen und Fremdenfeindlichkeit salonfähig“ gemacht, gab Spiegel zu bedenken. Sein Stellvertreter Salomon Korn meinte, von nun an dürfe nicht länger übersehen werden, was sich hinter dem Verlangen des Bürgertums nach „Normalität“ verberge.
Doch nur wenige reagierten auf diesen Warnruf. Im kollektiven Bewusstsein dominierten längst (wieder) andere Prioritäten, das ins Stocken geratene Wirtschaftswachstum etwa und die Konkurrenzfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Weltmark. Und im Übrigen: Hatten die Anderen nicht auch „Dreck am Stecken“?
Von Anfang an weigerten sich vor allem die Unionsparteien hartnäckig, die Einmaligkeit der Massenmorde in den deutschen Vernichtungslagern ohne Wenn und Aber anzuerkennen. Obwohl Bundespräsident Theodor Heuss (FDP) die Aufrechnung als das „Verfahren von moralisch Anspruchslosen“ gegeißelt hatte, erklärten Unionspolitiker sich mit der Bestrafung des Leugnens von Auschwitz erst einverstanden, als die Strafandrohung auch auf die Verbrechen einer „anderen Gewalt- und Willkürherrschaft“ ausgedehnt wurde, und verhalfen so einer – wie der Vorsitzende des deutschen Richterbundes, Helmut Leonardy, sich ausdrückte – „widerlichen Aufrechnungsmentalität“ zum Sieg.
Eine Tendenz zur Verharmlosung beherrschte von Beginn an den Umgang mit dem Rechtsextremismus der Gegenwart. Bereits im ersten Bericht des Bundesinnenministeriums, unter dem verantwortlichen Minister Hermann Höcherl (CSU), über extremistische Bestrebungen aus dem Jahr 1962 hieß es, dem Rechtsradikalismus werde eine Bedeutung beigemessen, die ihm nicht zukomme. In Wirklichkeit sei er organisatorisch zersplittert und schwach. Anders lautende Warnungen beruhten auf irrigen oder missverständlichen Zahlenangaben, die nicht selten als Hetze der Kommunisten erkannt worden seien. Die Berichte des Verfassungsschutzes führten zu dem Schluss, dass der Rechtsradikalismus in Deutschland vereinsame.
Quelle: Blätter >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle : Erlanger Studenten im Bund Oberland (Nürnberg 1923)