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Erstellt von Redaktion am Mittwoch 16. Mai 2018

EU-Kommissarin warnt vor Manipulation in sozialen Medien bei Europawahl

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Justizkommissarin Věra Jourová fordert alle EU-Regierungen zur Überprüfung ihrer Spielregeln für politische Kampagnen im Internet auf. Die großen Internet-Plattformen seien eine „Black Box“ und Bürger könnten zu leicht „Objekte der Manipulation“ werden. Die EU-Mitgliedsländer zeigen sich aber bisher eher planlos.

Die EU-Kommission ist besorgt über mögliche Manipulationen und ausländische Einflussnahme in sozialen Medien bei den Europawahlen 2019. Justizkommissarin Věra Jourová rief die Mitgliedsstaaten am Dienstag bei einem Besuch in Berlin dazu auf, ihre Spielregeln für Wahlen zu überprüfen. Wahlkampagnen spielten sich zunehmend im Internet ab, für Werbung und Einflusskampagnen dort gebe es jedoch in den meisten Staaten kaum Beschränkungen. „Online ist es eine Black Box“, sagte Jourová. Es sei im Netz leicht, legitime politische Botschaften mit Attacken und „Wellen der Desinformation“ zu vermischen.

Werbung auf Facebook und Youtube wird eine Schlüsselrolle bei der US-Wahl und dem britischen Brexit-Referendum im Jahr 2016 zugesprochen. In beiden Staaten wird inzwischen die mögliche Einflussnahme russischer Akteure untersucht, auch solche mittels bezahlter Postings und Anzeigen. Problematisch ist aber nicht nur ausländischer Einfluss, sondern auch die geringe gesellschaftliche Kontrolle von politischer Werbung im Netz: In Deutschland gaben die Parteien im Bundestagswahlkampf 2017 Millionenbeträge für Werbung auf den Plattformen aus und setzten dabei teils auf für kleine Wählergruppen maßgeschneiderte Botschaften. Nach Schätzungen der EU-Kommission geht bereits ein Drittel der Mittel für Wahlkampagnen in soziale Medien. Bisher gibt es aber für Online-Plattformen kaum Verpflichtungen zur Transparenz, wer wieviel für Wahlwerbung und gesponserte Postings ausgegeben hat. Damit ist es äußerst schwierig zu sagen, wer auf welche Art Einfluss auf Wahlen nimmt – und wieviel etwa Google und Facebook damit verdienen. Auch die für Juni 2018 angekündigten Transparenzregeln von Facebook ändern dabei wenig, denn diese machen nur bei einzelnen Posts sichtbar, wieviel Geld dafür ausgegeben wurde, sie erlauben aber keinen Überblick über Gesamtausgaben für ganze Kampagnen.

Planloses Treffen

Die Kommission will nun Druck auf die EU-Staaten ausüben. Ende April trafen sich Vertreter der 28 nationalen Wahlbehörden in Brüssel zu Gesprächen über den Umgang mit Wahlkämpfen im Internet. Die Staatenvertreter sollten einen umfassenden Fragenkatalog zur Durchsetzung von Wahlkampfregeln im Internet und verwandten Themen beantworten. „Das Treffen hat nicht viel Neues gebracht“, sagte Jourová heute in Berlin. Die Teilnehmer hätten sich überrascht über das Thema gezeigt, obwohl man im Vorfeld informiert habe. (Wir haben beim deutschen Bundeswahlleiter und beim Wahlrechtsreferat des Bundesinnenministeriums Informationen zu dem Treffen verlangt, aber bisher keine Antwort erhalten.)

Jourová will das Thema auf die politische Agenda der EU-Staaten setzen. „Wir wollen, dass auch die Staats- und Regierungschefs aufmerksam werden“, sagte sie. Die aus Tschechien stammende Kommissarin sagte, die Frage der Beeinflussung von Wahlen berühre sie instinktiv. „Ich erinnere mich gut an die Wahlen vor 1989 in der Tschechoslowakei.“ Sie wolle die digitale Welt nicht mit totalitären Systemen vergleichen, „aber ich kann einige Parallelen erkennen“. Zu leicht könnten Bürgerinnen und Bürger in sozialen Medien „Objekte der Manipulation“ werden. Darum brauche es klare Regeln und Transparenz.

Der Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica warf zuletzt neuerlich ein Schlaglicht auf das Thema Online-Manipulation bei Wahlen. Das Datenleck von Facebook habe der dubiosen Firma Zugang zu Profilinformationen von rund 2,7 Millionen Europäern gegeben, darunter auch schätzungsweise 400.000 Deutschen, sagte Jourová. Die Frage dabei sei aber nicht nur, die Daten wie vieler Menschen abgesaugt wurden, sondern auch, in wie viele Wahlen damit eingegriffen wurde. Cambridge Analytica habe vermutlich illegal erworbene Daten für Wahlkampagnen eingesetzt. „Wir müssen darüber reden, ob wir solche Methoden wollen, auch wenn die Daten legal erworben worden wären“, sagte Jourová.

Die Europawahl 2019 findet aller Voraussicht nach in ziemlich genau einem Jahr in allen 28 EU-Staaten statt, wenn Großbritannien nicht davor austritt. Spätestens dann wird sich zeigen, ob die einzelnen Mitgliedsländer und die EU als Ganzes in der Lage waren, ausreichende Schutzmaßnahmen für den demokratischen Prozess zu treffen. Der schreckliche Verdacht ist aber, dass der Wahlkampf in Online-Plattformen wie Facebook und Youtube in vielen Ländern fast ohne Transparenz und Kontrolle ablaufen wird.

Grafikquelle   :       26 januari 2016 / Amsterdam, January 26th 2016. Persconferentie NL Presidency, Ard van der Steur en de EU commissaris Justitie Vera Jourova. Press conference NL Presidency, Ard van der Steur and EU Commissioner Vera Jourova. Foto: Rijksoverheid/Martijn Beekman – Photograph: Dutch Government/Martijn Beekman

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