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RENTENANGST

Das grüne Labor

Erstellt von Redaktion am Freitag 11. September 2020

Lichte Baumkronen, abbrechende Äste, Totholz.

File:The Gir forest.jpg

Von Heike Holdinghausen

Llängst sind die Auswirkungen des Klimawandels in den historischen Gärten und Parks allgegenwärtig. Und nun? Einige Gartendenkmalpfleger:innen tüfteln bereits an Lösungen.

Wenn Michael Rohde vorführen will, was der Klimawandel in Potsdam anrichtet, spaziert er aus seinem Büro heraus, wendet sich nach links und geht Richtung Weinberg. Rohde, moosgrünes Tweedjackett, Hornbrille, Pfeife mit Vanilleduft, ist der Gartendirektor der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten. Sein Büro liegt im dottergelben Gartenkassenhaus im Park Sanssouci, nicht weit vom Eingang am Grünen Gitter. Rohde geht an der Großen Fontaine vorbei, dort wo jetzt noch prächtig bunt die Sommerstauden blühen, und weist auf eine haushohe Gehölzgruppe.

1887 haben die Gärtner drei japanische Kuchenbäume gepflanzt, direkt an den Schafgraben, der sich schwarzgrün durch den Park schlängelt. Angeblich sollen die dunkelroten Blätter nach Zimt und Lebkuchen duften, doch derzeit hängen sie saftlos herab. „Auch diese Bäume werden wir kaum noch halten können“, sagt Rohde. Egal wohin der gelernte Gärtner und promovierte Gartendenkmalpfleger blickt – er sieht Baumkronen, durch die blau der Himmel leuchtet, deutlich sichtbar die Äste, viele ragen aus dem Blattwerk. „Die Kronen müssten geschlossen sein“, sagt er, „da dürfen sie nicht durchschauen können.“ Die Blätter sind zu klein, an einigen Stämmen ist die Rinde aufgeplatzt. In den vergangenen drei Jahren hat sich das Totholz aus den Baumkronen teilweise verzehnfacht. Für einen Förster im Wald wäre das vor allem eine ökonomische Katastrophe, für den Gartendirektor ist es zunächst einmal eine Gefahrenquelle. „Die Äste brechen unerwartet und fallen ab“, sagt er, „das ist lebensgefährlich.“ Jeder Baum wird einmal im Jahr kontrolliert, trockene Äste entfernt. 763.000 Euro hat die Stiftung von der Bundesregierung bekommen, um die größten Schäden in seinen Parks zu beseitigen. Und darum sieht es in dem Park so aufgeräumt aus wie eh und je und nur auf den zweiten Blick nach Klimakatastrophe.

In Weimar zeigt das eindrucksvoll die Esche vor der Anna Amalia Bibliothek im Park an der Ilm. „Es gibt ein Bild des Gebäudes von 1840“, sagt Katrin Kluge, Bereichsleiterin des Parks, „da stand die Esche schon an diesem Ort,“ Angelegt seit 1776 unter Herzog Carl-August von Sachsen-Weimar, erstreckt sich der Park über anderthalb Kilometer links und rechts entlang des Flüsschens Ilm, das in großen Bögen durch ein Tal mäandert. Auf ihrer rechten Seite erstrecken sich in einem weiten Tal saftig-grüne Wiesen, auf der linken führen Wege auf verschiedenen Ebenen an sanften Hängen entlang. Wie ein dunkler Spiegel liegt der Fluss in den Wiesen und Auen – zu wenig Wasser hat auch er.

Auf dem baumbestandenen Weg unten am Fluss kämpfen Brennnesseln und Giersch um die Vorherrschaft, noch blühen gelb das Schöllkraut und rosa Stinkender Storchschnabel. Auf den Wegen weiter oben am Hang marschieren in Abständen die Touristengruppen und werden von Aussichtspunkt zu Aussichtspunkt geführt. „Wir haben noch ganz viel Goethe hier“, sagt Kluge und blickt zusammen mit 20 Rentnern durch die Wipfel hinüber zu Goethes berühmten Gartenhaus. Er hat den Park mit geplant, wollte mit der gestalteten Wildnis darin zugleich die Natur zähmen und den Menschen bilden, wollte mit seinen Formen, Sichtachsen und Gebäuden Verstand und Gefühl der Betrachter:innen ansprechen. Damit hat die Anlage es heute immerhin zum Welterbe der Unesco gebracht.

Kluge, 54, kurze, rote Haare, in Jeans und das lindgrüne Poloshirt der Klassik Stiftung Weimar gekleidet, ist in der Stadt aufgewachsen. Seit 30 Jahren arbeitet sie in dem Park, erst als Gärtnerin, dann als Landschaftsgestalterin. „Das wollte ich, solange ich denken kann“, sagt sie. Und seit sie denken kann, überragt die Esche die Anna Amalia Bibliothek. Fünf Jahre gibt Kluge ihr noch. Und dann? „Fällen, die Wurzeln mit der Stuppenfräse herausschneiden, großräumig neue Erde einfüllen und neu pflanzen“, sagt Kluge. Doch weil die Esche nicht nur zum Park, sondern auch zur Erscheinung des Gebäudes gehört, will Kluge sie so lange wie möglich erhalten.

Vorerst haben die Baumpfleger die riesige Krone des Baums gekappt, seine mächtigen Stämme enden jetzt in waagerechten Schnitten. „Die war mal doppelt so hoch“, seufzt Kluge. Das Hochwasser von 2013, die heißen und trockenen Jahre 2018, 2019 und 2020 hätten den Bäumen zugesetzt. „Aber Klimawandel?“, sagt sie, „das ist für mich ein ganz komisches Wort.“ Der Klimawandel müsse ja inzwischen für alles herhalten, ein Modewort. Sie sieht andere Ursachen für den Niedergang ihrer Gehölze: Immer mehr Krankheiten und Schädlinge schwappten von außen nach Weimar; zu DDR-Zeiten seien Wasser- und Gasleitungen durch den Park gebaut worden, die ihn schädigen … – „und dann noch die vielen Besucher!“ Zudem seien viele Bäume des Parks aus dem 18. Jahrhundert einfach alt und daher anfälliger. Mit einem Klimawandel habe all dies nichts zu tun.

Die Parks in Weimar und Potsdam, die prächtigen Schlossgärten von Schwetzingen, Hannover oder Dyk, sie alle sind im 17., 18. oder spätestens Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden, zur Zierde der Schlösser, als Zeichen von Macht und Reichtum ihrer Herren und Herrinnen. Haben die Bäume darin ganz einfach die Altersgrenze erreicht?

Jens Spanjer, Jahrgang 68, ist Chef der Stiftung Schloss Dyk und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur. Auch im Landschaftsgarten um das mittelalterliche Wasserschloss zwischen Düsseldorf und Mönchengladbach sterben die Bäume. Ein Großteil der über 200 Jahre alten Buchen ist todkrank, aber auch Bäume, die erst 30, 40 oder 80 Jahre alt sind, zeigen erhebliche Schäden. „Das ist neu“, sagt Spanjer. „Unsere Bäume leben vom Regenwasser, ihre Wurzeln stehen im Trocknen, weil der Tagebau in Garzweiler das Grundwasser absenkt“, erzählt er, und von oben komme nichts nach, weil es nicht regne. Es sei ja nichts Unbekanntes, dass in einem alten Park Bäume eingehen, im Gegenteil. „Es liegt in der Natur des lebenden Denkmals, dass Pflanzen wachsen, sich verändern und absterben“, sagt Spanjer, das sei der Unterschied zum Gemälde oder Bauwerk. „Damit geht der Gartenkünstler um, darum pflanzen wir stetig neu und sorgen für sanfte Übergänge, um das Gesamtkonzept zu erhalten“. Nur, nun fallen die wichtigsten Baumarten ganz aus, vor allem die Buche. Nun müsse man erst einmal überlegen, was man nachpflanzen wolle. „Buchen, Ahorn, Kastanien“, zählt Spanjer auf, „sie haben alle große Probleme.“ Es sei sinnlos, sie an Standorten nachzupflanzen, auf denen sie ganz offensichtlich nicht mehr gedeihen können.

„Wir müssen uns intensiv mit den Themen Pflanze, Wasser und Boden auseinandersetzen und schauen, wie wir unter den neuen Bedingungen die Ideen der genialen Vorgänger bewahren können“

Datei:Bayerischer wald kahlgefressen.jpg

„Normalerweise haben wir in Schwetzingen im Frühjahr 46 Liter Regen pro Quadratmeter“, sagt Michael Hörrmann, „dieses Jahr war es 1,6 Liter.“ Dabei sei, sagt der Geschäftsführer der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, der Schlossgarten Schwetzingen auf Regen angewiesen. Die Gärtner Friedrich Ludwig von Sckell und Nicolas de Pigage haben ihn ab 1776 als einen der ersten deutschen Landschaftsgärten im Garten der kurpfälzischen Sommerresidenz Schwetzingen angelegt, auf einer Sanddüne südlich von Mannheim. Kein guter Standort für Buchen, schon gar nicht ohne Regen. So wird ein Drittel der Bäume in den nächsten fünf bis zehn Jahren absterben. „Dagegen können wir nichts machen“, sagt Hörrmann, „beregnen hilft nur wenig, die Wasserbindefähigkeit des Sandbodens ist minimal.“ Der Grundwasserspiegel ist in den vergangenen Jahren um sechs Meter gesunken, die Wurzeln stehen trocken, das Wasser fließt einfach ab. „Außerdem kommen wir in Konkurrenz zum Trinkwasser, wenn wir die Gehölze flächendeckend gießen.“ Also suchen die Gärtner nun bestimmte, besonders wichtige Bäume aus, die sie erhalten.

Sterbende Bäume, vernichtete Denkmale – nach dem Spaziergang in sein Büro im Park Sanssouci zurückgekehrt, räumt Michael Rohde ein Buch nach dem anderen aus der Bücherwand, bis sich auf dem Besuchertisch mit weißen Spitzendeckchen dicke Wälzer und Broschüren stapeln. Ein Band von 2019, einer von 2014, dazwischen viele Hefte, das erste Buch aus dem Jahr 2007. Alle von ihm mitgeschrieben, herausgegeben oder zumindest angestoßen, und alle behandeln die Gefahr des Klimawandels für die alten Parks. „Wir befassen uns mit dem Thema seit Jahren“, sagt Rohde, „inzwischen werden die Auswirkungen des Klimawandels sehr deutlich.“ Im Vordergrund stünden nun Fragen und Strategien zur Klimaanpassung. „Wir müssen uns intensiv mit den Themen Pflanze, Wasser und Boden auseinandersetzen“, sagt Rohde, „und schauen, wie wir unter den neuen Bedingungen die Ideen der genialen Vorgänger bewahren können.“

Quelle      :         TAZ       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —       The dusty brown terrain of the Gir forest

Author Devashish.patel.86

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Unten     —        so sieht es im Nationalpark Bayerischer Wald überall da aus, wo der Borkenkäfer zugeschlagen hat. Aufgenommen zwischen der Ortschaft Waldhäuser und dem Lusen

Urheber Kurt Seebauer

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