Das Treten nach unten
Erstellt von Redaktion am Samstag 16. Oktober 2010
Wulff schockt seine Mutterpartei
Dass die Äußerung des Bundespräsidenten Christian Wulff über den Islam nicht nur bei der NPD, sondern auch in großen Teilen der CDU solch einen Widerspruch auslöste, sollte an und für sich nur Desinteressierte an der Politik verwundern. Dass die Protestierenden dann auch noch von Horst Seehofer, dem ersten Vorsitzenden der CSU, Unterstützung erhalten, zeigt auf, wie groß in den beiden Parteien die Verzweiflung über den Verlust an der nicht mehr mit ihnen sympathisierenden Bevölkerung fortgeschritten ist. Seehofer, ursprünglich in den Unionsparteien dem linken Sozial-Flügel zugeordnet, macht aber auch deutlich, dass heute Macht und Geld in der Politik über alles geht. Getreu dem Motto folgend: „Was schert mich heute mein Geschwätz von gestern“, versucht er den Spuren von Roland Koch folgend, die entsprechenden Punkte zu sammeln.
Auffällig auch, dass der amtierende Bundespräsident überraschend schnell in die Fußstapfen seines Vorgängers Horst Köhler getreten ist, welcher seinerzeit, schon kurz nach dem Antritt seiner Regierungszeit, die Neutralität seines neuen Amtes dazu nutzte, auch eigene Vorstellungen zu äußern. Die Aufregung in der Partei ist natürlich groß, schmiss doch Köhler vor nicht allzu langer Zeit die Brocken hin, da es ihm scheinbar aus seiner eigenen Partei an Unterstützung gefehlt hatte.
Da die Unterstützung für Wulff schon nach so kurzer Zeit zu wanken beginnt, sollte eigentlich nachdenklich machen.
Der Unmut über die Politik der Regierung wächst. Das zeigt sich beispielsweise an der immer stärker wachsenden Demonstrationsbereitschaft der Menschen beim Bahnhofsneubau in Stuttgart, welcher durch einen maßlos überzogenen Polizeieinsatz niedergeknüppelt wurde. Dieser Unmut wird sich in den Protesten durch den rückgängig gemachten Atomausstieg noch verstärken. Ob die Schulreform in Hamburg, die Mövenpicksteuer, die Bankenskandale, die „Gesundheitsreform“ sowie das weitere Schleifen der Sozialen Gesetzgebung – eine unfähige politische Führungskaste konnte der Bevölkerung nicht besser zeigen, wie niedrig ihr Wert im direkten Vergleich zum Kapital ist. Merkel hat es tatsächlich geschafft, eine mehr oder weniger lethargische Bevölkerung aus ihrem Tiefschlaf zu erwecken. Ganz langsam beginnt ein Herbst erwachen, und die Menschen dieses Landes scheinen zu realisieren, was um sie herum, zumeist ohne ihre Zustimmung, politisch vor sich geht.
So machen sich dann auch in ihrer Partei erste Zweifel hinsichtlich der politischen Fähigkeiten von Merkel bemerkbar und die ersten Kritiker schlagen bereits Karl-Theodor zu Guttenberg oder Roland Koch als Ablösung vor. Bereits eine Niederlage bei den anstehenden Landtagswahlen in Baden Württemberg könnte zu einer „explosionsartigen Situation“ führen und Merkel samt Westerwelle hinwegfegen.
Erschreckend bei der Diskussion über den Islam ist, dass hier wieder einmal alte Vorurteile bedient werden. Es würde schon interessieren, wer von den kritisierenden Scharfmachern denn wirklich einmal in einer moslemischen Familie oder deren Umgebung gelebt hat? Mit Sicherheit gibt es viele Dinge aus diesem Kulturkreis, welche auch nicht jederfrau zu übernehmen bereit wäre. Nur bevor an anderen Kritik geübt wird, sollte man erst einmal den eigenen Kulturkreis ausreichend durchleuchten. Da wird ein jeder viele Punkte finden, mit denen sich auch nicht jedermann einverstanden erklärt.
In der Betrachtung deutscher Vergangenheit sollten wir auch den Blick auf viele unserer eigenen Landsleute nicht vergessen und einmal deren Bereitschaft zur Integration in fernen Ländern nachgehen. Viele der unter Katherina der Großen vor rund 250 Jahren nach Russland ausgewanderten Deutsche sprachen noch, und das nach ca. 10 Generationen, bei ihrer Rückkehr etwas Deutsch! Auch sie haben damals aus religiösen und wirtschaftlichen Gründen das Land verlassen, weil sie sich dadurch eine Verbesserung ihrer Lebensverhältnisse versprachen. Fliegen wir nach Namibia, Togo, Kamerun. oder die Vereinigten Staaten. Auch dort können wir heute noch Oktober- oder Schützen – Feste feiern, uns leidlich in unserer Muttersprache verständigen und mitsingend fragen: „Warum es am Rhein so schön ist.“
Einen Reisepass oder gar Visum haben diese Menschen nie gehabt, und das entsprechende Land wurde sich überwiegend angeeignet und die darauf lebenden Menschen vertrieben.
In seinem Leserbrief vom 14.10.2010 bezieht Ali Bas in der TAZ Stellung zu Seehofers Äußerungen, denen ich mich nur anschließen kann:
„Kaum ist die Sarrazin-Welle ein wenig abgeebbt, melden sich eine ganze Reihe von TrittbrettfahrerInnen, um sich über die vermeintlich ungehemmte Zuwanderung von MuslimInnen nach Deutschland zu echauffieren. Mit seiner Forderung nach weniger Zuwanderung von TürkInnen und AraberInnen nach Deutschland, weil diese angeblich so schwer zu integrieren seien, glaubt Seehofer den Nerv seiner in Scharen davonlaufenden WählerInnen getroffen zu haben.
Allerdings ist dieses Manöver mehr als billig, zumal selbst Parteifreunde sich davon leise distanzieren. Seehofer bedient die plumpe „Das Boot ist voll“-Rhetorik der späten 80er-Jahre, mit dem die rechten Republikaner mal in einige Landtage gewählt wurden. Als erfahrener Politiker sollte Seehofer eigentlich wissen, dass kaum noch Zuwanderung aus den besagten „Kulturkreisen“ erfolgt, zudem immer mehr gut ausgebildete türkischstämmige Menschen Deutschland den Rücken kehren wollen. Der Versuch, sich als Lederhosen-Sarrazin oder Bierzelt-Wilders zu profilieren, dürfte gehörig nach hinten losgegangen sein. Ich empfehle dringend einen Integrationskurs!“
ALI BAS, Sprecher der AK Grüne MuslimInnen NRW, Ahlen/Westfalen
IE
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Grafikquelle : Ehrengäste Ausschnitt bei der Einweihung der Speyerer Synagoge, erste Reihe von links: Bundespräsident Christian Wulff, Hansjörg Eger (Oberbürgermeister von Speyer)
Samstag 16. Oktober 2010 um 11:10
Menschenskinder – neulich war ich in Holland. Kaum zu glauben: alles Ausländer!
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