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Demokratie in Bewegung

Erstellt von Redaktion am Freitag 22. September 2017

Das Konzept Partei neu denken

Aus Berlin Elisabeth Kimmerle

Die deutsche Politik brauche „ein Softwareupdate“, findet die neu gegründete Partei „Demokratie in Bewegung“. Bei ihr kann jeder mitdiskutieren und Initiativen einbringen. Für Sonntag hofft sie auf ein „schönes Ergebnis“

Bianca Praetorius lehnt auf der Stehleiter an der Straßenlaterne, zwischen den Zähnen ein paar Kabelbinder. Sie legt zwei Plakate mit dem Rücken aneinander um den Laternenmast, knickt die Falz ein und zurrt sie fest. Es ist ihr erster Wahlkampf, und ihr Wille, etwas zu bewegen, ist „größer als der Schmerz, etwas zu machen, was unsexy ist“.

Deshalb ist die 33-Jährige, die wochentags als Pitchtrainerin arbeitet, an diesem Samstag früh aufgestanden, um im Kreuzberger Graefekiez Wahlplakate für „Demokratie in Bewegung“ aufzuhängen. „Sie wollen nur deine Stimme. Wir wollen auch deine Ideen“, steht darauf. „Glaubt ihr noch an Demokratie?“, fragt ein Passant im Vorbeigehen. Schräg gegenüber beobachtet ein älterer Mann das Geschehen von seinem Balkon aus.

Bis vor Kurzem kannten nur wenige die Kleinpartei, denn es gibt sie erst seit dem 29. April. An diesem Tag hat „Demokratie in Bewegung“, entstanden aus dem Umfeld der Petitionsplattform change.org, online 100.000 Stimmen gesammelt. Für die Mitglieder war das der Beweis, dass es bei den Wähler*innen das Bedürfnis nach einer Utopie gibt. Innerhalb von wenigen Wochen gründeten sie Landesverbände in allen 16 Bundesländern, im Juli wurden sie vom Bundeswahlleiter zur Wahl zugelassen.

Beim Wahl-O-Mat stand Demokratie in Bewegung, kurz DiB, plötzlich bei vielen an erster Stelle. Seitdem reden die Leute online über die neue Partei. Doch auf den letzten Metern vor der Wahl ist es entscheidend, offline präsent zu sein. Deshalb haben die Mitglieder von DiB den Wahlkampf auf die Straße verlegt.

Demokratie in Bewegung will das Konzept Partei neu denken. Die Mitglieder finden, dass die deutsche Politik „ein Soft­ware­update“ braucht, wie Bianca Praetorius das nennt. Sie steht in Berlin auf Listenplatz 5. DiB funktioniert selbst ein bisschen wie eine Petitionsplattform. Gegen die Politik des kleineren Übels bringt sie Mitbestimmung ins Spiel: Bei DiB kann jeder mitdiskutieren und Initiativen einbringen, auch ohne Parteimitglied zu sein. Über diese Initiative können die „Beweger*innen“, also registrierte Nutzer*innen, abstimmen – alles online.

Großdemonstration gegen TTIP und CETA.jpg

Die digitalen Abstimmungsforen heißen bei DiB „Marktplatz der Ideen“ und „Plenum“. Das klingt nach Mitmachdemokratie. Entscheidet sich nach einer Überarbeitungsphase eine Mehrheit für die Initiative, wird sie ins Parteiprogramm aufgenommen. Mit ihrem Initiativprinzip will die Partei eine Alternative sein für all jene, die sich von den Parteien nicht repräsentiert fühlen. Einzige Voraussetzung: Die Initiativen müssen den Grundwerten der Partei entsprechen – Demokratie, Transparenz und Mitbestimmung, soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, Weltoffenheit und Vielfalt, Nachhaltigkeit und Zukunftsorientierung.

Politik von unten ist bei der Partei Programm, genauer gesagt Wahlprogramm: Das besteht ausschließlich aus Initia­tiven der Beweger und wurde Ende August auf dem Parteitag in Köln verabschiedet. „Wir haben ein Produkt entwickelt, mit dem die Menschen wieder politikbegeistert werden, weil sie merken, dass sie selber wirksam sein können und ihre Interessen vertreten können“, sagt Sara Redolfi, Spitzenkandidatin von DiB in Berlin. Die Partei will sich politisch bewusst nicht verorten, „um niemanden abzuschrecken, der ein wichtiges Thema hat, das er einbringen will“. Was kommt heraus, wenn die Wähler*innen selbst entscheiden, welches Programm sich die Partei geben soll? Bei DiB ein linkes Programm.

Sara Redolfi sagt von sich, sie stehe politisch links. „Aber die Linke ist mir zu ideologisch.“ Die 31-Jährige, die im Auswärtigen Amt arbeitet, verteilt Parteiflyer auf dem Wochenmarkt am Kreuzberger Hohenstaufenplatz. An diesem regnerischen Samstag sind nur wenige Menschen auf den Straßen unterwegs. Die Erste, die Redolfi anspricht, ruft im Vorbeieilen: „Ich habe schon gewählt.“

Quelle    :   TAZ >>>>> weiterlesen

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Grafikquellen   :

Kundgebung des Berliner Energietisches vor dem Volksbegehren im Oktober 2013

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