Es passiert ja nicht so selten, dass jemand die Backen aufbläst, der dazu eigentlich keinen Anlass hat. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder hat diese Technik bis zur Meisterschaft verfeinert – ohne dass dies allerdings weithin aufzufallen scheint. Dafür gibt es Gründe.
Die CSU hat unverdient viel Glück, dass ihre Umfragewerte fast immer mit denen der CDU zusammengezogen und gemeinsam veröffentlicht werden, sonst wäre der Scheinriese Söder längst entzaubert. Manchmal jedoch kommt es vor, dass sich irgendjemand tatsächlich für die Landespartei interessiert. Am 21. August hat das Institut Civey für die »Augsburger Allgemeine« ermittelt, dass die CSU in Bayern derzeit auf 34,5 Prozent käme – acht Prozent weniger als einen Monat zuvor. Generalsekretär Markus Blume schiebt, wen wundert’s, die Verantwortung für den Abwärtstrend der Schwesterpartei CDU zu: »Wir können uns nicht vollständig abkoppeln.«
Söder, auch nicht weiter erstaunlich, sieht das ganz ähnlich. Lediglich bei der Landtagswahl sei die CSU »echt alleine verantwortlich, da können wir uns nicht auf einen Bundestrend hinausreden«. Hinausreden. Hat er so gesagt. Die Formulierung muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.
Schön für ihn, dass wenigstens das Gedächtnis der Öffentlichkeit notorisch schlecht ist. Sonst würden sich mehr Leute daran erinnern, dass die CSU 2018 mit ihrem Spitzenkandidaten Söder ihr schlechtestes Ergebnis seit 1950 geholt hatte, nämlich 37,2 Prozent. Also über zehn Prozent weniger als fünf Jahre zuvor. Damals war noch der von Söder oft geschmähte Horst Seehofer bayerischer Ministerpräsident und CSU-Spitzenkandidat gewesen.
Woher nimmt Markus Söder nur die Chuzpe, sich als Retter der Nation aufzuspielen, der von imaginierten Mehrheiten landauf, landab herbeigesehnt wird? Und, viel interessanter noch: Warum um alles in der Welt kommt er damit durch?
Weil kaum jemand ein Interesse hat, darauf hinzuweisen, dass der Kaiser nackt ist – und weil die wenigen, die das sehr gern täten, es nicht tun können. Armin Laschet zum Beispiel. Manchmal stelle ich mir vor, wie der CDU-Kanzlerkandidat zu Hause in einer abgelegenen Kammer ohnmächtig vor Wut mit den Fäusten auf den Boden trommelt und ruft: »Jetzt schaut euch doch die verdammten Umfragen endlich mal genau an!« Und dann zupft er das Sakko zurecht, verlässt die Kammer, setzt ein etwas verkniffenes Lächeln auf und sagt öffentlich möglichst wenig über Markus Söder. Was bleibt ihm übrig?
Quelle : Spiegel-online >>>>> weiterlesen
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Grafikquellen :
Oben — Markus Söder, Politiker (CSU), zur Zeit Ministerpräsident des Freistaates Bayern und Parteivorsitzender der CSU, während einer Pressekonferenz in München-Riem. Titel des Werks: „Markus Söder (Juli 2021)“