DEMOKRATISCH – LINKS

                      KRITISCHE INTERNET-ZEITUNG

RENTENANGST

Corona – Krieg, Gemeinsinn

Erstellt von Redaktion am Dienstag 7. April 2020

Jeder kämpft für sich allein

Von Dominic Johnson

Krieg, Gemeinsinn und Vernunft: Wie PolitikerInnen über die Virusbekämpfung sprechen, spiegelt die kulturellen Gegensätze in Europa wider.

efinden wir uns gegen das Coronavirus im Krieg? Entsprechende Rhetorik beispielsweise aus Frankreich ist in Deutschland auf verbreitetes Unverständnis gestoßen. In dieser Krise erweist sich anhand des Wortes „Krieg“, wie tief die Kluft zwischen den politischen Kulturen in Europa geblieben ist. Hinter den aktuellen europäischen Zerwürfnissen blitzen auch verborgene kulturelle Gegensätze auf.

In Deutschland heißt Krieg heute: Angriffskrieg. Sein Verbot genießt Verfassungsrang. „Nie wieder Krieg“ ist Leitmotiv deutscher Außenpolitik. „Soldaten sind Mörder“ gehört im aufgeklärten Bürgertum zu den geflügelten Worten. Krieg, das ist Töten, Erobern, Leid zufügen – das genaue Gegenteil einer Politik, die das Ziel hat, Leben zu retten.

In Frankreich heißt Krieg: Widerstand. Der Ruf zur Waffe steht in der Nationalhymne. Der aufgeklärte Bürger ist einer, der sich wehrt. Den Nationalfeiertag begeht das Land mit der größten Militärparade Europas außerhalb Russlands. Der Präsident ist der oberste Feldherr der Nation, wie einst Republikgründer General de Gaulle, der 1940 die Unterwerfung Frankreichs unter die deutsche Besatzung nicht hinnahm. Mit Krieg hält man sich ein Übel vom Hals und ringt es nieder.

In Großbritannien heißt Krieg: Gemeinsinn. Angesichts existenzieller Bedrohungen von außen rückt die Gesellschaft zusammen. Alle packen mit an. Nicht die Streitkräfte und der Kampf sind zentral, sondern es ist die gemeinsame Kraftanstrengung. Klassen- und Standesunterschiede verblassen, die Namenlose ist genauso wichtig wie der Prinz. Im Krieg sind alle Bürger als Gleiche anerkannt und die Nation bewährt sich als Ganzes.

Alle drei Bedeutungshorizonte haben ihre Schattenseiten. Das deutsche Verständnis von Krieg macht es gedanklich unmöglich, aus eigenem Entschluss staatliche Massenmörder anderswo am Abschlachten ihrer Bevölkerungen zu hindern. Das französische Verständnis gebiert eine imperiale Überheblichkeit, in der Frankreich per Definition immer auf der richtigen Seite kämpft – der eigenen. Das britische Verständnis errichtet eine nach innen gekehrte Gemeinschaftsidylle unter der gütigen Führung immerwährender Institutionen, in der reale Konflikte stets woanders stattfinden.

Corona-05.jpg

Es gibt kein Bier auf Hawai !

Was bedeuten diese verschiedenen Gedankenhorizonte für die politische Diskussion in der Coronakrise? Am einfachsten lässt sich das anhand dreier Fernsehansprachen analysieren: Emmanuel Macron am 16. März, Angela Merkel zwei Tage später und Queen Elizabeth am 5. April.

Macron rief – einen Tag nachdem er gegen den Rat von Experten Kommunalwahlen hatte abhalten lassen – sechsmal hintereinander: „Wir sind im Krieg“: Ein Krieg „gegen einen unsichtbaren Feind“, der die „Generalmobilmachung“ erfordert und dem die alleinige Aufmerksamkeit der Politik gebührt, womit er das Regieren per Dekret ankündigte; ein Krieg, in dem „alle Franzosen sich der nationalen Einheit verschreiben“ sollen, in dem „die Nation ihre Kinder unterstützt, die sich als Pfleger oder im Krankenhaus an vorderster Front dieses Kampfes befinden“, in dem die Landesgrenzen geschlossen bleiben – und nach dem, „wenn wir gesiegt haben“, die Dinge anders sein werden als zuvor.

Quelle          :           TAZ         >>>>>        weiterlesen

————————————————————————–

Grafikquellen       :

Oben           —      Hinweise zu Corona auf Tetum (Osttimor)

————————

Unten          —         Officially closed beer garden in Munich due to the COVID-19 pandemic

Kommentar schreiben

XHTML: Sie können diese Tags benutzen: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>