Das Ende des Merkelismus
Erstellt von Redaktion am Samstag 7. Juli 2018
Seehofers Rücktritt vom Rücktritt und Merkels widersprüchliche Politik
Von Richard Gebhardt
Die Kanzlerschaft Angela Merkels war immer von politischen Widersprüchen geprägt. Zu Unrecht gilt sie als »Flüchtlingskanzlerin«, ihr Name steht vielmehr für den Angriff auf den konservativen Kanon der Union.
»Merkel muss weg!« Es gehört zur besonderen Ironie der Gegenwart, dass diese gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) gerichtete Losung nicht nur von der AfD und deren Umfeld verbreitet wird, sondern sinngemäß auch von einem prominenten Mitglied von Merkels eigener Regierung gerufen wurde – dem CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer. Der, zumindest bei Redaktionsschluss, weiterhin amtierende Bundesminister für Inneres, Bau und Heimat hatte die Kanzlerin in den vergangenen Wochen in der Asylpolitik scheinbar vor sich her getrieben. Doch das von ihm bewusst kalkulierte Regierungsdrama geriet zur Farce. Selten hat ein deutscher Bundesminister derart seine Selbstdemontage betrieben. Sein am späten Montagabend vollzogener Rücktritt vom angedrohten Rücktritt ist eine Niederlage; eine solche Drohung kann man nur einmal anbringen.
Seehofers Spektakel verdeutlicht aber auch den Machtverlust Merkels, der Vorsitzenden des Kanzlerinwahlvereins CDU. Denn auch unabhängig vom Streit über die Ergebnisse des EU-Gipfels zur Asylpolitik oder den jüngsten – wie lange gültigen? – Kompromissen über sogenannte Transitzentren zeigt sich das Ende eines von der CSU immer widerwilliger mitgetragenen Politikstils, der vielfach als Merkelismus etikettiert wurde.
Die politischen Bedingungen, die bisher den Erfolg der Kanzlerin begünstigten, haben sich spätestens seit der Bundestagswahl 2017 entscheidend geändert. »Sie kennen mich«, rief Merkel dem Publikum im Wahlkampf 2013 zu. Damals war es noch der Satz einer »alternativlosen« Siegerin. Allerdings wird ihre Kanzlerschaft nicht nur künftigen Zeithistorikern so manches Rätsel aufgeben. Beim Irak-Krieg 2003 stand sie an der Seite von US-Präsident George W. Bush noch für einen proatlantischen Kurs und geriet innenpolitisch in die Defensive.
Der heutige US-Präsident Donald Trump hingegen zählt zu ihren Intimfeinden. Im kalten Handelskrieg zwischen der EU und den USA steht die Regierung Merkel besonders im Visier Trumps.
Seehofers Spektakel verdeutlicht auch den Machtverlust von Merkel, der Vorsitzenden des Kanzlerinwahlvereins CDU.
Auf dem sogenannten Reformparteitag von Leipzig 2003 stellte die CDU unter ihrer Ägide ein wirtschaftsliberales Programm vor, »Multikulti« erklärte sie 2010 auf dem Deutschland-Tag der Jungen Union für »gescheitert, absolut gescheitert«. Schon damals reagierte sie auf einen »Sieben-Punkte-Plan« ihres unionsinternen Kritikers Seehofer. Merkels Politik entsprach aber nicht den ordnungspolitischen Erwartungen der Marktradikalen. Die Kanzlerin steht nicht für den wirtschaftsliberalen Aufbruch, sondern für Konjunktur- und Rettungspakete, für Abwrackprämien und die Ausrufung der »Willkommenskultur« im Spätsommer 2015.
Quelle : Jungle World >>>>> weiterlesen
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Grafikquelle :
Angela Merkel, CDU, und Horst Seehofer, CSU, gemeinsam auf der Wahlkampfveranstaltung der CSU (und CDU) zur Bundestagswahl 2017 auf dem Marienplatz in München.
Titel des Werks: „Wahlkampf 2017: Angela Merkel (CDU) mit Horst Seehofer (CSU)“
Attribution: Foto: Michael Lucan, Lizenz: CC-BY-SA 3.0 de