Das Stadtgespräch
Erstellt von Redaktion am Dienstag 19. Juni 2018
Maues Schland, rassistisch vergiftet
Von Jan Feddersen
Ein deutsches, multikulturelles „Sommermärchen“ wie während der WM 2006? Vorbei, die Atmosphäre ist seit dem „Refugees welcome“-Sommer 2015 kleinlaut und verdorben. Schluss damit!
Es könnte ja ein Fall von Gewöhnung sein, zumal nach dem Titelgewinn vor vier Jahren: 2006, als das WM-Turnier in Deutschland selbst stattfand, war es, dass die Deutschen endgültig sich mediterranisierten: Alles abendliche Leben war auf die Straße verlegt, und man saß um Bildschirme herum, um sich Fußballspiele anzugucken. Dass man sich im heimischen Wohnzimmer verriegelte und keine eingeladenen Gäste hatte – das war unschicklich geworden. Millionen dekorierten mit Wimpeln und Stofffetzen alles Mögliche, auch Rückspiegel an den Automobilen: Aus Doitschland wurde Deutschland und dieses wurde zu einem Namen verkürzt, das fast in Koseform war: Schland.
Schland – das war die Chiffre für ein Land, das weltoffen ist, sich darauf zu verständigen wusste, dass Rassismus igitt ist und völkisches Denken so was von doof und hässlich und fies ist, wie es einfach nicht mehr in die errungene Zeit passt. Errungen deshalb, weil das, was selbstverständlich schien, also eben eine Mannschaft gut zu finden, die wirklich wie ein Traum der „rot-grün versifften Republik“ aussieht, in der Männer wie David Odonkor und Gerald Asamoah mitmachten, also nicht gerade blonde bis brünette Musterexemplare nach dem Geschmack jener, die heute der AfD zuneigen.
Entsprechend sah es in den vier Turnierwochen in Deutschland aus: Angereichert durch Hunderttausende WM-Touristen aus 31 Ländern jubelten irgendwie alle allen zu – das Nationale blieb erhalten, ohne das Internationale abzuwerten. Solche Szenen wirken inzwischen wie aus einer ande en Zeit, an die man jedoch erinnern muss, um die maue Atmosphäre aktuell als das zu empfinden, was sie ist: trist.
Konkret: vergiftet durch Bemerkungen wie die des AfD-Bundestagsanführers Alexander Gauland. Er sagte der FAZ zum deutschen Verteidigerstar Jérôme Boateng: „Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben.“ In diesem Satz steckte im Unterfutter des „Sagbaren“ noch die Botschaft, eigentlich gehöre er nicht dazu. Zu Deutschland nämlich. So ähnlich nicht zugehörig wie die DFB-Juwelen Mesut Özil und İlkay Gündoğan, die allerdings fahrlässigerweise neulich Recep Tayyip Erdoğan als ihren Präsidenten bezeichneten. Also nicht den deutschen, Frank-Walter Steinmeier – als wollten sie den Ethnopluralisten rechter Art ein Geschenk machen.
Jedenfalls ist die Luft irgendwie raus, Sommermärchen 2018 in Deutschland: keine Anzeichen. Okay: In den Einkaufszentren in jenen Vierteln, die von Flüchtlingen und Migrant*innen bewohnt werden, gehen die schwarz-rot-goldenen Devotionalien weg wie nix. Kinder lieben Tröten, und in Neukölln etwa, rund um die Sonnenallee ist es fast so stark bewimpelt wie vor vier, acht und zwölf Jahren. Nur in den Mittelschichtsvierteln hapert’s noch, und das sehr. Denn die Akzeptanz des Schlandhaften, wie 2006 begründet, fußte ja in der öffentlichen Wahrnehmung besonders auf dem Umstand, dass plötzlich nicht nur die Proleten fraglos die eigene Mannschaft, also die deutsche, anfeuerten, sich mir ihr freuten oder an ihr litten, sondern auch die „Kulturmenschen“, die Diskursverarbeiter*innen – Fußball war kulturfähig geworden. Man sprach über ihn wie über Weine und Speisen: in kennerischen Kategorien.
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DFB beim Fall Gündoğan-Özil-Erdoğan
Basta statt Aufarbeitung
Von Hasso Mansfeld
Was hat der DFB im Fall Gündoğan-Özil-Erdoğan falsch gemacht? So ziemlich alles. Ganz offensichtlich hat der Verband keine Ahnung von Krisen.
Sportliche Leistungen, exzellente Leistungsträger und Fitness auf den Punkt sind das eine. Aber Fußball ist zuallererst ein Mannschaftssport. Und der basiert auf der Fähigkeit, gemeinsam ein Spiel zu entscheiden – besonders bei der deutschen Elf, die als Turniermannschaft gilt.
Nun ist Fußball im Verband organisiert. Und dort wollen viele Köche daran arbeiten, den fünften Stern für die deutsche Mannschaft einzufahren. Heißt im Klartext: Auch der DFB muss in seiner Verbandsspitze eine Mannschaftsleistung abliefern, die den Boden bereitet für die Gemeinschaft der Spieler. Im Verband zählt insbesondere die Kommunikationsleistung. Hier werden jene Werte definiert, die Orientierung bieten sollen für den Einzelspieler. Eine originäre Aufgabe des DFB ist die des Kommunikationsmanagers.
Nun besteht die deutsche Elf überwiegend aus hochbezahlten Spielern, die jeder für sich auf ein eigenes Management angewiesen sind, wenn sie den Alltag in den europäischen Ligen bestmöglich für sich nutzen wollen. Dieser Interessenkonflikt zwischen DFB-Management und Einzelvertretung ist nicht neu. Und er tritt insbesondere dann zutage, wenn Entscheidungen der Spieler und ihrer Manager in Konflikt geraten mit der Rolle als Nationalspieler. Wie hier der GAU aussehen kann, machte der Fall der Spieler Gündoğan und Özil klar, die dem türkischen Präsidenten Wahlkampfhilfe leisteten und damit massive Empörung auslösten.
Für einen vorbereiteten Verband ist das der Moment, zu zeigen, was gutes Krisenmanagement bedeutet. Der DFB allerdings hat hier auf ganzer Linie gepatzt. Denn als die Fans in den letzten beiden Testspielen vor dem Turnier mit Pfiffen zeigten, was sie von den Erdoğan-Auftritten der beiden Spieler halten, galt es, schnell, präzise und richtig zu agieren.
DFB ohne Erfahrung im Krisenmanagement
Nun gehört es leider zum gängigen Verhalten der Sportmanager, den Zugang zu den Spielern gegenüber den Medien zu verknappen und so eine Angebotsmacht entstehen zu lassen. Über dieses Verhalten wird auch Macht ausgeübt und bei allzu kritischer Berichterstattung damit gedroht, den Kritiker künftig von Informationen auszuschließen. Dass allerdings geht nur gut, bis ein veritabler Skandal zu bereinigen ist. Dann wird Verknappung von Informationen zum Desaster. Noch mehr, wenn Sport zum Politikum wird.
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Grafikquellen :
Oben — Fans im Olympiapark in München beim Eröffnungsspiel der Fußball-WM 2006
2.) von Oben — Real Madrid 4 – Real Sociedad 1 6 de febrero de 2011 La Liga