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Herxsheimer Staatssilber

Erstellt von Redaktion am Donnerstag 28. März 2019

Das Kreuz mit dem Hakenkreuz

Das Geläut der Jakobskirche besteht aus drei Glocken, von denen zwei der protestantischen Kirchengemeinde und eine der politischen Gemeinde gehören.[11] Das Läuterecht liegt mit Ausnahme des sogenannten Polizeigeläuts bei der Kirchengemeinde.

Polizeiglocke Ortsgemeinde Herxheim am Berg 1934 Schilling, Apolda 250 c2 +4 ALLES FUER’S VATERLAND
ADOLF HITLER.

Oben :   Wikipedia

Aus Herxheim am Berg und Weisenheim am Berg Thomas Gerlach

In der Dorfkirche im pfälzischen Herxheim hängt eine Glocke, darauf steht „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“. Sigrid Peters hat in dem Gotteshaus früher Orgel gespielt. Jetzt tut sie das nicht mehr. Jetzt streitet sie dafür, dass die Glocke wegkommt. Doch die hängt weiter.

Zur Evangelischen Kirche der Pfalz gehören über 400 Kirchengemeinden in Rheinland-Pfalz und im Saarland. Eines der Dörfer ist Herxheim am Berg mit seinen rund 800 Einwohnern, am höchsten Punkt der Deutschen Weinstraße gelegen. Sigrid Peters, die gelegentlich sonntags in der Jakobskirche die Orgel spielte, hat die Existenz der Glocke, als sie vor zwei Jahren davon erfuhr, überregional bekannt gemacht. „Hochzeit unter Hitler-Glocke“ titelte die Rheinpfalz im Mai 2017. Von einer „Swastika on a Church Bell“ – einem „Hakenkreuz auf einer Kirchenglocke“ schrieb die New York Times. Kirchenleitungen schickten Pfarrerinnen und Pfarrer auf die Kirchtürme, um nach historischem Ballast zu fahnden.

Neulich hat Sigrid Peters einen weiteren Versuch unternommen, damit die „Nazi-Devotionalie“ aus der Kirche verschwindet. Seit fast zwei Jahren kämpft sie darum. Sie will die Glocke mit Hakenkreuz und der Widmung „Alles fuer’s Vaterland – Adolf Hitler“ nun mit dem kirchlichen Dienstrecht aus dem Turm der evangelischen Kirche von Herxheim am Berg verbannen. Die beiden maßgeblichen Akteure, der Pfarrer und der Bürgermeister, sind Männer der Kirche und daher dem Pfarrdienstgesetz unterworfen. Der eine ist aktiver, der andere ehemaliger Pfarrer von Herxheim am Berg. Doch beide sind nicht willens, die Bronzeglocke mit dem Hakenkreuz aus der Jakobskirche entfernen zu lassen.

Orgel spielt Sigrid Peters immer noch, aber nicht mehr in Herxheim. Musik ist ihr Leben. Im Haus der Peters in Weisenheim am Berg, kaum drei Kilometer von Herxheim entfernt, steht ein Klavier, ihr Mann Manfred Peters war Flötist in einem Orchester, später unterrichtete er wie seine Frau Musik am Gymnasium im nahen Grünstadt. „Ein Sonntag ohne Orgel ist ein verlorener Sonntag“, wird Sigrid Peters noch sagen. Jetzt aber serviert sie Saumagen, Pfälzer Saumagen. Die dicken Scheiben glänzen in der Pfanne. Mageres Fleisch, Kartoffeln oder Maroni, Pilze, Majoran – das sind die Hauptzutaten, erzählt Peters.

Unter Helmut Kohl ist Pfälzer Saumagen zu einem Mittel deutscher Diplomatie aufgestiegen. Bush senior, Gorbatschow, Mitterrand, Margaret Thatcher – sie alle hat Kohl in Deidesheim, unweit von hier, mit Saumagen bewirtet. Er hat seine Staatsgäste so sehr mit pfälzischer Lebensart eingeseift, dass die ganz sicher waren, dass das neue größere Deutschland so gemütlich werden würde, wie es die Pfalz schon immer war. Bei den Männern hat das gut geklappt. Nur Margaret Thatcher hat der Kohl’schen Inszenierung nie getraut.

Was, wenn hinter diesem Idyll eine andere, eine verstörende Welt aufscheint? Eine Welt, in der Hochzeitspaare mit dem Hakenkreuz in den siebten Himmel geläutet wurden? In der die Deutsche Weinstraße, als „Saumpfad der Glückseligkeit“ besungen, eine Idee von Josef Bürckel war, dem NSDAP-Gauleiter der Rheinpfalz, um 1935 den darbenden Winzern aufzuhelfen? Und wenn der eigene Schwiegervater ein glühender Nationalsozialist war, ein Bürgermeister, der tatkräftig mithalf, das neue Dritte Reich zu bauen?

Als Bürgermeister Fritz Peters, der 1940 freiwillig in den Krieg gezogen war, in Lothringen fiel, ließ Gauleiter Bürckel den Ort zu seinen Ehren in Petersruh umbenennen. Alles fuers’ Vaterland! Alles so pfälzisch wie der Riesling und der Saumagen – und das Grabmal von Josef Bürckel auf dem Hauptfriedhof in Neustadt an der Weinstraße. Die Pfalz hat viele Geschichten und manche, so scheint es, lassen Sigrid und Manfred Peters schaudern.

Frau Peters arbeite sich an der Glocke doch nur deshalb so ab, weil ihr Schwiegervater so ein Nazi war, ist in Herxheim zu hören. Der Bürgermeister hat es erst am Nachmittag wiederholt: Die beiden Peters kämpften wie Löwen gegen die Glocke, weil sie diesen Vorfahr haben. Manfred Peters lacht auf, als er das hört. Das mit den „Löwen“ ist natürlich ein Kompliment, das andere Unterstellung. Manfred Peters wird später noch einen Bericht der SWR-Landesschau zeigen, der ihn auf den Spuren seines Vaters zeigt. „Mein Vater, der Nazi“ heißt ein Artikel über Fritz Peters in der Rheinpfalz von 2014, wo er offen über das ambivalente Verhältnis zu seinem Vater redet. Manfred Peters hat mit veranlasst, dass in Annweiler, wo sein Vater Bürgermeister war, Stolpersteine verlegt wurden in Erinnerung an die ermordeten Juden der Stadt.

Bundestag - Palais du Reichstag.jpg

Der Bundesgeier hängt auch noch in Berlin. Und die Regierung schickt einen das Sklaventum verherrlichenden Vertreter, nur da er das passende Parteibuch in Händen hält, den BürgerInnen die Welt zu erklären.  Das ist Politik. Nichts Können, nichts Wissen – aber einen großen Mund haben.

Peters, ein agiler Mann mit Stoppelhaar und Brille, ist Jahrgang 1934. An seinen Vater hat er kaum Erinnerungen, geprägt hat der ihn trotzdem. Bis 1945 war Peters der privilegierte Sohn eines NS-Funktionärs, danach ein Nazikind, so sehr gemieden, dass er sich einigelte. Erst durch Studium und Musik fasste er Selbstvertrauen. Peters, der Pfälzer, ist ein Linker geworden, ein Freigeist, auch musikalisch. Mit siebzig hat er über Johann Sebastian Bach promoviert. Doch eigentlich ist er ein Anhänger der Neuen Musik, geprägt von John Cage, Karlheinz Stockhausen, Dieter Schnebel.

Sigrid Peters wurde 1944 in Schlesien geboren. Im Jahr darauf flüchtete die Familie in die Sowjet­zone, zehn Jahre später in den Westen. In Kaiserslautern ging Sigrid aufs Gymnasium. Seit ihrer Jugend spielt sie Orgel, als streng erzogene Katholikin in katholischen Kirchen – bis sie für die SPD für den Gemeinderat kandidierte. „Katholiken wählen CDU, hat der Pfarrer mir gesagt“, erzählt Peters. Sie wechselt die Konfession und spielte fortan in evangelischen Kirchen, auch in Herxheim.

Quelle         :          TAZ            >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —        Protestantische Jakobskirche

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Unten    —       Siège du Bundestag au Palais du Reichstag.

Ein Kommentar zu “Herxsheimer Staatssilber”

  1. O. Liebknecht sagt:

    Lasst endlich mal die Kirche im Dorf. Wenn das ein Weltuntergang ist, dann holt ne Flex und flext das scheiß Hakenkreuz weg!!!
    Ich bin sowas von überzeugt davon, daß man am Ton der Glocke keinen Unterschied hört ob da ein HK drauf ist – oder nicht. Und öffentlich zugänglich ist der Kirchturm ja eh nit… Solange die Glocke in dem Kaff bimmelt, wenn sie bimmeln soll – solange…. Es gibt weit wichtigere Aufreger.

    Kann jeder mal den Dom in Trier besuchen. Dort ist ziemlich vorne das berühmte „Dionysos-Mosaik“. Dortdrin u. a. ein hinduistisches, 3000 Jahre altes „Swastika“ – ein um 90 Grad gedrehtes HK. Ist bis jetzt noch keiner auf die Idee gekommen deswegen einen Aufstand zu machen.

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