Das Fernduell
Erstellt von Redaktion am Donnerstag 21. Juni 2018
Asylstreit in der Union
Das letzte Licht blase ich den Seehofer auch noch aus !
Aus Berlin Anja Maier
aus München Dominik Baur
Merkel spricht in Berlin, Seehofer in München. Sie kaufen sich Zeit. Doch es bewegt sich nichts. Die Spaltung der Union ist längst Realität.
Hilfreich, ja geradezu therapeutisch kann es sein, am Ende dieses Tages noch einmal auf dessen Anfang zurückzuschauen. Am Potsdamer Platz in Berlin kostet der Kaffee sportliche drei Euro neunzig. Aber egal, es ist halb neun Uhr morgens, der Tag wird lang; jetzt braucht’s einen guten Kaffee. Der Kaffee ist sehr gut. Cremig und stark, der Rohrzucker bio. Vor den bodentiefen Fenstern des Cafés sausen die Leute auf ihren Manufakturrädern durch das montägliche Berlin. Dass Berlin eine wundervolle, eine coole Stadt geworden ist – hier am Potsdamer Platz, auf dieser einstigen Kriegsbrache zwischen Ost und West, kann man es sehen, riechen, hören, schmecken. Doch dass Deutschlands Hauptstadt so lässig und weltoffen bleibt, gilt gerade heute nicht mehr als ausgemacht.
Für den frühen Nachmittag haben die Kontrahenten von der Union ihren Showdown angekündigt. Bis dahin tagen in München und Berlin die Vorstände von CSU und CDU schön getrennt, 600 Kilometer voneinander entfernt. In den Parteizentralen wird diskutiert, ob und wie es weitergehen könnte in der sogenannten Unionsfamilie. Wegen der Flüchtlingspolitik liegen die Altvorderen schwer über Kreuz, die Beziehung steht kurz vor der Scheidung. Kommt es zum Bruch, muss entweder die Regierung umgebildet werden. Oder es gibt Neuwahlen – mit ungewissem Ausgang.
Die Antwort auf die Frage, wer am Ende als Gewinner vom Platz geht, bedeutet mithin viel für die demokratische, die humanistische Verfasstheit der Bundesrepublik. Und dass Angela Merkels CDU in dieser Auseinandersetzung die Rolle des Hüters der Humanität zukommt, sagt eine Menge darüber aus, an welchem Punkt Deutschland in diesem Sommer 2018 angelangt ist.
Eine Drohung steht im Raum: die Richtlinienkompetenz
Stunden später ist klar: Nichts ist gut. Angela Merkel hat in Berlin freundlich, aber bestimmt ihre politische Führungsrolle betont. Sie spricht von ihrer Richtlinienkompetenz als Bundeskanzlerin und markiert damit die rote Linie, die Horst Seehofer besser nicht überschreiten sollte: „Wenn die Maßnahme – gemeint ist eine einseitige Zurückweisung – in Kraft gesetzt wird, dann, würde ich sagen, ist das eine Frage der Richtlinienkompetenz“, so lautet der Schlüsselsatz. Der CSU-Chef und Bundesinnenminister hingegen gibt seiner Regierungschefin gnädigerweise Zeit bis Ende Juni, um über eine europäische Lösung zu verhandeln.14 Tage sind das bloß. Indes, verkündet Seehofer in München, bereite er die von ihm im Alleingang angekündigten Zurückweisungen bestimmter Flüchtlinge an der deutschen Grenze schon mal vor.
Da haben sich zwei Zeit erkauft bis zum nächsten großen Knall. Mehr ist es erst einmal nicht. Schon gar kein Sieg.
In den vergangenen drei Jahren nun erhob Seehofer die Obergrenze bei Asylbewerbern zum Heiligen Gral, der die Spannungen zwischen den Partnern verstärkte. Es gibt da eine Szene, die zum Sinnbild dieser Auseinandersetzung zwischen Seehofer und Merkel wurde: Als Seehofer beim CSU-Parteitag 2015 seinen Gast Merkel auf offener Bühne abkanzelte, bis sie die Halle schließlich fluchtartig verließ. Und selbst damals hieß es noch: Denkt an Strauß und Helmut Kohl, die hatten ein noch viel mieseres Verhältnis miteinander.
Warum die CSU immer unberechenbarer wird
Dass sich an diesem 18. Juni aber niemand traut, die Zweifel am Fortbestand der Koalition zu beseitigen, liegt auch daran, dass sich bei der CSU in den letzten Monaten viel verändert hat. Unberechenbar war die bayerische Partei schon immer, so unberechenbar wie derzeit vielleicht aber noch nie. In der Partei sind Protagonisten am Werk, die äußerlich zwar an einem Strang ziehen, aber doch jeder eine eigene Agenda verfolgen. Alle sind sie dabei Antreiber – und zugleich Getriebene.
Da wäre Parteichef Horst Seehofer, der 68-Jährige, der sich eigentlich nichts mehr zu beweisen braucht, der aber seit seinem unfreiwilligen Abschied aus der Münchner Staatskanzlei den Anschein macht, als wolle er gerade das: es allen noch mal zeigen. Sein Gebaren wirkt zunehmend irrational. Deutlich einfacher zu ergründen ist hingegen die Motivlage bei Seehofers ewigem Rivalen und Nachfolger als Ministerpräsident, Markus Söder. Der hat genau ein Ziel im Blick: die Landtagswahl im Oktober. Den Atem der AfD spürt der CSU-Spitzenkandidat im Nacken, seine Reflexe fallen zumeist rechtspopulistisch aus. Die AfD droht die absolute Mehrheit der CSU zu zertrümmern – das darf nicht sein.
CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt seinerseits, der selbsternannte konservative Revolutionär, teilt zwar die politische Grundüberzeugung, hat dabei jedoch seine eigene Karriere im Blick. Dazu gehört zunächst eine erfolgreiche Profilierung auf der Berliner Bühne, mittelfristig dürfte der 48-Jährige jedoch nach Meinung vieler Beobachter auch auf den CSU-Vorsitz schielen.
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Asylstreit von CDU/CSU
Worüber Merkel verhandeln muss
Von Christian Rath
Die Kanzlerin hat 14 Tage Zeit, um mit der EU die Zurückweisung registrierter Asylbewerber zu klären. Im Fokus: der Gipfel Ende Juni.
Die Zahl der Asylbewerber in Deutschland ist stark rückläufig. 2017 beantragten rund 222.500 Menschen Schutz in der Bundesrepublik, wie die europäische Asylbehörde EASO am Montag mitteilte – 70 Prozent weniger als im Vorjahr. 60.489 Asylantragsteller von ihnen waren mit ihren Fingerabdrücken bereits in einem anderen EU-Staat registriert. Ob hier eine automatische Zurückweisung an der Grenze zulässig ist, ist zwischen CDU und CSU weiterhin umstritten. Bisher erhalten die meisten dieser Flüchtlinge ein weiteres Asylverfahren in der Bundesrepublik, nur ein kleinerer Teil wird in das EU-Ankunftsland zurück verbracht.
Im Jahr 2017 konnten laut Bundespolizei zudem rund 1.200 Personen nach Deutschland einreisen, obwohl sie nach einer Abschiebung bereits eine Wiedereinreisesperre hatten. Die erneute Einreise war deshalb möglich, weil die Migranten an der Grenze einen erneuten Asylantrag ankündigten. Hier will künftig auch die CDU eine automatische Zurückweisung vornehmen.
Bisher gibt es zwischen Bayern und Österreich nur an 3 von 70 Übergängen feste Kontrollpunkte. So könnten Flüchtlinge recht leicht über die grüne Grenze doch nach Deutschland kommen. Der Zurückweisungsbeschluss stünde dann vor allem auf dem Papier.
Seehofer könnte aber auch die Bundespolizei beauftragen, die Grenzen besser zu überwachen. Im Herbst 2015 hatte Bundespolizeichef Dieter Romann einen Plan hierzu ausgearbeitet, der nie umgesetzt worden ist. Mit rund 4.000 Polizisten könnten demnach alle Übergänge zu Österreich bewacht werden und in einem Grenzbereich von 25 Kilometern eine intensive Schleierfahndung stattfinden. Auch Hubschrauber und Wasserwerfer könnten bei Bedarf zum Einsatz kommen. Der Plan sei binnen drei Tagen umsetzbar. Damals betrugen die Flüchtlingszahlen allerdings ein Vielfaches von heute.
Umstrittene Dublin-Verordnung
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Grafikquellen :
Oben — 51sth Munich Security Conference 2015: Dr. Angela Merkel (Federal Chancellor, Federal Republic of Germany).
ource | www.securityconference.de, direct link |
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Attribution: Kleinschmidt / MSC |
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2.) von Oben –– CSU-Vorsitzender und Ministerpräsident Horst Seehofer MdL und CSU-Bezirksvorsitzender Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat Dr. Markus Söder MdL
Quelle | Eigenes Werk |
Urheber | Freud |
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Unten — Bundeskanzlerin Angela Merkel (re.) mit dem Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer auf dem CSU-Europatag 2008 (1. Juni 2008)
Attribution: Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de