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RENTENANGST

Archiv für die 'Überregional' Kategorie

Alarmierender Populismus

Erstellt von Redaktion am 3. August 2023

Eine „Alternative für Deutschland mit Substanz“.

Rathaus 2007

Von Minh Schredle

CDU-Chef Friedrich Merz nennt seine Partei eine „Alternative für Deutschland mit Substanz“. In Stuttgart kopieren die Christdemokrat:innen Inszenierungsstrategien von rechtsaußen und wollen jetzt keine Geflüchteten mehr aufnehmen. Obwohl sie wissen, dass die Stadt das gar nicht entscheiden kann.

Im Amtsblatt der Landeshauptstadt frohlockt die AfD, die „Stuttgart Altparteienfront“ habe „in Sachen unbegrenzter Flüchtlingsaufnahme Risse bekommen“. Wie nicht anders zu erwarten, wenn sich rechte Populisten zu Wort melden, enthält ein einzelner Satz eine Menge Unsinn. Angesichts der buchstäblich tödlichen Migrationsabwehr, mit der Europa seine Außengrenzen vor dem Andrang Schutzsuchender bewahrt, braucht es erstens eine Menge Chuzpe, noch immer das Gerücht von unkontrollierter Zuwanderung oder gar „unbegrenzter Flüchtlingsaufnahme“ zu bemühen. Und zweitens setzt es eine beneidenswerte Kreativität voraus, in der Stuttgarter Kommunalpolitik eine „Altparteienfront“ herbeizufantasieren. Eigentlich genügt ein Blick in den Gemeinderat und wie dort eine Diskussion über die angemessene Höhe von Parkgebühren zum ideologisch aufgeheizten Grundsatzkonflikt zwischen Linken und Liberalen, Grünen und Konservativen ausufern kann.

Zutreffend ist allerdings, dass ein bislang humanitärer Konsens seit vergangener Woche nicht mehr gilt. Als sich Stuttgart im April 2020 unter dem Eindruck der desaströsen Bedingungen im Massenlager von Moria zum „Sicheren Hafen“ für Geflüchtete erklärte, war die CDU zwar dagegen und der heutige Bundestagsabgeordnete Maximilian Mörseburg unterstellte im Namen der Fraktion: „Wer die Legalisierung von Flüchtlingswegen über das Mittelmeer fordert, der lässt dabei außer Acht, dass er damit auch das Geschäft der Schlepper betreibt.“ Damals war es für ihn aber zumindest noch „vollkommen selbstverständlich, dass Deutschland weiter Menschen auf der Flucht aufnimmt“. Heute sieht das anders aus. Alexander Kotz, Fraktionsvorsitzender der CDU im Stuttgarter Rathaus, hält die „Belastungsgrenze hinsichtlich der Integrationsmöglichkeiten und der sozialen Infrastruktur in unserer Stadt“ für erreicht. Den Bau neuer Flüchtlingsunterkünfte in Stuttgart lehnt seine Partei daher ab.

Nun gehört das Wissen um die Zuständigkeiten bei der Unterbringung von Geflüchteten zu den Grundkenntnissen kommunalpolitischer Arbeit. Die Stadt Stuttgart hat keinerlei Entscheidungskompetenz darüber, ob und wie viele Geflüchtete sie aufnimmt. Nach einem Vorschlag der Verwaltung sollen an fünf Standorten 950 neue Plätze geschaffen werden. Und CDU-Oberbürgermeister Frank Nopper kommentiert die Forderung der CDU-Fraktion: „Wir sehen keine rechtliche Möglichkeit, dass die Landeshauptstadt Stuttgart die Aufnahme von Flüchtlingen verweigert.“ Die Alternative zum Bau neuer Unterkünfte sei daher „die Belegung von Turn- und Versammlungshallen oder von anderen öffentlichen Einrichtungen – was wir Ihnen nicht empfehlen können“.

In ihrer Pressemitteilung zur „Integrationsgrenze“ schreibt die CDU-Fraktion hingegen: „Für uns ist die Unterbringung nicht nur eine Frage der Quantität, eben gerade nicht nur Raum und Bett, sondern auch der Qualität. Es geht vor allem um das soziale Miteinander und die Integration in unsere Gesellschaft.“ Wie passt das zu einem Abstimmungsverhalten, das auf Notunterkünfte und Massenlager in Turnhallen hinausläuft und damit Schulsport verhindern würde? Eine Anfrage der Redaktion, ob diese Variante wirklich bevorzugt wird, lässt der Fraktionsvorsitzende Kotz unbeantwortet, auf ein Gesprächsangebot reagiert er nicht.

Wahlkampfmanöver statt Sachpolitik

Viel spricht dafür, dass es der CDU mit ihrer Verweigerungshaltung weniger um lösungsorientierte Sachpolitik geht als um ein Wahlkampfmanöver, das auf mangelhafte politische Bildung der Allgemeinbevölkerung setzt. „In der Konkurrenz um die Öffentlichkeit haben Politiker Professionalität in der Platzierung und Inszenierung von Ereignissen wie auch in der Sachinformation entwickelt. Im Verlauf dieser Metamorphose wandelt sich sachbezogene, auf verbindliche Entscheidungen bezogene Politik zunehmend in symbolische Politik“, lautete eine Diagnose aus dem bereits 1995 erschienenen „Bericht zur Lage des Fernsehens“, den Bundespräsident Richard von Weizsäcker in Auftrag gegeben hatte. Der politische Auftritt verlange zudem „darstellerische Qualitäten, die in keinem notwendigen Zusammenhang zu politischen Leistungen stehen, aber über den politischen Erfolg entscheiden“, während umgekehrt „politische Leistungen [verblassen], sobald das Talent zur Media Performance fehlt“.

Anknüpfend daran schrieb der Politikwissenschaftler Thomas Meyer 2004 in einem Essay: „Die Regeln der medialen Politikdarstellung – unterhaltsam, dramatisierend, personalisiert und mit Drang zum Bild, allesamt der Darstellungskunst des Theaters entlehnt – greifen auf das politische Geschehen selbst über.“ Dabei vollziehe sich ein folgenreicher Rollenwechsel: „Während in der Parteiendemokratie die Medien die Politik beobachten sollen, (…) beobachten in der Mediendemokratie die politischen Akteure das Mediensystem.“ Entscheidend sei dabei die Frage, „ob das, was es dabei zu besichtigen gibt, noch Information über Politik, einen Einblick in ihr tatsächliches Geschehen erlaubt und auf diesem Wege mündige Entscheidungen über sie möglich macht“.

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Zwei Jahrzehnte nach Meyers Ausführungen haben sich die benannten Tendenzen nicht nur verschärft. Mit dem heutigen Stellenwert sozialer Netzwerke haben sich ganz neue Inszenierungsmöglichkeiten ergeben. Nicht nur weil Würdenträger auf Tiktok herumhampeln, um am Puls der Jugend zu bleiben. Sondern insbesondere, weil es inzwischen bedeutend leichter ist, politische (Pseudo-)Inhalte zu verbreiten, ohne dabei auf das Fernsehen oder eine Zeitung angewiesen zu sein.

Die AfD hat sehr früh erkannt, wie sich die Mechanismen der Mediendemokratie ausnutzen lassen – und ihr Wahlvolk scheint sich von der phänomenal schlechten Performance der Partei in den Parlamenten nicht wirklich abschrecken zu lassen. Für die Inszenierung hingegen ist Realität mitunter völlig unerheblich. Diese Strategie, für die der Tatsachenbezug zweitrangig ist, hat für die Stuttgarter CDU offenbar Vorbildcharakter. Als es im November 2022 große Aufregung um Tampon-Spender auf den Herrentoiletten des Stuttgarter Rathauses gab, versuchte die konservative Fraktion einen Beschluss zu skandalisieren, für den sie selbst gestimmt hatte. „Wir machen uns bundesweit zum Gespött“, sorgte sich damals Stadtrat Kotz. Jüngst erließ die Verwaltung unter Oberbürgermeister Nopper eine Allgemeinverfügung gegen Klimakleber, die verbietet, was bereits verboten ist – aber einen entschiedenen Einsatz im Sinne der Autofans vorgaukelt. Und im Fall der Flüchtlingsunterbringung tut die Stuttgarter CDU nun so, als ob sie etwas verweigern könnte, das sie nicht verweigern kann.

Kirchen gegen die CDU

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 28. Juli 2023

Wenn  -ProSieben Sat.1-   Stoiber in die Schlacht schickt

Eine Kolumne von Steffen Grimberg

Es gibt ja immer wieder Sachen, die für eineN neu sind. Zum Beispiel, dass ProSiebenSat.1 (P7S1) einen Beirat hat. Vorsitzender ist niemand Geringeres als Bayerns Ex-Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU). Der Beirat soll die Privatfernsehgruppe bei ethischen und gesellschaftspolitischen Fragen beraten.

Ob dazu auch gehört, warum P7S1 gerade mal wieder 400 Stellen abbaut? Oder Sat.1 inhaltlich und quotentechnisch in der Bedeutungslosigkeit verschwunden ist? Dabei war das mal der innovativste Privatsender, dem wir unter anderem mit „Talk im Turm“ den später von den Öffentlich-Rechtlichen geklauten TV-Talk verdanken. Doch heute liegt Sat.1 marktanteilmäßig hinter Vox, und inhaltlich sieht’s ganz arm aus.

Dazu hört man von Ede Stoi­ber aber nichts. Dafür hat sich der Beirat gerade mit einem „Weckruf“ an die Medienpolitik gemeldet. Denn er sieht das „duale System“, in dem sich Private und Öffentlich-Rechtliche in friedlicher Koexistenz beschimpfen, „in ernster Gefahr“. Denn „unsere Gesellschaft und ihr bröckelnder Zusammenhalt erfordern mehr denn je einen qualitativ hochwertigen Journalismus, der in unruhigen Zeiten Orientierung gibt“. Damit meint der Beirat aber keineswegs, dass sich die Beitragskommission KEF bei der Neuberechnung der Kohle für ARD und ZDF ab 2025 nicht so zimperlich anstellen soll. Im Gegenteil, die stehen voll fies mit den privaten Sendern „in vielen Bereichen in einem ungleichen Wettbewerb“, geht es in dem Brandbrief weiter. „In diesem Kontext muss auch diskutiert werden, wo und wie sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk öffnen kann.“

Wer hat den denn von seinen Bahnsteig entführt, wo er so lange auf einen Zug gewartet hat?

Nachtigall, ick hör dir trapsen, ließe sich rufen, wenn Sat.1 noch in Berlin säße und nicht zum lieblosen Anhängsel des Münchner TV-Konzerns geworden wäre. Denn das Aufbohren der Grenzen zwischen privat und öffentlich-rechtlich ist das große Mantra von P7S1-Vorstandschef Bert Habets. Bei jeder Gelegenheit fordert der, dass ARD und ZDF samt Mediathek ins P7S1-Streaming-Angebot Joyn gehören. So will Habets die Welt und vor allem seinen Laden retten. ARD wie ZDF winken allerdings stets höflich ab. Wäre ja auch dumm, denn damit wäre das duale System nicht nur „ernsthaft gefährdet“, sondern keines mehr.

Quelle         :       TAZ-online            >>>>>          weiterlesen

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Neues aus DIE LINKE

Erstellt von Redaktion am 12. Juli 2023

Bundessanierungsprogramm für Schwimmbäder

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Quelle       :        Scharf  —  Links

Von DIE LINKE  –  Janine Wissler mit ihrem Konzept

Sanierungsbedürftige Schwimmbäder und massiver Personalmangel. Die Partei DIE LINKE schlägt ein Bundessanierungsprogramm vor.

Seit dem Jahr 2000 ist bundesweit jedes zehnte Schwimmbad geschlossen worden, das sind durchschnittlich mindestens 40 Bäder pro Jahr. Derzeit gibt es etwa 6.500 öffentlich zugängliche Bäder – Hallen, Frei-, Natur- und Schulbäder. Jedes zweite Schwimmbad muss saniert, genauer gesagt modernisiert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei die energetische Sanierung und die Schaffung von Barrierefreiheit. Der Sanierungsstau betrug laut einer Studie der Universität Wuppertal im Jahr 2016 bereits 4,5 Milliarden Euro und ist in den vergangenen Jahren weiter angewachsen, auch weil die von Bund und Ländern aufgelegten Programme viel zu gering waren bzw. sind.

Ein Problem: Die Kommunen sind dramatisch unterfinanziert, viele zum Sparen gezwungen. Weil Bäder freiwillige Leistungen der Kommunen sind, gehören sie oft zu den ersten Angeboten, die weggekürzt werden. Besonders betroffen sind also Gemeinden, die wenig Geld haben. 2017 hat der Bundesfinanzhof die Quersubventionierung der Schwimmbäder aus Gewinnen anderer kommunaler Betriebe als unvereinbar mit dem EU-Wettbewerbsrecht gerügt. Das EUGH hat bisher nicht dazu entschieden.

Das Bädersterben ist fatal. Deutschland entwickelt sich zu einem Land der Nichtschwimmer*innen. Immer weniger Kinder lernen schwimmen. Laut der DLRG sind derzeit sechs von 10 Kindern (58 Prozent) am Ende der Grundschule keine sicheren Schwimmer. Fast 300 Menschen ertranken 2021 in Deutschland, darunter 47 Kinder und Jugendliche. Ertrinken gehört inzwischen zu den häufigsten Unfalltodesursachen für Kinder.

Im Sommer fällt besonders auf, dass die Bäder fehlen. Vor allem Familien, die sich keinen Urlaub oder teure Ausflüge leisten können, sind in den Sommerferien auf Angebote in der Nähe angewiesen. Doch Schwimmbäder sind nicht nur wichtige Sport – und Freizeitangebote, Ausbildungsstätten für Rettungsschwimmer*innen sowie des Rehabilitations- und Gesundheitssports, sondern einer der wenigen Orte der Gemeinde, an denen noch alle zusammenkommen. Sie zu erhalten, ist deshalb ein Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft. Das kostet Geld – Schwimmbäder sind ein Zuschussgeschäft. DIE LINKE findet: Sie sind Teil der Daseinsvorsorge und dürfen nicht weggekürzt werden. Das Bädersterben muss gestoppt werden, wir wollen eine Trendwende: ausreichende Finanzierung für die Bäder und kostenlosen Eintritt für alle Kindern. Schwimmbäder und die Möglichkeit schwimmen zu lernen sollte als kommunale Pflichtaufgabe definiert werden. Bund und Länder müssen hier angemessen unterstützen.

Ein weiteres Problem ist der Personalmangel. Laut DLRG fehlen mindestens 2.500 Schwimmmeister*innen. Es fehlen Schwimmlehrer*innen, Rettungsschwimmer*innen, Übungsleiter*innen in den Vereinen und weiteres Personal in den Schwimmbädern. Es wird zu wenig ausgebildet, unattraktive Arbeitszeiten und schlechte Bezahlung verschärfen das Problem. Auch das führt zum Ausfall von Schwimmunterricht sowie eingeschränkten Öffnungszeiten von Schwimmbädern und zu geringen Angeboten zum Training in Schwimmvereinen.

Rede zum Parteivorsitz, Parteitag der Partei DIE LINKE, February 2021

Die Partei DIE LINKE fordert ein Bundessanierungsprogramm „SOS-Seepferdchen“

  1. Wir brauchen ein Bundessanierungsprogramm für eine in allen Regionen des Landes bedarfsgerechte Ausstattung mit modernen, ökologischen und barrierefreien Schwimmbädern. Mit einem „Goldenen PlanSportstätten“ sollte der Sanierungsstau durch Modernisierungen und Neubau in den folgenden 15 Jahren gemeinsam durch Bund, Ländern und Kommunen abgebaut werden. Der Bund sollte sich daran mit mindestens einer Milliarde Euro pro Jahr (darunter mindestens 500 Millionen für Schwimmbäder) beteiligen.
  2. Ein Bonusprogramm für Kommunen, die Schwimmbäder zur Verfügung stellen – Kommunale Schwimmbäder sind als Teil der kommunalen Daseinsvorsorge dringend erforderlich. Die Länder müssen im Rahmen des kommunalen Finanzausgleichs einen dauerhaften und berechenbaren Bäderbonus einführen und dies aus Landesmitteln finanzieren. Der Bonus soll jährlich den Schwimmbad betreibenden Kommunen zugutekommen, insofern diese einem Schwimmbad als tragende Gesellschaft beteiligt sind.
  3. Sofortige Umsetzung des Beschlusses der Kultusministerkonferenz zum Schwimmunterricht vom 04. Mai 2017. Allen Schülerinnen und Schüler ist die Teilnahme am Schwimmunterricht zu ermöglichen, mit dem Ziel, dass alle Kinder bis zum Ende der Primarstufe sicher schwimmen können.
  4. Kostenloser Zugang für Kinder: Wir wollen, dass alle Kinder ticketlosen Zugang zum Freibad haben – unabhängig vom Geldbeutel der Eltern. Weiterhin sind finanziell benachteiligte Familien weitere Unterstützung, zum Beispiel durch Bereitstellung von Badebekleidung und Übernahme von Eintritts- und Fahrtkosten sowie Mitgliedsbeiträgen in Schwimmvereinen zu gewähren.
  5. Anerkannte Sportorganisationen, Schulen und Hochschulen sollen das Recht haben, Schwimmbäder sowie andere Spiel- und Sportanlagen öffentlicher Träger für den Übungs-, Lehr- und Wettbewerbsbetrieb unentgeltlich zu nutzen.
  6. Ehrenamtliches Engagement als Übungsleiter*in oder Rettungsschwimmer*in muss dringend stärker gefördert werden, u.a. durch Anerkennung ihrer Ausbildung als Bildungsurlaub in allen 16 Bundesländern.

Für DIE LINKE ist klar: Solange Bund, Länder und Kommunen in Deutschland keinen vernünftigen Schulsport und Schwimmunterricht absichern können und die Sportsta?ttensanierung nicht endlich voranbringen, werden wir uns nicht fu?r weitere deutsche Olympiabewerbungen engagieren.

Urheberrecht
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Oben      —       Freibad in Grins

Unten      —           Rede zum Parteivorsitz, Parteitag der Partei DIE LINKE, February 2021

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 12. Juli 2023

Bundesjugendspiele, Thüringen und Bundestag: – Ich reg‘ mich nicht auf!

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Lukas Wallraff

Je lauter man in den Thüringer Wald hineinruft: „Ihr seid scheiße“, desto mehr wählen dort erst recht rechts. Deshalb gilt: nur immer die Ruhe bewahren.

Am Ende dieser Woche ist mir eines klar geworden: Wir müssen uns abregen. Dringend. Alles andere führt ins Verderben. Die ständigen Empörungswellen von links und rechts scheinen ja nur Rechten Erfolg zu bringen. Weltweit, auch in Deutschland, ist die Tendenz eindeutig. Grüne und SPD verlieren, die Union liegt vorn. Die AfD steht bei 20, die Linke bei 4 (!) Prozent. Und je lauter man in den Thüringer Wald hineinruft: „Ihr seid scheiße“, desto mehr wählen dort erst recht rechts. So kann, so darf das nicht weitergehen.

Stopp! So weit, so einfach. Abregen ist leider schwieriger. Eine Möglichkeit, die ich erwogen habe, ist, auf Sahra Wagenknechts Parteiaustritt zu warten, weil dann die Linke vielleicht wieder für Linke wählbar wird, ein Linksruck im Land entstehen oder wenigstens ein paar AfD-Fans zu Wagenknechts neuer Partei abwandern könnten. Aber das dauert wohl noch etwas und scheint mir bei näherer Betrachtung auch keine hinreichende Perspektive, um die Weltlage oder wenigstens mich persönlich zu beruhigen.

Also habe ich versucht, mich in dieser Woche über gar nichts aufzuregen und alles gut zu finden. Zum Beispiel die neue Kindergrundsicherung, die endlich beschlossen wurde, um wenigstens den Kleinsten in diesen harten Zeiten beizustehen: Jedes Kind bekommt ab sofort garantiert eine Urkunde bei den Bundesjugendspielen, ohne strenge Punktwertung, egal wie weit es genau gesprungen, gerannt oder gestolpert ist. Wenn das nichts ist!

Damit helfen die KultusministerInnen auch der Ampel, weil die armen Kleinen und ihre Familien jetzt sicher dankbar sind und gern auf das schnöde Geld verzichten, das die Regierung einst versprochen hatte, aber leider auch nach zwei Jahren noch nicht zusammenkratzen konnte, weil …, weil …, ja weil halt. Irgendwas Wichtigeres ist immer, und seien es Spionageschiffe. Immerhin bekommt das Prekariat als Inflationsausgleich 41 Cent mehr Mindestlohn! Wer will da noch klagen?

Einmal vorn sein

Trotzdem gab es auch in dieser Woche wieder einige Wutausbrüche. Viele JournalistInnen empörten sich, weil Eltern, die mehr als ein Jahresbrutto von 180.000 Euro verdienen, kein Elterngeld mehr bekommen! Soll keiner sagen, dass nicht über echte Not berichtet wird. Andere sahen das Vater-Jahn-Land in Gefahr, weil die Kleinen ohne knallharten Wettbewerb an der Sprunggrube ab der ersten Klasse nicht ausreichend auf die real existierende Leistungsgesellschaft vorbereitet werden.

File:Keine AFD V1.svg

Die Sportnation Deutschland schafft sich ab! Echt jetzt? Ich gebe zu, ich schwanke noch, weil das mit der Gerechtigkeit auch hier leider nicht so einfach ist. Einerseits stellten die Bundesjugendspiele unsportliche Kinder vor eine Herausforderung und mögliche Blamage, die ihnen nun zum Glück erspart bleibt – auch wenn es für manche StreberInnen die einzige Pleite im Jahr war.

Andererseits bietet gerade dieser Wettkampf bisher den bildungshintergründlich Gehandicapten und deshalb schulisch Schwächsten eine Chance, wenigstens einmal im Jahr aufzutrumpfen. Aber der Kulturkampf wird hier sicher nicht entschieden, und ich will mich ja nicht aufregen!

Quelle         :          TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Gutes aus Kranenburg

Erstellt von Redaktion am 5. Juli 2023

Kranenburg – Niederrhein

Die alte Schule

Von Jimmy Bulanik

Die Menschen definieren mit ihrem Eigenschaften wie dem menschlichen Wesen den Raum in dem sie Leben und Wirken. So auch im Landkreis Kleve. Mit seinen sechzehn Gemeinden.

So weit westlich gelegen ist dies ein von seiner Geographischen Lage, darunter der Topographie die niederrheinische Gemeinde de.wikipedia.org/wiki/Kranenburg_(Niederrhein) welches ein unmittelbarer Grenzort zu den Niederlanden mit der Provinz Gelderland ist, im Alltag ein niederländisch geprägter Teil innerhalb des Niederrhein. Dort wo die Lebensqualität hoch ist, kommen entsprechende Produktionsgüter her. Wie die hochwertigen, in Bio Qualität zertifizierte Naturprodukte.

Aktuell hat der Ostaras Morgenröte Rotkultur Käse welcher Bioland zertifiziert ist die Auszeichnung der Deutsche Landwirtschafts-Gesellschaft mit DLG Gold 2023 verliehen bekommen. Das erfreut naturgemäß auf beiden Seiten der Grenze viele Menschen. Dies ist ein pittoreskes Beispiel dafür das der grenzüberschreitende Zusammenhalt zwischen den Menschen, die Kooperation zwischen dem Königreich der Niederlanden und der Bundesrepublik Deutschland ausschlaggebend für den gemeinsamen Erfolg ist.

Europa bleibt Trumpf

aurora-kaas.com/de

aurora-kaas.com/de/gold-fur-ostara

Weil die Aurora Kaas GmbH aus Kranenburg so gut sind, wie es er Fall ist dürfen sich die interessierten Menschen im Rahmen eines Besuches am Niederrhein wie der Landkreis Kleve diese Gesellschaft besuchen. Dazu sich für den 06. September 2023 für 10 Uhr anmelden. Der Besuch ist gratis.

aurora-kaas.com/de/kaesereifuehrung-biowochen-nrw

Bei dieser Gelegenheit gibt es einen Transfer von Wissen und dem persönlichem Bezug. Von der regionalen Gesellschaft an die geneigte Kundschaft, sowie die Interessentinnen und Interessierten. Dies ist geeignet junge Menschen für das ehrliche Handwerk zu begeistern, zukünftig die Mittel zum Leben selber als Manufaktur herzustellen.

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Nützliche Links im Internet:

Wir sind Kleve (nach Johannes Oerding):

soundboxstudio.de/wp-content/uploads/2020/05/Musikvideo_WirsindKleve_5MBits-Web.mp4

Ein niederländischer Großmeister der epischen Musik ist Boudewijn de Groot: Land van Maas en Waal

www.youtube.com/watch?v=7RrndbK4ztA

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Oben     —     Die alte Schule

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Der posthume Demokrat:

Erstellt von Redaktion am 1. Juli 2023

Fritz Bauer, die CDU und die Aufarbeitung der NS-Verbrechen

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Quelle        :     Berliner Gazette

Von            :     

Vor 55 Jahren, am 1. Juli 1968, starb Fritz Bauer. Wie kein anderer Jurist in der Bundesrepublik hat er als hessischer Generalstaatsanwalt nach dem Krieg die NS-Verbrechen verfolgt. Dafür wurde er von vielen bekämpft und geschmäht – vor allem von der CDU. Ende des letzten Jahres hat Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) ihn posthum mit der Wilhelm-Leuschner-Medaille geehrt. Fritz Bauer konnte sich dagegen nicht mehr wehren. Der Autor Helmut Ortner blickt zurück.

Jährlich am Verfassungstag des Landes Hessen, dem 1. Dezember, wird im Rahmen eines Festakts die Wilhelm-Leuschner-Medaille verliehen. Wer sie bekommt, darüber entscheidet der Hessische Ministerpräsident. Die Auszeichnung ist nach Wilhelm Leuschner (1890-1944) benannt, dem früheren hessischen Innenminister. Er zählt zu den bekanntesten Persönlichkeiten des in Deutschland organisierten Widerstandes gegen den Nationalsozialismus. Schon in den 1930er-Jahren trug Leuschner maßgeblich dazu bei, den Widerstand zu organisieren. Im Anschluss an das gescheiterte Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde Leuschner zum Tode verurteilt und am 29. September 1944 in Berlin-Plötzensee hingerichtet. Zum seinem 20. Todestag, am 29. September 1964, verlieh der damalige hessische Ministerpräsident Georg August Zinn (SPD) erstmals die nach Wilhelm Leuschner benannte Medaille. Seither wird Jahr für Jahr eine Persönlichkeit ausgezeichnet, „die sich aus dem Geist Wilhelm Leuschners hervorragende Verdienste um die demokratische Gesellschaft und ihre Einrichtungen erworben hat“.

Wer einen Blick auf die lange Geehrten-Liste wirft, findet ehrenwerte Namen aus allen gesellschaftlichen Bereichen, freilich auch einige, deren demokratische Verdienste nicht unumstritten sind. Beispielsweise Roland Koch, ehemals CDU-Ministerpräsident in Hessen, der einst mit einer schäbigen Kampagne gegen junge Ausländer*innen Stimmung im Wahlkampf machte, was ihm zwar wenig nutzte, doch vielen als populistisches Schurkenstück im Gedächtnis blieb. Und war Koch nicht auch Vorsitzender einer christdemokratischen Schwarze-Kassen-Partei, die Millionenzuwendungen – die in Wirklichkeit aus schwarzen Auslandskonten der CDU stammten – als „Vermächtnisse von Juden aus Europa“ umetikettieren wollte? Als die dreiste Legende im Spenden-Sumpf versank, inszenierte sich der CDU-Mann als „brutalstmöglicher Aufklärer“. Eine demokratieverachtende Posse.

Zur Causa Koch hätte Fritz Bauer ganz bestimmt eine Meinung gehabt. Sein Name findet sich seit Ende letzten Jahres ebenfalls auf der Preisträger-Liste. Hessens aktueller Ministerpräsident Boris Rhein hat den ehemaligen hessischen Generalstaatsanwalt posthum geehrt. Der forsche CDU-Politiker lobte den 1968 verstorbenen Bauer, als einen „Kämpfer für Humanität und Demokratie mit Hingabe, Ausdauer und Leidenschaft für eine freie Gesellschaft“. Eine überfällige Anerkennung – doch mit schalem Beigeschmack. Es war Rheins Partei, die Bauer viele Jahre das Leben schwer gemacht, ihn geschmäht und bekämpft hat.

Als „Ketzer“ geächtet, bekämpft und bedroht

Fritz Bauer, ein Sozialdemokrat jüdischer Herkunft, gehörte zu den wenigen unbelasteten Jurist*innen, die in der jungen Bundesrepublik eine Führungsposition einnahmen und der nichts so hasste wie die gängigen Verteidigungs- und Verharmlosungsformeln der Nazi-Vergangenheit. Bauer war der personifizierte Gegenpart der konservativen Adenauer-Jurist*innen, die nur wenig Neigung zeigten, ehemalige NS-Täter zur Verantwortung zu ziehen, zumal dort bekanntlich eine besonders starke personelle Kontinuität zur NS-Zeit gegeben war. Die Bereitschaft, in NS-Strafsachen zu ermitteln und zu handeln, ging nahezu gegen null. Damit war Bauer nicht einverstanden. Er erkannte klarsichtig, dass der NS-Staat kein Betriebsunfall der Geschichte war und wies auf die geschichtlich gewachsenen Strukturen und Mentalitäten hin, die den NS-Verbrechen so sehr entgegenkamen und die aufzubrechen mehr erfordern würde als Gerichtsprozesse. Er setzte die Aufhebung der Verjährungsfrist für NS-Morde durch; ohne ihn hätte es 1963 den großen Ausschwitzprozess nicht gegeben.

Damit handelte er sich nicht nur den Zorn konservativer Kreise ein. Bauer wurde gemieden, verunglimpft und bedroht. In der Nachkriegsjustiz galt er vielen als „Ketzer“. In der hessischen CDU, in der Hardliner wie Alfred Dregger und Manfred Kanther jahrzehntelang das politische Weltbild vorgaben, galt Bauer beinahe schon als Staatsfeind. Die Schmähungen steigerten sich noch, nachdem es ihm gegen starke Widerstände gelungen war, die Frankfurter Auschwitzprozesse gegen einstige Bewacher des Vernichtungslagers tatsächlich auf den Weg zu bringen. Die Prozesse erfüllten in ihrer Durchführung und in ihren Ergebnissen ein tieferes Anliegen Bauers:

„Wenn etwas befohlen wird, sei es Gesetz oder Befehl, was rechtswidrig ist, was also im Widerspruch steht mit den Zehn Geboten, dann musst Du ‚Nein‘ sagen! Es bedarf Mut und Courage in jeder Richtung gegenüber dem äußeren Feind. Man hat völlig übersehen, dass die Zivilcourage, der Mut vor dem Feind im eigenen Volk genauso groß, wahrscheinlich größer ist – und nicht weniger verlangt wird. Dass es ehrenhaft ist, dass es Pflicht des Einzelnen ist, auch in seinem eigenen Staat für das Recht zu sorgen. Und deswegen ist das A und O dieser Prozesse zu sagen: Ihr hättet ‚Nein‘ sagen müssen!“

Bauer zwang die Öffentlichkeit in Deutschland zum Hinsehen. Eine Gesellschaft, die sich mühte, das zu vergessen, was sie verschwieg: die Bereitschaft zur Teilnahme an einem System der Barbarei. Aus der Politik gab es keine zwingenden Gesetzesvorgaben. Unter diesem Eindruck zeigte vor allem die Justiz nur wenig Neigung, ehemalige NS-Täter*innen zur Verantwortung zu ziehen. Die Nichtverfolgung von NS-Verbrechen: eine skandalöse, jahrzehntelange Verweigerung von Strafverfolgung, eine konsequente Strafvereitelung im Amt. Bauer wollte sich damit nicht abfinden.

Gegen die Integration der Täter*innen

Geboren 1903 in Stuttgart, war Bauer einer der wenigen Unbelasteten im Justizapparat der BRD. 1930 wird er mit 26 Jahren jüngster Amtsrichter Deutschlands. 1933 kommt er nach der Machtübernahme der Nazis in Haft. 1936 flieht er nach Dänemark, später nach Schweden. Mit Willy Brandt gründet er dort eine Exil-Zeitschrift. 1949 kehrt Bauer zurück, um ein demokratisches Justizwesen mitaufzubauen. Er wird Generalstaatsanwalt in Niedersachsen, 1956 holt ihn Hessens Regierungschef August Zinn in dieser Funktion nach Frankfurt. Hier lässt er von seinen Mitarbeiter*innen über 1000 Zeugen vernehmen und bereitet den Auschwitzprozess gegen die SS-Wachmannschaften vor. Als oberster Staatsanwalt in Hessen hat er das Verfahren bundesweit an sich gezogen – gegen alle Widerstände. Er muss sich mit Richter*innen und Staatsanwält*innen aus der Nazi-Zeit herumschlagen, die nach 1945 weiter im Staatsdienst blieben und oft seine Arbeit sabotieren. „Wenn ich mein Büro verlasse, betrete ich feindliches Ausland“, beschrieb er später einmal seine Lage in einem Fernseh-Interview.

Dass Fritz Bauer schon früh die Rolle eines Außenseiters hat, zeichnet sich bereits im September 1949 ab, als Bundeskanzler Adenauer in seiner ersten Regierungserklärung sagt, man soll in Deutschland „Vergangenes vergangen sein lassen“ und damit auch eine Amnestie für NS-Täter*innen meint. Adenauers Politik hatte den Aufbau demokratischer Institution und eine Demokratisierung der Gesellschaft durch stillschweigende Integration der ehemaligen Anhänger*innen, Mitläufer*innen und auch der Täter*innen des Nationalsozialismus zum Ziel. Nicht nur im konservativen Juristen-Milieu galt der hessische Generalstaatsanwalt als Störenfried, als eine umstrittene, ja verhasste Figur. Politisch ist Jurist Bauer weiterhin enormen Widerständen ausgesetzt. Vor allem die CDU bringt sich gegen ihn in Stellung.

Im Oktober 1960 hält Fritz Bauer im Rahmen einer vom Landesjugendring Rheinland-Pfalz veranstalteten Tagung einen Vortrag über die „Wurzeln faschistischen und nationalsozialistischen Handelns“ in dem er sich mit den sozialen Ursachen des Nationalsozialismus beschäftigt. Bauer geht der Frage nach, wie es möglich geworden war, dass Menschen andere Menschen ausgrenzten, verfolgten und ermordeten. Ein Vorschlag des rheinland-pfälzischen Landesjugendrings, den Text Oberstufengymnasien und Berufsschulen als Broschüre zur Verfügung zu stellen, wird vom Kultusministerium des Bundeslandes abgelehnt. Kultusminister Eduard Orth (CDU) verteidigt seine Entscheidung mit der Begründung, Bauers Text produziere „Fehlurteile“ über die deutsche Geschichte. Die Ablehnung wird 1962 auch von einem jungen ehrgeizigen CDU-Abgeordneten begrüßt, der moniert, der zeitliche Abstand vom Nationalsozialismus sei zu gering, um sich darüber ein abschließendes Urteil bilden zu können. Sein Name: Helmut Kohl.

Im hessischen Landtag fordern Abgeordnete der CDU im April 1963 gar Bauers Ablösung als Generalsstaatsanwalt, weil er im Ausland schlecht über Deutschland rede. Einige machen ihn sogar seinen Status als NS-Verfolgter und Emigrant zum Vorwurf, weil er dadurch „befangen und unsachlich“ sei. Eine perfide, abstruse Argumentation.

Späte Würdigung, überfällige Rehabilitierung

Mitte der 1960er Jahre trübt sich Bauers Stimmung immer mehr ein. Wegen seiner jüdischen Herkunft und seiner Kritik an den alten Nazi-Seilschaften erhält er Schmähbriefe und Morddrohungen.An zwei seiner Freunde schreibt er: „Die Strafanzeigen hageln, alles ist gegen mich verschworen.“ Bauer kämpft einen mühsamen, einsamen Kampf: Gegen das Verdrängen und Vergessen, gegen Ignoranz und Gleichgültigkeit. Neben seinem Engagement für die Aufarbeitung der NS-Zeit ist er einer der bedeutendsten Vorkämpfer für Strafrechts- und Strafvollzugsreformen und Resozialisierung. An den Gebäuden der Landgerichte Braunschweig und Frankfurt wird auf sein Betreiben als Inschrift der Anfang des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ angebracht.

Es dauert länger als ein halbes Jahrhundert, bis die Partei, die ihn einst als Gegner geschmäht und bekämpft hat, im Dezember 2022 als demokratischen Aufklärer würdigt. Eine „Schlüsselfigur der jungen deutschen Demokratie“ nennt CDU-Ministerpräsident Rhein nun Bauer bei der Verleihung auf dem Campus Westend der Frankfurter Goethe-Universität. „Ohne Fritz Bauer wäre unsere Geschichtsaufarbeitung nicht die, die sie heute ist“. Eine späte, eine überfällige Rehabilitierung.

Wir wissen nicht, wie Fritz Bauer auf diese späte Form der Würdigung reagiert hätte. Vielleicht hätte er die Annahme der Medaille verweigert und stattdessen dem Ministerpräsidenten vorgeschlagen, couragierte Menschen der Gegenwart auszuzeichnen, die sich in Hessen etwa bei der Aufklärung des Skandals um den „NSU 2.0“ verdient gemacht und dabei einen hohen Preis gezahlt haben. Es hätte zu ihm gepasst.

Nun also steht sein Name auf der langen Liste der Preisträger und es gibt nicht wenige, die dem CDU-Chef unterstellen, die posthume Auszeichnung Bauers sei ein ganz und gar eigennütziger Coup, sich als überparteilicher Erneuerer und Versöhner zu inszenieren. Im Oktober wird in Hessen gewählt. Freundlichere Stimmen verweisen darauf, die Preisträger-Wahl konterkariere die jahrzehntelange brüchige Erzählung, Bauer sei ein Anti-Demokrat gewesen. Das immerhin verdiene Respekt.

Apropos Preisträger*innen: 2015 bekam die Medaille Heinz Riesenhuber, der unter Helmut Kohl Bundesforschungsminister war und Fritz Bauer einmal persönlich begegnet ist. Die beiden hatten in den 1960er-Jahren einen gemeinsamen TV-Auftritt in der HR-Talkshow „Kellerclub“, wo Bauer mit Studierenden über den Umgang mit NS-Verbrechern diskutierte. Der junge Heinz Riesenhuber, damals in der Jungen Union, hat Bauer entgegengehalten, dass doch zum Teil auch einfach nur brave Bürger*innen auf bestimmte Posten gestellt worden seien und diese ausgefüllt hätten. Das hat Fritz Bauer sprachlos gemacht. Es war genau die rechtfertigende Denkweise, gegen die er Zeit seines Lebens gekämpft hat.

In der Nacht zum 1. Juli 1968 wurde Fritz Bauer tot in der Badewanne seiner Frankfurter Wohnung aufgefunden. Beigesetzt wurde er in Göteborg im Grab seiner Eltern.

Anm.d.Red.: Mehr Information zu Fritz Bauer finden sich hier. Lese-Tipp: Ronen Steinke, Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, Berlin 2013. Film-Tipp: Der Staat gegen Fritz Bauer, Regie Lars Kraume, u.a. mit Burghardt Klaußner, Deutschland 2015.

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Oben       —     Gedenktafel am letzten Wohnhaus von Fritz Bauer. 2017 in der Feldbergstraße in Frankfurt am Main.

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Eine gescheiterte Wahl

Erstellt von Redaktion am 30. Juni 2023

Stürzt Sachsen-Anhalt wegen Datenschutz in eine Regierungskrise?

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von           :           

Trotz drei Wahlgängen hat der Magdeburger Landtag schon wieder keinen Landesdatenschutzbeauftragten gewählt. Das Amt ist seit Jahren unbesetzt, offenbar ließen erneut CDU-Abgeordnete den Kandidaten der eigenen Koalition durchfallen. Sollte das Bündnis daran zerbrechen, dürfte sich vor allem die AfD freuen.

Rutscht die Landesregierung in Sachsen-Anhalt ausgerechnet wegen der gescheiterten Wahl eines Datenschutzbeauftragten in eine Regierungskrise? Es sieht danach aus: Der Landtag des Bundeslandes hat heute wieder keinen neuen Landesbeauftragten für Datenschutz gewählt. Als einziger Kandidat stand der Jurist Daniel Neugebauer aus Halle an der Saale zur Wahl. In drei Wahlgängen erhielt er nicht die erforderliche Mehrheit.

Der Wahlkrimi zog sich über mehrere Stunden, immer wieder wurde die Sitzung für Beratungen unterbrochen. Am Ende hat es für Neugebauer, der als Rechtsanwalt in der Kanzlei des FDP-Fraktionsvorsitzenden Andreas Silbersack arbeitet, nicht gereicht. Der promovierte Jurist war von den Regierungsparteien CDU, SPD und FDP zur Wahl vorgeschlagen worden.

CDU-Politiker fordert Neuwahlen des Landtags

Um gewählt zu werden hätte Neugebauer die Stimmen von der Mehrheit der 97 Abgeordneten gebraucht. Mit 52 anwesenden Abgeordneten hätte die Regierungskoalition den Kandidaten eigentlich komfortabel über diese Schwelle heben können. Doch statt der benötigten 49 Stimmen erhielt Neugebauer erst 44, dann 47 und im dritten Wahlgang 48 Stimmen.

Damit ist nicht nur der dritte Versuch innerhalb von fast sechs Jahren gescheitert, einen neuen Landesdatenschutzbeauftragten für Sachsen-Anhalt zu wählen. Das Wahldebakel hat das Zeug zu einer echten Regierungskrise in dem ostdeutschen Bundesland.

Die Wahl erfolgte geheim, doch im Landtag geht das Gerücht um, dass eine Gruppe von CDU-Abgeordneten den Kandidaten durchfallen ließ, der von ihrer eigenen Fraktion ausgesucht worden war. Schon 2018 und 2022 scheiterte die Wahl eines Datenschutzbeauftragten mutmaßlich daran, dass einige CDU-Abgeordnete aus dem Koalitionskompromiss ausscherten.

„Die Koalition hat keine Mehrheit, weil feige Heckenschützen in der Wahlkabine den Kandidaten beschädigen ohne es vorher zu signalisieren“, kommentierte der langgediente CDU-Parlamentarier Wolfang Gürth die Hängepartie auf Twitter. „Neuwahlen wären konsequent“, so der ehemalige Landtagspräsident, wobei er sich nicht auf Neuwahl eines Datenschutzbeauftragen bezogen haben dürfte, sondern auf die des Landtags.

Die Vorsitzende der mitregierenden SPD, Katja Pähle, spricht von „fehlender Geschlossenheit“, die der ganzen Koalition schade. Die oppositionelle Linksfraktion spricht von einer „Regierungskrise“. Nützen dürfte letztere vor allem der AfD, die in Umfragen im Bundesland mit der CDU gleichauf ist.

Mehr als fünf Jahre Hängepartie

Mit dem heutigen Wahldebakel schreibt Sachsen-Anhalt ein weiteres Kapitel einer absurden Hängepartie von gut fünfeinhalb Jahren. Es war Ende 2017, als der damalige Landesdatenschutzbeauftragte Harald von Bose in den Ruhestand gehen wollte. Trotz mehrerer Anläufe war der Magdeburger Landtag 2018 nicht in der Lage, den Posten neu zu besetzen. CDU und SPD hatten dem damaligen Grünen Koalitionspartner die Wahl eines Grünen Kandidaten zugesichert, doch Teile der CDU-Fraktion spielten nicht mit. Zwei Mal fiel der anerkannte Datenschützer Nils Leopold durch, am Ende musste Harald von Bose merklich genervt verlängern.

Ende 2020 schmiss er endgültig hin, sein Stellvertreter Albert Cohaus übernahm die Leitung der Behörde kommissarisch. Eigentlich hatten sich CDU und SPD 2022 mit dem neuen Koalitionspartner FDP darauf verständigt, diesen dann einfach formell in das Amt zu wählen. Von fünf Bewerbern erhielt Cohaus dann zwar die meisten Stimmen, aber in zwei Anläufen wieder nicht genügend. Wieder wurde gemunkelt, dass es an der mangelnden Disziplin der CDU-Fraktion gelegen habe.

In der Folge der Hängepartie änderten die Regierungsparteien schließlich das Besetzungsverfahren. Zunächst wurde die erforderliche Mehrheit für eine Wahl von zwei Dritteln auf eine einfache Mehrheit herabgesetzt. Als auch das nicht half, stellten CDU, SPD und FDP das Wahlverfahren kürzlich ganz um. Statt einem offenen Bewerbungsprozess mit öffentlicher Ausschreibung der Stelle kann nun nur noch gewählt werden, wer von einer Landtagsfraktion vorgeschlagen wird. Zudem wurde die Begrenzung der Amtszeit auf zehn Jahre abgeschafft.

Oberverwaltungsgericht hält Verfahren für transparent

An diesen Änderungen gab es heftige Kritik, nicht nur aus der Opposition, sondern auch von Sachverständigen bei einer Anhörung im Landtag. Sie sehen die Unabhängigkeit des Datenschutzbeauftragten in Gefahr und die Vorgaben an der EU an ein „transparentes Verfahren“ bei der Besetzung verletzt.

Der Jurist Malte Engeler* mischte aus diesem Grund auf den letzten Metern das Wahlverfahren auf. Als klar war, dass die Koalition mit Neugebauer nur einen Kandidaten vorschlagen würde, reichte er am vergangenen Freitag eine Initiativbewerbung für das Amt bei allen Landtagsfraktionen ein.

Unterstützt von der Transparenzorganisation FragDenStaat wollte Engeler erreichen, dass das Verfahren gerichtlich überprüft wird. Ihrer Ansicht nach bräuchte es für eine transparente Besetzung mindestens eine öffentliche Ausschreibung der Stelle, eine öffentliche Anhörung der Bewerber:innen, Transparenz bezüglich der Qualifikationen und die Dokumentation des Auswahlverfahrens.

Wäre es nach Engeler und FragDenStaat gegangen, hätte der Europäische Gerichtshof darüber entschieden, wie die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung auszulegen sind. Engeler wendete sich deshalb am Montag mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht Magdeburg. Das Gericht hätte die für Mittwoch angesetzte Wahl aussetzen können, lehnte Engelers Antrag jedoch am Dienstag ab. Der Jurist legte daraufhin Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht ein. Als auch dieses Engelers Antrag am heutigen Mittwoch ablehnte, schien der Weg für Neugebauers Wahl frei.

Regierungskrise könnte AfD nützen

„Damit stehen einer Durchführung der Wahl keine rechtlichen Hindernisse mehr entgegen“, leitete Landtagspräsident Gunnar Schellenberger den Tagesordnungspunkt am frühen Mittwochnachmittag ein. Ob er da schon ahnte, dass die Wahl erneut nicht an rechtlichen, sondern politischen Hindernissen scheitern würde?

Stunden später jedenfalls stehen CDU, SPD und FDP vor einem Scherbenhaufen. Insbesondere die CDU-Fraktion muss sich fragen lassen, warum Abgeordnete offenbar wiederholt Koalitionskompromisse kippen. Ministerpräsident Reiner Haseloff ringt seit langem mit einem Teil der Fraktion, der lieber mit der AfD als mit den Mitte-Parteien koalieren würde. Auch er selbst brauchte bei seiner Wahl zum Ministerpräsidenten trotz komfortabler Mehrheit zwei Anläufe.

Die Verkündung der Wahlergebnisse soll Haseloff, selbst Mitglied des Landtages, heute mit versteinerter Miene zur Kenntnis genommen haben. Sollte es tatsächlich zu einem Bruch der Koalition und zu Neuwahlen kommen, kann sich die AfD laut Umfragen sogar Hoffnungen machen, stärkste Fraktion zu werden. Entsprechend reagierte der AfD-Fraktionsvorsitzende bei Twitter auf Detlef Gurths Ruf nach Neuwahlen mit einem Daumen nach oben: „Wir unterstützen diesen Vorschlag.“

Grundsatzfrage bleibt ungeklärt

Auch für den Datenschutz in Sachsen-Anhalt ist die erneute Nichtwahl ein absolutes Debakel. Seit bald sechs Jahren sind CDU und SPD mit wechselnden Koalitionspartnern nicht in der Lage, eine Mehrheit für dieses Amt zu organisieren. Mit Daniel Neugebauer verlässt nun ein dritter Kandidat beschädigt das Wahlverfahren. Es dürfte schwer werden, in Zukunft überhaupt noch qualifizierte Kandidat:innen für das Amt zu finden.

Dabei sind die Aufgaben riesig. Erst kürzlich erschütterte ein Skandal um unberechtigte Datenabrufe durch eine Klinikmitarbeiterin das Bundesland. Eine Anfrage der Linksfraktion zeigte daraufhin, dass kaum kontrolliert wird, wie tausende Staatsbedienstete mit weitreichenden Datenzugriffsmöglichkeiten umgehen. Die Datenschutzbehörde gilt zudem seit Jahren als unterfinanziert. Jahrelang riefen von Bose und Cohaus nach mehr Personal, ohne nennenswerten Erfolg.

Unsicherheit bleibt auch in der Grundsatzfrage, wie ein transparentes Besetzungsverfahren für Datenschutzbeauftragte auszusehen hat. Malte Engeler und FragDenStaat jedenfalls sehen ihre Zweifel am Besetzungsverfahren in Sachsen-Anhalt und vielen anderen Bundesländern alles andere als ausgeräumt. „Die Ablehnung meines Antrags hat das OVG sehr sportlich damit begründet, dass die Europarechtskonformität derart auf der Hand liege, dass sich eine Vorlage an den EuGH erübrige“, sagt Engeler in einer Pressemitteilung.

Diese Argumentation sei nicht nachvollziehbar, so Engeler. „Die juristische Literatur vertritt vielfach, dass ein Ernennungsverfahren, bei dem einzig am Ende einer nicht-öffentlichen Vorauswahl eine Person gewählt wird, mit Artikel 53 der Datenschutz-Grundverordnung unvereinbar ist. Es geht gerade darum, die Unabhängigkeit der gewählten Person dadurch zu sichern, vorherige Einflussnahmen und Absprachen zu verhindern.“

Die Frage der Unabhängigkeit der Datenschutzbehörden bleibt also aktuell. Um so mehr in einem Bundesland, in dem die AfD zur stärksten Kraft werden könnte.  

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Oben           —         Landtag von Sachsen-Anhalt am Domplatz in Magdeburg

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Kein braunes Wunder

Erstellt von Redaktion am 27. Juni 2023

Dort, wo die AfD normalisiert ist, feiert sie Erfolge:

Ein Debattenbeitrag von Gareth Joswig

AfD gewinnt Landratswahl in Sonneberg. Der Sieg der Landratswahl in Sonneberg sollte insbesondere der Union zu denken geben. Es sollte der Union zu denken geben, dass sie in Umfragen nicht von den Problemen der Ampel-Koalition profitiert.

Es ist ein Fiasko mit Ansage: Die extrem rechte AfD hat im thüringischen Sonneberg erstmals eine Landratswahl gewonnen. Die AfD in Thüringen ist mit ihrem Anführer Björn Höcke die Speerspitze der völkischen Strömung in der Partei. Sie verfolgt eine neofaschistische Agenda, hetzt gegen Minderheiten, verstößt damit gegen grundsätzliche Demokratieprinzipien, verharmlost den historischen Nationalsozialismus und will den völkisch-autoritären Umbau des Staates.

Die Wäh­le­r*in­nen aus dem 56.000-Einwohner-Landkreis Sonneberg in Thüringen haben bei der Stichwahl für den Landrat trotzdem und zu einem großen Teil sicher auch genau deswegen für den AfD-Kandidaten Robert Sesselmann gestimmt. Die Wahlbeteiligung lag bei 58,2 Prozent, Sesselmann kam auf 52,8 Prozent der Stimmen.

Es ist ein Landkreis, in dem die AfD weitgehend normalisiert ist und in dem auch der CDU-Kandidat Jürgen Köpper mit knallhart-populistischen Parolen gegen die Bundesregierung in Berlin in den Wahlkampf gezogen ist. Die CDU hat hier 2021 für den Bundestag den rechten Schwurbler Hans-Georg Maaßen aufgestellt und im Kreistag ist es normal, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Die Brandmauer ist in Sonneberg nicht erst diesen Sonntag gefallen.

Vollumfänglich ausschlachten

Für die AfD ist die gewonnene Wahl ein lang ersehnter Meilenstein auf dem Weg zur Normalisierung. Obwohl es nur eine Landratswahl ist, werden die Rechten Sonneberg nun vollumfänglich ausschlachten, um sich vor der Landtagswahl 2024 in Stellung zu bringen: Die Parteispitze spricht vom „blauen Wunder“, das nur der Anfang sei und einer „Wende“ – absurde DDR-Vergleiche intendiert.

Tatsächlich wäre es dann auch eher ein „braunes Wunder“, denn kaum irgendwo ist die AfD so offen rechtsextrem wie in Thüringen. Dass sie ausgerechnet hier diesen in erster Linie symbolischen Erfolg einfährt, spricht dafür, wie weit in einigen Teilen insbesondere Ostdeutschlands die rechte Hegemonie – nicht nur durch die AfD – bereits etabliert ist.

Aber auch wenn sich die Wahl in Sonneberg nicht verallgemeinern lässt: Begünstigt wurde sie durch die Krise der Ampel und einen nach rechts kippenden öffentlichen Diskurs sowie multiple Krisen der Gegenwart: Eine im Geldbeutel spürbare Wirtschaftskrise und hohe Inflation infolge des russischen Angriffs auf die Ukraine, keine gleichmäßige Verteilung der Krisenlast und zu wenig soziale Gegenmaßnahmen, ein Heizungsgesetz ohne soziale Abfederung und vermeintliche Christdemokrat*innen, die Stimmung mit rechtem Kulturkampf und plumpen Rassismus machen.

Trifft diese toxische Mischung dann noch auf vorhandene rassistische und systemfeindliche Einstellungsmuster, sorgt das für einen Aufschwung der AfD, wie er hier zu beobachten ist.

Insbesondere die CDU sollte aus der Gesamtlage endlich Lehren ziehen. Wenn schon nicht aus intrinsischen humanistischen oder gar christlichen Motiven, dann doch bitte zumindest aus strategischen: Die CDU gefährdet mit ihrem Larifari-Abgrenzungskurs und der Anbiederung an AfD-Positionen nicht weniger als die Demokratie und erweitert die Grenzen des Sagbaren.

Begünstigt wurde sie durch die Krise der Ampel und einen nach rechts kippenden öffentlichen Diskurs sowie multiple Krisen der Gegenwart

Es sollte der Union zu denken geben, dass sie in Umfragen nicht von den Problemen der Ampel-Koalition profitiert. Der aktuelle Rechtsdrall der Union stärkt allein die AfD. Die Christdemokraten sollten rigoros umlenken, mit dem rechten Kulturkampf aufhören, sich auf Sachthemen und vernünftige demokratische Oppositionspolitik konzentrieren – und nicht den Diskurs verrohen.

Eines sollte man nicht tun angesichts von Sonneberg: resignieren. Sonneberg sollte Anlass für kritische Selbstreflektion sein und eine Stärkung inhaltlich unterscheidbarer und vernünftiger Positionen nach sich ziehen. Die Parteien sollten ohne populistische Entgleisungen um reale Alternativen streiten.

Denn die AfD hat nichts außer Fundamentalopposition zu bieten, sie schürt Abstiegsängste, gibt auf soziale Verteilungsfragen nur rassistische Antworten und vergiftet den demokratischen Diskurs. Bundesregierung und demokratische Opposition sind gefordert, gerade in der Krise auf tatsächlich soziale Verwerfung geeignete und vernünftige Antworten finden.

Quelle       :         TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben           —     View of the AfD rally in Mödlareuth, including Björn Höcke and Robert Sesselmann.

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Die Letzte Generation

Erstellt von Redaktion am 25. Juni 2023

„Schluss mit der Präventivhaft“

Von    : Herta Däubler-Gmelin als Gastbeitrag

Herta Däubler-Gmelins Expertise ist gefragt: als Vorsitzende der Berliner Kommission „Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen“ ebenso wie zur Kriminalisierung der Letzten Generation. Die Ex-Bundesjustizministerin (SPD) in einem Exklusiv-Beitrag für Kontext.

Die Aktionen der Letzten Generation spalten die Öffentlichkeit. Viele von uns unterstützen ihre Ziele mit gutem Grund: Wir wissen längst, dass nur noch wenig Zeit bleibt, um die Klimakrise nicht vollends zur Klimakatastrophe zu machen. Wir alle sehen auch, dass die Verantwortlichen in Regierungen und Parlamenten die notwendigen Veränderungen zu zögerlich vorantreiben können, weil der Einfluss der Lobby zu stark und die Trägheit vieler Bürgerinnen und Bürger zu groß ist. Viele lassen sich auch allzu gern von populistischen Beschwichtigern einlullen, obwohl wir jeden Tag mehr erleben, dass jedes weitere Verschieben der längst bekannten überfälligen Entscheidungen doppelt kostet und sich rächen wird.

Also: Alle müssen mehr tun, wir müssen unsere gewohnte Lebensweise verändern. Und zwar bald. Darauf muss immer wieder aufmerksam gemacht werden. Durch bessere politische Kommunikation – das ist eine wichtige Aufgabe nicht nur für Politiker:innen und Parteien, sondern auch für Journalisten, die sich heute viel zu viel darauf begrenzen, genüsslich den Streit und die Konflikte in der Regierung zu beschreiben.

Demonstrationen und Aktionen der Zivilgesellschaft gehören dazu. Die gibt es glücklicherweise, und sie sind, ebenso wie Kritik, nicht nur erlaubt, sondern geradezu Bürgerpflicht. Sie können Öffentlichkeit und Druck erzeugen und auf diese Weise mithelfen, die längst als erforderlich erkannten Änderungen gerade noch rechtzeitig genug umzusetzen.

Mehr Kreativität und Hirn

Das muss gelingen. Die Nachdenklichen unter den jungen Leuten wissen, was alle spüren: Heute wird über ihre Zukunft entschieden. Meine Enkelinnen und Enkel und weitere Generationen müssen die Chance bekommen, auch künftig selbstbestimmt in einer Gemeinschaft mit Freiheit, Schutz und Solidarität leben zu können. Das fordern sie in vielen Demonstrationen und Aktionen, von denen die meisten beeindruckend kreativ sind und bemerkenswert wenig über die Stränge schlagen.

Nicht so manche Aktivitäten der Letzten Generation: Deren Aktionen des zivilen Ungehorsams verletzen häufig Vorschriften, auch Gesetze. Das ist ein Problem, ohne Zweifel; in jedem Einzelfall müssen Ziel und Mittel in rechtsstaatlicher Balance stehen. Ihre Klebeaktionen beispielsweise sind ein Grenzfall. Sie nerven nicht nur die für die Trägheit politisch Verantwortlichen, sondern auch viele „normale“ Bürger, die sich ungern behelligen lassen, obwohl auch sie aufgerüttelt werden müssen: Wer, wie ich, im E-Auto in Berlin (nicht in Tübingen, da hat sich OB Palmer vernünftigerweise mit den Aktivisten auseinandergesetzt) mehr als eine Stunde in einem Kleber-Stau stand, hat für den Zorn vieler Aufgestauter durchaus Verständnis. Allerdings bleibt die Frage unbeantwortet, ob die Empörten, die bei solchen Gelegenheiten am liebsten in die Reporter-Mikrofone beißen würden, sich in den heute normalen verkehrsbedingten Staus vergleichbar echauffieren.

Ich finde auch die Farb- oder Kartoffelbreiattacken auf berühmte Museumsbilder und manches andere schlicht blöd und wünsche mir mehr Kreativität und Hirn, um durch bessere Demonstrationsformen die notwendige Klimapolitik im Mittelpunkt der öffentlichen Aufmerksamkeit zu halten und nicht durch die Aufregung über zweifelhafte Methoden abzulenken. Die Forderung der Letzten Generation nach „Bürgerräten“ halte ich für politisch falsch und für eher naiv. Zwar sehe ich, dass damit die Zuständigkeit der verfassungsgemäß gewählten Parlamente keineswegs verdrängt werden soll. Ich sehe jedoch nicht, warum und wie Bürgerräte eine weniger träge oder weniger durch Lobbyisten beeinflusste Klimapolitik durchsetzen könnten. Vorgeschaltete Beratungen von Bürgerräten würden die Willensbildung nur weiter verlängern. Tempo 30 in Ortschaften und Tempo 100 im Übrigen wäre konsequenter und wirksamer.

Söder sollte besser Bäume umarmen

Söder – Holz zu Holz und Hirn zu Hirn

Kritik ist also nicht nur an der Trägheit der Regierenden und unserer Gesellschaft geboten; ich halte auch die Auseinandersetzung über manche Aktivitäten der Letzten Generation für völlig berechtigt!

Aber ist es deshalb vertretbar oder gar richtig, diese Gruppe als „Terroristen“, „Ökoterroristen“ oder Kriminelle abzustempeln, wie das von besonders prägnanten Lautsprechern der politischen Rechten mittlerweile geschieht? Und ist es zulässig, Mitglieder dieser Gruppe durch Polizei und Justiz entsprechend strafrechtlich zu verfolgen? Klare Antwort: nein, ganz sicher nicht.

Quelle       :          KONTEXT-Wochenzeung-online        >>>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Mehr Infos: www.mehr-demokratie.de/erfahrungsbericht-karlsruhe.html

2.) von Oben      —     Der Aufstand der Letzten Generation blockiert Straße am Hauptbahnhof, stehend Lina Eichler, Berlin, 28.01.22

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Unten       —

Letzte Generation Löwenbräukeller Munich Dachauer Strasse 2023-06-12

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Kolumne-Wir retten die Welt

Erstellt von Redaktion am 23. Juni 2023

Climate change is coming home

Datei:120613 Doppelleben Artwork.pdf

Eine Kolumne von Bernhard Pötter

Ich hänge an unserem alten Opel Zafira. Von der Zweifamilienkutsche mit viel Geschichte und noch mehr Beulen komme ich nicht los. Auch wenn ich die Kiste immer wieder abschaffen wollte, die Verbindung ist sehr schwer zu lösen.

Besonders in diesen Tagen: Da stand die Karre so lange unter den Linden in der Nachbarschaft, dass sie nun völlig verklebt ist. Man kriegt die Tür kaum auf. Danach bekommt man die Hand nicht mehr vom Türgriff weg. Und als unsere Carsharing-Freunde den Zafira durch die Waschstraße fahren wollten, wurden sie wieder weggeschickt: „Kein Wasser da!“

Ich war erschüttert. Es gibt kein Wasser mehr, um Autos zu waschen? Ist denn gar nichts mehr heilig? Könnte man nicht dem Kindergarten gegenüber das Trinkwasser abdrehen? Offenbar erreicht dieser Klimawandel, von dem alle reden, die Menschen, die ihm nie etwas getan haben. Dabei versuchen unsere Regierenden doch seit Jahrzehnten alles, um die klebrigen, hitzigen Fragen von ihren WählerInnen fernzuhalten: „Wir haben das im Griff“, heißt es. „Irgendwer erfindet sicher ein billiges Mittel dagegen. Nichts muss sich ändern, keiner wird was merken.“

Nun aber das: Kein Wasser mehr, um die Greens der Golfplätze grün zu halten. Bier wird teurer, weil Getreide bewässert werden muss. In Frankreich fällt der Atomstrom aus, weil die Flüsse kein Kühlwasser mehr liefern. Bei Stark­regen saufen U-Bahn-Schächte und Autobahntunnel ab. Profi-Fußballer machen Trinkpausen während der Partie. Unsere Zweitwohnungen am Mittelmeer sinken im Wert, weil sie keine Klima(!)anlage haben und es schwieriger wird, den Pool zu füllen. Und wenn die Klimakleber mal verhindert sind, klebt das Wetter selbst die Privatjets auf der aufgeweichten Rollbahn fest.

Bisher wurden nur Öko-Radikalinskis und Grüne abgestraft, wenn sie uns mit diesem Thema zu sehr auf den Wecker gingen. Wer uns das Heizen mit Klimakillern vermiesen will, wird medial und von WählerInnen abgewatscht. Wer Alternativen zur herrschenden Verantwortungslosigkeit fordert, wird als Terrorist behandelt. Aber plötzlich gilt das Ver­ursacherprinzip? Climate change is coming home und bringt die Hitze und das Chaos nicht mehr nur zu den Armen und Schwachen. Sondern auch dahin zurück, wo die Probleme herkommen: auf das Sonnendeck der globalen Arche Noah, in die Luxus-Spas der Spaßgesellschaft.

Quelle       :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —  Plakat „Doppelleben – Der Film“

Verfasser DWolfsperger      /      Quelle    :   Eigene Arbeit      /      Datum    :    1. August 2012

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Namensnennung-Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Deutschland Lizenz.

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Linke vor der Spaltung

Erstellt von Redaktion am 18. Juni 2023

Krise bei der Linkspartei

Von Pascal Beucker und Anna Lehmann

Lange hat die Linke gebraucht, um mit Wagenknecht zu brechen. Deren Anhänger werben für die Abspaltung, die anderen rücken zusammen.

Wenigstens ihren Zweckoptimismus hat die Linke noch nicht verloren. „Unser Plan 2025: Comeback einer starken LINKEN“, ist das Strategiepapier überschrieben, das der Bundesvorstand der zerzausten Partei auf seiner letzten Sitzung beschlossen hat. Der erste Satz: „Die LINKE wird dringend gebraucht.“ Der letzte Satz: „Wir ziehen souverän wieder in den Bundestag ein.“ Klingt eigentlich ganz einfach. Allerdings stehen zwischen dem ersten und dem letzten Satz mehr als 9.000 Zeichen – und ein übergroßer Berg an Problemen, die in einem Namen kulminieren: Sahra Wagenknecht.

Die Linke hat lange gebraucht, um zu begreifen, dass es keinen gemeinsamen Weg mit der chronisch quertreibenden Bundestagsabgeordneten und ihren Anhänger:in­nen mehr gibt. Einen letzten Versuch, zu retten, was längst nicht mehr zu retten ist, haben die Parteivorsitzenden Janine Wissler und Martin Schirdewan am 25. Mai gestartet.

Da trafen sie sich zu einem vertraulichen Gespräch mit Wagenknecht. Bei dem Treffen, an dem auch die beiden Bundestagsfraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali teilnahmen, stellten sie Wagenknecht ein Ultimatum, zeitnah und öffentlich von Plänen zur Gründung eines konkurrierenden Parteiprojektes Abstand zu nehmen und entsprechende Vorbereitungen umgehend einzustellen.

Nachdem Wagenknecht dazu nicht bereit war, beschloss der Parteivorstand am 10. Juni einstimmig: „Die Zukunft der Linken ist eine Zukunft ohne Sahra Wagenknecht.“ Und nicht nur das. Auch alle, die sich am Projekt einer konkurrierenden Partei beteiligten, sollten ihre Mandate zurückgeben.

Heftig empört

Umgehend meldeten sich sechs Bundestagsabgeordnete zu Wort, die dem Wagenknecht-Lager zugerechnet werden, unter anderem Sevim Dagdelen und Klaus Ernst. Niemand bestritt die Vorwürfe des Vorstands in Bezug auf die Pläne zur Gründung eines Konkurrenzprojekts und dass Ressourcen aus für die Linkspartei gewonnenen Mandaten für den Aufbau genutzt werden. Und niemand distanzierte sich von den Spaltungsaktivitäten.

Aber allesamt empörten sie sich heftig darüber, dass der Linken-Vorstand solch eindeutig parteischädigendes Treiben nicht mehr länger hinnehmen will. Mit dem Parteivorstandsbeschluss werde „der Kurs der Parteiführung in Richtung einer bedeutungslosen Sekte noch verschärft“, twitterte Dağdelen.

Die Co-Fraktionsvorsitzende Mohamed Ali schrieb, sie halte den Beschluss „für einen großen Fehler und einer Partei unwürdig, die sich Solidarität und Pluralität auf die Fahnen schreibt“. Damit stellte sie sich gegen Dietmar Bartsch, der am Dienstag überraschend der Parteiführung beipflichtete. „Ich will in großer Klarheit deutlich machen, dass ich es auch als völlig inakzeptabel ansehe, wenn man den Versuch unternimmt, eine neue Partei zu gründen, oder Gespräche führt, eine neue Partei ins Leben zu rufen“, sagte er. Bisher war die Fraktionsspitze stets bemüht, Einigkeit zu vermitteln. Jetzt zeigt der Konflikt, wie blank die Nerven liegen.

Wagenknechts Partei

Selbst Gregor Gysi, der sich lange um Sahra Wagenknecht als Fraktionsmitglied bemühte, geht mittlerweile auf Distanz zu ihr: „Wenn sie eine neue Partei gründet, dann muss sie ihr Mandat niederlegen“, erklärte der frühere Partei- und Fraktionschef am Freitag. „Alles andere wäre unmoralischer Mandatsklau“.

Die Frage, ob Wagenknecht ein Konkurrenzprojekt zur Linken gründet, ist längst keine politische mehr, sondern nur noch eine technische. Und daran lässt die 53-Jährige inzwischen auch selbst keinen Zweifel. Eine Partei, „die dann auch erfolgreich sein soll“, ließe sich „nicht mal eben so“ gründen, bekundete sie am Dienstag in einem Interview mit dem WDR. Viele würden jedoch derzeit versuchen, die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

„Wenn die Voraussetzungen einer neuen Partei nicht geschaffen werden, dann werde ich mich nach Ende dieser Legislatur ins Privatleben zurückziehen“, sagte sie. „Aber ich müsste damit den Anspruch aufgeben, politisch noch etwas zu verändern, und ich würde mir schon wünschen, ich könnte noch etwas verändern.“

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Das war der ertse Versuch

Bis spätestens Ende des Jahres will sie sich entscheiden, ob sie den Sprung wagen will. Ein denkbares Szenario ist der Bruch im Oktober nach der Landtagswahl in Hessen, bei der die Links­partei wohl ihre letzte parlamentarische Vertretung in einem westdeutschen Flächenland verlieren wird.

Abspaltungszentrum in Sachsen

Möglich ist auch eine Abspaltung im zeitlichen Umfeld des für Mitte November geplanten Bundesparteitags. Um ein konkurrierendes Wahlbündnis für die Europawahl im Juni 2024 zu schmieden, wäre allerdings auch eine Trennung bis Anfang nächsten Jahres ausreichend.

Für den Bundestagsfraktionschef Bartsch hat die Bewahrung des Fraktionsstatus, der schon beim Abgang von drei Abgeordneten verlustig gehen würde, oberste Priorität. Gleichzeitig ist er alarmiert, denn selbst aus seinem eigenen Landesverband in Mecklenburg-Vorpommern gibt es eindeutige ­Signale, dass es so nicht weitergehen kann. Denn die Abspaltungs­tendenzen sind unübersehbar. Der Spiegel schreibt sogar, es gebe „Screenshots von Mails und SMS aus mehreren ostdeutschen Landesverbänden“, die belegen würden, dass Kom­mu­nal­po­li­ti­ke­r:in­nen direkt von Wagenknechts engerem Kreis ­angesprochen wurden, ob sie am Konkurrenzprojekt teilnehmen wollten.

Ein Zentrum der Spaltungsaktivitäten ist Sachsen, in den 1990ern und den Nullerjahren eine Hochburg der damaligen PDS. Im größten ostdeutschen Landesverband versucht die Ex-Bundestagsabgeordnete Sabine Zimmermann, offensiv Mitglieder aus der Linken für das geplante Konkurrenzprojekt zu gewinnen.

Als die Landesvorsitzenden Susanne Schaper und Stefan Hartmann Wind davon bekamen, schrieben sie Zimmermann einen Brief, baten sie um Stellungnahme und warnten: „Wenn Du Dich weiterhin an der Neugründung einer Partei beteiligen willst, legen wir Dir nahe, unsere Partei zu verlassen.“

Selbst Gregor Gysi geht nun auf Distanz zu Sahra Wagenknecht

Direkt antwortete Zimmermann den Ab­sen­de­r:in­nen nicht. Die Reaktion der 62-jährigen Gewerkschafterin konnten sie stattdessen am Mittwoch in der Chemnitzer Freien Presse lesen. In dem Interview bestritt Zimmermann die Abwerbeversuche keineswegs, vielmehr freute sie sich über den Zuspruch: „Da verkennt die Partei die Lage, wie viele mitgehen werden“, sagte sie. Ansonsten könne sie keine Details nennen, sondern nur sagen, „dass wir vom Wagenknecht-Flügel uns in einem konstruktiven Klärungsprozess befinden“. Alles hänge von Wagenknecht ab. „Ohne sie würde eine Neugründung kaum Sinn machen“, so Zimmermann. „Wir müssen schnell handeln können, sobald die Entscheidung steht.“

Eine solche Wagenknecht-Partei, die sich gesellschafts- und migrationspolitisch rechts und sozialpolitisch links verortet, würde zuvorderst auf Stimmen aus dem Nicht­wäh­le­r:in­nen­spek­trum und auch derzeitiger AfD-­Wäh­le­r:in­nen setzen, wäre aber für die schwer kriselnde Linke gleichwohl existenzbedrohend.

Landesvorstand beriet über Gegenstrategie

Qielle        :          TAZ-online           >>>>>        weiterlesen

Hier eine Analyse zum Thema vom 15. Junis  2023

Ein Debattenbeitrag von Thorsten Holzhauser

Nationalisten und „Linkskonservative“ – ein Blick ins europäische Ausland gibt eine Ahnung vom Programm einer möglichen neuen Wagenknecht-Partei.

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Oben       —       26.06.2019 Für eine soziale Politik Leipzig Der bisher heißeste Tag im Jahr mit Temperaturen um die achtunddreißig Grad Celsius konnte an die 1000 Leipziger*innen nicht davon abhalten, sich auf dem Marktplatz zu versammeln. Die Kundgebung bei der Sahra Wagenknecht zu den Standpunkten sozialer Politik der Bundestagsfraktion Die Linke sprach, wurde musikalisch von der Gruppe Karussell begleitet, welche in Leipzig ein Heimspiel hatten.

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Band „Rammstein“

Erstellt von Redaktion am 16. Juni 2023

Keine Bühne für Rammstein

Wem sind die Flügel wichtig wenn es im Kopf fehlt.

Von    :    Jimmy Bulanik

Die Staatsanwalt Berlin ermittelt in einem Offizialdelikt nach www.gesetze-im-internet.de/stgb/__177.html Sexueller Übergriff, sexuelle Nötigung, Vergewaltigung wegen eines Anfangsverdachtes nach Legalitätsprinzip, § 152, Abs. 2 gegen sechzigjährigen Till Lindemann, der Band „Rammstein“ nach mehrer Strafanzeigen und Strafanträgen wegen in aller in Betracht kommenden Delikten.

Diverse natürliche Personen erheben gänzlich ernste Vorwürfe in der Sache. Für die Staatsanwaltschaft Berlin sind dies Zeuginnen. Es obliegt der Justiz die Stärke dieser Zeuginnen zu bewerten. Aufgrund der Historie, Texte, Videos und Auftritte gibt es keine Zweifel respektive der Geisteshaltung diese Narrative sind.

Die Britta Häfemeier hat auf Campact e.V. eine Petition gestartet. Der Titel lautet, „Keine Bühne für Rammstein“.

Quelle:

weact.campact.de/petitions/keine-buhne-fur-rammstein

An: Iris Spranger (Senatorin für Inneres und Sport), Joe Chialo (Senator für Kultur und Gesellschaftlichen Zusammenhalt), Timo Rohwedder (Geschäftsführer Olympiastadion Berlin GmbH)

Der Rammstein-Sänger Till Lindemann soll junge Frauen bei Konzerten reihenweise und systematisch sexuell missbraucht haben [1].

Die Band lässt sich weiter feiern – momentan ist sie in ganz Europa auf Tour. Mitte Juli kommt Lindemann nach Berlin und spielt an drei ausverkauften Abenden vor 75.000 Menschen im Olympiastadion. Doch solange die Vorwürfe nicht geklärt sind, sind Konzerte der Band kein sicherer Ort für Mädchen und Frauen. Jetzt gilt es zu zeigen, dass Berliner*innen mutmaßlichen Tätern #KeineBühne bieten.

Machtmissbrauch und patriarchale Strukturen in der Medien- und Kulturbranche sind kein Einzelfall. Wir glauben den Opfern von sexualisierter Gewalt – immer und überall!

Das Olympiastadion ist im Besitz des Landes Berlin. Damit ist die rot-schwarze Landesregierung in der Verantwortung: Sie kann sich dafür einsetzen, dass das Olympiastadion die Verträge mit Rammstein kündigt. Die zuständigen Senator*innen Spranger und Chialo müssen jetzt handeln. Die Übergriffe dürfen sich nicht wiederholen. Die Rammstein-Konzerte müssen abgesagt werden! Berlin darf nicht zum Ort für sexuellen Missbrauch werden! Wir feiern keine Täter!

Warum ist das wichtig?
In ganz Europa geht Rammstein auf Tour. In Berlin haben wir gute Chancen, die Konzerte zu stoppen. Denn hier gibt es eine ganz konkrete Handhabe über die Landesregierung. Wenn wir in Berlin Erfolg haben, kann das auch private Betreiber von Eventlocations in anderen Städten unter Druck setzen. Jeder Raum weniger für die Machenschaften von Lindemann zählt!

Es muss endlich Konsequenzen für Täter geben! Es kann nicht sein, dass Till Lindemann sich in Berlin feiern lässt. Ein Rammstein-Konzert ist KEIN SICHERER Ort.

Erstunterzeichner*innen:

Gender Equality Media e.V. – Gegen medialen Sexismus
Kali Feminists – §218 und §219a wegstreiken
KEINE SHOW FÜR TÄTER
Women For Change
Gynformation
Pinkstinks germany e.V

Alle Leserinnen und Leser haben das freie Recht sich mit den Zielen der Petition mittels der Unterzeichnung und Verbreitung zu solidarisieren. Es handelt sich dabei um ein sakrosantes Grundrecht. Nicht jede Gesinnung ist eine legitime Grundlage für ein Geschäftsmodell, die Maximierung von Profit.

Die Solidarität ist eine erstrebenswerte Tugend, welche durch die eigene Zivilcourage mit Leben gefüllt wird.

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Oben     —     Rammstein, playing „Engel“ in Mexico City, May/27/2011

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Die bunte Linke

Erstellt von Redaktion am 10. Juni 2023

Zu Ramstein, Lafontaine und DIE „LINKE“ imBund und Saarland

Ein Kommentar von Wolfgang Gerecht,

Die Bewegungs-Linken und Regierungs-Sozialisten im Partei-Vorstand mit den beiden Vorsitzenden weigern sich schon seit der BTW vom 26.09.2021 eine Analyse der verheerenden Wahlniederlage zu erstellen. An der Spitze der Verweigerer, die Spitzen-Kandidatin Frau Wißler, die damals als Wahlziel 10% angegeben hat.

Wir alle wissen, es wurden klägliche 4,9%. Die aktuellen Umfragewerte pendeln seitdem zwischen 5% und 4%.

Herr Schirdewan schwadroniert mit einer „Beschwerde“ über Frau Wagenknecht, dass deren Verhalten eine „Respektlosigkeit“ gegenüber den Mitgliedern sei, die sich täglich für deren Inhalte einsetzten.

Ein sich „tägliches Einsetzen für n e b u l ö s e „Inhalte“ ist ein Mißbrauch des Vertrauens von „gutgläubigen“ Mitgliedern. Dass die Partei unter Vorsitz von Wißler und den Thüringern Hennig-Wellsow und Schirdewan sage und schreibe, 6.467 Mitglieder in nur e i n e m Jahr (2022) verloren hat, davon ist von Herrn Schirdewan n i c h t s zu hören.

„Respektlosigkeit“ gegenüber den Mitgliedern kann sich der „Bewegungsorientierte und Mit-Regierende“ Partei-Vorstand wirklich auf seine „Fahne“ schreiben.

Auch auf dem Internet-Blog „Demokratisch-Links“ der vorwiegend von wirklichen und vermeintlichen „echten“ Linken aus dem Saarland besucht und kommentiert wird, gibt es nichts Wichtigeres in der saarländische (kleinen) Welt, als sich an Frau Wagenknecht und deren Herrn Lafontaine abzuarbeiten.

Der geplante Auftritt von Herrn Lafontaine am 24.06.2023 in Ramstein (www.stoppramstein.de) wird sogar von dem saarländischen Bundestagsabgeordneten, Herrn Lutze, mit 10 von ihm gespendeten Frei (Fahr) Karten gefördert. Das bedeutet, dass Herr Lutze, einen diesbezüglichen übergeordneten politischen Blick für das Anliegen, welches in Ramstein öffentlich vertreten wird, hat.

Er steht sicherlich außer jedem Verdacht ein (persönlicher) Anhänger von Herrn Lafontaine zu sein. Also, was soll das „Gemecker“ der „Kritiker Innen“ über den OLAF-Auftritt in Ramstein?

Fotos von Mitfahrer Innen an den Saarland-Haltestellen zu machen und die Anregung „Tomaten zu sammeln“ zeigt das politische Niveau dieser Kommentatoren und nebenbei derer (demokratischen) Charakter-Eigenschaften. Das sich ständig wiederholende Meckern über Frau Wagenknecht und deren angeblich NRW (BTW)-Wahlergebnis, führt doch auch nicht weiter.

Sinnvoller für die selbsternannten „echten“ LINKEN im DL-Saarland wäre es doch, den geschäftsführenden LAVO mit Frau Spaniol an der
Spitze und ihren weiblichen Mitstreiter Innen, Neumann, Ensch-Engel, Geißinger und den Herren Mannschatz, Bierth und Neumann tatkräftig vor Ort zu unterstützen, um die Zeit bis zur bevorstehenden Kommunalwahl im Jahr 2024 konstruktiv für ein gutes Ergebnis zu nutzen.

Ausweislich der vielen Fotos mit den entsprechenden Erläuterungen auf https://dielinkesaar.de/index.php?id=Blog zeigt doch die umfangreiche und ständige Aktivität der saarländischen Parteiführung
in Sachen Präsenz in der „Öffentlichkeit“, bei den Wahlberechtigten.

Bleibt noch anzumerken, dass auch die Vorsitzende der SAAR-LINKEN selbst über „ihren“ Kreisverband Saar-Pfalz für „Stopp Ramstein“ für die Busmitfahrt mobilisiert. Ein vorbildliches Verhalten für eine konkrete „Bündnis-Politik“, indem sich DIE „LINKE“ Saarpfalz mit „attac“-Gruppe „Untere Saar“ zusammentut.

https://www.merkur.de/politik/moegliche-wagenknecht-partei-so-reagiert-die-linke-zr-92323097.html
Mögliche Wagenknecht-Partei? So reagiert die Linke.

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Oben     —    Foto: Martin Heinlein

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Ein patriotisches Bekenntnis

Erstellt von Redaktion am 8. Juni 2023

Der Beitrag von Kirche und Staatsreligion zur herrschenden Kriegsmoral

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Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von               :      Manfred Henleon

Anlässlich der Verleihung des Karlspreises 2023 an den ukrainischen Oberbefehlshaber und dem ihm unterstehenden ukrainischen Volk für seinen Opfergang im übergeordneten NATO-Interesse, sehen sich Kirche und herrschende Staatsreligion aufgefordert, auch ihrerseits einen unbedingt offensiv-konstruktiven Beitrag zur herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda zu leisten.

1. Ein patriotisches Bekenntnis

Dies gemäss kirchlich-religiöser Tradition in Form einer Predigt und in Gestalt eines kirchlichen Würdenträgers, eines Bischofs. Eines Bischofs, der „bewusst als Angehöriger meines Volkes…als Deutscher“1 spricht. Das patriotisch-parteiliche Bekenntnis von Kirche und etablierter Staatsreligion zur demokratisch herrschenden „weltlichen Obrigkeit“ und ihrer jeweiligen Staatsräson ist erstens verlangt und zweitens Grundlage der staatlich erlaubten und gebotenen Freiheit der religiösen Verkündung und Betätigung.

Drittens gebietet das religiöse Selbstverständnis von sich aus, dem Bösen und Sündhaften entgegen zu treten. Diesen drei Maximen entsprechend haben Vatikan, Kirche und Staatsreligion seit jeher, von einigen wenigen und insofern harmlosen Abweichlern abgesehen, jede Gewalttat und Schlächterei ihres irdischen Oberhirten und Herren befürwortet und den kirchlich-religiösen Segen einschliesslich der Sieges-Hoffnung für das eigene Allgemeinwohl erteilt: sei es durch affirmatives Schweigen oder gleich als offensiv-militantes Bekenntnis zur herrschenden Kriegsmoral. Die hat heute dieses Gesicht:

Mit dem Ukrainekrieg und der von ihm – angeblich sachzwangmässig – ausgelösten »Zeitenwende« hat sich in Kürze eine Kriegsmoral durchgesetzt, die die neuen Zeiten beinahe euphorisch als Beendigung der westlichen Agonie des Zauderns und Zögerns begrüsst. Militarisierung, erfolgreiche Kriegsführung, innere Feindbekämpfung und eine unverbrüchliche Partnerschaft mit den Freiheitskämpfern der Ukraine geben den Ton an und abweichende Meinungen werden immer weniger toleriert. (N.Wohlfahrt/J.Schillo,2023)2

Die kirchlich-religiöse Befürwortung der jeweils geltenden Kriegsmoral, Kriegspropaganda und eines geplanten oder laufenden Krieges ist zwar im Westen nichts Neues. Wie sich gegenwärtig das militant-gewaltbereite, religiöse deutsche Bekenntnis in seiner Predigt und Fürbitte für den Sieg über Russland unter Indienstnahme der ukrainischen Bevölkerung vorträgt und begründet, ist einer kurzen, näheren Betrachtung würdig.

2. Der Krieg als anthropologische Verharmlosung

Dass die demokratische Obrigkeit jederzeit gewaltbereites Subjekt und Veranstalter des Krieges und der damit angeordneten Gewalttat und Schlächterei mithilfe modernster Waffengattungen um des Kriegsziels und Sieges willen ist, ist ein unangenehmer Sachverhalt und wirft kein gutes Licht auf dieses zu jeglicher Gewaltanwendung bereite politische Subjekt. Dieser Sachverhalt bedarf einer grundsätzlichen Umdeutung und kirchlich-religiösen Ermahnung:

„die Gewalttätigkeit des Menschen hat ihren Ursprung nicht etwa in der Religion selbst, sondern im Herzen des Menschen. Gewalt entsteht immer zuerst in unserem eigenen Denken, Sinnen und Trachten.“

Entschuldigt und aus der Schusslinie genommen sind somit Religion und Staat: Erstere in neuerer Geschichte als Befürwortung und Seligsprechung staatlicher und kriegerischer Gewalt, Letzterer als Urheber und Autor der diversen Schlachtfelder und des Abschlachtens. Die „Gewalttätigkeit“, die in uns allen lauert, bricht sich einfach, grundlos und unberechenbar ab und zu Bahn und ergibt dies moralisch und menschlich-human nicht hinzunehmende Resultat:

Und wie der Krieg so alle Gewaltausbrüche Einzelner oder im Kollektiv spontan oder als organisierter Mob auf der Strasse oder in Hooligan-Fan-Gruppen im Sport oder in netzwerkartig organisierter Kriminalität.

Dergestalt die staatliche Gewaltbereitschaft zum Krieg und die demokratisch organisierten Kriege in eine anthropologische Natureigenschaft urmenschlicher Böswilligkeit verharmlost und entpolitisiert, ruft, sehnt sich nach einer überlegenen ordnenden Gewalt, die der böswilligen menschlichen Gewalt, dem „dauernden Drang zur Selbstgerechtigkeit, denn das ist die Quelle aller Gewalt im Herzen des Menschen: die isolierte Selbstbezogenheit“ Einhalt gebietet.

3. Gewalt und Krieg – Höhepunkt der abendländischen Zivilisation und Menschlichkeit

Gottlob, aber keineswegs zufällig, steht die Errettung der Menschlichkeit und Menschheit gegenüber ihrer eigenen böswilligen, anthropologisch verankerten Gewaltbereitschaft längst vor der Tür; und tritt als zivilisatorischer Höhepunkt dem urzeitlich-paläogenetischen Willen zur Gewaltbereitschaft entschieden gewaltbereit entgegen:

Jahrtausende unserer europäischen Geschichte hat es gebraucht, bis wir das strikte Gewaltmonopol des Staates erreicht hatten. Zu dieser zivilisatorischen Errungenschaft gehört es, dass ausschliesslich Polizeikräfte und das Militär Gewalt einsetzen dürfen, dies aber wiederum nur im Rahmen des Rechtsstaates zur Sicherung und Durchsetzung des Rechts im Inneren und zur Verteidigung der staatlichen Sicherheit nach aussen im Rahmen des Völkerrechts.

File:2022 Aachen, Centre Charlemagne (53).jpg

Die als offensiv-konstruktiver Beitrag zur herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda vorgetragene Predigt und Fürbitte seitens der Kirche und Staatsreligion feiert die deutsch-europäische und westliche staatliche Gewalt mit ihren Kriegen als eine „zivilisatorische Errungenschaft“, die „wir“, als der europäische, also der vorbildlichste Teil der Menschheit, „uns“ gegeben haben. Die Rechtfertigung und Lobpreisung dieser „zivilisatorischen Errungenschaft“ machen andererseits einige Auslassungen in der historischen Erinnerungsarbeit notwendig: Kriegsführung nach dem Prinzip Shock and Awe („Angst und Entsetzen“), hie und da ein kleiner Wort- und Völkerrechtsbruch, hie und da ein Krieg auch ohne UN-Mandat, hie und da Erschaffung von und Kooperation mit Diktaturen, „Autokratien“ und ähnlichen „Werte-Partnern“, inklusive Folter und eigenen Foltergefängnissen, natürlich blacksites – und dergleichen mehr. Solche Erinnerungen vertragen sich nicht gut mit der herrschenden Kriegsmoral und Kriegspropaganda.

Und kommen sie doch zur Sprache so ist ausgemacht, dass sie der russischen Fehl- und Desinformation, Faktenfälschung, Putinversteherei und Putin-Parteinahme im ausschliesslich russisch geführten Informationskrieg entspringen. Gleichermassen und insbesondere gilt dies der 30-jährigen Vorgeschichte und gegenwärtigen Geschichte zum Krieg in der Ukraine: Vorgeschichte und gegenwärtige Geschichte sind öffentlich so zubereitet, dass die kriegsmoralisch und kriegspropagandistisch relevante Frage von Schuld und Bösartigkeit, von Unschuld und Gutwilligkeit, von Aggression und Verteidigung, von Täter und Opfer keine öffentliche Frage mehr ist. Die Rollenverteilung ist auch für Kirche und Staatsreligion geklärt, denn: „Es gilt das gesprochene Wort“.

Die auf diese Weise moralisch bereinigte westliche Gewaltbereitschaft und Gewalt ist nur gerecht: Im Krieg des Westens gegen die Russische Föderation mittels des ukrainischen Territoriums und der ukrainischen Bevölkerung erweisen sich kontinuierlich eskalierende Waffenlieferungen, die Aufherrschung eines gnadenlosen Stellungs-, Graben- und Zermürbungskrieges bis hin zur Hinterlassenschaft einer ruinierten, gegebenenfalls auch atomar verseuchten Ukraine3 als gerechter Krieg (bellum justum). Der erteilt seinen kriegsmoralischen Segen dem demokratisch ohnehin beschlossenen Krieg (jus ad bellum) gegen Russland einschliesslich der Beachtung des humanitären Rechts im Krieg (jus in bello). In dem zählt ausschliesslich der kompromisslose militärische und weltpolitische Sieg über Russland. Und da geht es um nichts Höheres als:

„Das weit verbreitete Wort ist wahr: Krieg ist eine Niederlage der Menschlichkeit.“

Und, wie bekannt, sind Kriege zur Verteidigung der Wahrheit, der Menschheit und der Menschlichkeit gegen das Unwahre und Unmenschliche die rücksichtslosesten und grausamst geführten Kriege. Dieser „zivilisatorischen Errungenschaft“ des Westens und der NATO nach sieht die Ukraine gegenwärtig aus.

In der kriegsmoralischen und kriegspropagandistisch öffentlich erzeugten Betrachtungsweise stellt die weltweit agierende, kriegsträchtige, NATO-bewaffnete europäische Friedensordnung die „Höhe der Zivilisationsgeschichte der Menschheit“ dar. Diese Friedensordnung hat es neben ihren in aller Handlungsfreiheit veranstalteten zahllosen Kriegen zur faktischen Eingemeindung der Ukraine in die NATO und in das Projekt der endgültigen Herabstufung oder Zerstörung Russlands mittels des Krieges in der Ukraine gebracht. Diese „grossen zivilisatorische Errungenschaft der Menschheit“ gilt es mit aller gebotenen Gewalt zu verteidigen. Will heissen, zu ihrem erfolgreichen Abschluss zu bringen.

4. Das ukrainische Erfolgsmodell – zivilisatorisches Schutzschild gegen das Böse

Das westliche Angebot an die Ukraine, sich im Krieg gegen Russland zu bewähren und in diesem westlicherseits ihm angetragenen Überlebenskampf seine Staats- und Nationenwerdung als antirussischer NATO-Frontstaat zur Vollendung zu bringen, lässt sich die ukrainische Führung nicht zweimal sagen. Mittels Eingemeindung in EU und NATO sich einen rein ukrainischen Erfolgsweg zu eröffnen und sicherzustellen, um innerhalb uns ausserhalb der EU ein respektables aussenpolitisches Gewicht zu erlangen, ist längst ukrainische Staatsräson und geht konform mit dem westlichen Kriegsziel der Benutzung der Ukraine als Waffe zur weltpolitischen Zurückstufung oder definitiven Zerstörung Russlands. Dementsprechend herrscht Einigkeit in der Bestimmung des gegenwärtigen, realen Hauptfeindes – als Verkörperung des Aggressiven und Emanation des Bösen schlechthin: kriegsmoralisch, kriegspropagandistisch und kirchlich-religiös gewendet. In ukrainischen Worten:
Ukraine is now the wall that protects European civilization, so it is in the interests of Western partners to provide the Armed Forces of Ukraine with as many modern weapons as possible. We tell them [NATO] that even after the victory, Russia will not change immediately… This means that we are the eastern shield of European civilization that continues to defend European civilization. We are the wall, as the famous TV series [Game of Thrones] shows, on which we stand and hold the defense and will continue to do so.4

Kein Wunder also, dass sich die anthropologische Natureigenschaft urmenschlicher Böswilligkeit wie von selbst gegenwärtig in Russland Bahn bricht. Wie Zeitenwende und Kriegsmoral gebieten, offenbart sich, wie kann es anders sein, der „dauernden Drang zur Selbstgerechtigkeit…die isolierte Selbstbezogenheit..“ in Russland: „Das sage ich bewusst als Angehöriger meines Volkes.“ Dem so eindeutig identifizierten Bösen mit dem seiner Natur entsprechenden „verbrecherischen Angriffskrieg“ nicht entschlossen und mit aller Gewalt entgegenzutreten, bedeutete:

Ihn zu akzeptieren oder gar akzeptabel machen zu wollen durch beschwichtigendes oder wahrheitswidriges Appeasement, verletzt und verlässt die Höhe der Zivilisationsgeschichte Europas und der Europäischen Einigung.

5. Das Evangelium der Zeitenwende

„Das Geheimnis der Göttlichen Dreifaltigkeit“ in Form der bischöflich-religiöse Segnung, Feier und Verherrlichung westlicher „Gewalt als Mittel der Politik“ stellt klar, dass die demokratisch geläuterte Staatsreligion, „hier insbesondere die christliche“, keinesfalls „immer neu aus der Betrachtung der Heiligen Schrift“ als Quelle ihre geistliche Inspiration gewinnt. Vielmehr und ganz im Gleichklang mit seinem irdischen Herren, liefert das Gebot „Haltet Christus heilig in euren Herzen als euren einzigen Herrn!“ mit seinem kriegsmoralisch-patriotischen Bekenntnis einen konstruktiv-militant gemeinten Beitrag dazu, dem ukrainischen und NATO-Kriegsziel rückhaltlos zuzustimmen und jeglichen pazifistischen Anflug als „beschwichtigendes oder wahrheitswidriges Appeasement“ moralisch herabzusetzen und zu exkommunizieren.

Sosehr sich die etablierte Staatsreligion vorbehaltlos für „die Verbindung der Religion mit der Gewalt“ ausspricht hinsichtlich der heute gültigen, produktiven Arbeitsteilung „Nur der Staat trägt das Schwert, nicht aber die Religion!“; und in dem Sinn „Staat, Nation und Kirche eins werden“, sowenig kann davon die Rede sein: „Das Reich Christi ist nicht von dieser Welt.“ Mehr Weltgebundenheit des Reiches Christi in der gegenwärtigen Zeitenwende-Zivilisation, da Staat, Nation und Kirche einschliesslich der medialen Öffentlichkeit sich hinsichtlich des Hauptfeindes einig sind und „keine kritisch-konstruktive Distanz mehr zueinander wahren“, ist schwer vorstellbar.

Die exklusive Quelle auch der geistlich-religiösen Inspiration ist die weltpolitische Zurückstufung oder Zerstörung Russlands. Darin ist das Evangelium der Zeitenwende zusammengefasst. In dem Sinn das Gebet und die Fürbitte: „…möchte ich auch als Deutscher die Verleihung des Karlspreises an Präsident Selenskyj und an das ukrainische Volk heute ausdrücklich begrüssen!… Amen.“

Fussnoten:

1 Predigt von Bischof Dr. Helmut Dieser am Sechsten Sonntag der Osterzeit, 14. Mai 2023, in der Hohen Domkirche in Aachen, unter: https://www.karlspreis.de/Portals/0/pdf/Predigt-von-Bischof-Dr_-Helmut-Dieser-vor-Verleihung-des-Karlspreises-2023.pdf?ver=2023-05-15-170109-080; soweit nicht anders vermerkt entstammen alle folgenden Zitate dieser bischöflichen Predigt.

2 Norbert Wohlfahrt/Johannes Schillo Die deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch Lektionen in patriotischem Denken über »westliche Werte«, Berlin, 2023: 125.

3 Zumindest verseucht durch panzerbrechende, abgereichtere Uranmunition, die die USA und der NATO-Westen ab 1990 auf ihren diversen Kriegsschauplätzen zum Einsatz gebracht haben; und zwar: 1990/1991 im Golfkrieg gegen den Irak, 1992-1995 in Bosnien/Herzegowina, 1999 in Kosovo/Serbien/Montenegro, 2003 im Golfkrieg gegen den Irak, in Syrien ab 2011. vgl. dazu: https://www.truppendienst.com/themen/beitraege/artikel/uran-munition-sondermuell-auf-dem-gefechtsfeld Die britische Entscheidung, der Ukraine panzerbrechende DU-Munition zu liefern bereichert die Welt nebst einem Balkan- und Golfkriegsyndrom demnächst wohl um ein Ukrianesyndrom; vgl. dazu: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/krieg-britische-regierung-will-uranmunition-an-ukraine-liefern-trotz-gefahr-fuer-leben-und-gesundheit-li.337209; und: https://www.infosperber.ch/politik/welt/england-liefert-der-ukraine-munition-mit-abgereichertem-uran/

4 So der ehemalige ukrainische Verteidigungsminister Reznikow am 24.4.2023, unter: https://www.ukrinform.net/rubric-polytics/3702002-ukraine-is-shield-that-protects-european-civilization-reznikov.html; ssowie unter: https://twitter.com/ZentraleV/status/1612014109473521664

Quellen:

Norbert Wohlfahrt/Johannes Schillo, Die deutsche Kriegsmoral auf dem Vormarsch Lektionen in patriotischem Denken über »westliche Werte«, Berlin, 2023 vgl. auch unter:

Internetquellen:

Predigt von Bischof Dr. Helmut Dieser am Sechsten Sonntag der Osterzeit, 14. Mai 2023, in der Hohen Domkirche in Aachen, unter: https://www.karlspreis.de/Portals/0/pdf/Predigt-von-Bischof-Dr_-Helmut-Dieser-vor-Verleihung-des-Karlspreises-2023.pdf?ver=2023-05-15-170109-080;

Berliner Zeitung, 19.4.2023: Uranmunition in der Ukraine – trotz Gefahr für Leben und Gesundheit? https://www.berliner-zeitung.de/open-source/krieg-britische-regierung-will-uranmunition-an-ukraine-liefern-trotz-gefahr-fuer-leben-und-gesundheit-li.337209; und: https://www.berliner-zeitung.de/open-source/krieg-britische-regierung-will-uranmunition-an-ukraine-liefern-trotz-gefahr-fuer-leben-und-gesundheit-li.337209 Infospreber, 25.5.2023: England liefert der Ukraine Munition mit abgereichertem Uran https://www.infosperber.ch/politik/welt/england-liefert-der-ukraine-munition-mit-abgereichertem-uran/

Ehemaliger ukrainischer Verteidigungsminister Reznikow, 28.4.2023: https://www.ukrinform.net/rubric-polytics/3702002-ukraine-is-shield-that-protects-european-civilization-reznikov.html; sowie unter: https://twitter.com/ZentraleV/status/1612014109473521664https://www.ukrinform.net/rubric-polytics/3702002-ukraine-is-shield-that-protects-european-civilization-reznikov.html

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Poetical – Correctness

Erstellt von Redaktion am 7. Juni 2023

Die Politik pflegt AfD – Wählende wie eine Schafherde

Kolumne von Lin Hierse

Es geht wieder los. Deshalb schreibe ich jetzt etwas Ähnliches wie vor vier Wochen. Es ist wieder zu lesen, dass man schockiert ist von 18 Prozent.

Dass Po­pu­lis­t*in­nen eben von Krisen profitieren, weil sie falsche Versprechungen machen, weil sie Sündenböcke finden, ohne Rücksicht auf lebensbedrohliche Verluste, weil sie vermeintlich einfache Antworten hinhalten in ihren ausgestreckten Händen auf irgendwelchen Kleinstadtmarktplätzen, um die sich seit Jahren niemand schert.

Es sind jetzt wieder die anderen Schuld, die „schwache und beständig streitende Regierung“, so Friedrich Merz. Seine Partei hingegen habe mit der AfD „nichts zu tun“. Als hätte er nie von „kleinen Paschas“ gesprochen, als hätte die CDU keine Vornamen abfragen wollen, als hätte der Bautzener Landrat keinem AfD-Antrag zugestimmt, als setze man Rechtsextremismus nicht regelmäßig mit Linksextremismus gleich, als forderte man nicht mehr Flaggen und Nationalhymnen, als hätte man nichts am Hut mit einem Altkanzler, der weder nach Mölln noch nach Solingen fuhr.

„Wir haben mit diesen Leuten nichts zu tun“, ist leicht behauptet. Aber dieses Land hat mit diesen Leuten alles zu tun. Das deutsche Naziproblem, die anhaltende Rechtsweitoffenheit, wird hier hausgemacht, nicht nur von Konservativen. Die Große Koalition hat ein Heimatministerium gegründet, die Grünen haben die Offenlegung der NSU-Akten blockiert, ein FDPler hat sich in Thüringen mit AfD-Stimmen zum Ministerpräsidenten wählen lassen. Und für die wachsende soziale Ungleichheit sind alle Parteien verantwortlich.

Es macht die Sache nicht besser, dass rund zwei Drittel der 18 Prozent sagen, sie würden nicht aus Überzeugung AfD wählen, sondern aus Enttäuschung über die anderen Parteien. Ich bin auch oft enttäuscht. Aber Rechtsradikale wählt nur, wer ihre Agenda unterstützt, wer sie gefährlich unterschätzt oder glaubt, sich gar nicht erst informieren zu müssen. Das könnten Po­li­ti­ke­r*in­nen häufiger in Kameras sagen, auch wenn es nur verbale Grenzen zieht.

Quelle         :        TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben       —         Binnen-i-radfahrerinnen   Straßenschild „Ende der Bus- und Fahrradstrecke“ Schlagworte: Politische Korrektheit, Binnen-I Ort: Linz, Österreich Datum: 2005-01-15

Unten       —     AfD-Bundestagsfraktion, während einer Plenarsitzung im Bundestag am 11. April 2019 in Berlin.

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AKW in Baden-Württemberg

Erstellt von Redaktion am 6. Juni 2023

Aktuelle atomare Gefahren im Dreyeckland

Nuclear power plant Fessenheim, Haut-RhinAlsaceFrance

Quelle  Mitwelt Stiftung Oberrhein, Venusberg 4, 79346 Endingen

Von    :    Axel Mayer

Aktuelle atomare Gefahren im Dreyeckland: AKW Beznau, AKW Leibstadt, Zwilag Würenligen, atomares Endlager & neue AKW in Fessenheim?

Die letzten deutschen AKW sind seit dem 15.4.2023 abgeschaltet und auch die beiden Schrottreaktoren in Fessenheim (F) wurden 2020 endgültig abgestellt. Die Umwelt- und Anti-Atombewegung im

Dreyeckland kann sich jetzt also beruhigt zurücklehnen und auf alten Erfolgen ausruhen?

Von wegen ausruhen!

Der mühsam erkämpfte deutsche Ausstieg aus der Gefahrtechnologie war der Einstieg in die massiv bekämpften erneuerbaren Energien. Gegen die Macht der atomar-fossilen Seilschaften müssen wir jetzt die Klimaschutzbewegung noch stärker als bisher unterstützen und die Energiewende durchsetzen.

Und am Ober- und Hochrhein häuft sich weiterhin das grenznahe atomare Risiko:

      • AKW Beznau

    In

Beznau steht das älteste und eines der gefährlichsten AKW der Welt

      •  und der zweite Reaktorblock ist technisch ähnlich veraltet und unsicher.

      • AKW Leibstadt

    Das

„neueste“ Atomkraftwerk der Schweiz in Leibstadt

      •  ist ein veralteter Siedewasserreaktor vom Reaktortyp Fukushima.

      • Zwilag Würenlingen

    Im kleinen

Schweizer Ort Würenlingen an der Aare häuft sich das atomare Risiko.

      •  Direkt neben den beiden Uralt-AKW in Beznau steht das zentrale Schweizer Zwischenlager für Atommüll (Zwilag). In einer schlecht gesicherten Castorhalle wird der hochradioaktive Schweizer Atommüll zwischengelagert wird und in einem Plasma-Ofen wird Atommüll verbrannt.

      • Unsicheres Atomares Endlager der Schweiz

    Die Standortauswahl, für den

 besten aller schlechten Standorte eines atomaren Endlagers in der Schweiz

      •  spricht für eine gewisse Verzweiflung der AKW-Betreiber und verheißt nichts Gutes. Ein atomares Endlager in einer viel zu dünnen Schicht Opalinuston über einem Permokarbontrog … Wie soll das gut gehen? Atommüll, der eine Million Jahre sicher verwahrt werden muss, braucht eine gute Geologie und nicht gute Worthülsen.

      • Neue AKW nach Fessenheim?

    Das altersschwache AKW ist zwar abgestellt, aber die EDF hat nie auf den Standort am Rhein verzichtet. Mit seiner Rentenreform und einer neoliberalen Politik treibt der französische Staatspräsindet Macron gerade die Menschen in die Fänge des rechtsradikalen Front National. Gerade Marine Le Pen wäre der

provokative Neubau eines AKW an der deutschen Grenze

      •  durchaus zuzutrauen.

      • Technocentre / Atomfabrik nach Fessenheim?

    Der marode französische Atomkonzern EdF plant den Bau einer problematischen „Recyclinganlage“ für radioaktiven Schrott,

ein „Technocentre“, in Fessenheim.Der Umwelt- und Anti-Atombewegung am Oberrhein wird es auf absehbare Zeit (leider) nicht langweilig werden.

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Grafikquellen          :

Oben     — Nuclear power plant Fessenheim, Haut-RhinAlsaceFrance

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Übergriff auf Abgeordnete:

Erstellt von Redaktion am 3. Juni 2023

Nancy Faeser muss Verhalten der Behörden scharf verurteilen

Sie hat doch nicht einmal die Polizeiführung vor ihrer Frankfurter Haustür unter Kontrolle !

Quelle       :        Scharf  —  Links

Von  :    DIE LINKEN  Vorsitzenden der Partei, Janine Wissler und Martin Schirdewan stellen sich an die Seite von Jule Nagel (MdL Sachsen) und erklären :

Auf der gestrigen Jugend- und Kinderdemonstration in Leipzig, die anlässlich des internationalen Weltkindertages unter dem Motto »Kämpfe verbinden – für ein besseres Morgen.« lief, wurde ohne nachvollziehbaren Grund die Landtagsabgeordnete und Anmelderin Jule Nagel brutal von der Polizei abgeführt und kam in ein vorübergehendes Gewahrsam.

»In sächsischen Behörden scheint gerade einiges aus den Fugen zu geraten. Das Demonstrationsrecht, das Kernbestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung ist, muss auch für sächsische Behörden gelten und als hohes Gut geschützt werden.

Es ist ein unglaublicher Vorgang, dass eine Anmelderin einer Demonstration zum Kindertag, die dazu noch parlamentarische Immunität besitzt, wie eine Straftäterin im Polizeigriff abgeführt und dann die Identität festgestellt wird.

Dieses Vorgehen wirft erneut kein gutes Licht auf den Umgang mit dem Demonstrationsrecht in Sachsen.

Wir erwarten eine genaue Aufarbeitung vonseiten des sächsischen Innenministers Armin Schuster und eine Entschuldigung sowohl von der sächsischen Einsatzleitung, als auch der Berliner Einsatzleitung, die den Übergriff gegen Jule Nagel in Amtshilfe umgesetzt hat.

Nach den hitzigen Debatten der letzten Tage um Repression und Demonstrationsfreiheit müssen sich die Verantwortlichen, die an der verbalen Eskalationsschraube ordentlich gedreht hat, endlich wieder einnorden. Innenministerin Nancy Faeser und Justizminister Marco Buschmann sollten nun ein klares Zeichen Richtung Sachsen und Berlin senden und die Missachtung der demokratischen Grundrechte vonseiten der Behörden scharf verurteilen.

Die gestrige Attacke auf die Anmelderin ist kein guter Vorbote auf die kommenden Tage, dass in Leipzig mit Augenmaß und nötiger Professionalität agiert wird. Das Recht auf Demonstrationsfreiheit ist ein hohes Gut in unserer Gesellschaft und sollte auf geachtet und geschützt werden. Demonstrationsverbote schaden der Demokratie.«

Urheberrecht
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Oben       —       Konstituierende Sitzung des Hessischen Landtages am 18. Januar 2019 in Wiesbaden.

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Die „Klimakleber“

Erstellt von Redaktion am 26. Mai 2023

Tanz um die goldene Radkappe

Ein Debattenbeitrag von Claus Leggewie

43 Millionen Privat-PKW sind in Deutschland zugelassen, der Individualverkehr hat Fetischcharakter angenommen. Das Auto ist der Elefant im Raum der Klimawende.

Der als eher konservativ geltende Soziologe Niklas Luhmann hatte ein Faible für den Protest und Protestierende, ohne dabei den aufrührerischen Theorieschulen sozialer Bewegungen wie Anarchismus oder Marxismus anzugehören. Der Studentenbewegung um 1968 bescheinigte der Systemtheoretiker, sie nehme zu Recht Anstoß am Status quo, an dem der CDU-Staat damals krampfhaft festgehalten hatte, denn es bedürfe einer außerparlamentarischen Opposition, wenn die staatstragende Opposition wie das Establishment unfähig seien, „Alternativen zur Entscheidung zu bringen“.

Dem Protest, auch dem wilden, radikalen, system­oppositionellen, wies er die Rolle zu, die Gesellschaft ins Lot der Selbststeuerung und Systemerneuerung zurückzuversetzen. Dieser Stabilisierungsauftrag gefiel 68ern natürlich weniger; es war aber eine durchaus treffende Diagnose ihrer tatsächlichen Leistung, nämlich der Gesellschaft der Bundesrepublik jene „Fundamentalliberalisierung“ zu verschaffen, die ihnen Luhmanns Gegenspieler Jürgen Habermas rückblickend bescheinigte.

Neue soziale Bewegungen vermögen damit, was den Teilsystemen der Gesellschaft abgeht: „Sie beschreiben die Gesellschaft, als ob es von außen sei.“ Und in dieser Totale entdecken sie auch, was alten sozialen Bewegungen verborgen geblieben war: „Gesellschaft nicht mehr bloß vom Kapitalismus her zu sehen, sondern in Bezug auf die Tatsache, daß manche etwas für ein lebbares Risiko halten, was für andere eine Gefahr ist“.

Früher als andere interessierten Luhmann ökologische Risiken, die den neuen Typ „grün-alternativer“ Proteste hervorriefen: „in der Ablehnung von Situa­tio­nen, in denen man das Opfer des riskanten Verhaltens anderer werden könnte.“ Besser sind die Sorgen von Fridays for Future, Extinction Rebellion und Letzter Generation kaum zu beschreiben. Luhmann antizipierte allerdings auch deren Schwächen: „Das Geheimnis der Alternativen ist, dass sie gar keine Alternative anzubieten haben“ – weil sich ja stets die anderen bewegen, ändern, korrigieren müssten.

Hysterischer Reflex

Das macht Protest wenig anschlussfähig, zumal, wenn er im Kern Angst thematisiert und moralisierend auftritt, wie seinerzeit die Atomkraftgegner. Es ist zu früh zu entscheiden, ob die Klimaschützer in die Ahnenreihe der neuen sozialen Bewegungen von der Studentenrevolte und die Frauenemanzipation über die Anti-AKW-Bewegung und den Antirassismus gehören oder ihr Protest eine neue Qualität annehmen wird.

Ein wesentlicher Unterschied besteht schon darin, dass sie anders als die Vorläufer etwas fordern, was auch die Mehrheit wünscht (wenn auch nicht praktiziert): Gefährlicher Klimawandel und Artensterben beunruhigt auch den Mainstream, und einschneidende Änderungen von Lebensstilen und Gewohnheiten propagiert keineswegs nur eine zukunftsängstliche, apokalyptisch getönte „Letzte Generation“.

Erst die in Protestnischen stets angelegte Selbstradikalisierung und der hysterische Reflex gegen den vermeintlichen Ökoterror polarisiert, aber nicht das von „Klima­klebern“ geforderte 9-Euro-Ticket oder eine Geschwindigkeitsbeschränkung auf Autobahnen. Die Blockadeaktionen der Letzten Generation, in deren Windschatten die konzilianteren und konsensorientierten Fridays for Future geraten sind, stoßen auf breite Ablehnung.

Protest am Genfer Flughafen

Man kann eine Gesellschaft nicht frontal attackieren, die anders als 1968 und in den 1980er Jahren mit den Protestzielen im Prinzip übereinstimmt. Die „Klimakleber“ überdehnen die legitimen Mittel zivilen Ungehorsams wie Blockaden und Boykotts. Andere Teile der Klimaschutzbewegung kali­brie­ren das wesentlich besser. Ein jüngstes Beispiel sind die 100 Aktivisten, die sich an die Zugänge von Privatjets ketteten, die bei einem Business-Event am Genfer Flughafen ausgestellt waren, und den Haupteingang der Jet-Show versperrten, um die Kundschaft am Betreten zu hindern.

Jets gelten zu Recht als äußerst schädliche Produkte, „die unseren Planeten zerstören, unsere Zukunft verheizen und Ungleichheit befeuern“. Die NGO „Stay Grounded“ erweiterte den Kreis der Zielpersonen: „Während viele sich Essen und Miete nicht mehr leisten können, zerstören die Superreichen unseren Planeten, damit muss endlich Schluss sein.“

Quelle      :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben      —   Strangely satisfying seeing this old barge floating towards me- I don’t see too many surviving from this period outside shows. For some reason, Google car insurance tells me this is a very rare Rolls Royce Camargue, but they look nothing like this, plus were only released the next year. Registration number: HSU 668 ✔ Taxed Tax due: 01 April 2015 ✔ MOT Expires: 22 April 2015

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Mitwelt Stiftung Oberrhein

Erstellt von Redaktion am 26. Mai 2023

Jeden Tag: Kampagnen gegen den Klimaschutz und gegen die Umweltschutzbewegung

Quelle         :     Mitwelt Stiftung Oberrhein Venusberg 4, 79346 Endingen   –   Jeden Tag: Kampagnen gegen den Klimaschutz und gegen die Umweltschutzbewegung

Von   :   Axel Mayer

Für die Kriegsgewinnler und Klimakatastrophenverantwortlichen Chevron, BP, Shell, TotalEnergies und ExxonMobil war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five“ erwirtschafteten einen gemeinsamen Jahresgewinn von knapp 200 Milliarden US-Dollar. (Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!) Auch die deutschen Energieversorger haben satte Profite eingefahren. Die Inflation, unter der die Menschen leiden, ist eine Gier-Flation, ausgelöst durch die Konzerne.

Schon jahrzehntelang wissen die Konzernspitzen der Öl-, Gas- und Kohlekonzerne von den Gefahren der von ihren Firmen verursachten Klimakatastrophe. Mit den mörderischen Methoden und Desinformationskampagnen der Tabakindustrie haben sie die Verbreitung dieses Wissens aggressiv und erfolgreich bekämpft und bekämpfen lassen. Sie tragen Verantwortung für millionenfachen Tod und Leid. Die Klimaterroristen in den Konzernzentralen werden nicht etwa bestraft, sondern mit Milliardenprofiten satt belohnt.

Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die alten, schmutzigen Energiekonzerne privat finanzierte Windräder und private Solaranlagen auf Hausdächern nicht mögen. Ähnliches gilt für Wärmepumpen und die Wärmewende in den Haushalten. Für Öl- und Gaskonzerne geht es bei diesem Streit um satte Profite.

Darum lassen (nicht nur) die Energiekonzerne die Energiewende in BürgerInnenhand auch aggressiv bekämpfen. Ein Beispiel sind die durch Erdöl reich gewordenen amerikanischen Koch-Brüder. Charles und David Koch stecken viel Geld nicht nur in die US-Politik, in KandidatInnen, Verbände, Denkfabriken und in die Organisationen der Energiewendegegner und Klimawandelleugner. So kämpfen sie erfolgreich gegen Steuern für Reiche, gegen Umweltauflagen, gegen Klimaschutz, für ein absolut freies Unternehmertum und gegen den demokratischen Staat. Ihre marktradikalen und rechtspopulistischen Netzwerke sind weltweit gespannt und Geld fließt auch nach Deutschland. Sie gefährden nicht nur das Klima, sondern auch die Demokratie.Auch wenn sich über manche Aktionsform zurecht trefflich streiten lässt: Dass junge verzweifelte Umweltaktive von Klimakatastrophenverantwortlichen als „Klima-Terroristen“ (AfD), als Mitglieder einer „Klima-RAF“ (CSU) und „Klima-Chaoten“ (Bayerisches Innenministerium) denunziert werden, ist mehr als ein Skandal. Diese Anwendung des Begriffs Klima-Terroristen kehrt die tatsächlichen Schuldverhältnisse um. Aktivistinnen und Aktivisten machen auf Missstände aufmerksam und werden dafür kriminalisiert. Der rechtsextreme Rand der Gesellschaft streut gemeinsam und erfolgreich mit marktradikalen Medien und der BILD-Zeitung Begriffe in die öffentliche Debatte, die an Orwellsches Neusprech erinnern. Die parlamentarischen Lobbyisten der Energiekonzerne in Deutschland sind insbesondere FDP, CDU, CSU und AfD. Um das Jahr 2012 war die Energiewende auf dem Weg, eine ökologisch-ökonomische Erfolgsgeschichte zu werden. Doch sie gefährdete zunehmend das Energieerzeugungsmonopol und die Profite der deutschen Energiekonzerne. Also wurde die Energiewende von den Partei-Lobbyisten mit Gesetzen, Vorschriften und Bürokratie erfolgreich geschrumpft.

Auch harte Medien-Kritik an Gesetzen und Aktionsformen ist eine politische Selbstverständlichkeit. Doch von ökonomischen Interessen geleitete Dauer-Kampagnen gegen den Klimaschutz sind etwas anderes. Angeführt werden die aktuell so makaber erfolgreichen Lobbykampagnen gegen die Klimaschutzbewegung und die Energiewende von der Springerpresse und vornehmlich von der BILD-Zeitung. Diese führt ihren alten, hasserfüllten Kampf von 1968 gegen die Studierenden-Bewegung jetzt als Kampf gegen die Klimaschutzbewegung, Umweltbewegung und gegen „Rest-GRÜN“ im Parlament fort.

Der rechts-libertäre Kampagnen-Journalismus der Murdoch-Presse und von Fox-News hat die demokratiegefährdende Spaltung der US-Gesellschaft vorangetrieben. Ähnliches wiederholt sich gerade in Deutschland und Europa.

Ein großes Problem ist die erkennbare Naivität und Hilflosigkeit der Klima- und Umweltbewegung angesichts solcher machtvollen Kampagnen. Die Jugendumweltbewegung befasst sich beeindrucken intensiv und wissenschaftlich fundiert mit den Ursachen des Klimawandels. Mit den Fragen der Macht und den Konzepten der Mächtigen setzt sich die Umweltbewegung zu wenig auseinander. Ein erster Schritt wäre es, die Kampagnen als Kampagnen und deren ökonomischen Hintergründe überhaupt zu erkennen und dann Gegenstrategien zu entwickeln. Die Studierenden-Bewegung von 1968 wusste zumindest noch, was in der Bild-Zeitung steht.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein
Der Autor ist seit 50 Jahren in der Umweltbewegung aktiv und war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer in Freiburg

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Razzia auf Letzte Generation

Erstellt von Redaktion am 25. Mai 2023

Razzia bei der Letzten Generation ist ein Anschlag auf den Rechtsstaat

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Wer sich als Freistaat bekennt, sollte auch der „Letzten Generatin“ den Freistaat bieten ! Im anderen Fall strecken die Bürger-innen den Freistaat die Zungen heraus.

Quelle       :        Scharf  —  Links

Kommentar von Edith Bartelmus-Scholich

Heute fand eine bundesweite Razzia gegen Aktivist*innen der Letzten Generation statt. Den Aktivist*innen der Klimagerechtigkeitsbewegung wird vorgeworfen eine kriminelle Vereinigung gegründet und Geld für Straftaten gesammelt zu haben. Beschlagnahmt wurden Konten und die Homepage der Letzten Generation. Auf der Webseite der Letzten Generation war über Stunden folgender Text zu lesen: „Die Letzte Generation stellt eine kriminelle Vereinigung nach § 129 StGB dar!“

Offenbar wurde im Freistaat Bayern die Gewaltenteilung aufgehoben. Kein Gericht hat nämlich jemals geurteilt, dass die Letzte Generation eine kriminelle Vereinigung ist. Dennoch maßt sich das bayerische LKA an, dies als Feststellung zu veröffentlichen.

Die Razzia gegen die Letzte Generation ist durch nichts zu rechtfertigen. Der Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung greift ins Leere. Die Aktivist*innen der Letzten Generation begehen keine Verbrechen, sondern leisten zivilen Ungehorsam um Aufmerksamkeit auf die Folgen des Klimawandels zu lenken. Mit symbolischen Aktionen fordern sie die Politik auf, endlich wirksame Maßnahmen gegen die Erd-Erhitzung zu ergreifen. Selten war eine politische Basisbewegung friedfertiger und defensiver in ihren Aktionsformen.

Die Aktivist*innen der Letzten Generation nehmen große Nachteile und ihre Kriminalisierung in Kauf damit unsere Kinder und Enkel auch zukünftig noch in einem erträglichen Klima leben können. Wie traumatisierend die heutige Razzia für die direkt Betroffenen war, zeigt ein Video, in dem Carla Hinrichs ihre heutigen Erlebnisse schildert:

https://twitter.com/i/status/1661360741893517313

Hinrichs schildert die Angst, als die Polizei mit gezogener Waffe ihre Wohnung stürmte. Noch größer ist jedoch ihre Angst vor der kommenden Klimakatastrophe. Diese viel größere Angst teilen viele tausende Aktivist*innen. Deswegen sind Einschüchterung, Gewalt und Repression keine Mittel die Klimaproteste einzudämmen.

Das Mittel gegen Klimaproteste ist wirksame Klimapolitik. Hier jedoch versagen diejenigen, die politische Verantwortung tragen. Der Planet steuert auf eine Temperaturerhöhung von 4 Grad Celsius zu. Überall sind dadurch die Ökosysteme gefährdet, das Artensterben wird vorangetrieben, Katastrophen wie Dürren oder Überschwemmungen nehmen zu – bei gleichzeitiger Verknappung des Süßwassers. Milliarden Menschen, vor allem im globalen Süden, werden durch die Folgen des Klimawandels ihrer Lebensgrundlagen beraubt und die meisten dieser Menschen werden sterben, ebenso wie übrigens viele Kranke und Ältere in den sich überhitzenden Städten auf der Nordhalbkugel.

Dass dennoch die Bundesregierung keine wirksamen Maßnahmen gegen den Klimawandel beschließt, ist unverantwortlich. Weder kann die Wärmewende länger aufgeschoben werden, noch kann weiter so gewirtschaftet werden wie bisher. Der Ausstieg aus der von fossilen Energien angetriebenen Profitmaschine und der Einstieg in eine klimaneutrale, nachhaltige Kreislaufwirtschaft ist überfällig. Politische Realität ist jedoch, dass die Bundesregierung selbst Maßnahmen wie ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Verbot von Inlandsflügen nicht anpackt.

Wenn sie nun statt auf wirksame Klimapolitik auf brutale Repression gegen Menschen, die zivilen Ungehorsam leisten, setzt, verlässt sie zusätzlich den Boden des Grundgesetzes. Deswegen ist die Solidarität mit der Letzten Generation auch ein Kampf um den Rechtsstaat.

Edith Bartelmus-Scholich, 24.5.2021

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Netzpolitik Strafanzeige:

Erstellt von Redaktion am 23. Mai 2023

Staatsanwaltschaft erhebt Anklage gegen FinFisher

FinFisher GmbH and Elaman GmbH office building, view of the main entrance

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von       :       

Der ehemalige Staatstrojaner-Hersteller FinFisher muss sich vor Gericht verantworten. Die Staatsanwaltschaft hat vier ehemalige Geschäftsführer angeklagt. Sie wirft ihnen vor, Überwachungstechnologie ohne Genehmigung an den türkischen Geheimdienst verkauft zu haben. Anlass ist unsere Strafanzeige.

Die Staatsanwaltschaft München I hat Anklage gegen die Staatstrojaner-Firmengruppe FinFisher erhoben. Vier Geschäftsführer des ehemaligen Firmengeflechts müssen sich jetzt vor dem Landgericht München I verantworten. Ihnen wird vorgeworfen, ihr Staatstrojaner-Produkt ohne die dafür notwendige Genehmigung in die Türkei verkauft zu haben.

Anlass ist unsere Strafanzeige, die wir 2019 gemeinsam mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte, Reporter ohne Grenzen und dem Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte verfasst und eingereicht haben. Bisher hat FinFisher die Vorwürfe immer bestritten.

Die Staatsanwaltschaft hat über drei Jahre ermittelt und 15 Liegenschaften durchsucht, darunter auch die Firmenzentrale in München. Zudem haben sie Schweden, Zypern, Malaysia, Bulgarien und Rumänien um Rechtshilfe gebeten.

Laut Anklage haben die Angeschuldigten neue Exportrichtlinien nach 2015 umgangen, indem sie „die Ausfuhr der Überwachungssoftware auf dem Papier ohne Genehmigung über eine in Bulgarien sitzende Gesellschaft“ abgewickelt haben. „Die Entwicklung der Überwachungssoftware fand tatsächlich aber weiterhin durch das Entwicklungsteam der FinFisher Labs GmbH, federführend in Person des Angeschuldigten H. in München, unterstützt durch die in Rumänien tätigen Entwickler, statt.“

Im Januar 2015 haben die Angeklagten laut Anklageschrift einen Vertrag über fünf Millionen Euro mit der Türkei abgeschlossen. Leistungsempfänger war demnach der türkische Inlandsgeheimdienst MİT. Laut Staatsanwaltschaft hat FinFisher den Empfänger verschleiert und „eine tatsächlich nichtexistierende ‚Generaldirektion für Zollkontrolle‘ in Ankara benannt“. Der Staatstrojaner von FinFisher wurde im Sommer 2017 gegen den Gerechtigkeitsmarsch der türkischen Zivilgesellschaft um den aktuellen Präsidentschaftskandidat Kemal Kılıçdaroğlu eingesetzt.

Jetzt müssen sich die Angeklagten vor Gericht verantworten. Seit einem Jahr sind die dazugehörigen Firmen bereits insolvent und aufgelöst. FinFisher ist für Stellungnahmen nicht mehr erreichbar.

Update (17:20): Die beteiligten NGOs haben eine gemeinsame Pressemitteilung veröffentlicht.

Sarah Lincoln erklärt für die Gesellschaft für Freiheitsrechte:

FinFisher hat offenbar jahrelang Überwachungssoftware illegal an autoritäre Regierungen verkauft, und damit weltweit zur Überwachung und Unterdrückung von Menschenrechtsverteidiger*innen, Journalist*innen und Oppositionellen beigetragen. Dass die Verantwortlichen nun endlich belangt werden, ist ein längst überfälliges Signal, dass solche Verstöße nicht ungestraft bleiben dürfen.

Miriam Saage-Maaß kommentiert für das Europäische Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte:

Bislang konnten Firmen wie FinFisher trotz europäischer Exportregulierung fast ungehindert weltweit exportieren. Die heutige Anklageerhebung ist längst überfällig und führt hoffentlich zeitnah zur Verurteilung der verantwortlichen Geschäftsführer. Aber auch darüber hinaus müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten viel entschiedener gegen den massiven Missbrauch von Überwachungstechnologie vorgehen.

Katja Gloger erklärt für Reporter ohne Grenzen:

Verletzungen der Pressefreiheit gehen heute in vielen Fällen mit dem Einsatz von Überwachungssoftware einher. Für die Betroffenen bedeutet jeder einzelne Fall einen massiven Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. In autoritären Staaten kann das für Journalisten und ihre Quellen, für Aktivistinnen und Oppositionelle dramatische Folgen haben.


Hier die Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft:


  • Datum: 22.05.2023
  • Staatsanwaltschaft: München I
  • Pressesprecherin: Oberstaatsanwältin Anne Leiding
  • Pressemitteilung

Anklageerhebung wegen gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz durch den nicht genehmigten Verkauf von Überwachungssoftware an Nicht-EU-Länder

Die Staatsanwaltschaft München I hat mit Anklageschrift vom 03.05.2023 Anklage wegen gewerbsmäßigen Verstoßes gegen das Außenwirtschaftsgesetz in drei tateinheitlichen Fällen in Mittäterschaft zum Landgericht München I – Große Strafkammer – gegen insgesamt vier Angeschuldigte erhoben. Ihnen wird vorgeworfen, als Verantwortliche der FinFisher-Unternehmensgruppe durch den Verkauf von Überwachungssoftware an Nicht-EU-Länder vorsätzlich gegen Genehmigungspflichten für Dual-Use-Güter verstoßen und sich damit strafbar gemacht zu haben.

Die spezialisierte Abteilung für politische Strafsachen der Staatsanwaltschaft München I hat in dem Themenkomplex umfangreiche und aufwändige Ermittlungen durchgeführt. Ermittlungsinitiierend für das Verfahren gegen die Angeschuldigten war eine gemeinsame Strafanzeige vom 05.07.2019 von vier Nichtregierungsorganisationen, die sich für Pressefreiheit und Menschenrechte einsetzen. Mit ihrer Strafanzeige legten sie Analysen von IT-Experten vor, welche zu dem Schluss kamen, dass die Überwachungssoftware FinSpy im Jahr 2017 über eine gefälschte Webseite der türkischen Oppositionsbewegung unter Vorspiegelung falscher Tatsachen zum Download angeboten wurde, um diese auszuspähen.

In Zusammenarbeit mit dem Zollkriminalamt und unter Unterstützung weiterer Strafverfolgungsbehörden hat die Staatsanwaltschaft München I am 06.10.2020 insgesamt 15 Objekte (Geschäftsräume und Privatwohnungen) rund um München und ein Unternehmen aus der Unternehmensgruppe in Rumänien durchsucht. Im Laufe der Ermittlungen wurden Rechtshilfeersuchen an Schweden, Zypern, Malaysia, Bulgarien und Rumänien gerichtet.

Die Staatsanwaltschaft geht in ihrer Anklage von folgendem, vor Gericht noch zu beweisenden Sachverhalt aus: Der Hauptgeschäftszweck der FinFisher Gruppe bestand in der Entwicklung und dem weltweiten Vertrieb von Software zum Einsatz durch Strafverfolgungsbehörden und Nachrichtendienste. In diesem Bereich zählte die Gruppe weltweit zu einem der führenden Unternehmen. Hauptprodukt war die als „FinSpy“ bezeichnete kommerzielle Spähsoftware, mit deren Hilfe es möglich war, die volle Kontrolle über PCs und Smartphones zu erlangen und dabei auch die laufende Kommunikation zu überwachen. Abnehmer waren Staaten in der EU, aber auch sog. „EU001“-Staaten (für die durch die EU eine Allgemeine Ausfuhrgenehmigung erteilt wurde: Australien, Island, Japan, Kanada, Neuseeland, Norwegen, Schweiz, Liechtenstein, UK, USA) und insbesondere sog. „Nicht-EU001“-Staaten, mit denen der wesentliche Teil des Umsatzes der FinFisher Gruppe erzielt wurde.

Mit der zum 01.01.2015 in Kraft getretenen Änderung der Verordnung (EG) Nr. 428/2009 (sog. Dual-Use-Verordnung) wurde die Ausfuhr von Überwachungstechnologien aus der EU der Genehmigungspflichtigkeit unterstellt, was für die FinFisher Gruppe eine existentielle Gefährdung bedeutete, da hierunter auch die von ihr entwickelte und verkaufte Überwachungssoftware fiel. Durch eine global verzweigte Firmenstruktur sollte der Anschein erweckt werden, dass auch nach Inkrafttreten der gesetzlichen Beschränkungen zum 01.01.2015 der Vertrieb der Überwachungssoftware in Ländern außerhalb der EU rechtskonform fortgeführt werde. Tatsächlich wurden alle geschäftlichen Aktivitäten der verschiedenen Unternehmen fortwährend von München aus gesteuert, geleitet und koordiniert. Die Angeschuldigten G., H., T und D. waren jeweils Geschäftsführer von GmbHs der FinFisher-Gruppe. D. war zudem der Finanzchef und Verantwortlicher der Exportkontrolle der Firmengruppe.

Um dennoch weiterhin Verträge mit sog. Nicht-EU001-Ländern abwickeln zu können, beschlossen die Angeschuldigten, die Ausfuhr der Überwachungssoftware auf dem Papier fortan ohne Genehmigung über eine in Bulgarien sitzende Gesellschaft R. abzuwickeln. Nach außen, d.h. durch Schaffen einer entsprechenden Papierlage, sollte der Eindruck entstehen, dass Verträge mit Kunden aus dem Länderkreis Nicht-EU001 mit Änderung der Rechtslage nicht mehr über die in München sitzenden Gesellschaften bedient wurden. Die Entwicklung der Überwachungssoftware fand tatsächlich aber weiterhin durch das Entwicklungsteam der FinFisher Labs GmbH, federführend in Person des Angeschuldigten H. in München, unterstützt durch die in Rumänien tätigen Entwickler, statt.

Ende Januar 2015 wurde ein Vertrag über die Lieferung von Überwachungssoftware, Hardware, technischer Unterstützung, Schulungen etc. in die Türkei im Wert von 5,04 Mio. EUR geschlossen. Zur Verschleierung, dass die vertraglich vereinbarten Lieferungen tatsächlich von den Angeschuldigten aus München bestimmt wurden und Leistungsempfänger der türkische Geheimdienst MIT war, waren in dem Vertragsdokument als Verkäuferin die bulgarische Gesellschaft R. und als Empfängerin der Lieferung eine tatsächlich nichtexistierende „Generaldirektion für Zollkontrolle“ in Ankara benannt.

In der Folge kam es ab dem 01.03.2015 zu drei Tathandlungen durch die jeweilige Übermittlung eines Links für den Download an den türkischen Geheimdienst MIT. Zugunsten der Angeschuldigten werden diese rechtlich als tateinheitlich begangen gewertet, da alle drei Tathandlungen auf dem einheitlichen Vertragsschluss beruhten. Die Software wurde in der Türkei auf zuvor breitgestellte Hardware heruntergeladen und aufgespielt, im Anschluss daran wurden Schulungen zur Anwendung durchgeführt.

Wie allen Angeschuldigten bewusst war, wurde die für die Ausfuhr der Überwachungssoftware erforderliche Exportgenehmigung bis zur Einstellung des Geschäftsbetriebs der FinFisher Gruppe zu keinem Zeitpunkt erteilt, und zwar auch nicht durch die bulgarischen Exportbehörden. In Deutschland wurde eine Exportgenehmigung nicht einmal beantragt. Den Angeschuldigten war ebenfalls bewusst, dass Geschäfte mit Ländern der Ländergruppe Nicht-EU001 der FinFisher Unternehmensgruppe und damit mittelbar auch ihnen selbst erhebliche Einnahmen brachten, sie handelten in der Absicht, sich durch diese Geschäfte eine fortlaufende Einnahmequelle von erheblichem Umfang zu verschaffen.

Über die Eröffnung des Hauptverfahren und damit über eine mögliche Terminierung der Hauptverhandlung wird die zuständige Große Strafkammer des Landgerichtes München I entscheiden.

Allgemeiner Hinweis zum Zeitraum zwischen dem Datum der Anklageerhebungen und der Veröffentlichung der Pressemitteilung: Nach den Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren (Nr. 23 Abs. 2 RiStBV) darf eine Anklageerhebung der Presse erst dann bekannt gegeben werden, wenn die Anklageschrift einem Angeschuldigten bzw. dessen Verteidigung nachweislich zugegangen ist.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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BGH zu Cum-Ex-Streit

Erstellt von Redaktion am 17. Mai 2023

Bankier verliert gegen Zeitung

Von Christian Rath

Der Bundesgerichtshof entscheidet im Cum-Ex-Streit für die Pressefreiheit. Die „SZ“ darf aus Tagebüchern des Bankiers Christian Olearius zitieren.

Die Süddeutsche Zeitung (SZ) durfte aus den beschlagnahmten Tagebüchern des Hamburger Bankiers Christian Olearius zitieren. Ein SZ-Artikel, der Kanzler Olaf Scholz (SPD) in Bedrängnis brachte, darf nun wieder online veröffentlicht werden. Das entschied an diesem Dienstag der Bundesgerichtshof.

Schon seit Jahren steht der Verdacht im Raum, dass Olaf Scholz, damals Erster Bürgermeister Hamburgs, sich für die Hamburger Skandalbank Warburg eingesetzt hat.

Die Privatbank, die sich in großem Stil an den strafbaren Cum-Ex-Steuermanipulationen beteiligte, versuchte 2016 zu verhindern, dass sie 47 Millionen Euro an den Fiskus zurückzahlen muss.

Bank-Miteigentümer Christian Olearius bemühte sich deshalb um die Unterstützung von Hamburger SPD-Politikern. Drei Tage nach einem Gespräch mit Scholz verzichtete die Hamburger Steuerbehörde auf die Rückzahlung. War das Zufall?

Tagebücher seien keine „amtlichen Dokumente“

Der Hamburger Senat bestritt 2019 zunächst, dass es überhaupt Gespräche zwischen Scholz und Olearius gab. Doch der SZ wurden Auszüge aus den Tagebüchern von Olearius zugespielt, die 2018 von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt worden waren. Daraus ergab sich, dass es in dieser Sache mindestens fünf Gespräche von Scholz und Olearius gab. Der entsprechende SZ-Artikel erschien am 4. September 2020.

Gegen diesen Artikel ging Olearius vor. Die beschlagnahmten Tagebücher seien „amtliche Dokumente eines Strafverfahrens“. Gemäß Paragraf 353d Strafgesetzbuch dürfe daraus nicht zitiert werden, bis sie im Strafprozess verlesen wurden. Mit dieser Argumentation hatte Olearius beim Landgericht Hamburg und Oberlandesgericht Hamburg Erfolg. Paragraf 353d sei ein „Schutzgesetz“ und gebe Olearius einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch gegen die SZ. Die Zeitung hätte deshalb den Großteil der Zitate löschen müssen und nahm dann den Artikel ganz von ihrer Webseite.

Doch beim Bundesgerichtshof (BGH) obsiegte nun die SZ in vollem Umfang. Die beschlagnahmten Tagebücher seien keine „amtlichen Dokumente“, erklärte der Vorsitzende Richter Stephan Seiters, „private Aufzeichnungen werden auch durch die Beschlagnahme nicht zu amtlichen Dokumenten“. Außerdem sei Paragraf 353d kein zivilrechtliches Schutzgesetz, so der BGH-Richter.

Quelle       :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Das in der Ferdinandstraße 75 in Hamburg-Altstadt wurde 1912/13 nach Plänen von Martin Haller im Stil der Neorenaissance errichtet.

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KOLUMNE * ERNSTHAFT ?

Erstellt von Redaktion am 14. Mai 2023

Wo es leider nur um Köpfe geht

Thüringer Staatskanzlei Regierungsstraße Erfurt

Eine Kolumne von Ulrike Winkelmann

Grüne in Thüringen. – Die Grüne Anja Siegesmund will lieber für einen Lobbyverband arbeiten, als Ministerin zu sein. Das verrät viel über die Krise der Landespolitik.

Aus „persönlichen Gründen“, so sagte sie es, legte Thüringens grüne Umweltministerin Anja Siegesmund Ende vergangenen Jahres ihr Amt nieder, um eine „Auszeit“ ging es, und man mochte denken: Kann ja schon mal vorkommen, dass so ein Landesministerium jemanden nicht mehr erfüllt.

Doch dann fand die regionale Qualitätspresse heraus, dass die persönlichen Gründe doch eine berufliche Note hatten. Der Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft hatte Siegesmund offenbar bereits als nächste Präsidentin ausgesucht.

Diesen Job kann die grüne Spitzenkraft allerdings nicht so schnell wie geplant antreten. Vielleicht ist Siegesmund entgangen, dass die rot-rot-grüne Koalition, der sie angehörte, sich eine „Karenzzeit-Regelung“ gab. Demnach sollen ausscheidende PolitikerInnen erst eine ganze Weile ins Abklingbecken, bevor sie ihre Kontakte und Kenntnisse zum Beispiel in Unternehmensverbänden einbringen. Ein großes grünes Thema übrigens – auch in Thüringen warben die Grünen für „Je länger, je lieber“.

Siegesmund könnte nun dagegen klagen, dass diese Regelung für sie gilt. Ich für meinen Teil bin nicht nur gespannt, wann Anja Siegesmund und der Bundesverband der Entsorgungs-, Wasser- und Kreislaufwirtschaft zusammenkommen. Gern nehme ich auch Wetten entgegen, wie sich die Sache – zumal, wenn das alles noch dauert – auf die Landtagswahlen in Thüringen in etwas über einem Jahr auswirkt.

Der Goebbels-Imitator steht bei 28 Prozent

In Thüringen steht die AfD in Umfragen derzeit bei 28 Prozent. Um sie von der Macht fernzuhalten, arbeitet Ministerpräsident Bodo Ramelow schon jetzt mit einer rot-rot-grünen Minderheitsregierung in einer Art Darf-so-aber-nicht-heißen-Kooperation mit der CDU. Unglaubwürdige Grünen-Politikerinnen schaden in solchen Situationen nicht nur der eigenen 5,2-Prozent-Partei.

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In den Bundesländern, in denen die AfD stärkste Kraft im Landtag zu werden droht, geht es demokratisch gesehen um alles. Die Thüringer AfD-Truppen rings um Goebbels-Imitator Björn Höcke schlachten angreifbare Personalien aus, wo es nur geht. Wie es sich halt für eine Partei gehört, die nur aus Ressentiments besteht.

Nun lässt sich der Mechanismus „Hurra, wir können uns auf Personalgeschichten stürzen, dann fällt niemandem auf, dass wir keine Vorschläge in der Sache haben“ natürlich derzeit auch im Bund und bei anderen Parteien beobachten. Doch hege ich bei Habeck/Graichen die Hoffnung, dass die schiere Wichtigkeit des Klimathemas bald dafür sorgt, dass wir wieder darüber reden dürfen, wie die Energiewende beim Wohnen funktionieren kann, und was eben noch so ansteht.

Quelle      :          TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Oben      —    Thüringer Staatskanzlei Regierungsstraße Erfurt

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Beschwerde gegen Fluglärm

Erstellt von Redaktion am 12. Mai 2023

Krieg ist der größte Klimakiller

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von  : c/o Waltraud Andruet – Sprecherin FriedensNetz Saar und pax christi Saar

Fast täglich fliegen und üben Militärjets mehrere Stunden lang im Bereich der sogenannten Tra-Lautern Übungsflüge durch, auch über unsere Köpfe hinweg.

Hier dieser Tagesbericht für Montag, 08.05.2023, 5 Stunden und 28 Minuten Kampfjetflüge zwischen 09:26 und 17:02 Uhr, 1 Luftbetankung, ca. 215.800 Liter Treibstoff, ca. 595.608 kg CO?, ca. 1.726 kg NO? – entspricht 3.596.667 gefahrenen Autokilometern.

(Quelle: fluglaerm.saarland/tagesberichte.php)

Und das ist erst der Anfang, denn im Juni blüht uns die größte NATO-Luftübung, welche jemals stattgefunden hat – die Air Defender 2023. Im Juni wird’s am Himmel über Deutschland eng. Bei einem groß angelegten, zweiwöchigen Nato-Manöver wird die Zusammenarbeit der verschiedenen Luftstreitkräfte eingeübt. Ein zentraler Ort wird die Airbase in Spangdahlem in der Eifel sein.

https://www.24rhein.de/rheinland-nrw/air-defender-2023-uebung-nato-kampfjetmanoever-nrw-eurofighter-bundeswehr-luftwaffe-tornado-92181810.html?fbclid=IwAR24pRsb1LaE_6TJyyecrK-pAjKGq9Huk0HYnZbWeKA3ZMygYnCFgs14So0

Dementsprechend plant das FriedensNetz Saar zusammen mit QuatroPax am 10. Juni 2023 eine Mahnwache. Wir alle wissen, dass sich die Welt weder diesen heißen noch einen Jahrzehntelangen Kalten Krieg leisten kann – angesichts der menschheitsbedrohenden Probleme, die nur global und gemeinsam gelöst werden können.

Durch den Ukrainekrieg gerät die größte Herausforderung des 21. Jahrhunderts – die Bewältigung der Klimakrise – in den Hintergrund. Die Welt braucht dringend eine radikale Abkehr von der herrschenden, lebensfeindlichen, wirtschaftlichen und militärischen Logik, welche die Menschheit und unseren Planeten in die Katastrophe treibt. Es braucht eine grundlegende sozialökologische Transformation, in der Bedürfnisse aller Menschen im Zentrum der Politik stehen. Diese scheint derzeit undenkbar. Doch was wäre die Alternative? Eine ungebremste Klimaerwärmung würde die gesamte Weltbevölkerung in die Katastrophe führen. Der Krieg mit seinen Waffensystemen und den Zerstörungen im Energiesektor heizt die Klimakrise nur noch an. Die Ukraine kommt zurzeit an fossilen Energieträgern nicht vorbei und die weltweite Waffenproduktion geschieht mit Sicherheit unter Verwendung umweltschädigender Kohleenergie.

Um das 1,5-Grad-Limit gegen den Klimawandel noch zu erreichen, verbleiben der Menschheit weniger als acht Jahre – entsprechend dem globalen CO2-Budget. Dafür sind gravierende Veränderungen in allen Bereichen dringend notwendig. Es brauche einen sogenannten „systemischen Wandel“, heißt es in dem Anfang April veröffentlichten IPCC-Bericht. Der militärische Sektor wird jedoch ausgeklammert. Zum Schlagwort „military“ finden sich insgesamt sechs Ergebnisse in dem knapp 3.000 Seiten langen Report. Man könnte meinen, der Bereich Militär spiele in Bezug auf die Klimakrise kaum eine Rolle. Die Realität sieht anders aus: Allein der Dauereinsatz von militärischem Gerät führt zu massiver Luftverschmutzung.

Unsere Forderung lautet: Militärische Aufrüstung stoppen, Spannungen abbauen, gegenseitiges Vertrauen aufbauen, Perspektiven für Entwicklung und soziale Sicherheit schaffen, Entspannungs­politik auch mit Russland aber auch mit China, da sich die NATO jetzt gerade warmläuft für die Konfrontation mit China. Deshalb ist es unabdingbar mehr zu verhandeln, dem Frieden zuliebe. Diese Einsichten werden wir überall in unserer Gesellschaft verbreiten. Damit wollen wir helfen, einen neuen Kalten Krieg bzw. die aktuelle Kriegs­gefahr abzuwenden. Keine Erhöhung der Rüstungsausgaben – Abrüsten ist das Gebot der Stunde!

Die Bundesregierung plant, die Rüstungsausgaben zu verdoppeln, auf zwei Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung (BIP). So wurde es in der NATO vereinbart. Allein 2019 wurde der Militärhaushalt auf 43,2 Milliarden Euro angehoben und ist damit größer als die Etats für Bildung und Gesundheit zusammen.

Wir können es uns aus globaler und nationaler Sicht nicht leisten, mehr fürs Militär und die Rüstung auszugeben. Deswegen sagen wir: NEIN dazu – Schluss damit! Abrüsten statt Aufrüsten! Militär löst keine Probleme – Eine andere Politik muss her!

Urheberrecht
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Oben           —   The consequences of a missile strike on Kyiv (6)

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Den Kapitalismus kapiert

Erstellt von Redaktion am 23. März 2023

Das Guru-Business von Sahra Wagenknecht

Von Ambross Waibel

Sahra Wagenknecht ist ein wirtschaftlich erfolgreicher Guru. Die Partei Die Linke dagegen, der sie immer noch angehört, ist ein erledigter Fall.

Sahra Wagenknecht hat den Kapitalismus kapiert: Voraussetzung für erfolgreiches Unternehmertum ist immer, dass die eigenen, privat­wirtschaftlichen Aktivitäten möglichst lange üppig öffentlich subventioniert werden, möglichst ohne dass dafür eine Gegenleistung erbracht wird. Rund 750.000 Euro hat sie im vergangenen Jahr zusätzlich zu ihren Diäten eingenommen, wie zuerst der Spiegel berichtete. Der hatte vorher schon Wagenknechts Bundestagschwänzen pingelig recherchiert, sie war halt oft krank, und dann gab es, sagt sie, eben so „terminliche Kollisionen“ mit ihrem, sorry echt, Business, wie gesagt: Sie hat es verstanden.

Eine solche Diversifizierung der Einnahmequellen wird einem beim Start in die Selbstständigkeit auch von den entsprechenden Beratungs­stellen in den Businessplan reingeschrieben. Und inzwischen kann Wagenknecht selbstbewusst sagen: „Ich kann mir auch eine Perspektive als Schriftstellerin und Publizistin vorstellen.“ Mit anderen Worten, Richtung „ihrer“ Partei und denen, die sie gewählt haben: Danke, ihr Penner – für nichts!

Wobei man eben sehen muss, dass Wagenknecht nicht anders unterwegs ist als ein Guru, ähnlich dem guten alten Bhagwan. Dessen Sek­ten­an­hän­ge­r:in­nen fanden auch nichts dabei, wenn der Meister im Rolls-Royce vorfuhr – warum auch? Der Guru sorgt dafür, dass Menschen in einem Parallel­universum ihr Zuhause finden. Und wenn es ihnen dann erwartungsgemäß zerbröselt, dann suchen sie sich die nächste Gelegenheit zur Realitäts­flucht samt charismatischer Figur, von der sie sich betrügen lassen können: Denn die Verletzungen, die sie in der wirklichen Welt erfahren, sind viel schlimmer für sie als aller gefährlicher Quatsch, den die Wagenknechte dieser Welt sich ausdenken können.

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Wer den Kapitalismus nicht kapiert hat, ist die Linkspartei. Dabei dichtete schon der von Sahra Wagenknecht geschätzte Brecht: „Das Geld ist gut. Auf das Geld gib acht! Hast du Geld, musst du dich nicht beugen!“ Und die Linke muss sich beugen. Wer mit Menschen, die durch ihr Engagement in der Linken ihren Lebensunterhalt bestreiten, zu tun hat, der hört oft den Satz: Ach ja, die Sahra, die Wagenknecht, schlimm –, natürlich will ich da raus aus dieser schrecklichen Partei, aber ich hab halt noch keinen anderen Job. So schlicht ist es eben manchmal. Dass Wagenknecht die Linke als Tanzbären herumführt und damit sehr gut verdient, schadet ihr nicht, auch nicht moralisch; es schadet ausschließlich der Partei, die sie gewähren lässt, es macht sie moralisch ungeil, es riecht nach Feigheit und Verzweiflung.

WG-Streitigkeiten der 70er

Die ganze Wagenknecht-Diskussion ist im Grunde steril, erinnert in ihrer unendlich zähen Dumpfheit an WG-Streitigkeiten der 1970er Jahre: Einer hat geerbt, will ausziehen, aber die andern haben keine Kohle für die Kaution und quengeln rum.

Quelle          :          TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Oben       —     Karl Marx, The Prophet

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Politik Systeme + die Ämter

Erstellt von Redaktion am 22. März 2023

Solidarität mit Wilfried Porwol

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Von:   Jimmy Bulanik

der Künstler Wilfried Porwol benötigt die Solidarität der Menschen. Kalkar ist ein Ort im Kreis Kleve, in dem die „AfD“ mehrfach einen Parteitag abgehalten hat. Auch die Menschen, welche im Bundesland Nordrhein – Westfalen am Ostermarsch teilgenommen haben, kennen Kalkar.

In Kalkar steht in der Öffentlichkeit ein Objekt, welches an jene gedenken soll, welche sich im zweiten Weltkrieg an Kriegsverbrechen wie Völkermord verantwortlich und schuldig gemacht haben. Auf der Rückseite des Objektes wurde ein Zitat von Adolf Hitler in Stein gemeißelt.

Der Künstler, Wilfried Porwol hat seit vielen Jahren mehrfach den Kontakt zur Justiz in Nordrhein – Westfalen. Weil der Humanist dieses Objekt farblich verändert hat. Da es nicht würdig ist, in der Öffentlichkeit zu stehen und geehrt zu werden.

So wurde Wilfried Porwol vom Gericht zu Geldstrafen verurteilt, weil er seinem Gewissen gefolgt ist. Nun benötigt dieser Spenden um den Rechtsstaat zu beschäftigen.

Spendenkonto:
Kontoinhaber: Werner Steinecke
IBAN: DE41 32 45 00 00 1030 56 95 19
Verwendungszweck: Denk Mal
Sparkasse Rhein Maas

Wilfried Porwol geht es bei Gericht darum, dass anerkannt wird, dass dieses Objekt nichts zum öffentlichen Gedenken ist, geschweige zur Staatsräson dieser Republik im Herzen der Europäischen Union gehört. Wie wichtig es ist, sich gegen den Rechtsextremismus einzusetzen, zeigt eine aktuelle politische Straftat am Mittwoch, den 15.03.2023, im Kreis Kleve in der Gemeinde Kranenburg. Dort wurden in der Öffentlichkeit Hakenkreuze angebracht, weshalb derzeit die Justiz im Bundesland Nordrhein – Westfalen wie die Polizei in Krefeld und die Staatsanwaltschaft Kleve in der politischen Strafsache der Sorte Rechtsextremismus ermittelt. Laut dem Leiter der Pressestelle des Polizeipräsidium Krefeld, Bernd Klein lautet das Aktenzeichen bei der Polizei Krefeld: 23 03 15 – 18 30 A 09 58.

Die beschauliche, niederrheinische Gemeinde Kranenburg mit der direkten Grenze zum Königreich der Niederlanden befindet sich an der historischen Liberation Route Europe. Das ist es, wofür es sich lohnt in der Öffentlichkeit zu gedenken. Dafür haben massenhaft gute Menschen aus diversen Ländern der alliierten Kräfte einen finalen Preis gezahlt.

Dieses Objekt in Kalkar ist ein Schandfleck im Kreis Kleve. Dies zu beenden ist eine Aufgabe der Politik. Ob für die Bürgermeisterin Britta Schulz britta.schulz@kalkar.de, den Landrat des Landkreis Kleve Christoph Gerwehrs christoph.gerwers@kreis-kleve.de oder den Bundestagsabgeordneten Stefan Rouenhoff für den Wahlkreis 112 stefan.rouenhoff@bundestag.de. Aus dem gesamten Bundesgebiet dürfen diese Personen angeschrieben werden.

Es sind die natürlichen Personen, welche die Staatsräson definieren. Deshalb sollten alle von ihrem Grundrecht Gebrauch machen, welches sakrosankt bleiben werden wird. Diese Emails kosten kein Geld für das Porto.

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Es bedarf einzig und allein des guten Willens dazu. Für die Gesellschaft im Kreis Kleve gibt es nichts an diesem Objekt der Schande im Kontext des zweiten Weltkrieges zu gewinnen. Eher ist das Entfernen dessen ein humanistisches Signal mit Strahlkraft.

Die Zukunft wird das sein, was die Menschen daraus gestalten. Darin gibt es viel Positives zu bewahren als auch zu gewinnen. Mitunter für die Generationen an Kindern, welche in der Zukunft geboren werden.

Dass diese durch unser Streben gänzlich profitieren werden, die Kapazitäten frei haben werden, sich ihren Aufgaben und Herausforderungen widmen zu können, denn das Thema der Gerechtigkeit wird zeitlos bleiben.

Jimmy Bulanik

Nützliche Links im Internet:

Lied van de vrijheid

www.youtube.com/watch?v=TaDl1MH9sm4

Hannie Schaft

www.youtube.com/watch?v=YeBJjgnMXtg

Ode an die Freude (Flashmob)

www.youtube.com/watch?v=kbJcQYVtZMo

Liberation Route Europe

www.liberationroute.com/de

Pressemitteilung der Polizei Kleve zu den öffentlich angebrachten Hakenkreuze in Kranenburg

www.presseportal.de/blaulicht/pm/65849/5465176

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Oben       —   Marktplatz im Zentrum von Kalkar

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Auf der Straße

Erstellt von Redaktion am 11. März 2023

Auf der Straße – Braun geröstet

Von Joe Bauer

Es ist schon dunkel in der Stuttgarter Altstadt, als ich mich auf die Suche nach der Vergangenheit mache. Ich gehe durch die Richtstraße, eine düstere Kopfsteinpflasterschleuse, die bis Anfang des 19. Jahrhunderts Scharfrichtergäßle hieß.

Hier wohnte einst der Herr, der unliebsame Mitmenschen auf der benachbarten Hinrichtungsstätte, dem heutigen Wilhelmsplatz, einen Kopf kürzer machte. Die Gasse endet vor der Hauptstätter Straße, die das alte Stadtzentrum tranchiert und mit ihrem Namen ebenfalls auf die Enthauptungen hinweist. An dieser Ecke des Rotlichtviertels steht ein mitgenommener Bau, das Alte Armenhaus aus dem 16. Jahrhundert. Am Fenster klebt ein Plakat: Es soll saniert und ein „Geschichts- und Versammlungsort“ werden. „Eine künftige gastronomische Nutzung ist ausgeschlossen.“

Zuletzt war im Alten Armenhaus das Café Mistral, ein Milieu-Lokal. Bis 1991 hatten hier die Lichter der legendären Sissy-Bar geleuchtet. Dieses Etablissement im einst gut belebten Leonhardsviertel war Treffpunkt honoriger Herrschaften, die zwischen Drinks und Damen ihre Geschäfte abwickelten. Und Konrad Kujaus Stammlokal. Geführt wurde es von den Eltern des heute 56-jährigen Kfz-Meisters F., den ich seit vielen Jahren gut kenne. Als Jugendlicher hat er miterlebt, wie sich Kujau, oft im Gestapo-Look, das Bier in einem für ihn reservierten Krug mit aufgedrucktem SS-Totenkopf bringen ließ. Nazi-Reliquien standen damals im Luden-Milieu nicht unbedingt auf dem Index; am 20. April wurde auch gern mal auf „Adi“ angestoßen.

F. erzählt, dass er sich darüber aufgeregt habe, wenn der „Hitler-Tagebücher“-Fälscher Kujau in der Öffentlichkeit hofiert und als lustiges Schlitzohr verharmlost worden sei. In der Sissy-Bar habe er oft mit anhören müssen, wie der Kerl Nazi-Verherrlichungen und rassistische Beleidigungen abgesondert habe. „Conny“ habe sich gerühmt, ein Nazi zu sein. Fakt ist: Schon dank seines Militaria-Ladens mit Nazi-Devotonalien in der Schreiberstraße hatte er einschlägige Kontakte in die Fascho-Szene.

„Champagner-Conny“ fiel kaum auf

Im Mai 1983 gab es keine Zweifel mehr, dass Adolfs Kladden, die das Hamburger Magazin „Stern“ für mehrere Millionen Mark gekauft hatte, von Kujau geschrieben und gefertigt wurden. Jetzt, 40 Jahre später – 23 Jahre nach Kujaus Tod – hat der NDR die in alter deutscher Schreibschrift verfassten „Tagebücher“ transkribiert und veröffentlicht. Diese Enthüllung beweist, dass die „Stern“-Manager im Profitwahn unter Einfluss der Droge Hitler bereit waren, Texte zu veröffentlichen, die den Diktator und seine Gräueltaten verniedlichen. Hitler erscheint als schrulliger Typ, eigentlich ein guter Mensch, der seine Partnerin Eva Braun mit seinen Blähungen nervte – und von den Massenmorden an den Juden nichts wusste. Auszug: „23. Mai 1943: Sorgen macht mir unser Judenproblem. Nach den mir vorliegenden neuesten Meldungen will sie keiner haben.“ Kurzum: ein Akt von Holocaustleugnung.

Die Propaganda des Hamburger Magazins, die Geschichte des „Dritten Reiches“ müsse „teilweise neu geschrieben werden“, ist heute ein geflügeltes Wort. Und die aktuelle Aufklärung über Kujaus Machwerk umso brisanter, als erst vor einem Jahr der ehemalige „Stern“-Herausgeber Henri Nannen, ein gefeiertes Journalisten-Vorbild, als Lügner und antisemitischer Propaganda-Hetzer der Nazis enttarnt wurde. Der „Henri-Nannen-Preis“ für Journalismus wurde vor Kurzem in „Stern-Preis“ umbenannt. Der NSDAP-Insider Nannen hatte die Veröffentlichung der „Hitler-Tagebücher“ trotz seiner intern geäußerten Skepsis akzeptiert. Als der Bluff nach zwei Ausgaben mit dem „Führer“-Fake aufflog, trat er von „der aktiven Herausgeberschaft“ zurück.

Nachdem Kujau 1985 zu vier Jahren Haft verurteilt und wegen seiner angeschlagenen Gesundheit – Kehlkopfkrebs – nach drei Jahren entlassen wurde, habe ich ihn einige Male getroffen. Einen gemachten Mann mit zwei Gesichtern: mal ausgebuffter Plauderer, mal übellauniges Lügenmaul.

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Als ich jetzt von den NDR-Enthüllungen las, wollte ich mich eigentlich nicht mehr mit dem Thema beschäftigen. Die Erinnerungen wirken unangenehm. Dunkle Flashbacks. Heute wissen nicht mehr allzu viele, wie es Anfang der achtziger Jahre war, in der Stadt zwischen Wald und Reben, zwischen Hängen und Würgen, nach Mitternacht ein geöffnetes Lokal jenseits des Rotlichts zu finden. Die Altstadt war ein Zufluchtsort für Nachtgestalten aller Art. Der Stuttgarter Dörflichkeit zum Trotz hatte sich eine durchaus urbane Szene gebildet, eine Subkultur, in der Betuchte und Loser, Gangster und Juristen, Künstler und Kleindealer in denselben Kneipen und Kaschemmen saßen. Da fiel auch „Champagner-Conny“ kaum auf, wenn er brandneue Hunderter als Trinkgeld spendierte.

Mit Hakenkreuzen und Dollarzeichen in den Augen

Quelle         :           KONTEXT -Wochenzeitung          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —       Konrad Kujau, author of the Hitler-Diaries, King of Forger and Fright of all Historians, in front of one of his Works. This photo was shot in 1992 in his Galerie in Stuttgart, Germany.

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Perpetuierend Rechte

Erstellt von Redaktion am 6. März 2023

Aktivitäten im nordhessischen Sachsenberg

Sachsenberg, Ansicht aus Osten

Von:   Jimmy Bulanik

Auf einer online Plattformen wurde zu eine Anwerbe-Veranstaltung der Anastasia Organisation im Rahmen einer „privaten Veranstaltung“ eingeladen. Die Anastasia Ideologie wird mit gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit wie Rassismus, Antisemitismus und Verschwörungsideologien in Verbindung gebracht.

Gezeigt werden sollte der Anatasia-Werbefilm „Die Reise zum Urvertrauen“. In diesem Film „ist man auf den Spuren von Anastasia und Wladimir Megre“: vier Landsitze, ca. 20 Dolmen und die Schetinin-Schule in Tekos werden vorgestellt.

Veranstalter ist ein sogenannter „Kreativ-Treff“.

Die Veranstaltung fand am 04. März 2023 an folgender Adresse statt:

Schulstr. 7 , 35104 Lichtenfels-Sachsenberg

Bei dieser Adresse handelt es sich um den sogenannten „Alten Kindergarten“. Dieses Haus gehört dem gemeinnützigen Verein „Kulturkreis Sachsenberg e.V.“.

Laut dessen Satzung darf er nicht Raumgeber für politische Veranstaltungen sein.

Erste Vorsitzende und Ansprechpartnerin ist laut Internet:

Frau Dorli Rauch, Oberstraße , 35104 Lichtenfels-Sachsenberg.

Frau Dorli Rauch (ehemalige Lokalpolitikerin des Bündnis 90 / Die Grünen bis zu ihrem von der Partei erwünschten Parteiaustritt, jetzt Anhängerin der Partei „Die Basis“) gibt bei Journalistenanfragen wie de des Fachjournalisten Jimmy Bulanik am Freitag, 03. März 2023 zu dieser Veranstaltung keine Auskunft und verweist lediglich darauf, das es sich um eine private Veranstaltung handelt.

Frau Dorli Rauch ist für die demokratische Zivilgesellschaft im negativen Kontext eine bekannte Person.

Bereits Ende Juni 2022 hatte Frau Dorli Rauch den rechtsextremistischen Verein „Ur-Europa e.V.“ („gemeinnützige Gesellschaft“) nach Sachsenberg eingeladen. Dabei hat Nordhessen ausreichend Herausforderungen mit rechtsextremen Strukturen bis hin zu Terrorismus von Rechtsextremisten in Form des Kapitalverbrechen wie Mord zum Nachteil von Halit Yozgat, ein Abendgymnasiast aus Kassel oder dem hessischen CDU Politiker, Walter Lübcke ein ehemaliges Mitglied des Landtages von Hessen und Regierungspräsident im Regierungsbezirk Kassel.

Der rechtsextreme Verein „Ur-Europe e.V“ hatte sich in der ahnungslosen „Waldpension zum Felsenkeller“ eingemietet und tagte dort zusammen mit bekannten Vertretern der rechtsextremistischen Szene aus Deutschland und Österreich, darunter Andreas Thierry, Roland Wuttke und Gerd Zikeli.

Der aufmerksamen Wirtin wurde anhand der menschenverachtenden Sprüche schnell begreiflich, was für zweifelhafte Personen sie bei sich im Objekt hat. Sie schaltete umgehend die Lokalpresse ein und es gab einen aufklärenden Bericht über die organisatorischen Aktivitäten der Frau Dorli Rauch hinsichtlich dieser Veranstaltung:

www.hna.de/lokales/frankenberg/gaeste-aus-der-rechtsextremistischen-szene-in-sachsenberg-91670375.html

Es gibt in Hessen bereits zwei Familienlandsitze der Anatasia Organisation: in Nentershausen (LandkreisHersfeld-Rotenburg) und in Jesberg (Schwalm-Eder-Kreis).

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Ein Blick auf einige Gebäude der Korenskiye Rodniki („Wurzelquellen“), einer Anastasia-Siedlung im Bezirk Shebekinsky, Oblast BelgorodRussland.

Anastasia hat sich auch auf Nordhessen fixiert und will sich dort weiter expandieren. Dies kann und muss verhindert werden. Dies ist notwendig um zukünftige Gefahren für die demokratische Zivilgesellschaft abzuwenden.

Bereits Ende August 2019 wollte Anastasia sich in der Jugendherberge „Hohe Fahrt“ am Edersee (in der Nähe von Vöhl) für ein Festival-Forum unter dem Motto: „Im Lichtstrahl von Anastasia Deutschland“ treffen.

Die lokale demokratische Zivilgesellschaft bekam das frühzeitig mit und informierte die Lokalpresse und den ahnungslosen Herbergsvater.

Mit dem hatten die Rechten Anastasia Anhängerschaft bereits einen Belegungsvertrag gemacht, getarnt als „Gewerbe Festivalveranstaltung Andrej Koslow“. Gleichzeitig machten sie auf den Anatasia-Portalen Werbung für diese Veranstaltung. So flog die Tarnung auf.

Mit Hilfe des Landesverbands der Jugendherbergen in Hessen und eines Anwalts kündigte der Herbergsvater auf Grund der satzungsgemäßen politischen Unvereinbarkeit mit rechtsradikaler Gesinnung diesen Vertrag per sofort.

Die Rechten der Anastasia Organisation bekamen bereits geleistete Vorauszahlung nicht erstattet und mussten 6.500 Euro für „Ausfallkosten“ zahlen.

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Grafikquellen       :

Oben       —     Ansicht aus Osten

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Unten        —    Лобачев Владимир – Eigenes Werk

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Ein Schloss in Meseberg

Erstellt von Redaktion am 6. März 2023

In welcher Welt leben wir eigentlich?

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In einer Welt aus Steinen sitzen Politiker-innen zum Schlemen nur selten  alleine ! Der Adel wurde ausgemistet um sich selber in die gemachte Nester zu setzen.

Quelle       :        Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Mit Stolz prahlen unsere Politiker von Demokratie und internationaler, regelbasierter Ordnung, haben aber ganz offenbar eine sehr eigenwillige Vorstellung von dem, was sie da propagieren. Die betroffene Bevölkerung unseres Landes fragt sich zunehmend, in welchem Land sie eigentlich lebt.

Vor der Wahl alles schön und gut und friedlich. Nach der Wahl bellikös innerhalb der Regierung und kriegtreibend nach aussen. Andere Meinungen werden riguros verrissen, gleichgültig, ob aus dem eigenen Land oder z.B. aus China. Allen voran unser bis dahin eher schüchterner und zaudernder Kanzler mit seiner ‚Zeitenwende‘, die keine ist. Aber der Begriff ist ja so eingängig und vielfach verwendbar! Gegenüber den ruchlosen Kriegen der USA gegen andere Länder und Völker ist der Ukrainekrieg ein Rollentausch insofern, als jetzt eben Russland über ein anderes Land herfällt und nicht die USA.

Mit welcher Chuzpe wird da ein ‚Aufstand für den Frieden‘ abgewürgt!? All die kriegstreibenden und sich aufgeklärt gebärdenden Politiker kennen ganz offenbar den Satz von Voltaire nicht: „Mein Herr, ich teile Ihre Meinung nicht, aber ich würdemein Leben dafür einsetzen, dass Sie sie äußern dürfen.“ Und wie ist das mit § 5 GG, wonach jeder das Recht hat, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten? Das ist ein Grundsatz von Demokratie, den unsere Politiker gerne nach Gutdünken missachten.

Und in der Dunstwolke des Kanzlers seine Außenministerin mit ihren regelbasierten Forderungen. Dabei sollte sie doch wissen: Andere Länder, andere Sitten, oder wie schon von Heinrich Heine vieldeutig formuliert: Neue Länder, neue Vögel, neue Vögel, neue Lieder. Aber nein, alle müssen nach der internationalen, regelbasierten Ordnung der USA tanzen, wo Gewalt, Rassismus und Ungleichheit das Leben der Menschen bestimmen. Dabei ist die regelbasierte Ordnung wieder ein solcher doppelt gemoppelter Scheinbegriff, denn Ordnung ohne Regel ist Chaos. Aus einer eher sympathischen Grünen ist eine tolpatschige Vertreterin unserer Politik im Ausland geworden.

Und was soll die einstündige Schmuserunde von Biden und Scholz in Washington auf Kosten der Bevölkerung, ohne diese über Zweck und Ergebnis aufzuklären? Gehört es etwa auch zur regelbasierten, internationalen Ordnung, sich still und leise neue Befehle aus den USA zu holen?

Und wollen wir wirklich in einem Land leben, in dem Lohnabhängige durch hohe Inflation immer weniger für ihre Arbeit erhalten? Ganz zu schweigen von denjenigen, die auf Bürgergeld angewiesenen sind und so noch weniger haben als das trickreich kleingerechnete Minimum für ein menschenwürdiges Leben in einem Land, in dem ein überforderter Wirtschaftsminister durch Holterdiepolteraktionen unser Leben auf lange Sicht drastisch verteuert hat. Die Milliarden für NATO und Kriege im Ausland müssten dringend für die Nöte im eigenen Land eingesetzt werden. Aber das scheint der regelbasierten Ordnung zu widersprechen. Demokratie an Krücken!

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Oben       —     Schloss Meseberg von Süden

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Unten      —       Sánchez Scholz Meseberg 2022 (4).jpg

Urheber Pool Moncloa/Borja Puig de la Bellacasa   /      Quelle   : https://www.lamoncloa.gob.es/multimedia/galeriasfotograficas/presidente/Paginas/2022/300822-sanchez-scholz.aspx
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Namensnennung:

Ministry of the Presidency. Government of Spain

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Eine Plastiktüte voll Armut

Erstellt von Redaktion am 4. März 2023

Brot, Gas, Socken – alles ist teurer geworden. 

Und die geistigen Krücken der Politik schlemmen in Meseberg

Von    :    Niko Kappel

Was heißt das für Menschen, die sowieso schon wenig haben? Ein Tag mit Sozialberater Volker Hänneschen im brandenburgischen Senftenberg.

Als Nicole Müller das erste Mal zu Volker Hänneschen kam, hatte sie eine Plastiktüte voll Briefe in der Hand. Darin waren sehr viele Rechnungen. Bestimmt 300 Stück. Es gibt Menschen, die öffnen keine Briefe mehr. Volker Hänneschen fragt dann nicht nach den Gründen. Die wird es schon geben, denkt er sich. Seine Aufgabe ist, die Briefe der Leute zu öffnen.

Die Plastiktüte von Nicole Müller hat Hänneschen in eine Excel-Tabelle übersetzt. Sie hat 108 Positionen. „Strom­anbieter 188,20 Euro“, steht da. Oder: „Telefonrechnung 1.001,30 Euro“. Die Tabelle geht über sechs Seiten, sie versammelt unbezahlte Rechnungen aus zwei Jahrzehnten. Am Ende, unter dem Strich, steht die Gesamtverschuldung von Nicole Müller. 105.760,25 Euro.

Volker Hänneschen ist Sozialarbeiter. Er arbeitet in der Sozialberatungsstelle der Caritas im brandenburgischen Senftenberg. Seit 30 Jahren kommen Menschen zu ihm, die Hilfe brauchen. Mit Rechnungen, mit Anträgen, mit Steuern, mit Behörden. Gerade werden es immer mehr.

So eine Krise wie diese habe er noch nie erlebt, sagt Volker Hänneschen. Noch nie in den vergangenen drei Jahrzehnten habe sich die Armut so weit hoch in die Mittelschicht gefressen. Früher kamen zu Volker Hänneschen hauptsächlich Menschen wie Nicole Müller. Menschen, die keine Rechnungen mehr bezahlen können. Seit Beginn des Krieges kommen auch Menschen mit stabilen Einkommen, mit sicherer Rente oder auch solche, denen die Hilfe vom Amt eigentlich immer gereicht hat, erzählt er. Weil es jetzt eben nicht mehr reicht.

Die Inflation in Deutschland ist so hoch wie seit 1951 nicht mehr. 2022 kostete die Energie 34,7 Prozent mehr als im Jahr zuvor. Die Nahrungsmittelpreise sind 2022 um 13,4 Prozent gestiegen.

Für Menschen an der Armutsgrenze kann das den finanziellen Ruin bedeuten. Laut einer Befragung der Hans-Böckler-Stiftung leiden die Haushalte am meisten unter der Inflation, die ein Einkommen von weniger als 1.500 Euro netto haben. Rund die Hälfte dieser Menschen berichtet von einer starken finanziellen Belastung.

Wie gehen arme Menschen damit um, dass sie jetzt noch weniger haben als vor der Inflation?

Senftenberg ist eine Kleinstadt in Brandenburg. Etwa 23.000 Menschen wohnen hier, 40 Kilometer von Cottbus entfernt, in der Lausitz. Früher wurde im Tagebau Kohle abgebaggert. Mitte der 90er Jahre verschwand der Bergbau. Die Region galt als strukturschwach, es gab kaum noch Jobs. Aber die Lausitz hat sich davon erholt, ein bisschen zumindest. Heute sind die leeren Kohlegruben mit Wasser gefüllt. Die Lausitzer Seenlandschaft zieht Touristen an, knapp 700.000 Übernachtungen gab es 2021. Trotzdem hat ein Haushalt hier im Schnitt nur 20.790 Euro im Jahr zum Leben. Damit gehört der Landkreis Oberspreewald-Lausitz immer noch zu den ärmsten in Brandenburg.

Alle Namen in diesem Text – bis auf den von Volker Hänneschen – wurden geändert. Wer sich an die Beratungsstelle der Caritas wendet, soll anonym bleiben können. Der Reporter musste vor dem Termin versichern, keine echten Namen von Hilfesuchenden im Text zu verwenden. Die sind der taz aber bekannt.

An diesem Januartag bietet Volker Hänneschen eine offene Sprechstunde an. Das heißt, jeder Mensch, der ein Problem hat, kann kommen. Es ist ein kalter Morgen. Gerade hat es noch gehagelt, aber jetzt scheint die Sonne. Im Warteraum der Beratungsstelle der Caritas sitzt bereits ein Pärchen. Der Raum ist lachsrosa gestrichen. Ein paar Stühle stehen hier, in der Ecke ein Tisch. Darauf liegen Legosteine. Die beiden warten seit 9 Uhr morgens, sie wollen pünktlich sein, denn das mögen die Deutschen. So hat man es ihnen auf dem Sozialamt gesagt. Er heißt Hassan Khalid, sie Djamila Khalid. Beide tragen Pudelmützen mit kleinen Bommeln auf dem Kopf. Djamila ist schwanger, im siebten Monat.

Volker Hänneschen bittet die beiden in sein Büro. Sie setzen sich und fangen an zu erzählen. Sein Gehalt reicht zum Leben nicht aus. Er verdient netto 700 Euro bei einem Lieferdienst. Dann erhielten sie die Gasrechnungen. Dann wurde im Supermarkt alles teurer. Djamila bekam Angst, dass das Geld ausgeht, wenn das Baby da ist. „Wie sollen wir das bezahlen, wenn die Preise weiter so steigen?“, habe sie irgendwann ihren Mann gefragt.

Eine Freundin erzählte ihr von „Anträgen“. Zettel, die man in Deutschland zum Amt bringt. Wenn man diese Anträge abgibt, dann kriegt man vielleicht Geld. Volker Hänneschen nickt. „Das machen wir. Wir stellen jetzt ganz viele Anträge.“ Er tippt auf seinem Computer.

Sehr geehrte Damen und Herren.

„So beginnen heutzutage alle Märchen“, sagt Hänneschen. Er tippt weiter.

Ich erwarte am 23. April mein Kind. Deshalb beantrage ich Mehrbedarf für Schwangerschaft.

Er verteilt die Überschriften über die Anträge.

Antrag auf Mehrbedarf wegen Schwangerschaft

Antrag auf Mehrbedarf wegen Umstandskleidung

Antrag auf Mehrbedarf wegen Babyausstattung

Volker Hänneschen druckt die Zettel aus. Djamila unterschreibt sie.

Viele Menschen wissen nicht, was es alles für Anträge gibt. Woher auch, im Antragsland Deutschland. Das Kreissozialamt schickt sie dann zu Beratern wie Volker Hänneschen. Er weiß, wem wo und vor allem wie geholfen werden kann. „Kommen Sie wieder, wenn das Baby da ist. Dann stellen wir noch mehr Anträge.“ Die beiden nicken und bedanken sich.

Senftenberg Festung von außen.jpg

Durch solch einen Durchgang würden unsere Politiker mit Sicherheit nicht kriechern um ihr Festmahl einzunehmen.

Die Bundesregierung hat auf die steigenden Preise mit mehreren Entlastungspaketen reagiert. Für Menschen wie die Khalids, bei denen Geld an jeder Ecke fehlt, seien die staatlichen Hilfen zu wenig, sagt Volker Hänneschen. „Da entscheidet dann so ein Antrag auf Mehrbedarf wegen Babyausstattung wirklich, was das Kind zu essen bekommt.“ Klar gebe der Staat gerade hohe Summen für die Unterstützung der Menschen aus. Aber die würden wie mit einer großen Gießkanne über dem Land ausgeschüttet. Manchen hilft das, manchen nicht. Das neue Wohngeld federe zum Beispiel die höheren Heizkosten ab, sagt Hänneschen. Aber eben nur pauschal mit 1,20 Euro pro Quadratmeter. „Am Existenzminimum ist das zu wenig.“

Volker Hänneschen wuchs in Finsterwalde im südlichen Brandenburg auf, 1984 kam er nach Senftenberg. Die Stadt war damals von einem grauen Schleier überzogen, erzählt er. Um Senftenberg herum gab es Brikettwerke. Aus den Schornsteinen kam schwarzer Ruß, der sich über die Stadt legte.

Die Biografien im Osten verliefen anders als im Westen. Mit 16 ging Volker Hänneschen von der Schule ab. Nur wenige machten damals Abitur, auch Hänneschen nicht. Er wollte in der DDR nicht linientreu sein, und zur Armee wollte er auch nicht. Volker Hänneschen arbeitete in der Grube, wie fast alle jungen Männer in Senftenberg. Er fuhr immer mit dem Moped hin. Nicht, weil das schneller ging, sondern weil er dann eine Ausrede hatte, wenn seine Kollegen um 10 Uhr vormittags anfingen, Schnaps zu trinken.

Mit 19 kam das erste Kind. Dann die Heirat. 1990 verließ Volker Hänneschen die Kohle. Die Schichten passten nicht mehr zur Familie. Er wollte nicht wie seine Kollegen „in der Kohle versinken“, sagt er, „gebrochene Männer“ nennt er sie.

Volker Hänneschen leistete Zivildienst bei der katholischen Kirche. Das war der erste Kontakt zur Caritas. Es stellte sich heraus, dass er gut mit Menschen kann. Er holte das Abitur nach. Sein Chef schickte ihn nach Berlin, zum Studium der Sozialarbeit. In Berlin-Karlshorst, auf die Katholischen Hochschule für Sozialwesen. 1992 wurde dann die Sozialberatungsstelle der Caritas in Senftenberg gegründet. Volker Hänneschen trug die Büromöbel in das kleine Haus am Ende der Senftenberger Fußgängerzone, half während des Studiums immer wieder aus. Und blieb.

„In Senftenberg haben die Menschen andere Probleme als in Darmstadt oder Göppingen“, sagt Hänneschen. Seit in der Lausitz keine Kohle mehr abgebaut wird, kann man im Tourismus arbeiten oder bei einem großen Paketversand, der in der Nähe ein Lager hat. Viel mehr Jobs gibt es nicht. Auch deshalb hat Volker Hänneschen gut zu tun.

Eine der vielen Menschen, die er in den 30 Jahren als Berater kennengelernt hat, ist Helena Mägritz. Sie bekommt Sozialhilfe. Das Geld ist an jeder Ecke knapp. Jetzt wurde ihre Miete erhöht, der Preis für das Gas auch.Vor zehn Jahren verbrannte eines ihrer Kinder. Es spielte mit Streichhölzern. Die Wohnung fing Feuer. Das Kind starb. Seitdem ist Helena Mägritz schwer traumatisiert. Sie konnte nicht mehr arbeiten. Irgendwann kam sie mit den Anträgen für die Grundsicherung und andere Hilfen nicht mehr mit. So landete sie in der Beratung von Hänneschen.

„Hallo Helena“, sagt Volker Hänneschen. „Um was geht es heute?“„Um den Onkel“, sagt Helena Mägritz.

Ihr Onkel ist seit Oktober bei ihr untergebracht. Er ist pflegebedürftig. Ein Heim war zu teuer, deshalb kümmert sich jetzt Helena Mägritz um ihn. Aber finanziell ist das schwierig. Der Pflegedienst kommt täglich. Der Onkel muss Tabletten nehmen. Beim Aufräumen fand Helena Mägritz irgendwann die Tabletten im Schrank. Der Onkel nahm sie nicht mehr. Warum, kann sie nicht sagen. Helena Mägritz will jetzt Pflegegeld für ihren Onkel beantragen. Sie fragt, ob sie weniger Grundsicherung bekomme, wenn der Antrag auf Pflegegeld genehmigt werde?

Volker Hänneschen erklärt ihr, dass die Sozialhilfe und das Pflegegeld verschiedene Dinge sind. Das Amt werde ihr schon nichts wegnehmen. Er redet ruhig, nimmt sich Zeit.

Sie sagt, dass durch die Pandemie und die Inflation „der ganze Scheiß“ noch schwieriger geworden sei. „Wir kommen von einer Krise in die nächste.“ Das gilt für Deutschland, aber eben auch für sie persönlich. Die Gasrechnung steigt. Sie bezahlt. Der Onkel braucht Pflege. Sie bezahlt. Die Kinder brauchen neue Schulsachen. Sie bezahlt. Nie reiche das Geld.

Es sei messbar, dass die derzeitigen Krisen vor allem die mit dem wenigsten Einkommen im Land treffen, sagt Bettina Kohlrausch vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der Hans-Böckler-Stiftung. „Wer weniger Geld hat, leidet gerade mehr.“ Die Hans-Böckler-Stiftung hat erhoben, dass unter den Einkommensärmsten die Hälfte von starken finanziellen Belastungen berichtet. Bei einem Einkommen von 2.000 bis 3.500 Euro sind es unter den Befragten rund ein Viertel, bei den Einkommensreichsten lediglich 8 Prozent. In der Erhebung wurden nur Menschen befragt, die erwerbstätig sind. Für Menschen ohne Job ist die finanzielle Belastung noch mal höher, ist sich Bettina Kohlrausch sicher.

Senftenberg markttreiben.JPG

Und auch die Arbeitsgemeinschaft Schuldnerberatung der Verbände berichtet von einer deutlich gestiegen Nachfrage im Jahr 2022. Die Menschen wendeten sich vermehrt wegen Energie- oder Mietschulden an die Anlaufstellen, ergab eine gerade veröffentlichte Umfrage. Oder sie benötigten eine Budgetberatung. Was so viel heißt wie: Sie kommen mit dem Geld, das sie zum Leben haben, nicht mehr hin.

Als Helena Mägritz geht, sitzt schon der Nächste in Hänneschens Warteraum. Ungeduldig spielt er mit den Legosteinen auf dem Tisch. Christopher Heuer ist etwas über 60 Jahre alt. Er stammt aus einer reichen Unternehmerfamilie. Zum Schutz seiner Persönlichkeit wurden einzelne Details wie Aufenthaltsorte und Familienverhältnisse in diesem Text geändert.

Seine Familie habe ihn enterbt, als er 18 war, erzählt er. Warum, tue hier nichts zu Sache. Nur so viel: Er habe „ziemliche Scheiße“ gebaut, und sein Vater habe seinen Zustand ausgenutzt, als er am Boden war. Jetzt, 40 Jahre später, ist er wieder am Boden. Die Firma führt heute sein Bruder. Zur Familie hat er keinen Kontakt mehr.

Quelle       :        TAZ-online           >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Interior of Rewe store, Garmisch-Partenkirchen.

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Oury Jalloh – Das war Mord!

Erstellt von Redaktion am 4. März 2023

Oury Jalloh – Ablehnung der Verfassungsbeschwerde

File:BlackLivesMatter protest Berlin 2020-06-27 14.jpg

Wer legt diese Saat? Ein sich selber nennender „Werte Staat“ 

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von    :    Initiative in Gedenken an Oury Jalloh

Schutz der Täter steht über dem Recht der Angehörigen. Die Familie von Oury Jalloh geht zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte.

18 Jahre nachdem Oury Jalloh rechtswidrig festgenommen und im Dessauer Polizeigewahrsam schwer misshandelt und verbrannt wurde, hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die Einstellung aller Ermittlungen in Sachsen-Anhalt nachvollziehbar und somit rechtens und verfassungskonform sei. Damit hat nun auch die höchste Instanz der deutschen Justiz den Mord und das Verbrennen eines Menschen durch Polizeibeamte – entgegen aller Fakten und Beweismittel – negiert und das Opfer selbst zum Täter gemacht.

Die Karlsruher Richter*innen folgen in ihrem formalen Beschluss zur Nichtannahme der Verfassungsbeschwerde der in höchstem Masse unwissenschaftlichen und einseitigen Argumentationslinie der sachsen-anhaltinischen Ermittlungsbehörden. Diese basiert einerseits uneingeschränkt auf den widersprüchlichen Aussagen und Schutzbehauptungen der Täter*innen aus dem Polizeirevier und stützt sich andererseits auf eine unprofessionelle und selektive Beweismittelerhebung: Von Beginn an haben die zuständigen Staatsanwaltschaften die wichtigsten Fragen nach der Brand- und Todesursache unbeantwortet gelassen. Selbst nach der Weisung des BGH von 2010 wurden die Ermittlungen weiter verschleppt, Aufträge für Gutachten manipuliert und Stellungnahmen der eigenen Expert*innen fehlinterpretiert oder gar ignoriert.

Auf diesen finalen Ablehnungsbeschluss musste der Bruder von Oury Jalloh, Mamadou Saliou Diallo, über drei Jahre warten – nur um dann erneut schmerzlich feststellen zu müssen, dass es seitens der deutschen Justiz keine Gerechtigkeit für den Mord an seinem Bruder geben darf. Der ungewöhnlich lange Zeitraum für die Entscheidung in einem so bedeutsamen Fall ist völlig inakzeptabel. Fragwürdig sind auch die 3 Monate, die es von der Beschlussfassung am 21.12.2022 bis zur Veröffentlichung am 23.02.2023 gedauert hat.

Mit dieser Entscheidung hat sich das Bundesverfassungsgericht selbst an der systematischen Vertuschung und Verschleppung eines offenkundig rassistischen Verbrechens, das darüber hinaus Teil einer Mordserie innerhalb der Dessauer Polizeibehörde ist, beteiligt.

Das ist eine weitere schwere Demütigung des Opfers und seiner Hinterbliebenen. Diese müssen seit über 18 Jahren leiden, während die verantwortlichen Täter*innen frei und ungestraft bleiben dürfen. Die deutsche Justiz hat damit erneut ein wichtiges und höchstrichterliches Signal an die deutsche Polizei gesendet: Ihr könnt weiterhin Menschen erschiessen, ersticken, erschlagen oder verbrennen – wir werden euch in jedem noch so offensichtlichen Fall beschützen!

Diese deutschen Zustände können und werden wir niemals akzeptieren. Wir werden unsere unabhängige Aufklärungsarbeit fortsetzen und gleichzeitig die Familie von Oury Jalloh bei ihrem Gang zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte unterstützen. Der EGMR hat bereits in anderen Fällen betont, dass besonders bei Todesfällen in Gewahrsam eine Pflicht zur nachvollziehbaren Aufklärung der Todesumstände seitens des Staates besteht.

Oury Jalloh – Das war Mord! … und Mord verjährt nicht!

Soweit nicht anders angegeben und keine Quellenangabe (Name einer Organisation oder Internet-Adresse) vorhanden ist, gilt für die Texte auf dieser Webseite eine Copyleft (Public Domain) Lizenz.

DL  – Berichtete 2012  :

Der Fall Oury Jalloh

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Grafikquellen          :

Oben        —      BlackLivesMatter Kundgebung auf der Straße des 17. Juni am Großen Stern in Berlin am 27. Juni 2020.

Author Leonhard Lenz       /        Source  :   Own work       /     Date : 27 June 2020

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Angst vor den Blackout

Erstellt von Redaktion am 23. Februar 2023

Hintergrund: Atomausstieg , Blackout und Angstkampagen

Wyhl 02.650.n.jpg

Quelle         :     Mitwelt Stiftung Oberrhein

Von      :      Axel Mayer

„Wenn das AKW Wyhl nicht gebaut wird, gehen in Baden-Württemberg die Lichter aus“, sagte Ministerpräsident und Marinestabsrichter a.D. Hans Filbinger 1975. „Wenn wir die letzten drei AKW abschalten, gehen in Deutschland die Lichter aus“, drohen die atomar-fossilen Seilschaften heute. Die Zeiten ändern sich, aber die perfekt organisierten und immer wirksamen Angstkampagnen bleiben.

1975, vor bald einem halben Jahrhundert, in der heißen Phase des Wyhl-Konflikts, beauftragte die damalige Badenwerk-AG die Hamburger Werbeagentur Drews Verfahrensstrategien zu entwickeln, die eine zügige Überwindung des Widerstandes der Bevölkerung garantieren sollten. Das Manager Magazin und der Spiegel berichteten über die Vorschläge der Werbeagentur, die u.a. die folgenden Taktiken vorgeschlagen hatte:

  • Negativtaktik: Dramatisierung aller Probleme, die durch den Nichtbau von Kernkraftwerken entstehen. Die Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft überdecken.
  • Verschleierungstaktik: Herunterspielen der Probleme, die im Zusammenhang mit Kernkraftwerken in der Bevölkerung auftauchen. Die Ängste durch Verfremdung der Probleme verdrängen.
  • Verschönerungstaktik: Einseitige, positive Informationen über alle Fragen (fast alle) der Kernenergie. Die Ängste einfach negieren und ein positives Bild aufbauen.

Dieses alte Strategiepapier kommt einem angesichts mancher heutigen Argumente der Atomlobby seltsam bekannt vor. Die damaligen Angst-Strategien werden heute noch verwendet, gerade wenn es gilt, für die Laufzeitverlängerung der AKW Neckarwestheim-2, Emsland und Isar-2 oder für den Neubau von Atomkraftwerken zu werben.

Mit Fakten für die Laufzeitverlängerung zu werben, ist nach Tschernobyl und Fukushima schwierig geworden.
Selbst die Ökonomie spricht seit einigen Jahren gegen die Atomkraft. Strom aus Wind und Sonne ist nicht nur umwelt- und menschenfreundlicher, sondern auch wesentlich kostengünstiger als Strom aus neuen AKW.
Erstaunlicherweise werben auch nicht mehr die alten deutschen Energiekonzerne für die Gefahrzeitverlängerung, denn diese können rechnen. Für die Laufzeitverlängerung werben aktuell die alten und neuen Atomparteien CDU, CSU,  FDP und AfD und die ihnen nahestehenden Medien, rechts-libertäre Seilschaften und die Netzwerke der Klimawandelleugner. Vor fünf Jahrzehnten fanden die inhaltlichen Auseinandersetzungen noch direkt zwischen Konzernen und Umweltbewegung statt.

Heute tarnt sich die Atomlobby „scheinbar klimafreundlich“ nach amerikanischem Greenscamming-Vorbild. Greenscamming ist eine PR-Technik, bei der umweltfreundlich klingende Namen und Bezeichnungen für Organisationen oder Produkte ausgewählt werden, die nicht umwelt- oder klimafreundlich sind. Eine häufig angewandte Greenscamming-Methode besteht z.B. darin, dass sich Anti-Umwelt-Organisationen klimafreundlich bzw. „grün“ klingende Namen geben, die ein Interesse am Umweltschutz suggerieren, um die Öffentlichkeit über ihre wahren Absichten und Motive zu täuschen.

Negativtaktik heute: Dramatisierung aller Probleme, die durch den Nichtbau von Kernkraftwerken entstehen. Die Ängste der Gegenwart durch die Ängste der Zukunft überdecken.

      • Blackout-Angst:

    Fachleute, unter anderem die Bundesnetzagentur, halten einen unkontrollierten, großflächigen Stromausfall für äußerst unwahrscheinlich. Laut dem Branchendienst Energate schließt der größte Übertragungsnetzbetreiber Tennet einen Blackout aus. Geschürt wird die Angst insbesondere von PolitikerInnen und Medien, die den Übergang zu den umweltfreundlichen und kostengünstigen Energien jahrzehntelang behindert haben, weil das Energieerzeugungsmonopol der Energiekonzerne durch die Energiewende gefährdet war. Medien in der Schweiz haben gerade aufgedeckt,

  • wie ein Millionär eine Blackout-Kampagne
      •  finanziert. 1975, kurz nach den Filbinger-Äußerungen wurde während eines Fußball-Länderspiels ein „Mini-Blackout“ in Südbaden inszeniert … Ob das wiederkommt?

      • Strompreis-Angst:

    Die Strompreise werden steigen, wenn wir die AKW abstellen, wird in vielen Medienberichten suggeriert. Diese Angstkampagne der atomar-fossilen Seilschaften hat eine doppelte Zielsetzung. Sie stärkt die Atomindustrie und sie lenkt von tatsächlichen Verursachern der explodierten Energiepreise ab. Für die

Kriegsgewinnler

      •  Chevron, BP, Shell, TotalEnergies und ExxonMobil war 2022 ein profitables Jahr. Die schmutzigen „Big Five“ erzielten einen gemeinsamen Jahresgewinn von knapp 200 Milliarden US-Dollar. (Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!)

      • Das Märchen vom billigen Atomstrom:

    Gerade weil wir aktuell von den Energiekonzernen ausgeplündert werden, wirkt das Märchen vom scheinbar billigen Atomstrom immer noch. Doch im Atomstromland Frankreich ist der Strompreis nur scheinbar billig. Die Schulden des teilverstaatlichten französischen Atom-Konzerns EDF stiegen im vergangenen Jahr von 43 auf unglaubliche 64,5 Milliarden Euro. (64.500.000.000 Euro)Den realen Preis für den Atomstrom werden die Menschen in Frankreich über ihre Steuern bezahlen. Ein schwerer Atomunfall hätte auch in Frankreich verheerende Folgen. Eine Regierungsstudie rechnet mit 430 Milliarden Euro Kosten. Sei es Atomkraft,

Cum-Ex-Betrug

     oder Übergewinne. Konzerne und Milliardäre freuen sich, dass sich Normalverdienende unter einer Milliarde Euro nichts vorstellen können.

 

In diesen Angst-Kampagnen zeigt sich die Macht der Mächtigen in diesem Land. Die Abschaltung der letzten 3 deutschen AKW ist Gefahrenabwehr. Der Kampf gegen die Atomkraft war aber 50 Jahre lang immer auch ein Kampf für Demokratie und für eine umwelt- und menschenfreundliche Energieversorgung.

Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein. Der Autor war 30 Jahre lang BUND-Geschäftsführer und Bauplatzbesetzer in Wyhl.

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Grafikquellen      :

Oben      —     Photograph: Luftfahrer = Norbert Blau Beschreibung: Luftbild von Wyhl aufgenommen bei einer Ballonfahrt mit dem Ballonteam Norbert Blau Quelle: Selbst photographiert im Juni 2003 Weitere Luftbilder von Wyhl

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Unten     —     Anti–AKW–Demonstration in Hannover gegen die Wiederaufbereitungsanlage (WAA) in Gorleben am 31. März 1979. Das Standbild aus einem Super 8 Schmalfilm zeigt ein Fahrzeug mit dem Schild „Whyl grüßt Gorleben“ und wurde vor dem Fabrikgebäude des Keksfabrikaten Bahlsen aufgenommen mit Blick auf das Eckgebäude an der Rühmkorffstraße.

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Tage für den Frieden

Erstellt von Redaktion am 16. Februar 2023

Aktionstage für den Frieden 24./25. Februar 2023 im Saarland

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Waltraud Andruet

Der Einmarsch Russlands in die Ukraine jährt sich am 24. Februar 2023 zum ersten Mal. Aus diesem Anlass werden an einer Vielzahl von Orten Veranstaltungen und Kundgebungen gegen den Krieg, für den Frieden, für Verhandlungen stattfinden, an denen viele teilnehmen sollten.

Aktionstage für den Frieden –  im Saarland am 24. und 25. Februar

Die Saarländische Friedensbewegung ruft am 24. und 25. Februar  anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine zu Aktionen auf.

Anlässlich des Jahrestages des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine am 24. Februar 2023 ruft die Saarländische Friedensbewegung zu verschiedenen Aktionen auf.

„Wir schließen uns dem bundesweiten Aktionsbündnis STOPPT DAS TÖTEN IN DER UKRAINE an“ ,so Waltraud Andruet Sprecherin vom FriedensNetz Saar und von pax christi Saar.

Weitere Infos unter: www.stoppt-das-toeten.de

STOPPT DAS TÖTEN IN DER UKRAINE! Für Waffenstillstand und Verhandlungen!

Geplante Aktionen zum Jahrestag des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine im Saarland.

Rathaus Saarbruecken.jpg

Freitag,    24.02.2023 um 15.00 Uhr Mahnwache vom FriedensNetz Saar mit Musik und Redebeiträgen in Saarbrücken, Gustaf -Regler-Platz (am Rathaus)

Freitag,    24.02.2023 um 16.00 Uhr Mahnwache vom Neunkircher Forum für Freiheit und Demokratie und Antifaschismus in Neunkirchen auf dem Stumm-Platz

Freitag,    24.02.2023 um 19.00 Uhr Ev. Kirche Saarlouis „Friedensgebet: Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens“ Ökumenischer Arbeitskreis Saarlouis

Samstag, 25.02.2023 von 10.30 Uhr bis 15.00 Uhr Mahnwache und Infostand von Attac Untere Saar und Aufstehen Saar, Französische- Straße in Saarlouis unter dem Pavillon

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben      —    Peace dove, Conversion of Dove peace.png

Unten      —     Rathaus Saarbrücken mit einem Tilt-Shift-Objektiv von der Johanneskirche aus fotografiert.

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 3. Februar 2023

Ein lukratives Goodie für Schlesinger-Ehemann Gerhard Spörl

Eine Kolumne von Steffen Grimberg

Gibt es eigentlich noch Dinge, die sich im Internet nicht finden lassen? Kaum zu glauben, aber ja! Wer sich in diesen Tagen für das berühmte Coffee-Table-Book „Messe Berlin – 200 Jahre Gastgeber von Welt“ interessiert, findet im Netz schlicht nichts.

Dabei ist der Wälzer zum Geburtstag angeblich tatsächlich erschienen. Bei Amazon bestellen lässt er sich aber nicht. In der Buchhandlung unseres Vertrauens ist er ebenfalls nicht vorrätig, voll analoge Fehlanzeige. Und auch der Messe Berlin selbst scheint er nicht mehr so dolle am Herzen zu liegen. Es gibt jedenfalls keine Pressemeldung oder wenigstens einen Hinweis auf den liebevoll gestalteten Internetseiten zum Jubiläum.

Die „Gastgeber von Welt“ würdigt bislang nur ein einziger Artikel, der sich über die Kosten des Buches aufregt. Und der steht ironischerweise in der Welt, also der von Springer. Das ist schade, aber auch irgendwie verständlich. Denn schließlich ist das Buch von Gerhard Spörl. Also vom Ehemann der einstigen RBB-Intendantin Patricia Schlesinger. Die ist bekanntermaßen genauso wenig mehr im Amt wie Messechef Martin Ecknig, dem das Stühlchen im November vor die Tür gestellt wurde. Spörl hatte für ein sattes Salär (Tagessatz 2.000 Euro) Ecknig beraten, weil der Anfang 2021 angeblich medial eher unbedarft und in Berlin unvernetzt den Job übernommen hatte und Nachhilfe brauchte.

Das Messebuch kam noch als Goodie auf den mit insgesamt knapp 140.000 Euro dotierten Auftrag drauf. Eingefädelt hatte das Ganze Wolf-Dieter Wolf, der auch längst weg vom Fenster ist, weshalb sein Name sowohl bei der Messe Berlin wie beim RBB nur noch mit schmerzverzerrtem Gesicht genannt werden darf. Schließlich war der umtriebige Herr Wolf bei der Messe erster Mann im Aufsichtsrat und beim RBB Vorsitzender des Verwaltungsrats. Wo er es weder formal noch formell mit den Regularien allzu ernst genommen hat. Bei den Ermittlungen gegen ihn, Schlesinger und Spörl liefern sich gerade die Generalstaatsanwaltschaft Berlin und die vom RBB beauftragte Kanzlei Lutz Abel ein kostspieliges Wettrennen.

Quelle        :         TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben     —   Floaters caused by retinal detachments

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Schon lange Überfällig

Erstellt von Redaktion am 30. Januar 2023

Kretschmanns offener Brief zum Radikalenerlass

 

Heute steht er nur noch vor einer grünen Wand

Von Oliver Stenzel

Lange hat’s gedauert. Acht Monate nach Erscheinen einer Studie über den Radikalenerlass in Baden-Württemberg hat sich Ministerpräsident Kretschmann in einem offenen Brief endlich dazu geäußert. Doch das Ergebnis irritiert.

Die gute Nachricht: Winfried Kretschmann ist lernfähig. Der baden-württembergische Ministerpräsident schreibt in seinem vergangenen Donnerstag veröffentlichten offenen Brief zum Radikalenerlass: „Eine erste Erkenntnis ist für mich, dass die Anwendung des Erlasses unverhältnismäßig war.“ Respekt, das ist mal wirklich eine neue Erkenntnis.

Doch im Ernst: Eine Reaktion Kretschmanns auf die im Mai 2022 veröffentlichte, vom Land in Auftrag gegebene Studie über den sogenannten Radikalenerlass von 1972, dessen Anwendung in Baden-Württemberg und die Folgen für viele Anwärter:innen auf öffentliche Stellen war mehr als überfällig. Monatelang hatten Kretschmann und sein Staatsministerium immer wieder darauf verwiesen, dass noch geprüft werde, dass die Studie ja ziemlich dick sei, dass es drängendere Probleme gebe (Kontext berichtete). Das wirkte schon deshalb unangemessen, weil Kretschmann zum einen selbst in einem Interview Anfang 2022 die Erwartung genährt hatte, sich bald zu äußern, zum anderen, weil die Ergebnisse nicht unbedingt vom Himmel fielen – manche wurden noch vor Erscheinen der Studie im Blog des Heidelberger Forschungsprojekts veröffentlicht.

Sollte das Staatsministerium eine kompetente wissenschaftliche Abteilung haben, und das ist ihm zu wünschen, hätte sich diese wegen einer Bewertung also schon zeitig darum kümmern können. So aber entstand der Eindruck, der Ministerpräsident wolle einer Stellungnahme dazu aus dem Weg gehen, fühle sich unbehaglich damit. Oder spiele bei der Aufarbeitung und Fragen einer Entschädigung oder Rehabilitation auf Zeit, wie es etwa der Mannheimer SPD-Landtagsabgeordnete Boris Weirauch formulierte, bis die „biologische Lösung“ eintrete.

Zu spät und inhaltlich dürftig

Nun gibt es endlich eine Reaktion. Und die ist enttäuschend, da inhaltlich dürftig. Zwar zitiert Kretschmann gleich zu Beginn Willy Brandt, der als Bundeskanzler den Erlass 1972 mitbeschlossen hatte, ihn aber später als „politischen Irrtum“ bezeichnete. Doch diese Wertung macht er sich in der Folge nicht zu eigen, stattdessen die von Brandts Nachfolger im Bundeskanzleramt Helmut Schmidt, laut dem „mit Kanonen nach Spatzen“ geschossen worden sei – will sagen: Nicht der Erlass als solcher war ein Irrtum, sondern nur die Praxis seiner Anwendung.

Diese bewertet Kretschmann auch durchaus kritisch: Für ihn „hat der Radikalenerlass viel mehr Schaden angerichtet als Nutzen gestiftet“, bei der Umsetzung sei das erforderliche „Augenmaß verloren gegangen.“ Dass eine ganze Generation unter Generalverdacht gestellt worden sei, „war falsch“, schreibt der Ministerpräsident. Denn zwar mochten „einzelne … zu Recht sanktioniert worden sein“, aber „manche“ hätten „zu Unrecht durch Gesinnungs-Anhörungen, Berufsverbote, langwierige Gerichtsverfahren, Diskriminierungen oder auch Arbeitslosigkeit Leid erlebt“. Darauf folgt der zentrale Satz des Briefes: „Das bedauere ich als Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg sehr.“ Kretschmann bedauert, er entschuldigt sich nicht bei den Opfern, wie dies zunächst fälschlicherweise etwa die „Deutsche Presse-Agentur“ vermeldete.

Nun lässt sich darüber streiten, wie sinnvoll es ist, wenn sich ein Regierungschef heute für eine Regelung aus dem Jahr 1972 (bundesweit) beziehungsweise 1973 (in Baden-Württemberg) entschuldigt, an deren Umsetzung er nicht beteiligt war. Es könnte ein symbolischer Akt sein, und er hatte ihn vor einem Jahr immerhin in Einzelfällen in Aussicht gestellt. Jetzt verwendet Kretschmann weder das Wort „Entschuldigung“ noch „Rehabilitation“. Doch sein Brief irritiert noch aus einem anderen Grund.

Kretschmann hat sich, diesen Anschein erweckt das Dokument, ziemlich gequält mit dem Thema. Er war selbst einer der Betroffenen, und er geht breit auf diesen Abschnitt seines Lebens ein. Mehr als ein Fünftel des Briefes macht die Thematisierung der eigenen Biographie aus. Das mag man anerkennen, aber genau das ist das Problem: Kretschmanns Beschäftung mit oder eher die große Zerknirschung ob der eigenen Biographie überlagert seine gesamter Beurteilung des Themas. Es ist diese Zerknirschung über die „größte Verirrung meines eigenen Lebens“, die ihm, wie er schreibt, in der Studie gespiegelt werde, „nämlich der Linksradikalismus meiner Studienzeit“: „Mich erschreckt noch heute, dass ein Mensch, selbst wenn er das Glück einer guten Ausbildung hatte wie ich, einen solchen ‚Tunnelblick‘ entwickeln und sich derart in eine verblendete Weltsicht einbohren kann.“ Und er betrachtet es als „aus heutiger Sicht nur logisch und konsequent“, dass ein demokratischer Staat bei Menschen wie dem jungen Kretschmann „Zweifeln an der Verfassungstreue nachgeht“.

Aus dieser Perspektive einer eigenen Verirrung, einer, zugespitzt formuliert, eigenen Schuld, beschreibt Kretschmann dann die mögliche Läuterung und Buße: „Menschen, die abwegige und irrige Positionen vertreten, sind in fünf oder zehn Jahren vielleicht klüger geworden und denken anders“, und solche Lernprozesse müsse die liberale Demokratie fördern und wertschätzen. Eine Gesinnungsprüfung ist also laut Kretschmann nicht deshalb falsch, weil sie der Meinungsfreiheit widerspricht – sondern weil sich die Gesinnung ja ändern, weil sie sich im Sinne des Ministerpräsidenten bessern kann.

Die Betroffenen wollen eine Entschädigung

Eine hochproblematische Deutung, die überdies hinter die Ergebnisse der Studie zurückfällt. Denn es ist völlig irrelevant für die Bewertung des Erlasses, ob die von ihm betroffenen Menschen sich ändern, ob sie sich von ihren früheren Ideen verabschieden oder sie beibehalten, ob sie in Kretschmanns arg paternalistisch wirkenden Worten „klüger werden“. Relevant ist einzig, ob ihre Nichtzulassung zu oder ihr Ausschluss aus öffentlichen Stellen aufgrund eines konkreten Verdachts oder eines Nachweises „einer gegen die Sicherheit des Staates gerichteten Betätigung“ erfolgte. So formuliert es das Übereinkommen Nr. 111 der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO/ILO), das sich mit „Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf“ befasst – und übrigens bereits 1961 von der Bundesrepublik ratifiziert wurde.

Quelle         :         KONTEXT:Wochenzeitung          >>>>>          weiterlesen

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Oben     —     Winfried Kretschmann im Rahmen des Länderrates der GRÜNEN am 17. September 2017 in Berlin (Gasometer Schöneberg)

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Kolumne-La dolce Vita

Erstellt von Redaktion am 25. Januar 2023

Die Grünen haben ihre Ideale längst verraten

Von    :    Amina Aziz

Greta Thunberg lächelt , als drei Po­li­zis­t*in­nen sie letzte Woche bei dem Protest gegen die Abbaggerung des Dorfes Lützerath zur Förderung von Kohle für den Energiekonzern RWE wegtragen.

Sie wirkt ihnen überlegen, auch als die Po­li­zis­t*in­nen sich einige Meter weiter mit ihr fotografieren lassen. Die Staatsgewalt in voller Montur, die Hände so auf Gretas Körper platziert, dass die Aktivistin nicht abhauen kann. Das ist laut Polizei nicht inszeniert, wirkt aber dennoch so, als wollte sie ihren „Fang“ präsentieren.

Als ausführende Gewalt kommt die Polizei ihrem Auftrag nach, den Zugang zur Braunkohle freizuräumen. Ohne die Klimabewegung einzubeziehen, hatten Wirtschaftsminister Robert Habeck und NRW-Klimaschutzministerin Mona Neubaur einen Deal mit RWE ausgehandelt, und die Grünen haben diesem im Rahmen des Braunkohleausstiegs einstimmig im Bundestag zugestimmt. Dagegen ist die Verzögerungstaktik der Klimabewegung in Lützerath harmlos. Denn es steht nichts weniger auf dem Spiel, als die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens und die verdammte Energiewende, mit der die Politik nicht hinterherkommt.

Deutschland zählt nach wie vor zu den Ländern, die am meisten Kohle produzieren und CO2 ausstoßen. Ein zügiger Ausbau erneuerbarer Energien ist nicht in Sicht. Einige Grü­nen­an­hän­ge­r*in­nen nehmen an, das würde sich ändern, wenn die Grünen alleinige Regierende wären. Doch das ist ein Trugschluss. So wie es die Aufgabe der Polizei ist, die Interessen des Staates durchzusetzen, ist es das Anliegen des Staates, die Interessen der Wirtschaft nach Profit zu wahren. Dieses Prinzip stellt Profite vor das Wohl von Mensch und Natur, und Parteien können das Prinzip nicht aufheben. Die Grünen haben schon genug Ideale verraten, damit sie regierend bleiben. Selbst wenn die Ökonomie einen grünen Anstrich erhält, wie es die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang im Spiegel verficht, ändert das nichts daran, dass Menschen zugunsten von Gewinnen ausgebeutet werden und Konzerne über unsere Ressourcen entscheiden und nicht wir selbst.

In Bezug auf die Proteste in Lützerath wird von einigen Medien und Po­li­ti­ke­r*in­nen angeprangert, Ak­ti­vis­t*in­nen hätten Steine und Molotowcocktails auf die Polizei geworfen. Dabei ist es heuchlerisch gegenüber den Anliegen der Bewegung auszusparen, dass sich zwei ungleichwertige Geg­ne­r*in­nen gegenüberstehen. Nicht nur ist die Polizei besser geschützt und mit Waffen ausgerüstet, die sie auch eingesetzt hat. Sie steht auch für die Macht des Staates und schützt die der Konzerne. Wer keine Steinwürfe und Sitzblockaden möchte, muss die Politik dazu drängen, den Anliegen der Bewegung endlich entgegenzukommen.

Quelle        ;       TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben     —    Kostüm von Danilo Donati für „Il Casanova“, Film von Federico Fellini en 1976, Schauspieler Donald Sutherland. – Anita Ekberg – Giulietta Massina et Marcello Mastroianni / Kostüme, Accessoires, Dessins, Dekore, Scénarios, Fotografien, Montage, Postproduktion.

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Proteste in Lützerath

Erstellt von Redaktion am 24. Januar 2023

Vorteile der Bewegung

Demozug in Keyenberg

Ein Debattenbeitrag von Alicia Mengelkamp

In Lützerath stießen mit Polizei und Pro­tes­tie­renden zwei unterschiedliche soziale Gruppen aufeinander. Eine organisationssoziologische Analyse.

Die Räumung Lützeraths ist vorbei; die Diskussion über das Geschehene allerdings noch lange nicht. Ein Protestmittel, welches besonders die medialen Bilder prägte und in der Kritik stand, waren Steine. Steine, die auf das Einsatzpersonal der Polizei flogen. Nicht nur Polizei und Po­li­ti­ke­r*in­nen verurteilten dies scharf. Videos in den sozialen Medien zeigen, dass auch Protestierende immer wieder „Keine Steine!“ riefen, sobald diese in Richtung Einsatzpersonal flogen.

Warum versuchten auch Protestierende aktiv, dies zu unterbinden? Für die Protestbewegung bedeuteten diese Steine neben ihrer moralischen Fragwürdigkeit vor allem eines: die Gefahr, den eigenen Erfolg zu riskieren. Proteste leben von der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit. Aktionen, die umstrittenes Handeln von Staat und Unternehmen skandalisieren und Aufmerksamkeit auf sich ziehen, sind ihr Lebenselixier. Überraschende Aktionen mit viel Masse und Wucht sind ihre Spezialität.

Prägen aber Bilder von Gewaltaktionen – wie hier die fliegenden Steine – das Image der Proteste in den Massenmedien, besteht die Gefahr, Solidarität in der Bevölkerung zu verlieren. Doch diese ist essenziell für den Erfolg von Protestbewegungen. Bestenfalls müssen Proteste also die Entscheidung treffen, lediglich friedlichen Widerstand zu leisten, um keine Körperverletzung von Einsatzpersonal und womöglich Ak­ti­vis­t*in­nen zu riskieren.

Und hier wird es spannend: Warum fällt diese Entscheidung der Protestbewegung so schwer? Der Grund liegt nicht etwa am mangelnden Willen oder der Qualität eines Protests. Er liegt in seiner Struktur.

Organisationen, wie sie in Lützerath in Form der Polizei auftreten, haben gegenüber Protestbewegungen einen strukturellen Vorteil. Sie können verpflichtende Erwartungen stellen: Wenn man bei ihnen Mitglied ist, hat man sich an formale Bedingungen zu halten, denen man mit Eintritt in die Organisation zustimmt: Sie beinhalten, eigenes Handeln an den Zielen der Organisation und nicht an seine eigenen Überzeugungen anzupassen – selbst wenn also in Lützerath Po­li­zis­t*in­nen vor Ort waren, die sich emotional mit den Protestierenden solidarisierten, musste dies privat bleiben.

Es durfte nicht ihre Handlungen als Einsatzkräfte beeinträchtigen. Erhalten sie die Anordnung, eine Blockade zu räumen, müssen sie dieser Folge leisten, egal was sie gerade darüber denken. Und mit Rückblick auf die Proteste ist dies auch nicht passiert: Bislang ist kein Fall von Dienstverweigerung seitens der Po­li­zis­t*in­nen bekannt. Denn diese hätte für sie dienstrechtliche Sanktionen zur Folge.

Bei den Protestierenden war genau das Gegenteil der Fall: Sie waren gerade wegen ihrer persönlichen Meinung anwesend. Die Ak­ti­vis­t*in­nen waren dabei bedeutend weniger an die Erwartungen einer überstehenden Instanz gebunden. Dabei waren Ermahnungen zur Friedlichkeit von eigenen Führungspersonen vermutlich prägend – wenn die Protestierenden diese jedoch nicht umsetzen wollten, griff kein Sanktionsmechanismus wie bei der Polizei. Die Protestierenden waren nämlich statt Organisationsmitgliedern lediglich Anhänger des Protests.

Demozug zur Schlusskundgebung zwischen Keyenberg und Lützerath

Als solche konnten sie sich selbst Aufgaben und die Art ihres Protests aussuchen – auch wenn sie sich ethisch fragwürdig verhielten, mussten sie nicht mit einem Rausschmiss rechnen. Denn erstens zählte für die Protestbewegung immer noch jede Person, die sich mit ihrem Körper der Räumung Lützeraths entgegensetzte. Und außerdem gab es keinen Sanktionshebel: Kei­n*e Ak­ti­vis­t*in konnte von der Protestbewegung selbst des Geländes verwiesen werden, weil es keine legitimierte Instanz gab, die dies entscheiden konnte.

Eine Anhängerschaft hat jedoch auch Vorteile gegenüber der Mitgliedschaft: Wegen ihres leichten Einstiegs schaffen es Bewegungen gegenüber Organisationen nahezu unbegrenzt, An­hän­ge­r*in­nen zu rekrutieren. Auch wenn die Polizei NRW weiterhin Einsatzkräfte aus ganz Deutschland mobilisiert hat – die Protestierenden schafften es, mehr Menschen als erwartet nach Lützerath zu bringen.

Diese Menschen ließen sich bei der Umsetzung des Protestes zwar strategisch nicht auf einen Nenner bringen. Aber es waren doch Menschen, die die gleichen Werte und vor allem das gleiche Ziel verfolgten. Dass die Protestierenden es deshalb schafften, trotz Polizeiketten zu dem Tagebau vorzudringen, war deshalb wenig überraschend.

Weitere Begegnungen mit der Polizei

Quelle          :        TAZ-online            >>>>>          weiterlesen

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Oben      —       Demozug in Keyenberg

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Ende Gelände-Grüne Erfolge

Erstellt von Redaktion am 21. Januar 2023

Ende Gelände – Grüne Erfolge, wohin man schaut

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von    : DR. Renate Dillmann

Die Sache, um die es geht, ist ein Stück kapitalistischer Alltagspolitik: die per Gesetz verfügte Räumung eines Dorfs für den Braunkohletagebau. Gleichzeitig ist sie ein Beispiel dafür, wie dieser Alltag unter grüner Herrschaft funktioniert. Um das Ergebnis vorweg zu nehmen: Note Beeindruckend! Maximale Punktzahl für die Politdarsteller in Grün, die in der Sache kompromisslos das durchsetzen, was der Standort braucht, und es zugleich schaffen, ihre Taten in bester Manier „weißzuwaschen“, so dass die stets großgeschriebenen WERTE noch als Produktivkraft, als „soft power“, beim Baggern und Räumen wirken. Im Einzelnen.

Eine grüne Ministerin

Mona Neubaur ist die erste grüne NRW-Landesministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie. Als solche hat sie die Aufgabe, die benötigte Energie für die Wirtschaft, d.h. vor allem für Industrie, bereit zu stellen. Dafür soll – Klimawandel hin, Umweltschutz her – im rheinischen Revier weiter Braunkohle abgebaggert werden; der „Kohledeal“ vom Oktober 2022 sieht dazu vor, dass das bis 2030 weiter gehen und dafür ein weiteres Dorf, Lützerath, geräumt und abgebaggert wird, weil sich gerade hier die Kohle sehr rentabel gewinnen lässt.1 Nach Auskunft der Regierenden ist das „rechtsstaatlich“ final beschlossen und deshalb umzusetzen, auch wenn eine neue Studie des DIW zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es dafür weder „eine energiepolitische noch eine klimapolitische Rechtfertigung gibt“. So weit, so normal: Man bestellt sich Gutachten, benützt die passenden, ignoriert die unpassenden…

Weil Mona Neubaur aber eine Grüne ist, schafft sie es, die 280 Millionen Tonnen fossiler Brennstoffe, die bis 2030 aus der rheinischen Landschaft gebaggert und anschließend verstromt werden sollen, im Sinne höherer Werte umzudeuten. Ihre Empfehlung an Klimaschützer lautet, die Sache so zu sehen: Man habe hier nicht 280 Millionen Tonnen mehr Braunkohle vor sich, die in den nächsten Jahren verheizt werden und entsprechende CO2-Emissionen verursachen, sondern 280 Millionen Tonnen weniger als ursprünglich mal geplant und deshalb ist das, was da in den nächsten Jahren an Baggern und Verheizen passiert, ein – Zitat Neubaur in der „Welt“ – „großer klimapolitischer Erfolg und auch ein Erfolg der Klimaschutzbewegung.“

So geht der Umgang mit der eigenen Wählerbasis, von der man weiß, dass sie beim Kreuzchenmachen auf was anderes gehofft hat. Großartig, wie die der Sache nach hundertprozentig konträre Praxis ungerührt als Umsetzung der Wahlversprechen zurechtgebogen wird.

Weiter im Text: „Dass die Kohle unterhalb von Lützerath kurzfristig für die Verstromung gebraucht wird, ist schmerzlich, aber auch rechtlich und durch Fachgutachten eindeutig geklärt. Unser Ziel bleibt die Transformation hin zu einer klimaneutralen Produktionsweise, und das ohne Wohlstandsbrüche. (…) Wir müssen den Beschäftigten von RWE Respekt zollen und dafür danken, dass wir in der jetzigen Übergangsphase die notwendigen Stromkapazitäten kurzfristig in den Energiemarkt bekommen!“

Hier kommt die grüne Spezialität mit voller Wucht zum Einsatz: Stets kommt als erstes „die Realität“ mit einem ganz großen „Leider, leider, leider“; nicht selten verbunden mit Seitenhieben auf die vorgefundene, von anderen zu verantwortende „Lage“. Das „schmerzt“ sehr, Zerknirschung, Dackelblick, Stirn in Falten. Es folgt das mit festen Worten vorgetragene Bekenntnis zu den gemeinsamen Fernzielen im Klimaschutz, dem Ideal, dem man weiterhin mit vollem Herzen verpflichtet ist. Dann, wieder relativierend, der „Respekt“ vor den vielen gesellschaftlichen Interessen und Sachzwängen (wie dem „Energiemarkt“), derentwegen man sich nun mal nicht 1:1 durchsetzen könne: „Wohlstandsverluste“ drohen nämlich, als deren Sinnbild in diesem Fall die RWE-Arbeiter mit ihren national wichtigen Arbeitsplätzen aufmarschieren, mit denen indirekt auch noch die „Versorgungskrise“ „dank Putin“ angespielt wird – all das natürlich wesentlich geschickter als über die Gewinne von RWE zu sprechen, die sich laut Oxfam in 2022 verdoppelt haben.

Wer jetzt noch keine Einsicht zeigt und verstockt auf irgendeinem Schnee von gestern besteht, kann nach so viel vorbildlicher PR keine weitere Unterredung erwarten: „Am 12. Januar besetzten Aktivisten das Grünen-Büro in Düsseldorf. Sie wollten ein Gespräch mit NRW–Wirtschaftsministerin Mona Neubaur über ihr Versprechen, dass Lützerath bestehen bleibe, erzwingen. Neubaur erschien nicht, dafür in den frühen Morgenstunden am 13. Januar ein großes Polizeiaufgebot, das das Büro kurzerhand räumte.“ (Terz, Düsseldorfer Stattzeitung, Februarausgabe)

Die grüne Ministerin nimmt also die Hilfe der Polizei in Anspruch, um zu verhindern, dass sie mit den Protestierenden reden muss. Gleichzeitig lässt sie verkünden weiter, „gewaltfreien und kreativen“ Protest unterstützen. Dieser Frau ist offenbar nix zu peinlich (und ihrer Anhängerschaft anscheinend auch nicht). Aber sie muss sich ja auch „zeitgleich um die Zukunftschancen dieser Region kümmern, die zwischen den Hochschulstandorten Aachen, Düsseldorf und Köln mit vielen starken Unternehmen traumhaft gelegen ist.“ Ja klar, liebe Mona, zwischen „Hochschulstandorten“ und „vielen starken Unternehmen“ ist eine Region wirklich traumhaft gelegen, schöner könnte es gar nicht sein!

Ein grüner Polizeichef

Federführend beim Einsatz der Polizei in Lützerath ist Dirk Weinspach, Aachener Polizeipräsident und ebenfalls Grüner. Auch er ist im Herzen selbstverständlich ein Klimaschützer, und zwar einer mit großen Sorgen. Zitat: „Zuallererst ist es mir wichtig festzuhalten, dass ich große Achtung vor dem Einsatz derer habe, die sich an dieser Petition beteiligt haben, vor den über 32.000 Unterstützerinnen und Unterstützern und allen, die sich im Klimaschutz engagieren. Ich teile deren Sorge vor einer weiteren Erderwärmung und vor den Folgen, die es haben wird, wenn es nicht gelingt, das völkerrechtlich vereinbarte 1,5-Grad-Ziel einzuhalten“.

Da aber nicht die Polizei, sondern die zuständigen Behörden die Entscheidungen treffen, muss jetzt eben – wir können es uns schon denken: leider, leider, leider und mit viel „Achtung vor dem Einsatz“ der Klimaschützer! – geräumt werden. „Dabei ist für uns das Wichtigste, dass die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet wird.“ Wenn das Bedauern des Polizeichefs vielleicht sogar ehrlich gemeint war, ist es dieser Satz gewiss nicht. Denn natürlich ist der Zweck des Polizeieinsatzes nicht die Gewährleistung der „Sicherheit aller Beteiligten“, sondern die staatlich verfügte Räumung des Geländes. Und dabei setzt die Polizei die Gewaltmittel ein, die ihr Chef für geboten hält, und kalkuliert damit selbstverständlich auch Verletzungen ein – die in aller staatlichen Nüchternheit so genannten „Kollateralschäden“. So rechnet der grüne Staatsdiener und setzt es dann „professionell“ durch – über die Etappen berichtet anschaulich die Süddeutsche Zeitung.

Zehn bis fünfzehn bürgerkriegsmäßig ausgerüstete Hundertschaften aus 14 Bundesländern räumen dann seit dem Morgen des 11.1. im Schichtbetrieb 24/7 das Dorf. Die Polizei setzt offenbar auf eine riesige zahlenmäßige Überlegenheit, mit der die Besetzer nicht gerechnet haben. Über das Vorgehen berichtet die Düsseldorfer Stattzeitung Terz in ihrer Februarausgabe: „Die Polizeiführung mit ihrer Übermacht an Einsatzkräften hatte jedoch auch ihr Konzept. In kleinen Gruppen sprachen sie einzelne Dorfbesetzer an, klärten sie über die Rechtslage auf und begleiteten sie mit der Drohung, bei Weigerung, das Gelände zu verlassen, Gewalt anzuwenden, hinaus aus dem Dorf.“

Mit anderen Worten: Die Leute, die sich im Dorf aufhalten, werden vor die Wahl gestellt, aufzugeben oder eine Anzeige wegen Landfriedensbruch zu kassieren; wer sich weigert, hat darüber hinaus erst mal mit unmittelbarer Gewaltanwendung durch die massiv ausgerüsteten Polizisten zu rechnen.

Das sieht dann für Dirk Weinspach so aus (Tagesthemen vom 11.1.23): „Überwiegend ist es friedlich verlaufen, über den Tagesverlauf. Darüber bin ich froh und was mich besonders befriedigt, dass über 200 Besetzerinnen und Besetzer das Angebot genutzt haben, hier freiwillig und ohne polizeiliche Maßnahmen den Einsatzraum zu verlassen.“

Der Mann hat Humor. „Friedlich“ und „freiwillig“ – das ist wirklich spaßig angesichts der polizeilichen Machtdemonstration, die er hat auffahren lassen. Der Aufmarsch seiner gesammelten Polizeikräfte zählt für ihn offenbar nicht als „Maßnahme“. Und von Einschüchterung kann bei Tausenden schwer ausgerüsteten Polizisten gegen ein paar Hundert Jugendliche erst recht nicht die Rede sein – so etwas können Grüne nur in den schlimmen „autoritären Regimen“ sehen, aber niemals in unserer bis an die Zähne bewaffneten „wertebasierten“ Demokratie.

Weinspach gibt sich insofern „persönlich sehr befriedigt“ angesichts des Wirkens seiner Deeskalationsstrategie durch eine ungeheure polizeiliche Übermacht, registriert „lediglich“ 124 Festnahmen mit Anzeigen wegen Landfriedensbruch und gibt höchstpersönlich vor den Kameras eine perfekt gegenderte Stellungnahme ab. Das Dorf ist so gut wie geräumt, die Häuser sind schon abgerissen und RWE verhindert mit schnell gebauten Zäunen, dass nochmal jemand aufs Gelände kommt.

Am Samstag verdirbt die Demonstration mit mehr als 35.000 Teilnehmern (die Polizei will allen Ernstes 8.000 gezählt haben! soviel zu Polizeiberichten als „privilegierter Quelle“ für Journalisten) die tolle Bilanz ein wenig. Das macht aber nichts, weil sich daran gleich wieder die gute alte Debatte über die schreckliche „Gewalt“ aufziehen lässt. Damit ist natürlich nicht die Staatsgewalt mit ihren Hundertschaften samt schwerem Gerät gemeint, sondern die „gewaltbereiten Protestierer“, die es gewagt haben, von der vorgeschriebenen Route abzuweichen. Sie „mussten“ mit Polizeiknüppel und Pfefferspray von weiteren Straftaten abgehalten und auch vor Unfällen „an der Abbruchkante“ geschützt werden – in ihrem eigenen Interesse natürlich!

Fazit

Die Staatsgewalt in Grün hat in Lützerath demonstriert, dass sie „es“ kann. Den etwas heiklen Fall dieses „Symbols“ der Klimabewegung, an dem diese zeigen will, wie wenig ernst es Deutschland mit seiner Klimapolitik meint, hat das grüne Duo geschmeidig bewältigt – und das vermutlich durchaus besser als es andere (bei der Klima-Bewegung verhasste) Figuren aus dem liberalen Lager oder von der Christenpartei gekonnt hätten.

Mit ihren ausgereiften PR-Techniken – der schmerzhaften Abwägung von Idealen und Realität, der Äußerung von ganz viel Respekt vor allen betroffenen Interessen, der unverfrorenen Berufung auf das Recht (das sie dauernd ändern) als fixe Größe usw. – beanspruchen die grünen Staatsfunktionäre in von keinem Zweifel angekränkelter Selbstgerechtigkeit, ihre Wählerbasis bei der Stange zu halten.

Sie lassen den Protest gegen die Durchsetzung der von ihnen ausgemachten Staatsnotwendigkeiten gewaltsam wegräumen und fordern gleichzeitig dazu auf, „gewaltfrei und kreativ“ weiter zu protestieren. Wow! – und Frage an die grünen Wähler, auf wie viel dreiste Heuchelei sie auch in Zukunft noch reinfallen wollen…

PS: Die Mainstream-Medien machen sich wie gewohnt zum kompetenten Helfer bei der Sortierung des Klimaprotestes. Sie behandeln die hehren Anliegen der jugendlichen Klimaschützer wesentlich wohlwollender als manch andere Proteste: Klimaschutz, Rettung der Menschheit und des Planeten – das sind Ziele, die in Ordnung gehen und dem deutschen Führungsanspruch gut zu Gesicht stehen. Dass man dafür demonstriert, auch. Spätestens nach der (erlaubten) Demonstration müssen die Protestierer allerdings auch nach Hause gehen und sich den rechtsstaatlich angeordneten Maßnahmen beugen.

Das erwartet man in den deutschen Redaktionen einfach. Wer sich dem nicht beugt und etwa die Klimarettung so ernst nimmt, dass er sich mit erzwungenen Braunkohletagebau unter grüner Regie nicht abfinden will, gehört für sie dann auch sehr schnell zu den „gewaltbereiten Chaoten“, die zurecht die Härte eines Polizeiknüppels oder einer Strafanzeige zu spüren und dann natürlich auch eine ziemlich schlechte Presse bekommen (Tagesthemen vom 11.1.23 / Anne Will vom 15.1.23).

PPS: Die Klimaschützer, die am Samstag noch einmal in großer Zahl demonstriert haben, könnten an Lützerath eine Menge lernen. Über ihre eigene Rolle als Wähler_innen in einer Demokratie zum Beispiel, deren grüne Repräsentanten keinen Zweifel daran lassen, dass sie die deutsche Staatsräson und die Interessen ihrer Profiteure mit aller (Polizei)Gewalt durchzusetzen bereit sind. Darüber, dass grüner Kapitalismus eben grüner Kapitalismus und grüne Herrschaft vor allem Herrschaft in grün ist.

Dafür müssten sie sich allerdings zunächst von ihrem Lieblings-Gedanken verabschieden, dass es sich ein ums andere Mal um staatliches Versagen handelt, wenn ihre Anliegen unter die Räder ihrer geliebten Herrschaft kommen…

1 Der Energiekonzern RWE hat sich auf diesen Vorschlag eingelassen, weil steigende CO2-Preise die Profitabilität bereits vor 2030 gefährden können. https://www.wwf.de/2023/januar/luetzerath-neuer-tiefpunkt-in-sachen-klimaschutz

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Grafikquellen      :

Oben      —     Orangener Finger bei Ende Gelände am 26. September 2020.

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Unten        —      Anti-Kohle-Kidz Finger bei Ende Gelände am 26. September 2020.

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Stadtgespräch aus Lützerath

Erstellt von Redaktion am 13. Januar 2023

Nicht mehr normal

Von Gereon Asmuth

Warum gilt es als angemessen, dass Hundertschaften Kli­ma­ak­ti­vis­t:in­nen räumen. Nicht aber, dass sie klimaschädliche Braunkohlebagger stoppen? Ein Gedankenspiel.  – Sie fordern keinen Quatsch, sondern worauf sich 2015 in Paris geeinigt wurde.

Das ist ja wieder mal alles ganz normal. Hunderte, vielleicht Tausende Po­li­zis­t:in­nen sind seit Mittwoch in Lützerath im Einsatz. Sie räumen das von Ak­ti­vis­t:in­nen besetzte Dorf an der Abbruchkante zum Braunkohletagebau. Sie kesseln Menschen ein, tragen sie durch die Gegend, schubsen mal hier, drängeln mal dort. Sie holen Ak­ti­vis­t:in­nen von den Bäumen, schmeißen Holzhütten um, fahren mit Blaulicht durch die Gegend.

Das ist normal. Oder besser gesagt, es gilt als normal, weil es der Rechtslage entspricht. Weil Gerichte den Einsatz bestätigt haben. Weil es um ein von Parlamenten und Regierungen beschlossenes Vorgehen geht. Aber dafür kann die Polizei ja nichts. Sie setzt um, was andere beschlossen haben. So weit so gut?

Auf Facebook schrieb jemand am ersten Tag der Räumung: „Der Tag ist nicht mehr fern, da wird der Bau von Windrädern wie der Abbau von Kohle in Lützerath durchgesetzt werden.“

Klar, das klingt irgendwie gaga. Aber ist es das auch?

Führen wir den Gedanken doch mal zu Ende: Warum eigentlich gibt es keine Einsatzhundertschaften, die in windradresistenten Gegenden die Blo­ckie­re­r:in­nen vertreiben, damit dort ein paar Anlagen in den Boden gebracht werden können? Und wieso holt die Polizei landauf, landab die Menschen von der Straße, die sich für den Klimaschutz auf den Asphalt kleben, nur um für freie Fahrt für klimaschädliche Autos zu sorgen, anstatt genau diese von den Straßen zu verbannen?

Oder wieso räumt die Polizei eigentlich die paar Hundert Ak­ti­vis­t:in­nen aus dem kleinen Lützerath, anstatt selbst in die daneben liegende Grube zu springen und die dort nach Kohle grabenden Bagger stillzulegen? Die machen schließlich nicht nur die Gegend zwischen Köln und Aachen kaputt, sondern in logischer Konsequenz gleich noch das Weltklima.

Dort wo der Verstand von Politiker-innen das Ende der Republikanischen-Fahnenstange erreicht hat, reagiert die Macht mit Gewalt und zeigt das wahres Gesicht „Ihrer Demokratie!“

Schon klar, auf solch utopische Weltverdrehungen kann nur ein ökoverliebter Schreiberling von der taz kommen. Für alle anderen klingt das – ja was? Lustig?

Ist es aber nicht. Im Gegenteil. Der Klimawandel ist real. Und ein drängendes Problem. Ein sehr drängendes. Und die Aktivist:innen, die gerade in erster Linie der aus allen Ecken der Republik zusammengetrommelten Polizei, tatsächlich aber vor allem den sich hinter ihr versteckenden Braun­koh­le­ver­hei­zer:­in­nen im Wege stehen, fordern ja auch nicht irgendeinen weltfremden Quatsch, sondern genau das, worauf sich die Weltgemeinschaft in einem einmaligen Schritt bei der Klimakonferenz 2015 in Paris geeinigt hat: die Einhaltung des 1,5-Grad-Zieles.

Und dieses Ziel ist auch nicht irgendeine ice-to-have-schön-dass-wir-mal-drüber-geredet-haben-aber-ansonsten-völlig-egale Absichtserklärung. Nein, es wurde 2021 durch einen Beschluss des Bundesverfassungsgerichts faktisch in den Verfassungsrang gehoben. Je weiter der Klimawandel voranschreitet, umso mehr Gewicht habe dieses Klimaschutzgebot, argumentierte Deutschland höchstes Gericht.

Dass es dennoch keine Polizeieinsätze zugunsten des Klimaschutzes gibt, hat mehrere Gründe. Da ist als erstes die aktuelle Bundesregierung. Die behandelt wie ihre Vorgängerin das Paris-Abkommen eben doch wie eine nice-to-have-schön-dass-wir-mal-drüber-geredet-haben-aber-ansonsten-völlig-egale Absichtserklärung. Bei der Umsetzung in Recht und Gesetz hapert es an allen Ecken und Enden.

Damit hat die Polizei natürlich auch keine Handhabe, keinen Auftrag, an irgendeiner Stelle in dieser Richtung tätig zu werden.

Quelle         :        TAZ-online            >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Aktivisten diverser Klimagruppen solidarisieren sich mit dem Aufstand der Letzten Generation und blockieren die Straße zum Verkehrsministerium. Invalidenpark, Berlin, 18.11.22

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Räumung in Lützerath:

Erstellt von Redaktion am 12. Januar 2023

Journalistengewerkschaft dju beklagt Einschränkungen der Pressefreiheit

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von         :        

Auch nach Beginn der Räumung in Lützerath behindern Polizei und RWE die Pressearbeit vor Ort. Journalist:innen werden an Kontrollstellen abgewiesen. In einem Fall habe die Polizei sogar einen Fotografen zur Löschung von Bildern aufgefordert, berichtet ein Vertreter der Gewerkschaft dju.

Die Journalist:innengewerkschaft dju hat am Mittwochmittag eine negative Zwischenbilanz beim Umgang von RWE und der Polizei mit der Presse bei der Räumung von Lützerath gezogen. Schon im Vorfeld war es zu Einschränkungen der Pressefreiheit gekommen, die sich nun offenbar fortsetzen. In Lützerath räumt die Polizei derzeit ein von Klimaaktivist:innen besetztes Dorf, damit der Energiekonzern RWE die darunter liegende Braunkohle abbaggern kann.

Nach Berichten des Gewerkschafters Jörg Reichel drohten Beamte der Aachener Polizei gegenüber einem Journalisten polizeiliche Maßnahmen an und hinderten einen Medienvertreter in seiner Bewegungsfreiheit. Ein Fotograf sei zudem von der Polizei aufgefordert worden, Bilder zu löschen. Der Aufforderung kam die Person laut Reichel nach. Der Gewerkschafter stützt sich auf die Aussagen mehrerer Augenzeugen.

Ein Sprecher der Aachener Polizei sagte gegenüber netzpolitik.org, dass ihm der geschilderte Vorfall mit der Löschung nicht bekannt sei. Ein solches Vorgehen widerspräche dem Selbstverständnis der Polizei Aachen hinsichtlich des Umgangs mit Medienvertretern. Die Polizei werde dem Hinweis nachgehen, so der Sprecher.

Auf weitere Fragen zu den Vorfällen und warum Journalist:innen der Zugang verweigert worden sei, antwortete die Polizei Aachen mit einer allgemein gehaltenen Antwort. Diese enthält Auszüge aus dem Kommunikationskonzept der Polizei, die wir im Volltext unter dem Artikel veröffentlichen. So wird dort unter anderem die freie Berichterstattung „im unmittelbaren Einsatzraum“ als „erfolgskritischer Faktor“ für Einsätze einstuft. Nur wenn Medienvertreter:innen „möglichst uneingeschränkt“ ihrer Arbeit nachkommen könnten, sei die Öffentlichkeit auch in der Lage, die Arbeit der Polizei in diesem hochpolitischen Konflikt neutral zu bewerten, heißt es dort weiter.

Zugang nur mit Polizei-Akkreditierung

Dem widersprechen allerdings die Erfahrungen von Journalist:innen am Mittwochmorgen. Nach Beginn der Räumung ließen die Polizei und die RWE-Security an Kontrollpunkten mehrere Journalist:innen nicht passieren – unabhängig davon, ob diese eine polizeiliche Akkreditierung vorzeigen konnten oder nicht. Zwischenzeitlich hieß es, dass nur noch jene Journalist:innen zum Ort des Geschehens dürften, die sich zuvor beim RWE-Sicherheitsdienst akkreditiert hatten. Zuvor hatte die Aachener Polizei verkündet: Die Akkreditierung ist „für alle Journalistinnen und Journalisten freiwillig und ist als Angebot der Polizei Aachen zu sehen, nicht als Verpflichtung“.

Die Journalistengewerkschaft dju hatte diese Praxis auf Twitter und gegenüber netzpolitik.org kritisiert. Die dju halte Akkreditierungen für „grundsätzlich rechtlich bedenklich bei Ereignissen von öffentlichem Interesse“, sagt Gewerkschaftsvertreter Matthias von Fintel. Es müsse immer möglich sein, auch ohne eine Akkreditierung mit dem Presseausweis der journalistischen Tätigkeit nachzugehen, so von Fintel weiter.

Auf Rückfrage der dju hatte die Polizei zuerst bestätigt, dass nur noch akkreditierte Journalist:innen nach Lützerath dürften. Kurz darauf teilte sie mit, dass auch nicht akkreditierte Journalist:innen in den umschlossenen Bereich rund um den Ort Einlass erhielten, so Jörg Reichel auf Twitter.

Aus der Antwort der Pressestelle der Polizei Aachen am 11.01.2023. (Formatierung netzpolitik.org). Auszug aus dem Kommunikationskonzept der Polizei Aachen.

Rahmenbedingungen für den Einsatzraum:

Der Einsatz steht im erheblichen medialen Fokus. Die Polizei Aachen rechnen mit einer Vielzahl von Medienvertretern und Parlamentariern, deren Arbeit wir ermöglichen. Dabei gelten für den besonderen Einsatzraum folgende Rahmenbedingungen:

  • Der Einsatzraum ist privates Betriebsgelände der RWE Power AG.
  • Es gibt nur eingeschränkte Verkehrswege, die vom Werksverkehr der RWE Power AG und von Polizeikräften befahren werden.
  • Die RWE Power AG sieht, wie die Polizei Aachen, die gesellschaftliche Notwendigkeit, im Sinne der Transparenz des Einsatzgeschehens Medienvertreter*innen, Parlamentarische Beobachter*innen und Vertreter*innen sonstiger Institutionen Zugang zum Einsatzraum zu gewähren.
  • Aus Einsatztaktischen Gründen, können sich externe Fahrzeuge nicht unbegleitet im Einsatzraum bewegen.
  • Im Einsatzraum bestehen besondere Unfallgefahren, die sich aus den Räumungs-, Abriss- und Rodungsmaßnahmen und der hierfür erforderlichen Nutzung diverser Baufahrzeuge etc. ergeben.
  • Daher gelten besondere Unfallverhütungsvorschriften, deren Einhaltung die RWE Power AG als Eigentümerin des Betriebsgeländes gewährleisten muss.

Umgang mit Medien:

  • Proteste gegen den Braunkohleabbau sind Gegenstand der regionalen und überregionalen Berichterstattung. Die Berichterstattung beschränkt sich dabei längst nicht mehr auf „klassische“ Medien wie Zeitung, Radio und Fernsehen sondern erstreckt sich immer mehr auf den Bereich Social Media.
  • Die Aufgabe der Polizei ist dabei, eine Berichterstattung zu ermöglichen und bei kritischen Situationen den Schutz der Medienschaffenden zu gewährleisten. Andererseits sollen Medienvertretende polizeiliche Einsätze nicht behindern. Auch für sie gelten Recht und polizeiliche Verfügungen.
  • Sollten Medienvertretende Bereiche betreten wollen, in welchem es zur Eigengefährdung kommen könnte, weisen Sie darauf hin. Die Eigengefährdung ist in der Regel kein Grund, das Betreten zu untersagen.

Akkreditierungskonzept:

Zeitraum ab dem 02.01.2023

Die Polizei Aachen richtet eine Akkreditierungsstelle ein. Diese befindet sich unmittelbar gegenüber der ehemaligen Autobahnmeisterei „An den Teichen 1“ in 52445 Titz auf dem dortigen Parkplatz (Koordinaten: 51.03989331820352, 6.4538897860530895).

In der Zeit vom 02.01.2023 bis zur Fertigstellung einer Medienanlaufstelle im Einsatzraum verbleiben alle Fahrzeuge von Medienvertreter*innen (PKW und Übertragungsfahrzeuge) an der Akkreditierungsstelle. Für alle o.a. Personen wird ein Shuttle-Services von der Akkreditierungsstelle aus bis hin zum Einsatzraum geschaffen. Falls nicht vorhanden, werden seitens der Polizei Warnwesten leihweise zur Verfügung gestellt. Im Einsatzraum nahe der Ortslage Lützerath befindet sich mobile Team Pressesprecher. Der o.a. Personenkreis kann sich zu Fuß frei im Einsatzraum bewegen, ohne die Arbeiten der RWE Power AG oder Einsatzmaßnahmen der Polizei zu stören.

Zeitraum nach Beginn Umstellung Lützerath bis zum Einsatzende

Ab Fertigstellung der Medienanlaufstelle im Einsatzraum bestehen dort ca. 45 Parkplätze für PKW von Medienvertreter*innen, parlamentarischen Beobachter*innen und weiteren institutionellen Besucher*innen. Zusätzlich werden fünf größere Parkplätze für Übertragungsfahrzeuge bereitgehalten. In dieser Einsatzphase werden die o.a. Fahrzeuge vom Shuttle-Service von der Akkreditierungsstelle bis zur Medienanlaufstelle gelotst. Bereits jetzt ist absehbar, dass dieser Parkraum in Hochzeiten des Einsatzes nicht ausreichen wird. Deshalb werden die Parkflächen an der Akkreditierungsstelle weiter bereitgehalten. Über den ohnehin im Einsatz befindlichen Shuttle-Service werden in dieser Phase weiterhin auch Medienvertreter*innen, parlamentarische Beobachter*innen und weitere institutionelle Besucher*innen in den Einsatzraum gefahren. Falls nicht vorhanden, werden seitens der Polizei Warnwesten leihweise zur Verfügung gestellt.

Die Politik zeigt sich natürlich nicht vor Ort und setzt zwecks Ausübung von Gewalt, ihre vom Volk bezahlten Söldner ein.

Wie im ersten Zeitraum gilt, dass sich der o.a. Personenkreis zu Fuß frei im Einsatzraum bewegen kann, ohne die dortigen Arbeiten der RWE Power AG oder Einsatzmaßnahmen der Polizei zu stören. Abgesperrte Bereiche (Ortslage Lützerath und Polizeibereiche) können von o.a. Personenkreis grundsätzlich nicht betreten werden.

In Absprache mit dem Einsatzleiter der Polizei werden in der abgesperrten Ortslage Lützerath (Einsatzort) Flächen gekennzeichnet, die von Medienvertreter*innen und parlamentarischen Beobachter*innen zur Ausübung Ihrer journalistischen Arbeit / Ihres Mandates ausschließlich in polizeilicher Begleitung betreten werden können. Die erforderliche Schutzausstattung (Weste, Helm und Schutzbrille) wird von der Polizei leihweise zur Verfügung gestellt. Das Betreten des Geländes von RWE Power geschieht auf eigene Gefahr. Vor Betreten des Geländes ist eine gesonderte Erklärung („Haftungsvereinbarung“) bei Mitarbeitenden der RWE Power AG zu unterzeichnen. Eine polizeiliche Akkreditierung ist für ein begleitetes Betreten des inneren Einsatzbereiches nicht erforderlich. Die RWE Power AG stellt alternativ einen Besucherausweis der RWE Power AG aus. Die Möglichkeit, das Medien den unmittelbaren Einsatzraum betreten können um sich von der Situation vor Ort ein Bild zu machen, ist erfolgskritischer Faktor des Einsatzes. Nur wenn Medienvertreter*innen und Mandatsträger*innen möglichst uneingeschränkt ihrer Aufgabe nachkommen können, hat die Öffentlichkeit die Möglichkeit, die Arbeit der Polizei in diesem hoch politischen Konflikt neutral zu bewerten.

Soweit die Konzeptionierung des Medienkonzeptes:
Am heutigen Tag wurde das Konzept zugunsten eines erweiterten Zutritts für Medienvertreter angepasst. Von der ersten Einsatzminute an befanden sich Medienschaffende im direkten Einsatzbereich, die durchgängig uneingeschränkt Ihrer Arbeit nachgekommen sind. Selbst in Phasen von Stein- und Molotowcocktail-Würfen wurde Rücksicht auf die unmittelbaren Belange von Medienvertreter*innen genommen.

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Oben     —   Protest gegen die Verwüstung von Lützerath Januar 2021

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Alle Gewalt nach Lützerath

Erstellt von Redaktion am 10. Januar 2023

Protest gegen Kohleabbau in NRW: Großaufgebot für Lützerath

Von Konrad Litschko

Mit hunderten Beamten will die Polizei ab Mittwoch das besetzte Dorf räumen. Der Verfassungsschutzpräsident erwartet „gewalttätige Krawalle“.

In Lützerath braut sich einer der größten Polizeieinsätze der jüngsten Zeit zusammen. Ab Mittwoch kann die Polizei das dort besetzte Dorf neben dem RWE-Kohletagebau räumen. Mehrere hundert Beamte aus fast allen Bundesländern werden erwartet – eine genaue Zahl nennt die Einsatzführung aus taktischen Gründen nicht. Der zuständige Aachener Polizeipräsident Dirk Weinspach sprach am Montag von einem „schwierigen, herausfordernden Einsatz mit erheblichen Risiken“. Verfassungsschutzpräsident Thomas Haldenwang sagte der taz, er erwarte „gewalttätige Krawalle“.

Weinspach erklärte, am Dienstag wolle die Polizei eine Informationsveranstaltung in Erkelenz abhalten, ab Mittwoch dann sei mit einer Räumung „jederzeit“ zu rechnen. Er appellierte an Protestierende, friedlich zu bleiben. Dass am Sonntag Steine geflogen seien und auch bürgerliche Demonstrierende mit an Barrikaden bauten, sei aber beunruhigend. Man werde auf Deeskalation setzen, aber wohl „auch gewaltbereiten Straftätern gegenüberstehen“.

Einsatzleiter Wilhelm Sauer warnte vor Barrikaden und Gräben, die in Lützerath derzeit angelegt würden. Dazu kämen Mono- und Tripods, von Ak­ti­vis­t:in­nen besetzte Pfahlkonstrukte, die aufwendig zu räumen seien. Auch wisse man nicht, ob nicht auch in den besetzten Gebäuden Fallen warteten. Zudem habe man Steinkatapulte entdeckt, was „jede Grenze jedes hinnehmbaren Szenarios“ überschreite. Gleiches gelte für Anschläge auf Logistikfirmen, die die Polizei oder RWE unterstützten. Letztlich müsse man das gesamte Braunkohlerevier im Blick behalten, weil Ak­ti­vis­t:in­nen überall Aktionen starten könnten, um Polizeikräfte zu binden. Die Polizei werde mit „Zurückhaltung bis zum äußerst Machbaren“ vorgehen. „Aber ich werde nicht zulassen, dass meine Beamten zur Zielscheibe roher Gewalt werden.“

Wer will das Dorf fressen – die staatlichen Deppen !!

Die Initiative „Lützerath bleibt“, die den weiteren Kohleabbau verhindern will, wirft der Polizei dagegen vor, zu eskalieren und zuletzt rabiat gegen eine friedliche Menschenkette vorgegangen zu sein. Die folgenden Steinwürfe hatten Ak­ti­vis­t:in­nen mit „Keine Steine“-Rufe quittiert. Für die Initiative selbst haben „alle Aktionslevel ihren grundsätzlichen Daseinszweck“. Auf dem Szeneportal Indymedia gibt es offenere Aufrufe, den Preis für die Räumung hochzutreiben. Angeregt wird auch, dezentral Tagebaueinfahrten zu blockieren, Bagger zu besetzen oder Pumpen „abzuschalten“.

Verfassungsschutzchef Haldenwang sagte der taz, friedliche Proteste seien in einer Demokratie legitim. „Die Protestbewegungen in Lützerath sind allerdings sehr heterogen.“ Relevant werde der Protest für den Verfassungsschutz, wenn Linksextremisten versuchten, friedliche demokratische Proteste zu unterwandern und instrumentalisieren. „Versuche nehmen wir bereits wahr“, so Haldenwang. „Wir sehen, dass bundesweit auch gewaltbereite Linksextremisten gegen die Räumung mobilisieren und sich bereits vor Ort sammeln. Teils wird zu militanten Aktionen aufgerufen.“ Haldenwang verwies auf die Proteste im Hambacher und Dannenröder Forst, wo es „ein brutales Vorgehen gegen die Räumung“ gegeben habe. „Insofern erwarte ich auch in Lützerath gewalttätige Krawalle.“

Quelle         :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Transparente in Lützerath, errichtet von Kohleabbaugegnern.

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Stiftung-Vergesellschaftung?

Erstellt von Redaktion am 7. Januar 2023

Die Zukunft der Stahlindustrie

Quelle       :        Scharf  —  Links

von Helmut Born

In SoZ 11/22 hat Hanno Raußendorff die Broschüre zur Zukunft der Stahlindustrie von Christian Leye, MdB, und Ulrike Eiffler, Mitglied des Sprecher:innenrates der Bundesarbeitsgemeinschaft Betrieb und Gewerkschaft, vorgestellt. Darin plädieren beide für die Bildung einer Stahlstiftung, nach dem Vorbild der saarländischen Industriestiftung.

Diese Position geht zurück auf eine alte Debatte in der Linkspartei in Nordrhein-Westfalen, im Gefolge der Krise, in der sich Thyssen-Krupp bis 2020 befand. Inzwischen hat es bedeutende Umstrukturierungen, bis hin zu Betriebsschließungen, und eine wirtschaftliche Belebung in der Stahlindustrie gegeben. Das hat dazu geführt, dass der Konzern nun wieder deutliche Gewinne ausweist. Was bleibt, ist der Umbau auf eine auf Wasserstoff basierende Produktion, damit auch die Stahlindustrie einen Beitrag zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes leistet.

Die Stahlindustrie gehört, neben der Chemie- und Energieindustrie, zu den Bereichen, die einen sehr hohen Beitrag zur Klimaerwärmung leisten. Die Umstrukturierung der Stahlindustrie findet mit staatlicher Unterstützung statt, sonst würde es diesen Umbau nicht geben. Zumindest ist das die Erzählung der Konzernspitze und auch der IG Metall. Die Frage, wie in Zukunft die Stahlindustrie in Deutschland aussehen soll, bleibt also auf der Tagesordnung, und damit auch die Frage der Eigentumsverhältnisse.

Utopie oder reale Möglichkeit?

In einem Debattenbeitrag zu dieser Diskussion haben mehrere Mitglieder der Antikapitalistischen Linken (AKL) in NRW eine andere Position vertreten, nämlich die nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie. Sie knüpfen damit an eine alte Debatte in der IG Metall an, die schon in ihrem Stahlmanifest von 1985 die Vergesellschaftung forderte. Die Vergesellschaftung sollte u.a. dem Zweck dienen, die Arbeitsplätze zu erhalten, ist doch der Arbeitsplatzabbau in der Stahlindustrie besonders heftig – von 288000 im Jahr 1980 bis auf 80000 heute.
Aber in der IG Metall hat sich der Wind gedreht, in der letzten Stahlkrise, die eigentlich eher als Krise von Thyssen-Krupp bezeichnet werden müsste, hat die Gewerkschaft nur noch eine Beteiligung des Landes NRW gefordert.
Demgegenüber vertreten die Autoren des genannten Debattenbeitrags weiterhin die Forderung nach Vergesellschaftung der Stahlindustrie, da Stahl auch in Zukunft für viele gesellschaftlich wichtige Produkte wie Gleise, Züge, Busse, Fahrräder, den Wohnungsbau usw. gebraucht wird. Erforderlich sei eine Ausrichtung auf sozialökologische Unternehmensziele, die sowohl den Interessen der Belegschaften nach sicheren Arbeitsplätzen als auch den ökologischen Erfordernissen entspricht. Es wird weniger Ressourcenverbrauch, mehr Recycling und eine reduzierte, wasserstoffbasierte Produktion mit Beschränkung auf die gesellschaftlich wichtigen Bereiche gefordert. Sie soll nicht weiter den Profierwartungen der Konzerne unterworfen werden, sondern den gesellschaftlichen Erfordernissen entsprechen.

Welche Form der Vergesellschaftung?

In ihrem Beitrag umschreiben die Autoren ihre Vorstellung der Vergesellschaftung wie folgt:
»Vergesellschaftung bedeutet für uns keineswegs nur den einfachen Ersatz von privatem Kapital durch öffentliche Mittel bzw. Anteilseigner. Erreicht werden muss auch die Demokratisierung von Management und Entscheidungsstrukturen. In welcher Form dies erreicht wird, wird in den Betrieben demokratisch entschieden werden müssen. Praktisch kann das auf ein betriebliches Rätesystem hinauslaufen. Die Beschränkung der Produktion auf gesellschaftlich relevante Güter und die damit verbundene Abschaffung der kapitalistischen Überproduktion erfordern ebenfalls eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Kurzfristig würde das die Einführung der 4-Tage-Woche bedeuten. Die Sicherung der Arbeitsplätze und die parallel nötige Dekarbonisierung verlangen einen mittelfristigen Prozess, in dem die sozialen und die ökologischen Ziele statt Profitinteressen absolute Priorität haben.«

Hochofen 5 Landschaftspark Duisburg Nord Abend 2013.jpg

Im Gegensatz zu einer Stiftung bedeutet eine solche Vergesellschaftung unter der Kontrolle der Belegschaften einen Bruch mit den kapitalistischen Mechanismen. Eine Stiftung lässt es kaum zu, dass eine demokratische Kontrolle der Belegschaft gewährleistet ist. Hier entscheidet der Stiftungsvorstand, wohin die Investitionen fließen sollen. Das zeigt sich auch im Saarland, wo es maximal bessere Mitbestimmungsmöglichkeiten von Betriebsräten und Gewerkschaften gibt. Auch hier gibt es einen massiven Arbeitsplatzabbau und keine Senkung der wöchentlichen Arbeitszeit zum Erhalt der Arbeitsplätze.
Der entscheidende Unterschied ist: Die Vergesellschaftung von Betrieben unter der Kontrolle der Belegschaften stößt die Tür zu einer Wirtschaft auf, die nicht der Profitmaximierung, sondern der Befriedigung gesellschaftlicher Interessen dient.

Erstveröffentlich in SoZ 1/23

https://www.sozonline.de/2023/01/die-zukunft-der-stahlindustrie/

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Oben       —     ThyssenKrupp Presta TecCenter

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Versammlungsgesetz NRW:

Erstellt von Redaktion am 6. Januar 2023

Verfassungsbeschwerde gegen Einschränkung der Versammlungsfreiheit eingereicht

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von         :       

Im Jahr 2021 hatten tausende Menschen über Monate gegen das neue Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen demonstriert. Das Gesetz schränkt die Versammlungsfreiheit massiv ein und gibt der Polizei mehr Befugnisse. Dagegen wehrt sich nun die GFF zusammen mit weiteren Bürgerrechtsinitiativen mit einer Verfassungsbeschwerde.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) erhebt heute gemeinsam mit dem Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ Verfassungsbeschwerde gegen das seit Januar 2022 geltende Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Das umstrittene Gesetz war trotz schwerwiegender Bedenken von Sachverständigen und monatelanger Proteste auf der Straße fast unverändert von der schwarz-gelben Landesregierung im Jahr 2021 verabschiedet worden. Die schwarz-grüne Nachfolgeregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag keine Änderungen am Versammlungsgesetz festgelegt.

Die nun vor dem Verfassungsgerichtshof von Nordrhein-Westfalen eingereichte Beschwerde greift vor allem neue Straftatbestände, erweiterte Überwachungsbefugnisse und das präzedenzlose Totalverbot von Versammlungen auf Autobahnen an, heißt es in der Pressemitteilung der GFF. In der Kombination schreckten diese verfassungswidrigen Regelungen Menschen davon ab, ihr Grundrecht auf Versammlungsfreiheit auszuüben, so die Grundrechteorganisation. Sie will erreichen, dass das Gericht die angegriffenen Vorschriften für nichtig erklärt. Per Eilantrag sollen einige Normen zudem bereits vorläufig außer Kraft gesetzt werden.

Autobahnen stärker geschützt als der Landtag

Laut der GFF sind die neuen Regelungen des Versammlungsgesetzes NRW zum Störungsverbot, zum Vermummungsverbot sowie zum Militanzverbot sehr weitreichend und unbestimmt formuliert, sodass Protestierende nicht wissen könnten, wann sie sich strafbar machen. Daneben weite NRW die Befugnis zur staatlichen Videoüberwachung von Versammlungen enorm aus, so die Bürgerrechtsorganisation. Auch das könne einschüchtern und von der Teilnahme an Protesten abschrecken. Das bundesweit einmalige Pauschalverbot aller Versammlungen auf Bundesautobahnen nimmt zudem einen Teil des öffentlichen Raumes prinzipiell von der Versammlungsfreiheit aus. Autobahnen werden damit stärker geschützt als der NRW-Landtag und NS-Gedenkstätten, so die Bürgerrechtsorganisation.

Besonders betroffen sei die Klimabewegung. Bei der Verschärfung des Militanzverbots verweise die Gesetzesbegründung auf Klimaproteste und ziele insbesondere auf diese ab.

Die damalige Landesregierung hat das im Versammlungsgesetz des Bundes enthaltene Uniformierungsverbot, das wegen der Erfahrungen von SA-Aufmärschen in der Weimarer Republik eingeführt wurde, weiter verschärft. Sie hat es es zu einem sogenannten Militanzverbot ausgeweitet. In der Begründung des Gesetzes heißt es, dass damit auch eine einheitliche farbliche Kleidung oder weiße Maleranzüge gemeint sind.

Diese weißen Overalls, die seit Jahren bei den Klimaprotesten genutzt werden, stellt das Gesetz damit historisch in eine Reihe mit uniformierten Aufmärschen von SA und SS. Dabei attestiert das Gesetz ihnen wie auch Marschtritt und Trommelschlagen eine „suggestiv-militante, aggressionsstimulierende und einschüchternde Wirkung“.

Auch das Versammlungsverbot auf Autobahnen richtet sich eindeutig gegen Aktivist:innen, die dort protestieren, um auf die sich zuspitzende Klimakrise aufmerksam zu machen. Der nordrhein-westfälische Gesetzgeber habe hier seine staatliche Neutralität gegenüber zulässigen Versammlungsanliegen aufgegeben und schränke so die Grundrechte aller Aktivist:innen verfassungswidrig ein, sagt die GFF.

Unterstützung durch weitere Bürgerrechtsorganisationen

Laut der GFF hat kein anderes Bundesland ein derart restriktives Versammlungsgesetz. Mit der Verfassungsbeschwerde will die GFF nach eigener Aussage ähnlichen Tendenzen bei der Gestaltung künftiger Landesversammlungsgesetze vorbeugen und so eine schrittweise Aushöhlung der Versammlungsfreiheit verhindern. Die acht Beschwerdeführenden sind Mitglieder unterschiedlicher zivilgesellschaftlicher Organisationen aus Nordrhein-Westfalen, die ihr Engagement durch das Versammlungsgesetz in Gefahr sehen. Sie werden vertreten durch Professor Tristan Barczak von der Universität Passau. Die Verfassungsbeschwerde wird unterstützt vom Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V., der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen (VDJ) und dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein (RAV).

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Oben     —     Demonstration gegen das geplante Versammlungsgesetz am 28. August 2021 in Düsseldorf

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Party like it’s 1978

Erstellt von Redaktion am 1. Januar 2023

Klimaschutz und Wachstum

Von Ulrike Herrmann

Klimaschutz gelingt nur, wenn wir uns vom Wachstumsdenken verabschieden. „Grünes Schrumpfen“ wäre eine soziale Revolution.

Deutschland tut momentan so, als könnte es drei Planeten verbrauchen. Bekanntlich gibt es aber nur eine Erde. Wenn wir überleben wollen, müssen Produktion und Konsum schrumpfen. Über dieses „grüne Schrumpfen“ wird bisher jedoch kaum nachgedacht, was kein Zufall ist. Denn nicht nur die Wirtschaft würde sich völlig verändern, auch das Verhältnis von Arm und Reich, der Sozialstaat oder die Möglichkeiten der privaten Vorsorge würden sich komplett wandeln. Die Gesellschaft wäre nicht mehr wiederzuerkennen.

Um von vorn zu beginnen: Klimaschutz kann nur gelingen, wenn die Reichen nicht geschont werden, denn sie verbrauchen am meisten Rohstoffe und emittieren enorme Mengen an Treibhausgasen. Die Zahlen sind erschütternd: Das reichste Hundertstel der Deutschen stößt pro Kopf und Jahr 117,8 Tonnen an Klimagasen aus. Die obersten 10 Prozent kommen im Durchschnitt auf 34,1 Tonnen. Die „Mitte“ emittiert 12,2 Tonnen – während es bei den unteren 50 Prozent nur ganze 5,9 Tonnen sind. Die Reichen produzieren pro Kopf also 20-mal so viel CO2 wie die Armen.

Diese krasse Ungerechtigkeit ist vielen wohlhabenden Deutschen nicht bewusst. Im Gegenteil. Gerade Gutverdiener neigen dazu, sich für besonders umweltbewusst zu halten. Sie kaufen Biogemüse und Energiesparlampen und merken gar nicht, dass sie meist sehr üppig wohnen und häufig fliegen. Wie das Umweltbundesamt feststellte, sei bei den Wohlhabenden „die Auffassung weit verbreitet, sparsam mit Ressourcen umzugehen“. Die Behörde vermutet, dass sich diese umweltbewussten Gutverdiener vor allem mit Mitgliedern der eigenen Schicht vergleichen – und dabei aus dem Blick verlieren, dass die ärmeren Milieus deutlich weniger konsumieren.

Für die Reichen Deutschlands wäre es natürlich sehr schmerzhaft, wenn sie nicht mehr jährlich 117,8 Tonnen CO2 emittieren dürften. Ihr flotter Lebensstil wäre dahin. Für die Gutsituierten sind dies keine angenehmen Aussichten, weswegen gelegentlich eine Art Mittelweg vorgeschlagen wird: Jeder Mensch soll ein privates CO2-Konto bekommen und darf dann 1 bis 2 Tonnen im Jahr umsonst verbrauchen – danach wird es teurer.

Was an Wert verliert

Doch dieser gut gemeinte Vorschlag würde den Klimaschutz torpedieren. Für Reiche wäre es gar kein Problem, sich einfach weitere Emissionsrechte zu kaufen, sodass weiterhin zu viele Treibhausgase ausgestoßen würden. Vor allem aber würde das Projekt Klimaschutz diskreditiert, wenn jeder verzichten müsste – nur die Wohlhabenden nicht.

Klimaschutz hat nur eine Chance, wenn alle gleichmäßig beitragen müssen und sich der Abstand zwischen den Schichten verringert. Man sollte diese Herausforderung nicht kleinreden. Es käme einer sozialen Revolution gleich – die es in Deutschland noch nie gegeben hat. Die Abschaffung der Monarchie 1918 oder die Wende 1989 waren politische Revolutionen, die das Herrschaftssystem verändert, aber das Besitzgefüge nicht angetastet haben.

„Grünes Schrumpfen“ würde zudem bedeuten, dass private Vorsorge nicht mehr möglich ist. Bisher glauben viele Deutsche, sie könnten sich von der Gesellschaft entkoppeln und auf einer Art eigenen Insel leben, indem sie Finanzvermögen ansparen. Doch dieses Vermögen verliert zwingend an Wert, sobald die Wirtschaft schrumpft.

Beispiel Aktien: Die meisten DAX-Werte finanzieren Unternehmen, die sehr viel CO2 emittieren. Dazu gehören unter anderem die Flugzeugbauer Airbus und MTU oder die Autokonzerne BMW, Porsche, Mercedes-Benz, VW sowie Continental. Diese Firmen wären nur noch ein Schatten ihrer selbst, wenn Menschen und Güter vor allem mit der Bahn transportiert würden, um Treibhausgase einzusparen. Wenn aber Unternehmen in die Bedeutungslosigkeit abrutschen, können auch ihre Aktien nicht mehr viel wert sein.

Doch nicht nur Firmenpapiere verlieren an Wert, wenn die Wirtschaft schrumpft. Gleiches gilt für jede Art von Geldvermögen – ob es nun Ersparnisse oder Lebensversicherungen sind. Es ist ganz simpel: Geld hat nur Wert, wenn sich dafür etwas kaufen lässt. Sobald die Menge der Güter sinkt, löst sich dieses Geldvermögen teilweise in Luft auf.

Wie wir das nennen

Für diesen Prozess gibt es auch einen Namen: Inflation. Wenn weit mehr Geld auf den Markt drängt, als dort Waren zu finden sind, wird jedes einzelne Produkt teurer. Schon bisher waren hohe Inflationen gefürchtet, weil sie extrem ungerecht sind. Finanzvermögen und Geldeinkommen werden entwertet, während Immobilienbesitzer keine Einbußen hinnehmen müssen. Diese Unwucht wird noch schlimmer, wenn eine Wirtschaft dauerhaft schrumpfen muss. Dann stellt sich ganz schnell die Frage, wer sich die knappen Güter noch leisten kann. Gut leben könnte nur noch, wer über Sachwerte oder sehr hohe Geldvermögen verfügt.#

Die Ärmeren hingegen würden leer ausgehen, und besonders schlimm würde es viele Rentner treffen, weil ihre private Altersvorsorge durch die Inflation aufgefressen würde. Aus diesem Teufelskreis gibt es nur noch einen Ausweg: Rationierung. Jeder bekommt das Gleiche, zugeteilt vom Staat.

Wenn Deutsche das Wort „Rationierung“ hören, drängen sich den meisten sofort die tristen Bilder aus der Nachkriegszeit auf, als Millionen hungern mussten. Doch diese Analogien führen in die Irre. Obwohl die deutsche Wirtschaft schrumpfen muss, um klimaneutral zu sein, wären wir immer noch sehr wohlhabend. Niemand müsste um sein Überleben kämpfen, und die Rationen könnten durchaus üppig ausfallen.

Was das mit dem Jahr 1978 zu tun hat

Quelle         :         TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —       Alleestraße 144 in Bochum

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2.( von Oben      —     Scientist Rebellion klebt Aufsätze ans Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, Hannoversche Straße, Berlin, 07.04.2022

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Unten      —            Peter Siller (Heinrich-Böll-Stiftung e.V.), Ulrike Herrmann (Journalistin, taz) Foto: <a href=“http://www.stephan-roehl.de“ rel=“nofollow“>Stephan Röhl</a> „Auf der Suche nach der grünen Erzählung III“ Die dritte Ausgabe der Kongressreihe Grüne Erzählung der Heinrich-Böll-Stiftung am 18. und 19. März 2016 in Berlin

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Besser mit Bauanleitung

Erstellt von Redaktion am 21. Dezember 2022

Weihnachten mit Kaspar, Meloni und anderen politischen Früchtchen unter einen  Baum sitzen ?

File:Keine frohe Weihnachten.jpg

Ein Schlagloch von Georg Seeßlen

Wie Kaspar, Onkel David und Herr Friedrich Weihnachten feiern. Und warum die Lichter am Lego-Kampfraumer von „Star Wars“ nicht angehen. Die haben schon beim Auspacken so deppert gegrinst, dass ich gewusst hab’: Das war das Richtige.

Fröhliche Weihnachten“, hat der Kaspar gesagt. „Gesegnetes Fest“, hat der Onkel David gemeint. Und der Herr Friedrich hat noch gesagt: „Und falls wir uns dann nicht mehr sehen, auch einen guten Rutsch.“ Und dann war Weihnachten auch fast schon wieder vorbei. Es ist halt immer früher vorher und dann umso schneller nachher. Umgekehrt wär’s mir lieber.

Heuer hat es viel mit HüHalloron gegeben. Das ist oft im Fernseh gewesen und hilft praktisch bei allem. Man kann es sich ins Haar schmieren oder auf die Haut oder in die Augen tropfen. Ich persönlich tät’s nicht mögen. Weil im Fernseh grinsen die Leut’ nach einem HüHalloron immer so deppert wie der Franz, wenn er eine Eins für seine Hausaufgaben kriegt. Der Franz kriegt immer eine Eins für seine Hausaufgaben. Die macht er immer gleich zwei oder drei Mal, und die verkauft er dann an die, wo die Hausaufgaben vergessen haben oder keine Lust nicht gehabt haben. Aber da macht er mit Absicht ein paar Fehler hinein, damit es nicht aufkommt und er trotzdem immer der Beste ist. Aus dem Franz wird noch was, das sagen alle.

Dass aus mir was wird, sagt eigentlich niemand. Höchstens ein Schwerverbrecher. Weil ich selten Lust für eine Hausaufgabe habe, ist so viel von meinem Taschengeld draufgegangen, dass Weihnachten auch schwierig geworden ist. Aber es hat gerade gereicht, dass ich für jeden was mit Hü­Halloron hab’ kaufen können. Da haben die schon beim Auspacken so deppert gegrinst, dass ich gewusst hab’: Das war das Richtige.

Ich hab einen Lego-Kampfraumer von „Star Wars“ bekommen. Da ist, glaub’ ich, kein HüHalloron drin. Der Onkel David und der Herr Friedrich haben mir dann beim Zusammenbauen geholfen. Gut, es sind ein paar Teile übrig geblieben, weil Onkel David gesagt hat, für so was braucht er doch keine Bauanleitung. Achtung! Hier Commander Tom. Wir haben ein paar ernsthafte Störungen für unseren Einsatz. (Weil, die Batterie für die Lichter an den Seiten ist irgendwie auch nicht gegangen.) Aber wir machen uns trotzdem bereit für den Angriff auf die feindliche Raumflotte. Hier Station eins. Unter dem Todesstern im grünen Zwischen-Kosmos befinden sich mehrere der glänzenden HüHalloron-Bomben. Sofort angreifen und unter Beschuss nehmen! Und wie Commander Tom die HüHalloron-Bomben angegriffen hat, da ist eine Kerze dumm verrutscht (weil, wir haben noch echte Kerzen am Christbaum, da gibt es nichts), und dann hat halt so ein Zweig von unserem Christbaum zum Brennen angefangen, und dann ist der Herr Friedrich aufgesprungen und hat sein Festbier darüber geschüttet. Und dann war wieder eine Ruhe, und alle haben den Herrn Friedrich bewundert. Nur dass man dem Onkel David angesehen hat, dass er mir am liebsten eine Watschen gegeben hätte, aber das ist nicht gegangen, weil ja der Herr Friedrich da war. Ich hab’ jetzt nicht mehr in die Nähe von dem Baum gedurft. Achtung, Station. Hier Commander Tom. Der Schutzschild um die HüHalloron-Bomben ist zu stark. Wir setzen jetzt unsere Distanzwaffen ein.

Star Wars-Charaktere bei Madame Tussaud.jpg

Jetzt hat es natürlich noch mehr Festbier gegeben. Und das war schlecht. Weil, normalerweise haben der Kaspar und der Onkel David so verschiedene Meinungen, dass sie miteinander gar nicht erst reden. Aber natürlich, wenn es ein Festbier gibt. Commander Tom, die massive Gegenwehr zwingt uns zu neuen strategischen Maßnahmen. Landen Sie zwischendurch neben dem Ver­sor­gungs­­teller. Das HüHalloron darf nicht in falsche Hände geraten! Jetzt hätte ich gern eine „Star Wars“-Serie im Fernseh angeschaut, weil wir haben jetzt auch Schdrieming und alles. Aber die Mama hat gesagt, dass sie zu Weihnachten überhaupt nichts von einem Krieg hören will. Und da hat der Onkel David gesagt, das soll sie einmal dem Putin sagen. Aber der Putin, der hört ja schon lang auf niemanden mehr. Das ist normal. Weil, in unserer Familie hört ja auch keiner auf jemand.

Zum Beispiel, dass wir immer noch einen alten Opel haben, wo doch ein BMW viel besser wär’. Der Franzl, den fährt sein Vater jeden Morgen mit dem BMW zur Schule, und so, dass man auch sieht. So weit kommt’s noch, hat die Mama gesagt, dass ich dich die paar Meter mit dem Auto zur Schule fahr. Es ist ja auch besser so, weil sonst sieht jeder, dass wir nur einen Opel haben. Achtung, Commander Tom! Ein kosmischer Sturm braut sich zusammen.

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquelle     :

Oben        —        Keine frohen Weihnachten. Cartoon über eine Familie, die kein Geld für Weihnachtsgeschenke hat.

Transkription:

Weihnachten 2002 – Walter hatte gerade seine Stelle verloren, und wir mußten unsere Geschenke mit dem Haushaltsgeld kaufen. Dieses Jahr gab’s Erbsen und Möhren, Bohnen und Tomaten.

Author Gaspirtz     /  Own  work

This file is licensed under the Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 Unported license.

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Unten     —          Der Kampf von Luke SkywalkerDarth Vader und dem Imperator bei Madame Tussauds

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2022

2023 kann kommen – gern ohne König

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Lukas Wallraff

Vorsätze – zum Jahresende. – Im Fußball klappt’s nicht, am Warntag wird nicht gewarnt und die Monarchie klopft an die Tür: Da hilft nur durchatmen und gute Vorsätze fassen.

Mit den guten Vorsätzen kann man gar nicht früh genug anfangen. Da dies der letzte Rote Faden ist, den ich in diesem verdammten Scheißjahr knüpfen darf, fange ich hier schon mal an.

1. Reg dich nicht so auf!

Meine jüngste Mitbewohnerin hat sich neulich beim deutschen WM-Abschiedsspiel beschwert. Aber nicht über Hansi Flicks Versager, auch nicht über den blinden Videoschiri, der die Japaner weitergeschummelt hat, und erst recht nicht über die Fifa und die schlimmen Scheichs, die das ganze Spiel versauen, sondern über all die Alten, die dauernd nur gemeckert haben. Gemeint waren die Reporter im Fernsehen – und der fluchende Fan auf dem Sofa neben ihr. Ich schwöre, das wird nie wieder passieren! Denn die nächste WM in Amerika boykottiere ich bestimmt. Wegen Trump als Gastgeber, dann reicht’s, oder wegen der mexikanischen Kartelle, die da sicher auch mitmischen. Am Mittwoch und Donnerstag habe ich schon geübt. Und es hat geklappt. An den spielfreien Tagen hat man von mir kein böses Wort gehört.

2. Sei doch mal zufrieden!

Am Donnerstag um elf habe ich gewartet. Und gewartet. Nochmal auf die Uhr geschaut und dann aufs Handy. Doch da kam nichts. Nicht einmal ein Piepen. Dabei hatte die Regierung doch Gratis-Alarm für alle angekündigt. Aber, ach, der große Warntag war ein Riesenflop. Jedenfalls für mich. Kein Anruf unter meiner Nummer. Offenbar kennt der Staat mich gar nicht oder will mich absichtlich nicht warnen. Aber auch Sirenen gibt es nur noch in den wenigen verbliebenen humanistischen Gymnasien in ausgebleichten Heldensagen. Ja, nicht einmal den besten War­ne­r*in­nen der Nation gelang es an diesem offiziellen Feiertag des Warnens, sich wie gewohnt festzukleben und den Flugverkehr zu stören. Ich bekam schon wieder Puls, weil einfach gar nichts klappt in diesem Land, aber ich hatte ja spiel- und schimpffrei. Und begriff, dass man über jedes ungewarnte Smartphone froh sein sollte: Von Totalkontrolle wie in China sind wir offensichtlich und zum Glück noch weit entfernt. Allerdings scheinen wir auch nur sehr bedingt abwehrbereit zu sein.

3. Hab keine Angst!

Okay, jetzt wird’s ein bisschen schwierig. Wohlgemut und sorgenfrei in die mittelfristige Zukunft zu blicken, wird an diesem Jahreswechsel wohl kaum jemand schaffen. Auch wenn der Kanzler nach besten Kräften versucht, uns freundlich aufzumuntern. Das kann keiner besser als er. „Selbst wenn es ganz eng wird“, versicherte Olaf Scholz im Herbst, „kommen wir wahrscheinlich durch den Winter.“ Na, immerhin! Besser als „vielleicht“. Und bisher klappt’s ja. Gut, Mitte dieser Woche schien es kurz eng zu werden und die Rückkehr der Monarchie schon vor der Tür zu stehen. Aber wahrscheinlich werden die ReichsbürgerInnen (ja, es sind auch Frauen dabei, sogar im Bundestag) in diesem Winter doch noch nicht an die Macht kommen. Es ist mir zwar nicht ganz klar, was es bedeutet, wenn 3.000 Polizisten bei der größten Razzia der Nachkriegsgeschichte nur 25 rechtsextreme Putschaspiranten dingfest machen, mit einem Prinz im Alexander-Gauland-Kostüm als Rädelsführer an der Spitze. Ist das wirklich alles, was rechts zu finden war? Die Umsturzgefahr scheint zumindest nicht akut. Und die Innenministerin hat ja für alle Fälle immer genug One-Love-Binden.

4. Tu dein Bestes!

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Sicherheit geht vor Freiheit

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2022

Ukraine-Krieg spaltet Ostdeutschland

Solange die Deutschen Bürger-innen mit Stolz auf ehemalige Raubritter blicken müssen, wird  kein Deutsches Wesen genesen!

Von Michael Bartsch

Der Ukrainekrieg spaltet die ostdeutsche Gesellschaft. Warum so viele „Ossis“ am Bild von der Sowjetunion als Friedensgarant festhalten.

Es sind nicht nur die Bundesbürger westlich von Harz und Thüringer Wald, die mal wieder irritiert auf den unberechenbaren Osten schauen. Auch die „Ossis“ selbst kennen einander nicht mehr. Grund sind die Einstellungen zum russischen Krieg gegen die Ukraine.

Es geht ein Riss durch Freundes- und Kollegenkreise, durch Familien und Institutionen. Es ist die dritte Spaltungswelle in den vergangenen zehn Jahren. Erst war da das Einsickern neurechter Ideologien in die Mitte der Gesellschaft, dann kam der Corona- und Impfkrieg. Und nun ist es der richtige Krieg.

Meine Friseurin, die seinerzeit im Salon der SED-Bezirksleitung führenden Genossen den Kopf wusch, beruft sich auf Kunden als Quellen, wenn sie über angebliche ukrainische Luxusflüchtlinge auf vierteljährlichem Heimaturlaub herzieht. Der Friseurin gilt der ukrainische Präsident Selenski als „der größte Verbrecher – ein Schauspieler“.

Ein Dresdner Theaterkritiker bezeichnet Putin als „sich einst durch Dresden saufenden KGB-Tölpel und heutigen Möchtegern-Zar“. In seiner Münchhausen-Adaption am Dresdner Staatsschauspiel lässt Rainald Grebe eine Schauspielerin von einer seit zehn Jahren getroffenen Familienvereinbarung berichten: „Über das und das wird nicht gesprochen – sonst kracht’s!“ „Unser Freundeskreis ist an der Russlandfrage völlig zerbrochen“, bedauern Günter Kern und Frau Eva in Kamenz, Bruder des weltbekannten Malers Georg Baselitz und durch Lukas Rietzschels „Raumfahrer“ zu einer Romanfigur geworden.

Man braucht sich nicht vorzumachen, da stünde eine rebellische kleine Minderheit gegen eine vermeintlich tragende große Mehrheit. In ganz Deutschland und Europa stehen sich Kräfte gegenüber, die entweder die Ukraine massiv unterstützen – oder aber einen Diktatfrieden um jeden Preis wünschen, wenn dadurch nur wieder Gas in die Kammer käme und die Brötchen billiger würden.

Der Hälfte gehen Sanktionen gegen das Kremlregime zu weit

Und doch bestehen nach wie vor signifikante Unterschiede im Verhalten des ost- und westdeutschen Bevölkerungsdurchschnitts. Ein Drittel der Ostdeutschen sieht in Putin bis heute keine Gefahr, im Westen empfindet nur ein Fünftel so.

Aufschluss bringt die Rubrik „MDR fragt“ des Mitteldeutschen Rundfunks mit jeweils um die 30.000 Teilnehmern. Der Hälfte von ihnen gehen Sanktionen und Maßnahmen gegen das Kremlregime zu weit. Sieben von zehn Ostdeutschen fühlen sich in der Einschätzung russischer Politik kompetenter als die „Wessis“. Folglich konstatieren fast zwei Drittel aktuell eine Vertiefung der Ost-West-Spaltung.

Aber warum – 32 Jahre nach der formalen Vereinigung? Verlässliche Ursachenforschung zu diesem anhaltenden Teilungsphänomen gibt es nach wie vor nicht. Es lässt sich nur mit der fortwirkenden Prägung durch die Jahre bis 1989 erklären, einer Prägung, die das wiedervereinigte Deutschland auch in drei Jahrzehnten nicht aufzuheben vermocht hat.

Für diese Annahme spricht die Generationenspaltung der Ostdeutschen selbst. Hartnäckige Putin-Versteher, die trotz eines offenkundigen Eroberungs- und Vernichtungskriegs immer noch russische Sicherheitsinteressen „ins Feld führen“, haben in aller Regel mindestens die 40, meist die 50 überschritten. Das DDR-Fähnchen eines Demonstranten auf dem Dresdner Theaterplatz liefert den Schlüssel für Erklärungen.

Solche Demos richten sich nur vordergründig gegen die Preisexplosion. Wer hier steht, sucht in manischem Eifer nach allem, was das Moskauer Verbrecherregime irgendwie entlasten könnte. Und grundsätzlich sind immer die zweifellos auch nicht gerade harmlosen US-Amerikaner an jeder Eskalation der Gewalt in der Welt schuld.

Man darf es sich aber nicht zu einfach machen: Hier stehen nicht unbedingt dieselben, die seit Jahren gegen alles, was irgendwie von oben kommt, auf die Straße gehen. Es gibt sehr wohl militante Impfgegner aus dem Vorjahr, die gar keine Lust haben, gemeinsam mit Schwenkern von Russlandflaggen gesehen zu werden.

Kalter Krieg als Zeichen der Stabilität

Und doch: Wer Ost zulande nicht gegen alles ist, wird verdächtigt, für etwas zu sein, mithin mit „denen da oben“ zu kollaborieren – eine subtile Kontinuität aus Zeiten des SED-Regimes.

Im Rückblick erscheint vielen sogar der Kalte Krieg, das Gleichgewicht des Schreckens, als Zeit der Stabilität. Als der eine Pol dieser Abschreckung garantierte die Sowjetunion den Frieden und damit den bescheidenen Fortschritt in der DDR.

Posthum erst wird klar, dass es nicht nur Propaganda war, wenn der FDJ-Chef Egon Krenz 1974 rief: „Alles, was wir sind, sind wir durch sie (die Sowjetunion)!“ Die heute noch lebende DDR-Generation hat die Rote Armee nicht mehr als brutale Besatzungsmacht wie bei dem Aufstand von 1953 kennengelernt. Ausgewählte, wie die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel, studierten in der Sowjetunion, Kinder- und Jugendorganisationen veranstalteten Freundschaftstreffen.

Halb ironisch, halb schulterklopfend sprach man vom „Großen Bruder“. In der ARD-Filmproduktion über Russland und die Ostdeutschen bestätigt ein damaliger hoher NVA-Offizier die anerzogene Liebe zur Sowjetunion. „Amerika ist mein Feindbild“, sagt er. Auf Demoplakaten 2022 steht: „Besatzungsmacht USA“.

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Oben      —       25.06.2006 01067 Dresden-Altstadt, Theaterplatz (GMP: 51.053852,13.735897): Sempergalerie (1847-54) des Zwingers und davor auf dem Platz das Reiterstandbild von König Johann von Sachsen (1889 von J. Schilling). [DSCN10473. TIF]20060625090DR.JPG(c)Blobelt

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Linke Partei-Meinung

Erstellt von Redaktion am 9. Dezember 2022

„Das kann man finden, aber eigentlich nicht in dieser Partei“

Ein Interview von Pascal Beucker mit Christoph Spehr – Bremen

Am Wochenende treffen sich in Leipzig die Partei- und Frak­ti­onschefs der Linken aus Bund und Ländern zum Krisengipfel. Der Bremer Landessprecher Christoph Spehr hält die Eskapaden von Sahra Wagenknecht für nicht länger hinnehmbar.

taz: Herr Spehr, die Linkspartei befindet sich in einem desaströsen Zustand. Welche Erklärung haben Sie dafür?

Christoph Spehr: Ich glaube, es gibt zwei unterschiedliche, aber zusammenhängende Probleme. Zum einen haben wir einen Kreis von Leuten in wichtigen Positionen, die ständig erzählen, dass diese Partei schlecht sei, die soziale Frage verraten würde und man eigentlich mit ihr nichts mehr anfangen könne. Das kann der Partei nicht guttun. Zum anderen habe ich den Eindruck, dass die internen Aus­einandersetzungen viel Kraft gebunden haben, sodass es einfach jede Menge Fragen gibt, mit denen wir uns zu wenig beschäftigt haben. Da gibt es einen großen Nachholbedarf.

Mit diesen Leuten, die die Linkspartei schlechtreden, meinen Sie Sahra Wagenknecht und ihren Anhang, oder?

Ja, das ist so. Wenn du ein sehr prominentes Mitglied der Bundestagsfraktion hast, das mit seinen Auftritten Antiwerbung für die Partei betreibt, dann hast du ein ziemlich massives Problem. Das gilt beispielsweise für die fatale und falsche Denun­zia­tion der Linken, ihr sei die so­zia­le Frage wurscht geworden. Das ist nicht länger hinnehmbar. Das kann man finden, aber eigentlich nicht in dieser Partei.

Wie kann dieses Problem gelöst werden?

Es muss eine Verständigung darüber geben, dass jemand, der dauernd bekundet, mit dieser Partei nichts mehr anfangen zu können, nicht für diese Partei oder deren Fraktion sprechen kann. Wer darüber spekuliert, eigentlich eine andere Partei zu wollen, muss erst mal sein Verhältnis zur Linken klären. Das muss man klarmachen. Und wenn eine solche Person merkwürdige Sachen erzählt, muss ihr eindeutig und deutlich öffentlich widersprochen werden.

Welche merkwürdigen Sachen meinen Sie?

Nehmen wir nur einmal den Ukrainekrieg: Wenn ein Land ein anderes angreift, gilt unsere Solidarität den Menschen in dem Land, das angegriffen worden ist. Da darf es keinen Zweifel geben. Ein anderes Beispiel: Es funktioniert nicht zu sagen, der Hauptfeind seien die Grünen, das sei die gefährlichste und schlimmste Partei. Das ist nicht nur falsch, sondern heißt auch: Wir sig­nalisieren, dass wir nicht wissen, wo wir im Parteienspek­trum stehen. Das halte ich für verheerend.

Aber ist Wagenknecht wirklich das einzige Problem der Linkspartei?

Christoph Spehr - 2016.jpg

Nein, leider nicht. Eine Reihe ganz stabiler identitätsbildender Punkte für die Linke, wie die Erinnerung an die rot-grüne Regierung Gerhard Schröders mit ihrer Agenda 2010, sind in die Jahre gekommen und reichen nicht mehr aus. Es gibt einfach nicht mehr genug Leute, die dich aus Protest gegen das wählen, was früher mal SPD und Grüne gemacht haben. Das schwitzt sich aus.

Sie meinen, Protest alleine reicht nicht mehr?

Das ist es nicht allein. Zur Identität der Partei gehörte es immer auch, dass sie so etwas wie das fleischgewordene schlechte Gewissen von SPD und Grünen war. Von dieser Funktion kannst du jedoch nicht ewig leben. Genauso wie du im Osten nicht ewig davon leben kannst, dass du als ein Resonanzboden und auch in gewissem Maße als ein Problemlösungsinstrument erschienen bist für all die extrem schwierigen Prozesse der Vereinigung. Beides war sehr identitätsbildend, schwächt sich jedoch ab und ist irgendwann nicht mehr ausreichend.

Was folgt daraus?

Die Linkspartei wurde 2007 gegründet, unser Grundsatzprogramm stammt aus dem Jahr 2011. Seitdem ist viel passiert in Deutschland und der Welt. Da ist zum einen natürlich die Dringlichkeit der Klimafrage, der wir stärker Rechnung tragen müssen. Zum anderen sehen wir eine Vielzahl an sozialen Ero­sions­prozessen, die anders beantwortet werden müssen als früher. Es gibt objektive Prozesse, die die untere Einkommenshälfte der Gesellschaft seit Längerem in den Abstieg drängen. Da musst du etwas Aktives dagegensetzen. Dafür eine Gegenstrategie zu ­formulieren ist nicht ganz einfach und erfordert auch mehr als nur ökonomische Umverteilung.

Sehen Sie denn noch eine Perspektive für Ihre Partei?

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Oben     —     „Maischberger. Die Woche“ am 13. November 2019 in Köln. Produziert vom WDR. Foto: Sahra Wagenknecht, Die Linke (ehemalige Fraktionsvorsitzende)

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Erfolge fallen nicht von Oben

Erstellt von Redaktion am 3. Dezember 2022

Vor 50 Jahren an der Wutach
– Der Kampf um sauberes Wasser beginnt!

Die Wutach bei Tiengen zwischen Steina- und Schlüchtmündung

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Axel Mayer – Mitwelt Stiftung Oberrhein

Die Wutach, der kleine, schöne Fluss im Schwarzwald war einmal eines der besten Forellengewässer Europas und berühmt für seine Wasserqualität. Der exklusive Londoner „Bad Boll Fishing Club“ hatte auf einer Länge von 80 Kilometern die Angelrechte an der Wutach gepachtet und Bad Boll war damals ein kleines Schwarzwald-Bad am Rande der Wutach-Schlucht. Doch die ungeklärten Abwässer der Papierfabrik in Neustadt führten ab 1905 zu einem raschen Rückgang des Fischbestandes.

Vor 50 Jahren, im Jahr 1972 geschah in der kleinen, konservativen Schwarzwaldstadt Donaueschingen „Ungeheuerliches“. Die Umweltschützer und Paddler Roland Görger und Konrad Jäger, beide aktiv in der Freiburger Aktion Umweltschutz, dem späteren BUND, demonstrierten bei den Donaueschinger Musiktagen. Sie verteilten 1000 Infoblätter und verlangten die Abwasserklärung der fürstlichen Papierfabrik in Neustadt und die Beendigung der massiven Wasserverschmutzung der Wutach. Nach dem Krieg mussten die beiden Kajak-Fahrer die Plastifizierung der Ufer, die hemmungslose Gewässerverschmutzung und die immer schnellere Zerstörung der Bäche und Flüsse erleben und erleiden. Beide standen für eine neue, politischere Generation im Natur- und Umweltschutz, die sich auch mit Autoritäten anlegte. Der Zustand der Umwelt in Deutschland war 1972 teilweise entsetzlich und viele Bäche und Flüsse stinkende Kloaken. Es war eine Zeit, in der in Deutschland Kinder durch Luftverschmutzung krank wurden, Asbest-Gefahren wurden verharmlost und der Schweizer Atommüll noch im Meer versenkt. Es war die Zeit einer erwachenden Umweltbewegung, in der aus „Nur-Naturschutzverbänden“ politisch engagierte „Umwelt- und Naturschutzorganisationen wurden. Ein »Fenster der Möglichkeiten« öffnete sich am Oberrhein und wenige Jahre später kam es zu den großen, spektakulären Protestaktionen und Bauplatzbesetzungen gegen ein Bleiwerk in Marckolsheim (F) und gegen die AKW Wyhl, Kaiseraugst (CH) und Gerstheim (F).

Heute wäre so eine Aktion keine besondere Nachricht, damals war sie sehr ungewöhnlich. Sponsor der Donaueschinger Musiktage war der Fürst zu Fürstenberg, der auch Besitzer der Papierfabrik Neustadt war. Protest gegen „den Fürst“ war damals in Donaueschingen noch ein Sakrileg. Nach langem Streit und wirtschaftlichen Verwerfungen wurde endlich eine Kläranlage eingebaut. Ein erster Erfolg für den Wasserschutz und den Schutz unserer Bäche und Flüsse, an dem eine damals noch junge Umweltbewegung ihren Anteil hat. Wenn heute in Bächen und Flüssen wieder gebadet werden kann, wenn die Lachse langsam zurückkehren, dann sollten wir daran erinnern, dass diese Erfolge nicht vom Himmel gefallen sind, sondern teilweise hart erkämpft werden mussten.

Die frühen Kämpfe waren schwierig und mühsam und dennoch einfach, denn die Vergiftungen und Belastungen waren zumeist sichtbar, messbar und erkennbar. Die erfreulichen heutigen Kämpfe gegen Klimawandel, Artenausrottung, Atommüllproduktion und die Folgen unbegrenzten Wachstums sind schwieriger. Dennoch können wir aus den frühen Erfolgen Hoffnung und Kraft schöpfen. Axel Mayer, Mitwelt Stiftung Oberrhein, (Alt-)BUND-Geschäftsführer (Auf Wunsch sende ich Ihnen auch gerne einen umfangreichen Lang-Text zu diesem Thema zu.) Nachtrag:

„Die Umweltbewegung wird für das gelobt, was sie in der Vergangenheit getan und erreicht hat und sie wird heftig dafür kritisiert, was sie aktuell fordert und durchsetzen will“

Urheberrecht
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Oben      —   Die Wutach bei Tiengen zwischen Steina- und Schlüchtmündung

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Flimmern + Rauschen

Erstellt von Redaktion am 25. November 2022

Die Journalisten-Dinos weinen

Kolumne von Steffen Grimberg

Der Berliner „Tagesspiegel“ stellt seine Medienseite ein. Dabei hatte der moderne Medienjournalismus dort seine Anfänge.

Die Süddeutsche hat es getan, die taz sowieso und jetzt folgt auch der Tagesspiegel. Ein neues Blattkonzept muss her. Nicht nur fürs Wochenende, der Tages­spiegel erfindet sich gleich doppelt neu. Ab Dezember ist er „2 in 1“, wie es in der Werbung heißt. Und diese verspricht: „Ab sofort lesen Sie zwei Zeitungen in einer: 40 Seiten aus der Welt. 40 Seiten aus der Weltstadt.“

Wobei mit „Weltstadt“ ganz unbescheiden wohl die Ansiedlung gemeint ist, für die seinerzeit die damalige Tagesspiegel-Schwester Zitty den schönen Slogan „Wir können alles, aber nichts richtig“ vorschlug. Nun soll Berlin also richtig zum Zuge kommen und auch die lang vernachlässigten Bezirke wieder eine gebührende Berichterstattung erfahren.

Klingt gut? Na ja, geht so. Denn der Tagesspiegel verspricht „mehr“ aus Politik, Wirtschaft, Kultur, Wissenschaft, ja ganz einfach „mehr aus dem Leben“. Aber die Medien lässt er weg. Genauer gesagt, seine ziemlich renommierte Medienseite. „Ja, da weinen nun alle Dinos unter sich. Wer sich nicht agil bewegen kann, fliegt beim Zeitungstanz frühzeitig raus“, meint die Mitbewohnerin.

Allerdings hat mit genau dieser Medienseite beim Tagesspiegel in der 1980er Jahren der moderne Medienjournalismus angefangen. Er wollte mehr sein als TV-Programmvorschau. Jetzt verspricht das Blatt augenzwinkernd „mehr Serien“. Und es heißt natürlich, die Medienthemen würden selbstverständlich weiterhin behandelt. Aber eben dort, wo sie hingehören, Medienpolitik in der Politik, Finanzlöcher beim RBB in der Wirtschaft oder im Lokalen usw.

Zusammenhänge gehen verloren

Kann das funktionieren? Im Prinzip ja, würde Radio Eriwan jetzt sagen. Bloß die hinlänglich bekannten Beispiele wie Zeit und Spiegel zeigen, dass der Umfang der Berichterstattung arg schrumpft. Wenn die verlässliche Abwurfstelle für Medienthemen wegfällt, haben die es weitaus schwerer, ins Blatt zu kommen. Keine Ahnung, ob es darüber wissenschaftliche Untersuchungen gibt. Aber nach dem Bauchgefühl verschwinden dann drei Viertel der Themen, vor allem die kleinen. Und die Zusammenhänge gehen verloren, die eine Medienseite beispielsweise zwischen TV-Programm, Wirtschaft und Politik herstellen kann. Oder zwischen mancher Springer-Berichterstattung und der Frage, wie Dr. Döpfner geschlafen hat.

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Erstellt von Redaktion am 18. November 2022

Wir brauchen ein Medienhaus wie die Villa Kunterbunt

Kolumne von Steffen Grimberg

Die letzten Wochen ist ja manchmal der Eindruck entstanden, die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten glichen einem Bewegungsraum in der Kita am Nachmittag. Alle sind ganz aufgeregt und brüllen durcheinander. Dass der MDR parallel „Schlaflieder mit dem MDR-Kinderchor“ anpreist, ließe sich jetzt prächtig verhohnepipeln.

„Wenn irgendwer aus der Medienblase das für ’n Sockenschuss hält, haben sie leider nichts begriffen“, sagt die Mitbewohnerin. Schließlich geht es um Lieder für Kinder von Kindern, begleitet vom MDR-Sinfonieorchester. Die 20 Titel gibt’s jetzt zum Streamen und Mitsingen in der ARD Audiothek und ARD Mediathek.

Noch mal, das ist öffentlich-rechtlicher Kernauftrag. Wenn sich die ganzen Groß­stra­te­g*in­nen aus der Politik mit ihren Forderungen, ARD und ZDF zu verschlanken, durchsetzen, wäre es dagegen um deren Chöre und Orchester traurig bestellt. Dabei läuft gerade da der direkte Kulturaustausch mit der Gesellschaft, den angeblich alle wollen. Hat schon mal jemand etwas von einem Kinderchor bei den Privaten gehört? Und auch die sattsam bekannten Exemplare wie die Thomaner oder Regensburgs Domspatzen und so weiter kommen nicht ohne satte Zuschüsse aus öffentlichen Kassen aus.

Kinder zahlen zwar keinen Rundfunkbeitrag, aber ihre Eltern. Und der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist gerade auch für sie da, selbst wenn Kinderprogramm heute hauptsächlich im KiKA stattfindet. Dafür sind die Nachrichten bei „logo“ ja im Allgemeinen verständlicher als bei der „Tagesschau“. Vielleicht gehört, um es mal mit Herbert Grönemeyer zu sagen, der öffentlich-rechtliche Rundfunk eh in Kinderhände. Da wäre er besser aufgehoben als bei so manchen Kindsköpfen, die da gerade in der Medienpolitik und den Anstalten rumeiern.

Datei:Astrid Lindgrens Värld, neue Villa Kunterbunt (2009-08-xx).JPG

Viel geiler wäre doch ein bisschen vom anarchisch-diversen Geist der frühen „Sesamstraße“ und von alten antiautoritären West-Legenden wie der „Rappelkiste“ oder „Krempoli“! Die „Rappelkiste“ kam vom ZDF, sendete 68ermäßig klar gegen den Muff der Bewahrpädagogik und war mit Ratz und Rübe schon schwer Gender-okay. „Krempoli“ (ARD) spielte bei Opa Krempel auf dem Sperrmüllsammelplatz und hieß im Untertitel „Ein Platz für wilde Kinder“. Einfach mal machen!

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»NSU 2.0«-Komplex

Erstellt von Redaktion am 16. November 2022

Zur Urteilsverkündung im »NSU 2.0«-Komplex

Quelle       :        Scharf  —  Links

Gemeinsame Erklärung von Seda BaSay-Yldiz, Idil Baydar, Anne Helm, Martina Renner, Janine Wissler und Hengameh Yaghoobifarah anlässlich der Urteilsverkündung im Prozess gegen den Angeklagten A. M. am 17. November 2022 vor dem Landgericht Frankfurt am Main.

Viereinhalb Jahre nach Beginn des NSU2.0-Komplexes: Ein wichtiges Urteil, aber weiter keine vollständige Aufklärung und sicher kein Freispruch für rechte Netzwerke in der hessischen Polizei

Wir erhoffen uns von dem Gericht ein wichtiges Urteil mit einer starken Signalwirkung – an den Angeklagten A. M. und alle Nachahmer*innen, die mit rechtsextremen, rassistischen und misogynen Drohschreiben ein Klima der Angst und Einschüchterung weit über den unmittelbaren Kreis der Betroffenen schüren wollten und wollen. (https://verband-brg.de/kurzgutachten-zur-ideologie-und-wirkung-der-nsu2-0-drohschreiben/)

Ebenso erhoffen wir uns von dem Gericht ein Signal, dass die Drohserie nicht vollständig aufgeklärt und die hessische Polizei durch die Verurteilung des M. auch nicht entlastet ist.  Deshalb hat die Nebenklage einen Freispruch für den Angeklagten M. in Bezug auf das erste Drohschreiben beantragt.

Nach der umfangreichen Beweisaufnahme ist weiterhin die Rolle von mindestens einem Polizeibeamten und einer Polizeibeamtin des 1. Frankfurter Polizeireviers ungeklärt. Am 2. August 2018 wurden durch eine fünf Minuten dauernde Abfrage mit 17 verschiedenen Abfragemodalitäten die privaten Daten von Seda Ba?ay-Y?ld?z und ihrer Familie in polizeilichen Datenbanken abgerufen. Bereits 90 Minuten später wurde das erste mit NSU 2.0 unterschriebene Drohfax an sie versandt.

Wir gehen nach der Beweisaufnahme davon aus, dass der Angeklagte M. die Daten von Seda Ba?ay-Y?ld?z nicht durch einen Anruf auf dem Revier erhalten haben kann und dass er nicht die technischen Mittel zum Versenden dieses ersten Drohfaxes hatte. Hingegen hat die Beweisaufnahme für den Datenabruf und das Verschicken des Drohfaxes einen plausiblen Alternativtäter ergeben: Den Beamten des 1. Polizeireviers Johannes S. [Link Antrag vdB]. Die als Zeugen geladenen Polizeibeamt*innen des 1. Polizeireviers haben in ihren Aussagen vor dem Landgericht nichts zur Aufklärung dieses Sachverhalts beigetragen und sich schützend vor den verdächtigen Beamten Johannes S. gestellt.

Wo gibt es den Staat, welcher die eigene Züchtung seiner Ordnungskräfte an den Pranger stellt ?

Für uns ist es ein Skandal, dass die Staatsanwaltschaft Frankfurt sich auf den vermeintlichen Einzeltäter, den Angeklagten M. festgelegt und versucht hat, die Frage zu der Rolle von hessischen Polizeibeamt*innen und einer verfestigten Gruppe rechter Polizeibeamt*innen im 1. Polizeirevier zu Beginn der Drohserie NSU 2.0 aus dem Verfahren herauszuhalten.

Mit dem Urteil – so viel steht schon jetzt fest – ist kein Freispruch für rechte Netzwerke in der Polizei verbunden.

Wir fordern die Ermittlungen in Hinblick auf die polizeilichen Datenabrufe weiter nachdrücklich zu betreiben, dies gilt insbesondere für die noch offenen Ermittlungsverfahren gegen in diesem Zusammenhang beschuldigte und namentlich bekannte Polizeibeamt*innen.

Frankfurt und Berlin, den 15. November 2022

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Oben      —       Landgericht Frankfurt am Main, Dienstgebäude C (Staatsanwaltschaft beim Landgericht). Links (Flachbau) Verhandlungssäle, rechts (Hochhaus und flacherer Gebäudeteil) Büros der Staatsanwaltschaft. Im Hintergrund links (mit grauem Dach) das Dienstgeäude B.

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Unten          —     Artikel 1 („Die Würde des Menschen ist unantastbar.“), Satz 1, des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland, im Gerichtsgebäude in Frankfurt am Main, Deutschland.

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Erstellt von Redaktion am 11. November 2022

Debatte um den ÖRR: Wer Reformation will, braucht Humor

Endlich einmal etwas aus Religionen gelernt !

Kolumne von Steffen Grimberg

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist bockig, sobald Kritik laut wird. Dabei lässt sich bei Luther lernen, wie man es macht: mit Witz.

Jan Böhmermann hat’s getan, Thomas Gottschalk tut es. Fehlt eigentlich nur noch, dass Maria Furtwängler im „Tatort“ auch noch damit anfängt. Der Zustand des öffentlich-rechtlichen Mediensystems lässt keineN kalt. Das ist schon mal die gute Nachricht.

Böhmermann verkündet im „ZDF Magazin Royale“, der ÖRR sei „scheiße“. Gottschalk sagt derweil dem medienpolitischen Fachblatt Hörzu, die „Kampfprogrammierung“ zwischen ARD und ZDF sei „nur ein weiterer Beweis dafür, dass wir keine zwei öffentlich-rechtlichen TV-Sender brauchen. Das ZDF versucht, die Konkurrenz mit Krimis zu vernichten, und die ARD rettet sich mit ‚Schlagershows‘ […]. Der Gebührenzahler ist dabei der Dumme!“

Wobei das natürlich auch nicht ganz so stimmt, schließlich gucken viele Leute das Zeug ja mit großer Begeisterung weg. Und wer Dokus wie „WM der Schande“ im WDR oder „Geheimsache Katar“ im Zweiten gesehen hat, kann dem Doppelwhopper aus ARD und ZDF vermutlich auch was abgewinnen. Doch intern, in der Wagenburg, ist die Stimmung gereizt. Hochrangige ÖRR-Menschen sahen sogar bei der „Tagesschau“ anstaltseigene „Wutbürger*innen“ am Werk. Nur weil es dort plötzlich mal kritisch in eigener Sache zuging.

Na – der DR stirbt zu allerletzt ?

Ja, der ÖRR ist reformbedürftig. Meinetwegen braucht’s sogar ’ne Revolution, ganz gediegen mit dem Heinzelmännchen aus Köln. Wenn das System die dahintersteckende Idee wirklich ernst nimmt, ist der ÖRR doch sowieso immer work in progress. Damit er das auch selber merkt, sollte vielleicht „VERÄNDERUNG IST NICHT SCHLIMM“ als Dauerkennung unten durchs Bild laufen.

Ein Ausweg für das Dilemma

Problemtisch ist die miese Stimmung, die als Generalbass die Debatte begleitet. Tom Buhrow hält ’ne brauchbare Rede. Prompt schmollen alle anderen Anstaltsgranden. Die ÖRR-Aufsichtsgremien finden sich zwar nicht von Buhrow, aber ebenfalls zu Unrecht unter Generalverdacht gestellt, weil sie von RBB bis NDR zu wenig mitbekamen.

Das Dilemma ließe sich lösen: Wenn die Gremien begreifen, dass zur Gesellschaft, die sie vertreten, auch die Menschen gehören, die im ÖRR arbeiten. Redet doch mal miteinander!

Quelle         :         TAZ-online       >>>>>         weiterlesen

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Erstellt von Redaktion am 4. November 2022

Und kurz vor Schluss zündete ARD-Chef Tom Buhrow die Bombe

Eine Kolumne von Steffen Grimberg.

Zukunft von ARD und ZDF ungewiss. Beim Hamburger Übersee-Club machte Buhrow ernst. Er forderte eine Reform der Öffentlich-Rechtlichen und stellte die Existenz der zwei Sender in Frage.

ie ARD hat die Revolution ausgerufen. Natürlich nicht von irgendeinem Anstaltsbalkon oder mitten in einer „Lügenpresse, auf die Fresse“-Demo, sondern viel gediegener in Schlips und Kragen. Tom Buhrow sprach vor dem Hamburger Übersee-Club.

Nun hätte da das Übliche kommen können. Doch Buhrow machte wirklich Ernst und damit klar, dass er alles andere als das Leichtgewicht mit dem netten „Tagesthemen“-Lächeln ist. Überhaupt war das Ganze glänzend inszeniert, passend zum Übersee-Club mit unmittelbarer Rundum-Berichterstattung durch die FAZ.

„Das ist keine Debatte mehr um Einzelthemen. Es ist eine Grundsatzdebatte“, sagte Buhrow. Eine Grundsatzdebatte, die auf übliche Weise nicht zu lösen ist. „Alle belauern sich. Medienpolitik und Senderchefs belauern sich. ARD und ZDF belauern sich […]. Es ist ein bisschen wie Mikado: Wer sich zuerst bewegt, verliert.“

Doch nach einem Verlierer sieht Buhrow nicht aus, seine Position gleicht eher der des Schriftstellers Ernst Toller, den es vor gut 100 Jahren eher unbeabsichtigt an die Spitze der Münchner Räterepublik gespült hatte. „Jeder sieht den großen weißen Elefanten im Raum. Aber wir müssen ihn benennen und mit ihm umgehen. Bisher schleichen wir alle mit Taschenrechnern und Vertragsentwürfen um diesen Elefanten herum und versuchen, ein paar Fortschritte zu erzielen, indem wir an kleinen Stellschrauben drehen.“

Wirklicher Sprengstoff

Der tolle Buhrow traute sich sogar, die Gretchenfrage zu stellen: „Will Deutschland weiter parallel zwei bundesweite, lineare Fernsehsender? Wenn nicht: Was heißt das? Soll einer ganz verschwinden und der andere bleiben? Oder sollen sie fusionieren […]? Und was ist mit den regionalen Programmen? Sollen sie als Vollprogramme bleiben? Oder in dem einen verbleibenden bundesweiten Programm aufgehen?“

ARD, ZDF und die Dritten in einem Atemzug zur Disposition zu stellen, ist nun wirklich mal Sprengstoff. Den „gedanklichen Neuanfang“ soll jetzt ein neues, unabhängiges Forum schaffen, „ohne die typischen Selbstverteidigungsreflexe. Ohne Denkverbote.“

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DIE LINKE. – NRW:

Erstellt von Redaktion am 3. November 2022

Identitätspolitische Orchideen?

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Von        :        Von Edith Bartelmus-Scholich

DIE LINKE. NRW traf sich am Wochenende 29./30. Oktober zu ihrem Landesparteitag in Kamen. Die Debatte war von echten und künstlichen Gegensätzen geprägt. Manche Rede klang wie ein Bruch mit der Partei. Mit Mühe konnte ein neuer Landesvorstand ins Amt gebracht werden.

Armut, Krieg und Klima – kaum Dissens

Eigentlich ist der NRW-Landesverband der Linkspartei in vielen Fragen einig. Das jedenfalls legt die fast einstimmige Verabschiedung des vom scheidenden Landesvorstand eingebrachten Leitantrags nahe. Der Fokus der politischen Arbeit soll auf dem Kampf gegen ausufernde Armut, Arbeitplatzabbau und Deindustrialisierung liegen. Die exorbitant steigenden Energie- und Lebensmittelpreise stellen für immer mehr Menschen ein Armutsrisiko dar. Dabei ist Armut in weiten Teilen von NRW ohnehin schon lange ein Problem. In einzelnen Städten des Ruhrgebiets sind bis zu 29 Prozent der Haushalte armutsbetroffen. DIE LINKE. NRW fürchtet, dass solche Armutsraten zukünftig in vielen Großstädten erreicht werden und möchte mit den Menschen im Land gegen Armut, sozialen Abstieg und Not kämpfen.

Ebenso einig ist man, dass der Klimawandel auch eine Klassenfrage ist. Leiden doch die Armen in den preiswerteren Wohnvierteln der großen Städte am meisten unter heißen Sommern – und wer nicht viel Geld hat, kann seine Wohnung nicht mit Energiefressern wie Klimaanlagen ausstatten. DIE LINKE.NRW ist daher für eine konsequente Klimapolitik. Die restliche Braunkohle im Rheinischen Revier soll nur so weit genutzt werden, dass das 1,5°-Ziel der Erderwärmung noch erreicht werden kann. Lützerath abzubaggern ist für DIE LINKE. NRW ein No Go.

In der innerparteilich umkämpften Friedenspolitik trennt die NRW – LINKEN ebenso wenig. Der gesamte scheidende Landesvorstand und fast die gesamte NRW-Delegation unterstützten auf dem Bundesparteitag in Erfurt den Ersetzungsantrag zum Leitantrag 3, dem knapp 47 Prozent der Delegierten zustimmten. DIE LINKE. NRW setzt über die Strömungsgrenzen hinweg auf den Erhalt des friedenspolitischen Profils der Partei

Und trotzdem tief gespalten

Dennoch ziehen sich tiefe Spaltungslinien durch die Partei. DIE LINKE. NRW war früher eine Hochburg der AnhängerInnen von Sahra Wagenknecht. Seit 2009 war sie über die Landesliste NRW in den Bundestag eingezogen. Über Jahre war ihr Mitarbeiter, der heutige MdB Christian Leye, Landessprecher. Erst ab 2018 mit der Gründung von AUFSTEHEN bröckelte die Unterstützung von Wagenknecht in der LINKEN. NRW. Das Projekt AUFSTEHEN zerriss die Landespartei und die Traditionsströmungen Antikapitalistische Linke (AKL) und Sozialistische Linke (SL) jeweils in zwei Teile, von denen der eine sich immer unkritischer Wagenknecht anschloss und der andere sich immer schärfer distanzierte. Auch nach dem Scheitern von AUFSTEHEN konnte der Riss nicht gekittet werden. Nie wurde eine Debatte dazu geführt, was AUFSTEHEN mit der LINKEN gemacht hatte und welche Lehren daraus zu ziehen sind.

Durch den Wandel der politischen Positionen von Wagenknecht – bekanntlich teilt sie zwischenzeitlich kaum noch eine Position der Partei – schwand allerdings die Zustimmung zu ihr allmählich. Im April 2021 wurde sie nur noch mit 61% auf Platz 1 der Landesliste zur Bundestagswahl gewählt. Zeitgleich erschien ihr Buch „Die Selbstgerechten“ (1) in dem sie ein dezidiertes linkskonservatives Programm in den Gegensatz zur Programmatik ihrer Partei setzte. Die zentralen Werte Nation, Leitkultur und Leistungsgesellschaft sowie die Bejahung einer Sozialen Marktwirtschaft und das Konzept einer Klassenzusammenarbeit zwischen leistenden ArbeitnehmerInnen und leistenden UnternehmerInnen stießen auf reichliche Kritik in der Partei. Noch viel mehr Zustimmung verlor Wagenknecht, als sie direkt nach ihrer Wahl auf Platz 1 der Landesliste eine monatelange Medientour für ihr Buch unternahm. Ungefähr jeden zweiten Tag kritisierte sie dabei DIE LINKE heftig und öffentlich. Ihr erster Vorwurf: DIE LINKE hat sich von der Sozialen Frage verabschiedet und betreibt Identitätspolitik für immer kleinere Minderheiten.

Identitätspolitik: Ein Pappkamerad

Seit Jahren haben sich DIE LINKE und Wagenknecht entfremdet und über die Jahre ist ihr Anhang in der Partei geschrumpft. Beim Erfurter Parteitag 2022 betrug der Anteil des auf sie orientierenden Parteiflügels nur noch 15%. Dieser kleine Flügel ist nicht mehr in der Lage Richtungsentscheidungen in der Partei wirksam zu beeinflussen. Hinzu kommt, dass Wagenknechts AnhängerInnen DIE LINKE populistisch und sozialkonservativ ausrichten wollen.

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Bereits vor und auf dem Erfurter Parteitag wurde unter AnhängerInnen von Wagenknecht die Idee diskutiert, DIE LINKE zu verlassen und ein eigenes Parteiprojekt zu gründen. Treiber dieses Projektes ist nicht Wagenknecht selbst, sondern ihr mehr als unzufriedener Anhang. Die große Mehrzahl ihrer AnhängerInnen würde lieber heute als morgen mit einer neuen Partei starten wollen.

Das Spaltungsszenario belastete auch den Parteitag von DIE LINKE. NRW schon seit Wochen. Auf dem Parteitag trat der Wagenknecht-Flügel rhetorisch hervor, verweigerte aber jede Kooperation. Der scheidende Landesgeschäftsführer, Lukas Schön, hielt eine Rede, in der er eigentlich einen Bruch mit der Partei DIE LINKE begründete. Im Zentrum seiner Rede: Die vermeintliche Identitätspolitik.

Wie Wagenknecht in unzähligen Auftritten sucht auch Lukas Schön die Ursache für den mangelnden Erfolg der Partei DIE LINKE in der Abwendung von der Arbeiterklasse und der Hinwendung zu immer kleiner werdenden gesellschaftlichen Minderheiten, die ihre Partialinteressen in DIE LINKE tragen. Das Verständnis der Sozialen Frage erscheint bei Schön denkwürdig rustikal und beschränkt, denn als Beispiel für die Fokussierung auf Identitätspolitik muss ausgerechnet die gerade startende Kampagne gegen Hunger und für gesunde, ausgewogene Ernährung herhalten. Sharepics mit grünem Gemüse präsentiert er dabei als Beispiel „identitätspolitischer Orchideen“. Und damit baut er einen Pappkameraden auf.

Unverstandene verbindende Klassenpolitik

Ein ganzer Parteiflügel kann oder will nicht verstehen, dass DIE LINKE nicht Identitätspolitik, sondern verbindende Klassenpolitik betreibt. Dabei ist es eigentlich ganz einfach:

Die Arbeiterklasse ist heute anders zusammengesetzt als noch vor einigen Jahrzehnten. Sie ist weiblicher, migrantischer und gebildeter. Und außerdem schwindet die sozialversicherte Vollzeitbeschäftigung. Ein großer Teil der Lohnabhängigen arbeitet in Teilzeit, in Minijobs, auf Basis von Leiharbeit, hat Werkverträge oder ist scheinselbständig. Prekarisierung wohin man blickt. Dabei gibt es unterschiedliche Grade von Ausbeutung: Frauen verdienen durchschnittlich weniger als Männer, MigrantInnen weniger als Alteingesessene usw.

Gleichzeitig unterliegen Teile der Klasse nicht nur verschärfter Ausbeutung sondern erfahren noch andere Nachteile. MigrantInnen verdienen nicht nur weniger, sie bewohnen auch meist teurere, aber dennoch kleinere Wohnungen, sie genießen weniger gesellschaftliches Ansehen, erfahren öfter Zurückweisungen, werden öfter von der Polizei kontrolliert. Bei all dem stellen sie z.B. in NRW ca. 40 Prozent der Bevölkerung – und sie gehören zum Kern der Arbeiterklasse.

Die meisten jungen AkademikerInnen sind heute Lohnabhängige und oft prekarisiert. Die jungen Menschen in urbanen Milieus sind überwiegend gering verdienend, hangeln sich von Praktikum zu Praktikum, schlagen sich mit Kettenbefristungen durch, können sich oft das Zimmer in der WG kaum leisten.

Eine linke Partei, die diese Lohnabhängigen nicht als Menschen mit all ihren alltäglichen Problemlagen begreift und, die nur ihre materielle Lage im Blick hat und nicht auch ihre Entrechtung und Unterdrückung, ist schlicht aus der Zeit gefallen. Es ist wichtig, dass DIE LINKE einen solchen Kardinalfehler nicht macht.

Gralshüter des Alltagssexismus

Es gab wohl noch nie einen Parteitag ohne mindestens einen dummen, sexistischen Spruch, aber seit dem 15. April 2022, als #linkemetoo Schlagzeilen machte, hat eine Minderheit in der Partei den Kampf nicht gegen sondern für Alltagssexismus als Kampffeld entdeckt. Gleichzeitig ist eine andere Minderheit nun für Sexismus stärker sensibilisiert und möchte den sexistischen Normalzustand in der Partei überwinden. Die Spaltungslinien, die sich hier auftun, wurden auf dem Parteitag deutlich tiefer.

Zur Kandidatur für den Landesvorstand fanden sich kaum Genossinnen bereit. Zwei der Genossinnen, die die mit einem feministischen Profi für einen Sitz im Landesvorstand antraten, wurde auf dem Parteitag deutlich signalisiert, dass die Mehrheit der Delegierten keine Feministin als Repräsentantin der Partei wünscht. Es ist ein Glück für die Partei, dass sich danach nicht alle Kandidatinnen zurückzogen.

Zwei feministische Anträge, die letztendlich vertagt wurden, sorgten schon vor dem Parteitag für enormen Widerstand. Die Selbstverpflichtung von Funktions- und Mandatsträger-Innen zum Besuch eines sensibilisierenden Seminars gegen Sexismus in der Partei wird zum Bruch mit den bürgerlichen Freiheitsrechten hochgejazzt. Offenbar halten Teile der Partei sexistisches Verhalten für ihr gutes Recht, sozusagen als Recht auf individuelle Selbstentfaltung.

Auch diese Auseinandersetzung prägte den Parteitag und vergiftete seit Monaten die Debatten. #linkemetoo ist auch an der LINKEN. NRW nicht vorbei gegangen. Der medienwirksam inszenierte Rückzug von 13 Landevorstandsmitgliedern, der Mehrheit des scheidenden Landesvorstands, hat seine Ursache auch darin, dass sie sich ihrer politischen Verantwortung für einen #linkemetoo-Fall im Landesvorstand nicht stellen wollten. Was sie im Interesse der Partei und zum Schutz der Betroffenen hätten tun müssen, empfanden sie als Zumutung und blieben dem übergriffigen Genossen in Solidarität verbunden. Die Mühen und den Schaden hinterlassen sie dem neuen Landesvorstand.

Nicht zufällig sind die oft älteren „Traditionslinken“ um Wagenknecht, die ja selbst für den Feminismus auch nur Häme über hat, VorkämpferInnen in diesem innerparteilichen Kulturkampf. Viele junge Mitglieder hingegen sind bereits in linken Zusammenhängen sozialisiert worden, die für Sexismus sensibler sind. Sie können sich durch diese Auseinandersetzung immer weniger mit der Partei identifizieren. Das ist ein ernstes Zeichen. Die Parteikultur muss sich rasch wandeln und zwar nach den Vorstellungen jüngerer GenossInnen, denn die Jugend stellt die Zukunft der Partei dar.

Edith Bartelmus-Scholich, 2.11.22

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Linker-Pluralismus-gekündigt

Erstellt von Redaktion am 30. Oktober 2022

Linken-Parteitag in NRW

Von   :    Andreas Wyputta

Im NRW-Landesverband der Linken stehen sich Wagenknecht-Fans und ihre Geg­ne­r:in­nen unversöhnlich gegenüber. Die Wahl neuer Vorsitzender gelingt nur knapp.

Die Linkspartei ringt auch in Nordrhein-Westfalen um ihre Zukunft. Beim noch bis Sonntagabend laufenden Parteitag in Kamen im östlichen Ruhrgebiet präsentiert sich der größte Landesverband der Linken wieder einmal zerstritten: Zwar gelang am Samstagabend die Wahl von zwei neuen Lan­des­spre­che­r:in­nen – doch ob sich neben dem dem hauptamtlichen Fraktionssprecher der Linken im Stadtrat von Oberhausen, Sascha H. Wagner, überhaupt eine Frau zur Wahl stellen würde, war bis zum späten Nachmittag unsicher.

Um die Blamage zu vermeiden, erbarmte sich am Ende die Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler. Doch auch ohne Gegenkandidatin stimmten nur 68 Prozent der Delegierten für die 59-Jährige aus dem Kreis Steinfurt im nördlichen Münsterland. Für Wagner, der lediglich gegen den bei vielen als Enfant Terrible der Partei geltenden Mehmet Sencan antreten musste, entschieden sich nur 54 Prozent.

Die Wahl einer stellvertretenden Landesparteichefin scheiterte am Samstagabend dann gegen 20:00 Uhr. Weder die aus Dortmund stammende Aie Al Khaiat-Gornig noch Sefika Minte, Sprecherin des Kreisverbands Oberhausen, erhielten mehr als die nötige Hälfte der Delegierten-Stimmen – Al Khaiat-Gornig kam auf 48,7, Minte auf 42,8 Prozent. Wie es weitergeht, soll am Sonntag nach einem überraschend einberufenen „Frauenplenum“ beschlossen werden.

Deutlich wurde in den Abstimmungen einmal mehr die tiefe Spaltung der Linkspartei in Tra­di­tio­na­lis­t:in­nen und Erneuer:innen, in selbsternannte „Linkskonservative“ und „Progressive“ – und in An­hän­ge­r:in­nen und Geg­ne­r:in­nen der einstigen Galionsfigur der Linken, Sahra Wagenknecht.

„Selbstzerstörerische Streitkultur“

Wie tief der Riss zwischen den Ge­nos­s:in­nen mittlerweile auch in NRW ist, hatte zuvor eine Erklärung von 13 der 22 Mitglieder des bisherigen Landesvorstands, darunter alle vier bisherigen Vize-Landessprecher:innen und der Landesgeschäftsführer, deutlich gemacht. Sie gehören mehrheitlich der Parteiströmung der Sozialistischen Linken (SL) an und erklärten rigoros, nicht wieder kandieren zu wollen.

Eine „selbstzerstörerische Streitkultur“ herrsche in der Linkspartei, so die Begründung. „Mediale Denunziation und öffentliche Vorverurteilung“ seien „Instrument der innerparteilichen Auseinandersetzung“, heißt es in dem Papier, das nur etwa eine halbe Stunde nach Veröffentlichung in parteiinternen Verteilern prompt die Nachrichtenagentur dpa erreichte. Davor hatte bereits der bisherige Landessprecher Jules El-Khatib nach nicht einmal einjähriger Amtszeit erklärt, nicht erneut zur Verfügung zu stehen. Die Co-Landessprecherin Nina Eumann folgte.

Wie ihre parteiinternen Geg­ne­r-in­nen von der Antikapitalistischen Linken (AKL) auf dem Parteitag warnen die 13, die im Landesvorstand eine Mehrheit besaßen, aber in dem Papier ihre eigene mangelnde Durchsetzungsfähigkeit beklagen, vor einer Teilung der Partei in Wagenknecht-Fans und -Gegner:innen. Der „Pluralismus“ in der Partei sei „aufgekündigt worden“, lautet die Chiffre dafür.

Aktueller Auslöser dafür war die Bundestagsrede Wagenknechts vom 8. September, in der sie der Bundesregierung mit Blick auf Putins Angriffskrieg in der Ukraine vorgeworfen hatte, „einen beispiellosen Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten vom Zaun“ gebrochen zu haben. Entgegen geltenden Parteibeschlüssen forderte die Bundestagsabgeordnete ein Ende der „fatalen Wirtschaftssanktionen“ gegen Russland – und erntete massiven Protest: Landtags- und Bundestagsabgeordnete der Linken machten sich für einen Ausschluss Wagenknechts aus der Bundestagsfraktion stark.

Appelle nach Inhalten hatten nur wenig Erfolg

In Folge mobilisieren „Progressive“ für ein Vernetzungstreffen am 3. Dezember in Berlin. Ziel sei, die „Koexistenz mit dem Linkskonservatismus in der Partei zu beenden“, heißt es in ihrem Aufruf – also Wagenknecht und ihre An­hän­ge­r:in­nen rauszuwerfen. Wagenknecht selbst konterte bei Bild TV, sie wünsche sich, „dass in Deutschland eine Partei entsteht, die die Politik der Regierung verändern kann.“ Allerdings sei eine solche Neugründung „nicht so einfach“.

Beim NRW-Landesparteitag in Kamen hatten Appelle des Bundesvorsitzenden der Linken, Martin Schirdewan, „Selbstbeschäftigung“ und „Besserwisserei“ zu beenden und sich auf politische Inhalte wie die Soziale Frage oder Klimaschutz zu konzentrieren, deshalb nur begrenzten Erfolg. Bei den Kandidaturen setzt die Parteiströmung der Sozialistischen Linken weiter auf eine Verweigerungshaltung.

Quelle       :       TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben     — Kathrin Vogler. Foto: Niels Holger Schmidt

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Eine Katastrophe mit Ansage

Erstellt von Redaktion am 26. Oktober 2022

Teslas Gigafactory
im brandenburgischen Grünheide bedroht Mensch und Natur 

File:Protest gegen Tesla-Fabrik Erkner 2020-02-22 25.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH

Von        :      Elisabeth Voss / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 471, August 2022, www.graswurzel.net

Abgeholzte Wälder, verschmutztes Trinkwasser und enormer Wasserverbrauch: Die neue Tesla-Gigafactory in Grünheide ist ein Klimakiller sondergleichen.

Trotzdem betreibt der Autobau-Konzern erfolgreiches Greenwashing, und die unübersehbaren Umweltprobleme für die Region werden von Politik und Behörden ebenso ignoriert wie der Überwachungswahn von Tesla.Ausgerechnet am Weltwassertag, am 22. März 2022, hat Elon Musk seine erste Tesla-Fabrik in Europa im brandenburgischen Grünheide eröffnet. Es sei „ein besonderer Tag für die Mobilitätswende in Deutschland“, behauptete Wirtschaftsminister Robert Habeck, der gemeinsam mit Kanzler Olaf Scholz und dem Brandenburger Ministerpräsidenten Dietmar Woidke der Gigafactory den Anschein von Klimafreundlichkeit verlieh.Gleichzeitig demonstrierten Anwohner*innen von der BI Grünheide gemeinsam mit angereisten Aktivist*innen gegen das Megaprojekt, das die Wasserversorgung der Umgebung bis nach Berlin gefährdet. Bei einer Sitzblockade in der Einfahrt des Tesla-Geländes hatten sich einige mit den Händen an den Boden geklebt, andere seilten sich bei Erkner von einer Brücke über der A10 ab, sodass die Autobahn für mehrere Stunden gesperrt werden musste. In „sozialen“ Medien riefen sie dazu auf, das Greenwashing der #GigaFUCKtory zu #demuskieren.

Wasserraub und rechtswidrige Genehmigungen

Beim Besuch der Baustelle seiner Fabrik im August letzten Jahres lachte Elon Musk über die Fragen einer Reporterin nach den Sorgen um die Wasserversorgung der Region und bezeichnete sie als lächerlich. CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet lachte mit. Im Beteiligungsverfahren im Sommer 2021 wurden alle Bedenken von Organisationen und betroffenen Einzelpersonen ab- und weggewogen, und im März 2022 bekam Tesla die umweltrechtliche Genehmigung für seine Fabrik.
Schon vorher waren Fakten geschaffen worden, fast 100 Hektar Wald abgeholzt, Pfähle ins Grundwasser getrieben und Bauten errichtet worden – alles mit vorläufigen Genehmigungen und der vertraglichen Verpflichtung durch Tesla, gegebenenfalls alles wieder zurückzubauen. Aber hätte wirklich irgendwer in den Behörden den Mut gehabt, sich dem Megaprojekt entgegenzustellen?

Seinen ursprünglich ermittelten Wasserbedarf hatte Tesla 2020 deutlich heruntergerechnet; er entspricht trotzdem noch dem Bedarf einer Kleinstadt. Nach einer Klage der Umweltverbände Grüne Liga und NABU stellte sich heraus, dass es in der Behörde, die eine Erhöhung der Grundwasserentnahme durch das Wasserwerk in Eggersdorf genehmigt hatte, das auch Tesla beliefert, zu einer Verwechslung der Wasserwerke gekommen war und die Genehmigung irrtümlich erteilt wurde. Nur auf Grundlage dieser Erhöhung hatte der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner mit Tesla einen Liefervertrag über 1,4 Millionen Kubikmeter Trinkwasser pro Jahr abgeschlossen. Das Gericht erklärte die Genehmigung für rechtswidrig, weil die gesetzlich vorgeschriebene „Beteiligung der Stellungnahme befugten Vereinigungen und Behörden“ nicht stattgefunden hatte.

Grünheide liegt im Landkreis Oder-Spree, südöstlich von Berlin, der zu den trockensten Regionen Deutschlands gehört. Mittlerweile hat der zuständige Wasserverband beschlossen, die Trinkwassermenge für private Kund*innen auf 105 Liter pro Tag und Person zu deckeln – zunächst für neu Zuziehende, ab 2025 jedoch auch für Bestandskund*innen. Wie dies konkret umgesetzt werden soll, scheint jedoch noch unklar zu sein.

Umweltgifte im Wasserschutzgebiet

Ebenso bedrohlich wie Teslas Wasserverbrauch ist die Wasserverschmutzung, insbesondere weil die Fabrik in einem Wasserschutzgebiet errichtet wurde, obwohl bei der Produktion chemische Umweltgifte und Gefahrstoffe in grossen Mengen verwendet werden. Teslas Abwasser wird in der Kläranlage Münchehofe gereinigt und von dort in die Müggelspree eingeleitet, aus der das Wasserwerk Friedrichshagen auch Berlin mit Trinkwasser versorgt. Durch grossflächige Versiegelungen und die bis ins Grundwasser getriebenen Betonpfeiler kann es darüber hinaus zur Versalzung des Grundwassers kommen. Schon kurz nach dem Produktionsstart gab es im April 2022 einen Zwischenfall, bei dem in der Lackiererei 15.000 Liter Chemikalien ausliefen. Die Behörden wiegelten ab, und der Wasserverband warf ihnen in einem von „Frag den Staat“ veröffentlichten Schreiben vor: „Ihre Schilderungen erwecken hier den Anschein, dass Sie nicht beabsichtigen, solche Störfälle konsequent nachzuverfolgen.“ Im weiteren Briefwechsel kam der Verband zu dem Schluss, die Behörden würden „den Angaben von Tesla blind vertrauen und die Verantwortung für unsere Trinkwasserzone gänzlich ignorieren.“ Noch läuft die Produktion langsam an, aber vorgesehen ist der Bau von 500.000 Autos pro Jahr. Wenn die geplante Batterieproduktion beginnt, dann wird das Risiko der Trinkwasserverunreinigung noch weiter zunehmen.

Das Märchen von der Elektromobilität

Mittlerweile dürfte allgemein bekannt sein, dass Elektroautos nur im Betrieb emissionsarm sind, dass ihre Herstellung – nicht nur der Fahrzeuge, sondern auch der Batterien, das wird gerne „vergessen“ – grosse Mengen Naturschätze und Energie verbraucht, ebenso wie der Betrieb. Selbst wenn der Energiebedarf grossteils aus regenerativen Quellen gedeckt würde, sind auch diese nicht ohne den Einsatz von Rohstoffen zu haben. „Elektroautos als nachhaltige Mobilität ist das neueste Märchen der Automobilindustrie“, hiess es bei den Protesten gegen die Automobilmesse IAA im September 2021 (GWR 463, November 2021).

Tesla baut schwere SUVs und ein Modell, das mit einer Höchstgeschwindigkeit von bis zu 322 km/h beworben wird – Produkte aus patriarchalem Dominanzgehabe und Geschwindigkeitsrausch, die die Welt nicht braucht. Der fossile Irrweg Individualverkehr wird mit der individuellen E-Mobilität noch gesteigert. Es handelt sich um eine typische Klimascheinlösung, die absehbar die auf uns zukommende Katastrophe noch vorantreiben wird. Eine echte Verkehrswende hätte stattdessen den Schwerpunkt auf einem flächendeckenden und bezahlbaren, besser noch kostenlosen öffentlichen Nahverkehr, für den Elektroantriebe durchaus eine Lösung sein könnten.

Kein Auto, sondern eine Datenkrake

Die NGO Digitalcourage hatte bereits 2020 – also vor dem Produktionsstart in Deutschland – den Schmähpreis „Big Brother Award“ in der Kategorie „Mobilität“ an Tesla verliehen. Sie würdigt damit die Produkte des Autobauers als „Überwachungsanlagen auf vier Rädern“. In seiner Laudatio wies Thilo Weichert, Jurist und ehemaliger Datenschutzbeauftragter von Schleswig-Holstein, darauf hin, dass sich Tesla mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen praktisch unbegrenzte Nutzungsrechte an den Daten einräumen lässt und dass sich, wer ein solches Auto nutzt, mit der „Übermittlung von Informationen von Ihnen, über Sie oder über Ihre Nutzung“ einverstanden erkläre, auch „in Länder ausserhalb Ihres Wohnsitzlandes, einschliesslich der USA“. Wer widerspricht, riskiere eine „eingeschränkte Funktionalität, ernsthafte Schäden oder Funktionsunfähigkeit“.

Gesammelt wird alles, technische Daten, Kameraaufnahmen von den Insass*innen und – besonders brisant – auch die Video- und Ultraschallüberwachung, sogar beim Parken: „Acht Kameras gewähren eine 360-Grad-Rundumüberwachung der Fahrzeugumgebung in bis zu 250 Meter Entfernung.“ Weicherts Schlussfolgerung: Schon der Normalbetrieb von Teslas verstosse gegen die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Insbesondere die Erfassung des öffentlichen Raums sei „ein absolutes No-Go nach europäischem Datenschutzrecht“, und: „Wenn Menschen gefilmt und aufgezeichnet werden, die nur an einem Auto vorbei gehen, ohne dass sie sich konkret verdächtig machen, ist dies klassische illegale Vorratsdatenspeicherung.“ Daher seien Tesla-Autos „schlicht und einfach unzulässig“ und ein Fall für die Datenschutzbehörden.

Schon kurz nach dem Produktionsstart gab es im April 2022 einen Zwischenfall, bei dem in der Lackiererei 15.000 Liter Chemikalien ausliefen. Die Behörden wiegelten ab

Aktuell klagt der Verbraucherschutzverband (vzbz), der grundsätzlich die E-Mobilität befürwortet, vor dem Berliner Landgericht gegen Tesla. Zum einen wegen irreführender Aussagen zu CO2-Einsparungen, denn diese würden von Fahrzeugen anderer Hersteller zusätzlich ausgestossen, welche von Tesla „Emission Credits“ erwerben – allein im Jahr 2020 im Umfang von 1,6 Milliarden Dollar. Zum anderen wegen der Überwachung der Umgebung, denn wenn Kund*innen den Wächter-Modus ihres parkenden Autos einschalten, riskierten sie ein Bussgeld.

Privatisierung von Land und Weltall

Elon Musk möchte sein Firmengelände von bisher 300 Hektar um mehr als 150 Hektar erweitern – für einen Güterbahnhof und weitere Bauten. Dabei würde ein Wald gerodet, in dem bereits begonnen wurde, von der verbreiteten Kiefernmonokultur auf Mischwald umzustellen, der den Klimaveränderungen eher gewachsen ist. Auch geschützte Tierarten von der Tesla-Baustelle wurden dorthin umgesiedelt. Der Wasserbedarf würde weiter steigen. Für die Erweiterung müsste ein Bebauungsplanverfahren eingeleitet werden. Die BI Grünheide startete Mitte Juli eine Petition gegen die Erweiterung.

Mit seinen Tesla-Fabriken in den USA und China, und nun auch in Deutschland, ist Elon Musk ein gefährlicher Land- und Watergrabber (1), aber damit nicht genug: Er greift auch nach dem All. Sein Raumfahrtunternehmen SpaceX betreibt das weltweit grösste Satellitennetzwerk Starlink mit bisher 4.500 von 12.000 genehmigten Satelliten im Weltraum. Damit kann das im Aufbau befindliche 5G-Netz, das für „smarte“ Vernetzung und vor allem für das autonome Fahren wichtig ist, auch dort eine Netzabdeckung gewährleisten, wo es keine Mobilfunkmasten gibt. So wie die gesamte elektronische Kommunikation hat insbesondere das 5G-Netz aus dem All eine grosse militärische Bedeutung.

Die Satelliten sind schon heute als Lichterketten am Nachthimmel zu erkennen – eine Lichtverschmutzung des Weltalls und eine wachsende Ansammlung von Weltraumschrott. Für SpaceX ist das nur ein Anfang: Das Unternehmen hat bei der zuständigen UN-Behörde beantragt, 30.000 weitere Satelliten ins All zu schicken.

„There will be blood“

Musk gehört zu den Superreichen, die anscheinend glauben, ihnen würde die ganze Welt gehören, und sie hätten alles Recht, sich zu nehmen, was immer sie wollen. Im Mai 2022 suchte er über Twitter nach harten Streetfighter-Anwält*innen für eine Prozessabteilung bei Tesla, mit dem Hinweis „Es wird Blut fliessen“ („There will be blood“). Vielleicht will er ja damit auch Klagen wegen sexueller Übergriffe und rassistischer Beleidigungen abschmettern, über die schon mehrfach in den Medien berichtet wurde.

Er scheint sich über den Gesetzen stehend zu wähnen. Beim Bau seiner Fabrik in Grünheide wurden beispielsweise Baufahrzeuge ohne die vorgeschriebenen Schutzvorrichtungen betankt, Abwasserrohre illegal verlegt und Tanks ohne Genehmigung errichtet. Zoll und Arbeitsschutz ermittelten, weil polnische Bauarbeiter weit weniger als den Mindestlohn bekamen und unwürdig untergebracht waren. Strafen kann Musk aufgrund seines unfassbaren Reichtums bezahlen, ohne dass es ihm etwas ausmacht. In den USA ist Tesla als gewerkschaftsfeindlich bekannt und gilt als eines der gefährlichsten Unternehmen, was Arbeitsunfälle betrifft.

Wie wirtschaftliche und politische Macht zusammengehen, zeigte sich beispielsweise in Bolivien. Dort wurde im November 2019 der erste indigene Präsident, Evo Morales, kurz nachdem er zum dritten Mal gewählt worden war, von Militär und radikalen Rechten zum Rückzug gezwungen und ging nach Mexiko ins Exil. Er hatte die enormen Lithium-Vorkommen des Landes – ein begehrter Stoff für die Herstellung von Batterien für Elektroautos – verstaatlicht, um die Gewinne nicht den Konzernen zu überlassen, sondern sie für die Entwicklung seines Landes einzusetzen. Ein halbes Jahr später reagiert Elon Musk auf den Vorwurf, dass die US-amerikanische Regierung hinter dem Putsch stecke, mit dem entlarvenden Tweet: „Wir putschen gegen wen wir wollen.“ Schöne Aussichten für Brandenburg.

(1) Land Grabbing (Landraub) und Water Grabbing (Wasserraub) bezeichnen die massenhafte Aneignung von landwirtschaftlich nutzbaren oder ökologisch bedeutsamen Landflächen und Wasserressourcen – meist durch Konzerne – auf Kosten der regionalen Bevölkerung und Natur.

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Beschreibung:__________
English: Demonstration gegen die Tesla Gigafactory Grünheide am 22. Februar 2020 in Erkner.
Datum
Quelle Eigene Arbeit
Verfasser Leonhard Lenz

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2.) von Oben       —         Demonstration gegen die Tesla Gigafactory Grünheide am 22. Februar 2020 in Erkner.

Unten      —         Demonstration gegen die Tesla Gigafactory Grünheide am 22. Februar 2020 in Erkner.

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Rechtsterrorismus ?

Erstellt von Redaktion am 14. Oktober 2022

GBA: Festnahme eines mutmaßlichen Mitglieds einer terroristischen
Vereinigung

Von Jimmy Bulamik

Karlsruhe (ots) – Die Bundesanwaltschaft hat heute (13. Oktober 2022) auf Grundlage eines Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 10. Oktober 2022 die deutsche Staatsangehörige Elisabeth R. im Landkreis Mittelsachsen durch Beamte des mit den Ermittlungen beauftragten Landeskriminalamtes Rheinland-Pfalz mit Unterstützung sächsischer Polizeikräfte festnehmen lassen. Zudem erfolgten Durchsuchungsmaßnahmen bei der Beschuldigten sowie einer nicht beschuldigten Person.

Die Beschuldigte ist dringend verdächtig, sich als Rädelsführerin an einer terroristischen Vereinigung beteiligt zu haben (§ 129a Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB). Daneben wird ihr die mittäterschaftliche Vorbereitung eines hochverräterischen Unternehmens gegen den Bund zur Last gelegt (§ 83 Abs. 1, § 25 Abs. 2 StGB).

Dem Verfahren liegen im Wesentlichen folgende Vorwürfe zugrunde:

Elisabeth R. verfolgt eine Ideologie, nach der die auf dem Grundgesetz beruhende staatliche Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland keine Geltung beanspruchen könne. Vielmehr existiere das Deutsche Reich auf Grundlage der Verfassung von 1871 weiter. Deshalb sei die Bundesrepublik Deutschland mittels einer „konstituierenden Versammlung“ in ein autoritär geprägtes Regierungssystem zu überführen.

Spätestens im Januar 2022 schloss sich die Beschuldigte zur Verwirklichung dieser Bestrebungen einer Gruppierung an, der zumindest auch die gesondert Verfolgten Thomas O., Sven B., Michael H. und Thomas K. angehörten (vgl. dazu Pressemitteilung Nr. 31 vom 26. April 2022). Diese Gruppierung hatte es sich zum Ziel gesetzt, in Deutschland bürgerkriegsähnliche Zustände auszulösen und damit letztlich den Sturz der Bundesregierung und der parlamentarischen Demokratie herbeizuführen. Hierzu war geplant, einen bundesweiten „Black Out“ durch Beschädigung oder Zerstörung von Einrichtungen  zur Stromversorgung herbeizuführen. Überdies sollte der amtierende Bundesminister für Gesundheit, Prof. Dr. Karl Lauterbach, gegebenenfalls unter Tötung seiner Personenschützer, gewaltsam entführt werden.

Die Vereinigung untergliederte sich in einen operativen „militärischen“ und einen „administrativen“ Zweig. Elisabeth R. war im administrativen Teil aktiv. Dort nahm sie eine übergeordnete Stellung ein und machte Vorgaben, um die Pläne der Gruppierung voranzutreiben und zu koordinieren. Sie war in Bemühungen insbesondere von Thomas O. und Sven B. eingebunden, Waffen und Sprengstoff für die Vereinigung zu beschaffen. Wiederholt forderte sie zudem eine rasche Umsetzung des Vorhabens ein und äußerte diesbezüglich konkrete Terminvorstellungen. Zugleich war die Beschuldigte mit der Rekrutierung geeigneter gleichgesinnter Personen befasst und führte auch selbst Gespräche für die Anwerbung potentieller Vereinigungsmitglieder. Darüber hinaus verfasste sie diverse Schriftstücke, die bei den geplanten Aktionen Verwendung finden sollten.

Die Beschuldigte wird im Laufe des heutigen Tages (13. Oktober 2022) dem Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs vorgeführt, der ihr den Haftbefehl eröffnen und über den Vollzug der Untersuchungshaft entscheiden wird.

Rückfragen bitte an:

Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)
Dr. Ines Peterson
Staatsanwältin beim BGH
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76135 Karlsruhe
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Fax: 0721 8191-8492
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OTS: Der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA)

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Oben     —     die Feuersbrannenwohnung des Nationalsozialistischen Untergrunds in Zwickau

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Ja, guten Morgen, Günter!

Erstellt von Redaktion am 6. Oktober 2022

Zum 80. Geburtstag von Günter Wallraff

Von : Du Pham

Günter Wallraff forscht seit über fünf Jahrzehnten ganz unten. Zu seinem 80. Geburtstag eine persönliche Erinnerung an meinen ehemaligen Vermieter.

Vor einem Haus stehe ich, auf dem groß das Rettungsschiff „Cap Anamur“ gemalt ist, durch ein Tor trete ich in den Innenhof, gehe über die Treppe auf der linken Seite hinein in das Wohngebäude. Es ist so klein und hutzelig, dass ich – klein und hutzelig – mich reflexartig ducke.

Die Maklerin zeigt mir die Wohnung im zweiten Stock; puh, das ist eine Wohnung? Auch ganz schön klein. Und die Küche, die ist nicht hutzelig, sie ist hässlich. Der Dielenboden, die hohe Decke, große Fenster und die Tatsache, dass man auf eine kleine Terrasse klettern kann, überzeugen mich, das Bewerbungsformular auszufüllen.

Die Miete ist nicht günstig, aber wir sind in Köln, wir sind in Ehrenfeld. Zurück bei der Arbeit erhalte ich am selben Tag einen Anruf der Maklerin, mit einer Zusage. Bis zu diesem Anruf wusste ich nicht, dass du – Günter Wallraff – mein Vermieter sein wirst.

Zweiter Bildungsweg

Das ist nun zehn Jahre her, ich war damals fast 30 und studierte auf dem zweiten Bildungsweg „Online-Redakteur“ – wer sich diese Bezeichnung ausgedacht hat, denkt hoffentlich heute noch darüber nach. Es ist kaum möglich, Studierenden journalistische Darstellungsformen näherzubringen, ohne die Grenzen und legendenumwobenen Spielarten des investigativen Journalismus anzuschneiden, die du, Günter, seit über 50 Jahren immer wieder austestest.

Es ist 2012 und das Jahr, in dem ich mein Praxissemester bei der taz machen sollte. Ja, und dieser Journalist, dessen Arbeit darin besteht zu enthüllen, wird zum vermeintlich Aufgedeckten, als ein ehemaliger Mitarbeiter ihm Ausbeutung vorwirft. Jemand, dem es eine Unerlässlichkeit ist, Unrecht aufzudecken und zu desavouieren, soll selbst eine Person zum Niedriglohn schwarz beschäftigt haben.

Ein Mensch, der sich mit größter Hingabe in die Rollen unter seinesgleichen begibt, unter solche, die im Alltag ganz unten sind, soll selbst jemanden nach unten getrieben haben. Einer, ohne dessen Arbeit vieles in diesem Land weiterhin unentdeckt geblieben wäre, wurde demaskiert. War das so? Das weiß man nicht, ich weiß es nicht.

Hans Esser bei der BILD

Mal hast du als Türke „Levent (Ali) Sigirlioğlu“ bei Thyssen gearbeitet, als „Reporter Hans Esser“ dich in die Bild-Zeitung eingeschlichen, Burger bei Fastfoodketten gebraten. Häufig hast du eine Perücke aufgesetzt, einen Bart angeklebt, ebenso häufig wurdest du vor Gericht geladen.

Die Schilderung deiner Erlebnisse mit Rassismus, Ausbeutung und Verachtung haben die deutsche Gesellschaft aufgeschreckt. Als „Verdammter dieser Erde“ hast du Zugehörigkeit und Freundschaft erlebt. Aber moralische Verurteilung blieb in all den Jahrzehnten intensivster Arbeit nicht aus: Deine Darstellung diffamiere Betroffene ausschließlich als Opfer, hieß es, zu reißerisch sei die Schreibe, zu ungehorsam die Methoden.

Zur Unterzeichnung des Mietvertrags lernen wir uns persönlich kennen. Dein Büro ist nur wenige Häuser entfernt. Als wir uns an einen großen Holztisch, umgeben von unzähligen Papierstapeln, hinsetzen, wirkst du ganz hutzelig. Während wir sprechen, piddelst du in irgendwelchen Unterlagen.

Ja, ja, äh, ja.

Und ich merke, dass du gedanklich längst bei einem anderen Thema gelandet bist. „Ja, ja, äh, ja!“ – diese besondere Form der Aneinanderreihung von Jas werde ich noch oft hören. Denn ich bin ganz gut darin, Themen, die nicht meine eigenen sind, zu sortieren. Und so ergab es sich, dass ich dir im Büro aushelfe.

Es dauerte nicht lange, bis ich mit deiner Betriebsamkeit konfrontiert wurde, manchmal wurde ich noch nach Feierabend angerufen, nur um sicherzu­gehen, dass wirklich keine dringende Mail mehr eingegangen sei. Und die vielen Mails, die täglich hereinkamen, sie wurden alle gelesen. Bei manchen Nachrichten habe ich nervöse Zuckungen bekommen, so absurd schienen sie mir. Von dir hingegen wurden sie wertgeschätzt und respektiert.

Ich bin in einem matriarchalen Haushalt aufgewachsen und du warst damals schon – pardon – der alte, weiße Mann. Attribute, auf die ich bei meinem Gegenüber gern verzichte, sei es beim Schuldirektor oder im Umgang mit diversen Chefs. Du konntest ähnlich geckenhaft sein. Bist mir aber auf Augenhöhe begegnet, hast nicht ge-mansplaint und wurdest so intuitiv ein Wegweiser.

Die engsten Gefährten

Ich lernte deine Gefährten kennen, die genauso kämpferisch und gerechtigkeitsliebend sind: den Journalisten und „work-watcher“ Albrecht Kieser und den selbsternannten radikalen Menschenfreund Rupert Neudeck – dessen Porträt im Wohnzimmer meiner Großeltern hängt. Der Drang, sich zu engagieren, eint euch. Und übertrug sich auch auf mich.

Du und deine Freunde, ihr habt mich intensiviert, in dem, was ich heute tue. Als ich bei dir anfing, wollte ich erfolgreiche Autorin werden, über all die Auswüchse der Gesellschaft berichten, wallraffen. Es kam anders, ungewollt. Ich schreibe, ja. Aber nicht vorrangig. Und selten weltbewegend. Engagement findet nicht in der Theorie statt, das habe ich durch dich begriffen. Deine stoische Art, Dinge einfach zu machen – das habe ich im Selbstversuch gemerkt – ist so viel direkter und so viel effektiver.

Erinnerst du dich noch? Als der TV-Sender RTL das Format „Team Wallraff“ gestartet hat, war ich verwundert und fragte dich, ob du damit nicht an Serio­sität einbüßen würdest. In meiner angehenden, arroganten Akademikerblase waren wir uns alle einig, dass Privatfernsehen gar nicht ginge. Du hast mir entgegnet, dass es darum gehe, eine breite Masse zu erreichen, nicht nur Anerkennung von Aka­de­mi­ke­r*in­nen zu ernten. Ja, da habe ich mich ein bisschen geschämt!

Ausschließlich zur Berieselung

Quelle        :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Der deutsche Enthüllungsjournalist Günter Wallraff während einer Lesung in der Thalia-Filiale Linz Landstraße.

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Das Briefgeheimnis

Erstellt von Redaktion am 4. Oktober 2022

Strobl vor dem Untersuchungsausschuss

Und nun im Chor weiter singen

Von Johanna Henkel Waidhofer

Nur Thomas Strobl selber könnte Licht ins Dunkel bringen. Dann allerdings müsste er vor dem Untersuchungsausschuss maximal transparent auspacken, was ihn wirklich geritten hat, das inzwischen berüchtigte Anwaltsschreiben an einen einzigen Journalisten weiterzuleiten. Stattdessen verstrickt sich der Innenminister in widersprüchliche Geschichten.

Es gibt einiges, das für den 62-Jährigen spricht an diesem denkwürdigen Freitag, dem 23. September, der bis Samstag dauert. 15 Stunden lang stellt sich der stellvertretende Ministerpräsident und CDU-Landesvorsitzende den vielen Fragen, vor allem von SPD und FDP. Nur selten wird er ungehalten, und nur einmal – irgendwann nach Mitternacht – verlangt er von sich aus nach einer Pause, um in seinem Gedächtnis zu kramen und, einen Leitz-Ordner unterm Arm, den Plenarsaal im Landtag kurz zu verlassen. Der ist selbst um diese Uhrzeit einigermaßen gut besetzt, mit den Abgeordneten und deren Mitarbeiter:innen ohnehin, aber auch mit etlichen Medienleuten.

Immer wieder hatte sich Thomas Strobl da schon bemüht zu vermitteln, wie ernst es ihm mit der Aufklärung sexueller Übergriffe sei. Die sind – gemeinsam mit einer zweifelhaften Beförderungspraxis und dem Eigenleben in der Polizeispitze – eigentlich Hauptthemen in dem Gremium. Mehrfach appelliert er an Betroffene sich zu melden: „Menschenskinder, nehmt die Hilfe an, wir wollen das Dunkelfeld erhellen.“ Wortreich schildert er den unangefochtenen, auch von ihm gewollten Aufstieg von Andreas Renner zum Inspekteur der Polizei (IdP). „Große Stücke“ habe er auf ihn gehalten in der Überzeugung, „dass er die optimale Besetzung für die Zukunft der Landespolizei ist“. Entsprechend enttäuscht sei er gewesen, als vor zehn Monaten die Vorwürfe gegen Renner publik wurden.

Das war am 22. November 2021. Warum das Innenministerium zwar ein Disziplinarverfahren einleitete, aber sofort wieder aussetzte, obwohl die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen da noch gar nicht aufgenommen worden waren, zählt zu den noch immer unaufgeklärten Ungereimtheiten in der ganzen Affäre. Auch deshalb muss der Zeuge entgegen ursprünglicher Planungen im Oktober noch einmal aussagen – vor allem in nichtöffentlicher Sitzung, weil ihm die Opposition Akten vorhalten will, aus denen öffentlich nicht zitiert werden darf.

Strobl elektrisiert und in Alarmstimmung

Was allerdings längst nicht der einzige Grund ist. Gerade die Brief-Affäre drängt ebenfalls immer wieder aus den Kulissen. Die Widersprüche sind evident. Einerseits will Strobl „elektrisiert“ und in „Alarmstimmung“ gewesen sein, als das Schreiben von Renners Anwalt am 23. Dezember auf seinen Tisch kam. Andererseits hat er sich in den Wochen danach nicht mehr interessiert für den Gang der Dinge. Bezweifelt werden darf dazu, dass er von sich aus überhaupt die Übergabe an den Journalisten Franz Feyder von der  „Stuttgarter Nachrichten“ (StN) bekannt hätte, wäre dies nicht – aparterweise durch die verschwisterte „Stuttgarter Zeitung“ (StZ) – öffentlich geworden und er Anfang Mai vor den Innenausschuss gerufen worden.

Details aus dem inzwischen als geheimhaltungsbedürftig eingestuften Papier müssen hinter verschlossenen Türen bleiben. Aus der Berichterstattung der StN ist aber bekannt, dass es „brisant wird in der Mitte der zweiten Seite“. Dort versichere der Jurist, es dürfe im Namen seines Mandanten bei dieser Gelegenheit ausdrücklich die Bereitschaft zum persönlichen Gespräch betont werden, was vorliegend der Sache eher dienlich sein dürfte und im allseitigen Interesse zielführender sein könne als eine unvermittelte Rechtswegbeschreitung, weshalb eine solche für den Mandanten einzuleiten einstweilen zurückgestellt worden sei. „Was der 50 Worte umfassende Satz eigentlich aussagt“, heißt es in den StN weiter: „Redet mit mir, einigt euch mit mir oder es gibt eine Schlammschlacht.“

Jede Sekunde, so der Zeuge Strobl einigermaßen dramatisch, habe er an diesem Tag vor dem Heiligen Abend mit dem Bekanntwerden dieses Ansinnens rechnen müssen. Jedenfalls sei „unmittelbar Handlungsbedarf“ entstanden. Da kam ihm das Telefoninterview mit dem StN-Mann nachmittags in einer Schalte, an der auch die Mitarbeiter:innen der Pressestelle beteiligt waren, gerade recht. Es ging um Cyberkriminalität. Danach sei man noch auf die Causa Renner zu sprechen gekommen. Und dann wird die Aussage unter dem Stichwort Wahrheitspflicht so richtig spannend. Denn Strobl weiß „so präzise“ nicht mehr, wer von beiden als erster den Brief erwähnt hat.

Sollte er aber, nicht nur weil es prinzipiell erfreulich ist, wenn Regierungsmitglieder auf ihr gutes Gedächtnis bauen können. Erst recht, wenn es um Ereignisse geht, die, wie der Zeuge an anderer Stelle sagt, einmalig waren in seinen fünf Ministerjahren. Vor allem aber hat er – privat mandatiert und aus eigener Schatulle bezahlt – beim Medienrechtler Christian Schertz ein Gutachten in Auftrag gegeben. Der Berliner sollte die Weitergabe des Anwaltsschreibens „grundsätzlich und ganzheitlich bewerten“ und kam dabei zu einem für seinen Auftraggeber höchst günstigen Befund: hundert Prozent Entlastung. Nur leider hatte Strobl, ganz offensichtlich, dem renommierten Juristen eine etwas andere Geschichte erzählt als zuvor im Innenausschuss und jetzt den Abgeordneten im Untersuchungsausschuss.

Den Innenminister lässt sein Gedächtnis im Stich

Denn nach Schertz ist mit der Weitergabe des Briefs „dem Ansinnen eines Journalisten entsprochen worden“. Die Argumente dafür sind die Pressefreiheit und das Informationsfreiheitsgesetz. Nicht im Ansatz könne er erkennen und verstehen, so Schertz auf der Pressekonferenz zur Präsentation seiner Schlüsse, wie es zu einer Affäre habe kommen können. Vielmehr sei das Ganze „zu einem Skandal oder einer Affäre hochgejazzt“ worden. Für sich nimmt er den Versuch in Anspruch, sich „unvoreingenommen und neutral“ dem Sachverhalt zu nähern, „denn ich stehe mit Wort und Namen für meine Einschätzung“.

Der Innenminister steht seit Freitagabend mit Wort und Namen für etwas anderes. Denn inzwischen – immerhin sind seit dem Freispruch erster Klasse durch seinen Rechtsbeistand fast vier Monate ins Land gegangen – lässt ihn sein Gedächtnis im Stich: Entweder von ihm selbst oder von dem Journalisten könne der Brief angesprochen worden sein. Er könne „aus der Erinnerung beantworten, dass ich ihm gesagt habe: Wenn Sie das habe wollen, dann schicken wir Ihnen das“. Gesagt, getan, mit der Folge, dass gegen den Mitarbeiter im Haus an der Willy-Brandt-Straße, der den ministeriellen Auftrag ausführte, ebenfalls ein derzeit ruhendes Disziplinarverfahren läuft. Aber auch dazu kann Strobl in öffentlicher Sitzung nicht aussagen.

Quelle         :         KONTEXT: Wochenzeitung-online

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Grafikquellen       :

Oben      —      Serie: Regionalkonferenz der CDU Baden-Württemberg am 21. November 2014 in Appenweier zur Vorstellung der Bewerber für die Spitzenkandidatur bei der Landtagswahl 2016 Bild: Thomas Strobl

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No future for Fridays

Erstellt von Redaktion am 30. September 2022

Samstags kaum Publikum bei der Freitags-Party

Von Dr. Nikolaus Götz

Am Freitagabend, pünktlich zum Herbstanfang 2022, wurden die Protestaktionen der sogenannten ’Fridays For Future’-Jugend (FFF: Freitags für die Zukunft) wieder als innerdeutsche Nachricht bei allen Leitmedien in die Fernsehstuben der Bundesdeutschen zugelassen.

Ja, diese Hätschelkinder’ der Mainstream-Medien einer jugendlich-frischen Ökobewegung durften ihre ’Angstreden’ vor einer ihnen ungewissen klimatischen Zukunft als ’News’ (Nachricht) rausposaunen, wobei das unvergessliche Buch ’Global 2000’ vielleicht der Geburtshelfer und Taufpate dieser Bewegung war. Doch dieser ’Schinken’ ist viel zu dick, zu alt und viel zu schwer verdaulich, als dass Teenager sich an die Lektüre gewagt hätten. Es geht ja auch ohne, zumal bei dem miesen Klima dieser Septembertage jedermann/frau die angestrebte ’Klimawende’ einer Erderwärmung eher befürwortet.

Im tiefen Südwesten der Bundesdeutschen Republik, dem allseits geliebten, fast französischen Saarland nämlich, wollten die ökologischen Grünlinge auch wieder auf die Straße gehen (2). „Saarland for Future“ hatten die Organisatoren sich auf das teure Banner geschrieben, das an der professionell aufgebauten Rockbühne hing, die auf dem abgesteckten -natürlich- polizeilich überwachten Festgelände stand. Die sattgrünen Uferwiesen entlang der Saar am Saarbrücker Staatstheater wurden nach der Coronakrise endlich wieder genutzt. Etliche der bekannten alternativen Non Governmentel-Organisations (NGO; Nicht Regierungsorganisationen) kamen und wollten das Fest zur Eigenreklame verwenden: Greenpeace, BUND, VCD, der ’Dritte-Welt’-Laden (Losheim) eine bunte Fahrrad-Kinder-Initiative (oder so) und andere Vereine mehr hatten ihre Infohäuschen entlang des Festplatzes aufgebaut. Zudem hatte ein noch eher unbekannter Künstler zwei riesige durchsichtige ’Plastikluftkissen’ (plastique fantastique; Anmerkung: 3) aufgestellt, um mit seinem Kunstwerk den Besuchern die Öko-Krise von ’Mother Earth’ (Mutter Erde) zu verdeutlichen. Optimal angelegt war sie die Organisationsstruktur des Festes: Mein Respekt an das Organisationsteam!

Die aufgestellten Festivalboxen vibrierten im rockigen Sound einer Band, deren aggressiv gekonnte zwischen Metallica und Scorpions intonierte Breitbandmusik von Weitem schon die Menschen anlockte. Doch da war kaum jemand anwesend! Die Betreiber der Infostände diskutierten notgedrungen eher mit sich selbst und die angekündigte deutsche „Jungfrau aus Schweden“ Frau Luisa Neubauer -war die das?- redete vor kaum einem Dutzend Beifall klatschender Jugendlicher. Nur ein paar eher zufällige ’Jungkids’ hatten sich nämlich ’auf die Wiesn’ am Saarbrücker Theater verirrt, denn es war ja Samstag und der ist sowieso schulfrei! Essensstände fehlten auf dem Fest komplett und kein Schwenker animierte die übrigen eher zufälligen Festbesucher mit seinem verführerischen Duft einer Roten oder Weißen zum Verzehr der vielleicht veganen Ökobällchen. Dass das so geplante Klimafest (3) ein Flop war, lag eher wohl am saarländischen Wetter. Der regengraue Himmel meinte es nicht gut mit den Klimaengagierten. Doch der anwesende Vertreter des Saarländischen Rundfunks stelle auch die richtige Frage nach dem Timing, der Zeitplanung: Ist der Samstag im Saarland nun ein Freitag? Und der organisatorische Hauptverantwortliche für die in Saarbrücken inszenierten FFF-Demo beantwortete die vollzogene südwestdeutsche Wende in der Zeit des Öko-Festes von Freitag auf Samstag, nicht mit der klassischen Begründung: „Friday I’m in love (The Cure). Er postulierte einen Ausstieg der saarländischen FFF aus der „Komfortzone“ und der Gewinnung neuen Publikums (4). Diesen zeitlichen Tageswechsel jedoch hatte die Masse der saarländischen Schülerinnen und Schüler und damit die eigentlichen Ansprechpartner des Festes, wohl nicht mitbekommen, wobei die sonstig Interessierten leider auch nicht kamen.

Der bisher bestehende saarländische FFF-’Druck der Straße’ ist nun jedoch verpufft, die Luft ist raus und die saarländische Regierung unter Frau Anke Rehlinger (SPD) kann wie die Berliner Rot-Gelb-Grüne Bundesregierung ihre Corona-Todesfurcht-Atom-Kriegsbedrohungs-Energiemangel-Angstpolitik gegen das eigene Volk unbehindert fortsetzen. Jetzt verbleiben nur noch die bösen stigmatisierten ’rechten’ „Querdenker“ als ’linke’ Politikrebellen. Zur Garantie der deutschen Volkssicherheit aber wird nun neben der Polizei endlich auch die Bundeswehr wieder im Innern patrouillieren! Es fehlen der neuen Berliner Republik Deutschland (BRD) noch die früher üblichen Nachtwächter und der ’Deutsche Michel’ kann in seinem geliebten Vaterland (5) wieder ruhig schlafen gehen. Nur der Verfassungsschutz weist schon einmal präventiv auf mögliche „Volksunruhen“ für den angebrochenen Herbst hin (6). Ob für diese prognostizierten „Volksunruhen“ eignes die berühmten ’Gelbwesten’ (7) aus dem benachbarten französischen Lothringen ins Saarland anreisen, sollte diskret beim Verfassungsschutz angefragt werden.

Abschließend sei im Rückblick auf das saarländische FFF-Fest ausdrücklich gefragt: Wer bezahlt eigentlich dieses aufwendige saarländische ’Friday-pupils-event’ (freitags Schüler Fest)? Bestimmt werden dem Organisationsteam ausreichend Spendengelder von Klimagönnern zufließen, denn ein einfacher, gar noch minderjähriger Schüler kann das für ein solches Happening benötigte Geld wohl nicht aufbringen.

Anmerkungen:

1 Das Motto der jungen Ökobewegung wurde gewendet zu : No future for Fridays, was heißt: Keine Zukunft für die Freitags(demonstranten).

2 Hinweis von Campact: Sind auch Sie am Freitag bei der großen Klima-Demo in Saarbrücken dabei? Ort: Park am Theater (unterhalb Staatstheater), Saarbrücken Zeit: 14 Uhr. (Info vom 20. 9. 2022) Etliche am Thema Interessierte kamen denn am Freitag zum angegebenen Versammlungsort, doch da war nichts…

3 Siehe: fridaysforfuture-saarland.de/saarland-wende/

4 Vgl: Bericht des Saarländischen Rundfunks: www.sr.de/sr/mediathek/ Audio/SR2_ BE_ 798.html

5 Der bekannte Deutsche Schlagerstar Udo Jürgens sang 1971 das gesellschaftskritische Lied: ’Lieb Vaterland’. Besonders erwähnenswert wären die Zeilen: Lieb’ Vaterland, magst ruhig sein, Die Großen zäunen ihren Wohlstand ein. Die Armen warten mit leerer Hand. Lieb’ Vaterland! Vgl.: www.google.com/search?q=Udo+Jürgens%3A+Lieb+Vaterland

6 Siehe auch: tagesspiegel.de/politik/bundeskriminalamt-warnt-energiekrise-bedroht-innere-sicherheit-8679658.html; das in der Verfassung garantierte Grundrecht der freien Meinungsäußerung wird vom deutschen Verfassungsschutz negativ bewertet und vorab als möglicher „Volksaufstand“ interpretiert. Diese deutsche Institution der BRD ist als historische Nachfolgorganisation von Gestabo (Drittes Reich) und der Stasi (DDR) selbst verfassungswidrig und einer richtigen Demokratie unwürdig! Der deutsche Verfassungsschutz mit all seinen Skandalen gehört deshalb abgeschafft!

7 Die ’Gelbwesten’ (frz.: Gilets jaunes) , eine engagiert renitente französische Gruppe, vornehmlich aus engagierten Rentnern bestehend, sorgten in Frankreich mit ihren nicht immer gewaltfreien Aktionen dafür, dass die französische Wirtschaft im Jahr 2018 zur Produktionslokomotive Europas wurde. Die so gestärkte französischen Binnenkonjunktur überholte dabei erstmals die Wirtschaftskapazität der BRD, wobei einzelne Gelbwesten bedauerlicher Weise herausgegriffen und durch die Justiz zur Verantwortung gezogen wurden. Das französische Wirtschaftssystem wurde so auf dem Rücken seiner sozial schwächeren Staatsmitglieder saniert. Siehe auch: Nikolaus Götz: Die französischen Gelbwesten. Eine Bürgerbewegung mit ihren politischen Forderungen, Saarbücken 2019.

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Oben     —  Berlin am 23. September 2022

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KOLUMNE – NAFRICHTEN

Erstellt von Redaktion am 22. September 2022

„Wetten, dass.?“ und „TV Total“ zurück
Boomer haben ausgedient

Bundesarchiv B 145 Bild-F086568-0060, Leipzig, Bundestagswahl, Wahlwerbung.jpg

Hinter den Tonnen scheint keine Sonne

Von Mohamed Amjahid

Verschiedene TV-Sender graben alte Sendungen wieder aus. Ist die Rückkehr von „Barbara Salesch“ und „Britt“ eine Nostalgie-Offensive für Millennials?

Ein Distinktionsmerkmal unter Aka­de­mi­ke­r*in­nen ist es, keinen Fernseher zu besitzen. Damit wollen sich viele Menschen mit Hochschulabschluss vom Rest der Bevölkerung absetzen. Ich besitze zwar auch keinen Fernseher, habe aber als Kind genug für ein ganzes Leben in die Röhre geglotzt.

Meine Persönlichkeit ist ein Produkt des TV-Programms der 1990er und 2000er. Natürlich wurde ich hellhörig, als in den vergangenen Wochen bekannt wurde, dass TV-Sendungen aus meiner Kindheit aus der Mottenkisten geholt wurden: „Britt, der Talk“ bei Sat.1; „Der Preis ist heiß“, „Die 100.000 Mark Show“, „Richterin Barbara Salesch“ bei RTL; „TV Total“ auf ProSieben oder „Wetten, dass..?“ beim ZDF. Diese Sendungen habe ich als Kind geguckt. Außer Thomas Gottschalk, der war mir schon immer zu peinlich, zu deutsch, zu wirr.

Damit ich mich nach so manch wirr-akademischer Diskussion auf Podien in westdeutschen Städten etwas erhole, schalte ich abends ab und zu den Fernseher im Hotelzimmer ein. Okay, eigentlich immer. Ich will ja auf dem Laufenden bleiben. Neulich lief „TV Total“ und ich fand es einfach nicht lustig.

Als 12-Jähriger habe ich mich über die Pipi-Kaka-Witze von Stefan Raab weggelacht, im Kölner Hotel mit den Holzimitat-Möbeln aus den 90er Jahren war ich nur erstaunt, dass sich der sowieso unlustige deutsche Humor in den vergangenen 30 Jahren null weiterentwickelt hat. Die trashige Sendung hat mich trotzdem etwas beruhigt. Ich habe mich kurz in Tage zurückversetzt, als die Matheklausur und die Aufmerksamkeit meiner ersten großen Liebe meine Sorgen waren.

Das ist, glaube ich, der Zweck der nostalgischen Fernsehoffensive großer privater und öffentlich-rechtlicher Fernsehsender. Generation-Tiktok ist eh im vertikalen Smartphone-Display-Kosmos gefangen, der ja nur eine billige Kopie von „Upps! Die Pannenshow“ ist. Abgesehen davon, dass jedes erdenkliche Format (meist zuerst in den Niederlanden) durchgenudelt wurde, zeigt der TV-Flashback, dass die Boomer bald ganz ausgedient haben.

Musikantenstadel war gestern, heute regiert der Geist von Harry Wijnvoord! Hmmm, wenn ich so nachdenke, scheint meine Analyse doch etwas wirr, ich weiß. Wenn Sie mir nicht weiter folgen können, schalten Sie einfach um.

Quelle         :       TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extreme. 30.11.1990 Wahlwerbung der Parteien für die Wahl zum ersten gesamtdeutschen Bundestag in Leipzig.

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Nazi-Jurist Carl Schmitt

Erstellt von Redaktion am 1. September 2022

Statt Verwesung neue Vitalität

Quelle      :        INFOsperber CH.

Jürg Müller-Muralt /   

Wie ein nazistischer Staatsrechtler wieder erstaunlich viel Resonanz findet – nicht nur in Diktaturen wie Russland und China.

Er gibt keine Ruhe, er geistert wieder durch die öffentlichen Debatten, und man muss seinen Namen öfter lesen als auch schon: Carl Schmitt (1888-1985). Er gilt als einer der bekanntesten, aber auch umstrittensten deutschen Staats- und Völkerrechtler des 20. Jahrhunderts. Nach Hitlers Machtergreifung 1933 profilierte sich Schmitt als überzeugter Anhänger der Nazis, was ihm später den Ruf als «Kronjurist des Dritten Reiches» bescherte. Vor allem seine Theorie der Freund-Feind-Unterscheidung scheint es einigen heutigen Zeitgenossen besonders angetan zu haben.

«Neue Aktualität» Schmitts

In der NZZ etwa unternimmt der deutsche Politikwissenschafter Jörg Himmelreich einen etwas verrenkten Rehabilitationsversuch Schmitts. Er bezeichnet dessen Betrachtungsweise, «wonach politische Auseinandersetzung und politisches Handeln auf Freund und Feind, auf Feindschaft hinauslaufen kann, aber nicht muss» als «fundamental». Der Westen habe dieses Politikverständnis «in Anlehnung an die Utopien» von Jürgen Habermas «von einer Weltbürgergesellschaft völlig ignoriert.» Das mache den Westen und insbesondere Deutschland so unvorbereitet auf Putins Krieg gegen die Ukraine. Im Unterschied zu Habermas’ politischem Denken besitze jenes von Schmitt «eine neue Aktualität».

Philosophen-Bückling vor Schmitt

Auch der österreichische Philosophieprofessor Konrad Paul Liessmann darf seine Wiederentdeckung des Schmittschen Freund-Feind-Denkens in einem langfädigen Beitrag in der NZZ zum Besten geben. Seine Quintessenz: Es gehe heute «um die Wiedergewinnung der Einsicht, dass es keine Politik, die diesen Namen verdient, gibt, ohne zwischen Freund und Feind zu unterscheiden.» So tönt es, wenn einst liberale Autoren finden, sie müssten ihre intellektuelle Wehrhaftigkeit mit dem Rückgriff auf die schlimmsten autoritär-reaktionären Geister unterstreichen. Wieso braucht es diesen Bückling vor einem schlimmen Juristen, nur um klar festzustellen, wer die alleinige Schuld am Angriffskrieg gegen die Ukraine trägt?

Verteidiger der Nürnberger Rassengesetze

Schmitt hat mit seinem ganzen juristischen Renommee in den Dreissigerjahren des letzten Jahrhunderts den absoluten Führerstaat propagiert. Der Historiker Jürgen Overhoff, Professor an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, schreibt dazu: Schmitt «behagte es, dass Hitler willkürlich befehlen und Gesetze erlassen konnte, ohne sich auch nur einen Deut um allgemein verbindliche Werte oder moralische Positionen scheren zu müssen. Wenn es dem Führer gefiel, die Juden zu eliminieren, dann musste Folge geleistet werden, schloss Schmitt. Und so pries er die Nürnberger Rassengesetze von 1935 lauthals als grossen, befreienden Wurf».

Gegenentwurf zur Demokratie

Schmitt hat sich im Dritten Reich vollkommen diskreditiert und auch Schuld auf sich geladen. Trotzdem galt er nach dem Zweiten Weltkrieg – und gilt offensichtlich immer noch – vielen konservativen Intellektuellen als hochgelehrter, brillanter und geistreicher Kopf. Overhoff dagegen kommt zum Schluss: Schmitts «Ur-Absolutismus» könne nur wirksam begegnet werden, wenn er immer wieder als das, was er ist, entlarvt wird: Als «der genaue Gegenentwurf zur freiheitlichen Demokratie und zum liberalen Rechtsstaat.»

Fragwürdige Brillanz

Ob der Entschluss Schmitts, die Welt in Freund und Feind einzuteilen, viel mit denkerischer Brillanz zu tun hat, darf bezweifelt werden; er entspringt eher einem «voluntaristischen Hauruck», wie Karl-Heinz Ott in seinem Buch Verfluchte Neuzeit: eine Geschichte des reaktionären Denkens (München, 2022) schreibt. Schmitt zeichne sich tatsächlich durch eine «kristalline Diktion» aus: «Man muss seine Sätze nicht dreimal lesen, sie sind nicht schwer zu verstehen. Im Grunde besteht alles aus Oppositionspaaren: hier die Kategorie X, dort die Gegenkategorie Y, hier Freund, dort Feind.» Wer ein klares Koordinatensystem besitzt, kann mühelos als scharfsinnig gelten. «Ob solche Schemata selbst brillant sind, steht auf einem anderen Blatt; das Wichtigste, es herrscht Übersicht: die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen.»

Gesellschaft hat sich dem Staat unterzuordnen

Schmitt sei ein Meister der Komplexitätsreduktion, schreibt Karl-Heinz Ott, der sich in seinem Buch ausführlich mit dem nazistischen «Meisterdenker» auseinandersetzt. Komplexitätsreduktion an sich muss nicht schlecht sein. Bloss: Wer Übersichtlichkeit nur durch das Ausblenden grosser Teile der Wirklichkeit herzustellen vermag, darf wohl kaum als brillant bezeichnet werden. Ott zeigt das am Beispiel der obsessiven Fixierung Schmitts auf den Staat. Alles Gesellschaftliche spiele bei Schmitt nicht nur keine Rolle, es störe regelrecht: «In seinen Augen hat die Gesellschaft sich dem Staat zu fügen und zu funktionieren.» Die Verachtung der (Zivil-)Gesellschaft und gesellschaftlicher Organisationen ist typisch für autoritär-reaktionäres Denken. Berühmt ist das Zitat der neoliberalen britischen Premierministerin Margaret Thatcher: «So etwas wie eine Gesellschaft gibt es nicht. Es gibt nur einzelne Männer und Frauen und es gibt Familien.»

Freund-Feind-Denken als Mittel gegen die Opposition

Das Schmittsche Denken ist heute weltweit stark präsent; nicht nur bei einzelnen westlichen Intellektuellen. In Ländern wie etwa Polen, Russland und China ist es zudem wirkmächtig und beeinflusst das politische Denken zum Teil stark. Der Historiker Felix Ackermann, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Deutschen Historischen Institut in Warschau, macht in einem Beitrag vom April 2022 darauf aufmerksam, dass das Freund-Feind-Denken die polnische Innenpolitik – selbst nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine – nach wie vor stark präge: «Dieses von Carl Schmitt inspirierte und von Jarosław Kaczyński verinnerlichte Politikverständnis führt dazu, dass oppositionelle Gegner weiterhin als angebliche Angehörige einer deutschen oder russischen fünften Kolonne diffamiert werden und die Europäische Union selbst im Moment des Zusammenrückens jederzeit mit der UdSSR verglichen werden kann.» Das zeigt: Wer nur in simplen Schwarz-weiss-Kategorien denkt, verkennt die komplexe Wirklichkeit.

Putins «Grossraum»-Vision und Schmitt

Doch Schmitt ist nicht nur Inspirator von Populisten und Antiliberalen im Westen, sondern vor allem auch in den beiden diktatorischen Grossmächten Russland und China. Aleksandr Dugin, einer der imperialistisch-faschistischen russischen Agitatoren, ist schon früh mit Carl Schmitt in Berührung gekommen. Putins Vorstellungen von einer in Einflusszonen gegliederten Weltordnung gleicht in auffallender Weise Schmitts «Grossraum»-Vision. Dieser hat 1939 in seiner Schrift mit dem bezeichnenden Titel Völkerrechtliche Grossraumordnung mit Interventionsverbot für raumfremde Mächte versucht, den Hegemonialanspruch Nazi-Deutschlands über Europa zu legitimieren. «Dem Konzept eines global gültigen Völkerrechts, das auf universalen Werten beruht, setzte Schmitt den Entwurf einer aus geopolitischen ‹Grossräumen› zusammengesetzten Weltordnung entgegen, in denen jeweils eigene, den ethnischen und territorialen Besonderheiten dieser Räume gemässe Rechtsnormen herrschen sollten. Diese würden vom stärksten, einen Grossraum dominierenden Volk definiert und durchgesetzt», schreibt der Publizist Richard Herzinger.

Schmitts wachsende Bedeutung in China

Was für Russland gilt, trifft in weiten Teilen auch auf die Volksrepublik China zu. Vor allem seit Xi Jinpings Machtübernahme im Jahr 2012 ist Schmitts Bedeutung in der chinesischen Politischen Theorie auffallend gewachsen. Das trifft in besonderem Masse auf die erwähnte Unterscheidung zwischen Freund und Feind zu.

In einer Dissertation von 2021 mit dem Titel Schmitt in China: Liberalismus und Rechtsstaatdiskurse 1989-2018 zeigt Charlotte Kroll auf, dass die Auseinandersetzung chinesischer Wissenschafter mit Carl Schmitt sichtbare Spuren hinterlassen hat – und zwar ganz konkret «auch mit Blick auf die Politik der chinesischen Zentralregierung gegenüber der Sonderverwaltungszone Hongkong.» Die Autorin stellt fest, dass im akademischen Diskurs jene Form eines Rechtsstaates legitimiert werde, «die sich immer stärker von einer Kontrolle der Politik durch das Recht distanziert.» Der «sozialistische Rechtsstaat chinesischer Prägung», so schreibt die Autorin, grenze sich entschieden von einem Rechtsverständnis ab, «in dem die Gültigkeit und Umsetzung der in der Verfassung gesetzten Normen durch eine unabhängige Justiz garantiert wird.» Mit anderen Worten: Schmitt ist auch in China ein wichtiger Autor, wenn es darum geht, den absoluten Durchgriff des diktatorischen Staates unter Ausschaltung rechtsstaatlicher Kontrollen zu legitimieren.

Immerhin eines kann man vom Freund-Feind-Schema lernen: Der kompromisslose rechtsphilosophische Feind der offenen Gesellschaft par excellence ist Carl Schmitt.

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Oben      —     Carl Schmitt als Student im Jahre 1912

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 31. August 2022

Vorbildwirkung von Prominenten: Täglich gut sein, 129 Jahre lang

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche mit Lukas Wallraff.

Ob Karl May, Olaf Scholz oder Sanna Marin: Prominente müssen immer und überall ohne Fehl und Tadel sein – sogar über das eigene Leben hinaus.

Wer in dieser Welt Gutes tun will, hat es nicht leicht. Ständig kommt etwas in die Quere und durchkreuzt die schönsten Pläne. Selbst der beste Vorsatz entpuppt sich als falsche Idee. Da willst du zum Beispiel den Deutschen erklären, was für kluge und edle Menschen die Indianer waren, denen viel Unrecht widerfahren ist, und schon 129 Jahre später wird dir vorgeworfen, du seist ein Rassist. Und dann haben deine Kri­ti­ke­r*in­nen auch noch Recht, weil es inzwischen andere, präzisere Worte gibt. Pech.

Natürlich tut mir Karl May auch deshalb leid, weil es mir so ähnlich geht. Kaum nehme ich mir etwa zum Schulanfang vor, meinen Kindern das zu servieren, was ihnen schmeckt, werde ich vom Verpackungshinweis auf die Massentierhaltung verschreckt. Klar, auch das zu Recht.

Aber ich habe mehr Glück als Karl May. Ich lebe im heutigen Kreuzberg, kann mich noch ändern und gemeinsam mit meinen Kindern lernen, dass der neu eröffnete Veganer nebenan mindestens genauso leckere Sachen hat wie Curry36 und die Dönerbude, die wir als lokalpatriotische Berliner sonst immer als Erstes nach dem Urlaub aufgesucht haben. Was mit denen geschieht, wenn keiner mehr hingeht, muss meine Sorge nicht sein, da soll sich der Wirtschaftsminister drum kümmern. Dafür ist er doch da.

Aber Mist, für eine sozialökologische Umstellung auf nachhaltige Ernährung hat Robert Habeck im Moment leider keine Zeit. Der Mann, der sich vorgenommen hatte, Deutschland grün und fossilfrei zu gestalten, muss jetzt erst mal Kohle verfeuern und in Kanada um Frackinggas betteln, weil die Lieferungen aus Katar nicht reichen, um durch den Winter zu kommen. Ob es moralisch besser ist, aus fragwürdigen Quellen ganz weit weg Energie zu beziehen, als in Niedersachsen selbst nach Gas zu schürfen, bleibt das Geheimnis der Grünen.

Zählen Politiker-innen dann eher nicht zu den Prominenten, da sie weit, weit über ihren Tod hinaus, sehr – sehr viel Reichtum vererben können ?

Dass Habeck gerade offen eingeräumt hat, nicht mehr zu wissen, was im Kampf gegen Putin wirklich richtig oder falsch ist und ob die Gasumlage auch für gut verdienende Konzerne bei näherer Betrachtung eine glänzende Idee war, ist ehren- und höchst lobenswert. Ich kann es ja auch nicht beurteilen, denn ich hatte schon wieder Glück und eine gute Ausrede: Dank einer Bindehautentzündung sind meine Augen dauernd verklebt und ich sehe die Weltlage nur noch verschwommen. Niemand kann von mir verlangen, unter diesen Umständen die Unterschiede zwischen Gut und Böse zu erkennen.

Immerhin die deutsche Medienlandschaft kann ich noch schemenhaft wahrnehmen, und das beruhigt ganz ungemein. Denn ganz so schlimm scheint die Lage nicht zu sein, obwohl die Ukraine seit einem halben Jahr zerbombt und Europas größtes Atomkraftwerk von beiden Seiten als Schießbude genutzt wird. Mag sein, dass wir uns bald nach dem Fallout von Tschernobyl sehnen, als wir nur auf Pilze verzichten mussten. Bei spiegel.de war trotzdem der Aufmacher ein bitterböser Kommentar darüber, dass die korrekt PCR-getesteten Regierungsmitglieder im Flugzeug nach Kanada keine Masken trugen. Als ich abends sah, dass Rudolf Augsteins digitale Nachfolger keine anderen Sorgen haben, konnte ich endlich wieder mal gut schlafen.

Quelle    :        TAZ-online      >>>>>          weiterlesen 

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Oben        —     Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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StaMi-Akten zu Stuttgart 21

Erstellt von Redaktion am 30. August 2022

Anleitungen für die Zeugen

Wollte er den Bahnhof in das Rathaus holen? 

Von Johanna Henkel-Waidhofer

Stefan Mappus hat ausweislich neu eingesehener Akten seine Rolle beim „Schwarzen Donnerstag“ heruntergespielt, als er Ende 2010 vor dem Untersuchungsausschuss aussagte. Aber nicht nur der frühere CDU-Ministerpräsident Baden-Württembergs versuchte, die Wahrheit zu verschleiern.

Plausibel war die Lesart nie, wonach ausgerechnet der robuste Regierungschef, dem der eigene FDP-Justizminister Ulrich Goll den Spitznamen „Mappi-Schnappi, das Krokodil“ verpasst hatte, am 29. September 2010 lammfromm am Tisch in der Villa Reitzenstein gesessen hätte, um der Polizeiführung zu lauschen. Die Situation war angespannt: Durch den immer stärkeren Protest gegen Stuttgart 21 fühlte sich der CDU-Ministerpräsident unter Druck, Stefan Mappus sah sich von den Projektgegnern mit dem „Fehde-Handschuh“ konfrontiert und wollte unbedingt die Wahl im kommenden März gewinnen. Nun mussten die Baumfällarbeiten im Stuttgarter Schlossgarten zur Einrichtung der Megabaustelle beginnen, doch der ursprüngliche Termin um 15 Uhr am 30. September 2010 war durchgestochen worden, die Gegner alarmiert. Um sich informieren zu lassen, „wie man mit dieser Situation umzugehen gedenke, habe ich die zuständigen Ressorts – das Innenministerium für die Polizei, das Umwelt- und Verkehrsministerium als verantwortliches Ministerium für Stuttgart 21 – zu einer Informationsbesprechung in das Staatsministerium eingeladen“, sagt Mappus in seiner Zeugenaussage im Landtag am 22. Dezember 2010. Und weiter: Er habe sich bewusst zurückgehalten und abschließend „nur gefragt, was denn jetzt gemacht wird“.

Nur gefragt? Der parlamentarische Untersuchungsausschuss zum brutalen, völlig aus dem Ruder gelaufenen Polizeieinsatz sollte auch der Frage nachgehen, ob es stattdessen Versuche politischer Einflussnahme auf die Polizeiführung gab. Mappus hatte viele Gründe anzunehmen, dass seine vor dem Ausschuss präsentierte Version halten würde. SPD und Grüne, damals beide in der Opposition, wollten den Ministerpräsidenten gleich zum Auftakt der öffentlichen Vernehmungen Anfang November hören, die Regierungsparteien CDU und FDP setzten mit ihrer Stimmenmehrheit im Ausschuss allerdings durch, dass er erst als letzter in der achten Sitzung an die Reihe kam. Und in die ging er bestens präpariert durch seine Beamten im Staatsministerium (Siehe dazu in dieser Ausgabe auch „Gott sei Dank, Herr Pope“) und durch die Regierungsbeauftragten, die per Gesetz die Ausschussarbeit mitverfolgten, ihn aber regelmäßig mit immer neuen Vermerken und Notizen aus anderen Zeugeneinvernahmen fütterten.

„Die vorgeschlagenen Aussagen sind eine Anregung“

„Drehbücher à la Hollywood“ seien es, die die Beamten erstellten, so der ehemalige Richter Dieter Reicherter, dem vor kurzem Einsicht in die entsprechenden Dokumente des Staatsministeriums gewährt wurde (Kontext berichtete). Das Ziel der Autoren: Dem Chef klarzumachen, dass er seinen Part bei jenem Treffen mit der Polizeiführung harmloser beschreiben kann, als er war. Darunter dieser inzwischen mehrfach zitierte, fett gedruckte „Hinweis für MP“: „Ihr in der Sitzung gemachtes Angebot, ggf. selbst mit verschiedenen MP’s zu sprechen, um zusätzliche Kräfte aus anderen Ländern zu gewinnen, wurde bislang von keinem Zeugen der Besprechung thematisiert“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 8/000034). Das beweist, dass Mappus vor den Abgeordneten eben nicht alles sagte, was er wusste. Zugleich heißt es in den Dokumenten mehrfach: „Die vorgeschlagenen Aussagen sind lediglich eine Anregung. Sie spiegeln den Eindruck der bisherigen Zeugenaussagen wider. Entscheidend für eine wahrheitsgemäße Aussage sind ausschließlich Ihre eigenen Erinnerungen.“ Diese jedenfalls nicht zur Gänze zu bemühen, war Mappus geschmeidig genug.

Drehbücher finden sich in den Akten nicht nur für Mappus. Vom damaligen Stuttgarter Polizeipräsidenten Siegfried Stumpf, gleich zweimal geladen, wird eine Aussage erhofft zur Bestätigung der Leseart, es habe keine politische Einflussnahme gegeben, so eine auf den 28. Oktober datierte Notiz: „Taktisch wäre es in unserem Sinn, wenn PP Stumpf nach Bekanntwerden des ursprünglichen Einsatzbeginns (um die Mittagszeit) bereits im PP Maßnahmen ergriffen hätte, um den Einsatz auf 10.00 Uhr vorzuziehen. (…) Dann wäre klar, dass PP Stumpf seine Linie von Anfang bis Ende durchgehalten hat“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 3/000128). Und in einer auf den 13. November datierten Notiz werden Vorschläge für die bevorstehende Vernehmung von Stumpf noch einmal konkretisiert: „PP könnte ggf. kritische Punkte, die aus den Akten (…) sowieso erkennbar sind, selbst ansprechen, um eine defensive Lage von vornherein zu vermeiden. Bsp.: „Ich hatte mich bereits vor dem Gespräch im Staatsministerium auf einen Einsatzzeitpunkt um 10.00 Uhr festgelegt (…)“ (hier das ganze Dokument, Zitat auf S. 1/000112). In seiner Aussage erinnerte sich Stumpf dann entsprechend.

Zeugen in parlamentarischen Untersuchungsausschüssen werden vor ihrer Aussage belehrt, dass sie die Wahrheit sagen müssen und nichts Erhebliches weglassen dürfen. Und dass auch eine uneidliche Falschaussage strafrechtlich relevant sein kann. Der Kurzzeit-Regierungschef für 13 Monate hätte gute Chancen gehabt, belangt zu werden, wäre seine deutlich aktivere Rolle – besagter Rundruf bei Kollegen in der Republik, um die Notlage zu beschreiben und Polizeikräfte zu erbitten – bei der Besprechung mit der Polizei publik geworden. Schon im Spätsommer 2012 werden im Staatsministerium die Sicherheitskopien von Mails von Mappus entdeckt. Doch dann kämpft er vor Gericht – schlussendlich erfolgreich – um die Löschung. Und fünf Jahre nach der Aussage ist die Sache verjährt.

Der grüne Amtschef und die Mappus-Anwälte

Hier scheint auch nur der Hintergrund Grün und er Orden Braun?

Die Akten, die Dieter Reicherter und der frühere Bruchsaler Grünen-Stadtrat und Transparenz-Spezialist Gert Meisel nach dem Umweltinformationsgesetz (UIG) vor bald zehn Jahren erstmals einzusehen begehrten, sind aber weiter vorhanden. Jedenfalls zeigt eine Mail vom November 2012 an jenen Beamten, der federführend war für die Vorbereitung von Mappus‘ Aussage am 22. Dezember, dass das inzwischen grüngeführte Staatsministerium von dem umfangreichen Material in der Registratur Kenntnis hatte. Im April 2013 wird dem Amtschef Klaus-Peter Murawski sogar vorgeschlagen, mit Mappus‘ Anwälten über Bande zu spielen: Ihnen soll das Einsichtsgesuch gerade mit Blick auf das noch offene Löschungsverfahren in der Erwartung vorgelegt werden, „dass die Anwälte die Herausgabe ablehnen werden“. Auf diese Weise werde „die Position des StM im Verwaltungs- und möglicherweise anschließenden Verwaltungsgerichtsverfahren nochmals stärker abgesichert“. Dabei war damals Reicherter und anderen schon längst bekannt, dass als intern eingestufte Unterlagen rund um den Untersuchungsausschuss aus Mappus´ Regierungszentrale auch an die CDU-Landtagsfraktion weitergeleitet worden waren.

Quelle        :         KONTEXT-Wochenzeitung-online       >>>>>        weiterlesen

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Oben      —     Stefan Mappus spricht auf dem Bundesparteitag der CDU in Karlsruhe

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Unten      —     Klaus-Peter Murawski (rechts) und Winfried Kretschmann, 2021

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Abspaltungstendenzen links

Erstellt von Redaktion am 30. August 2022

Konkurrenzkandidatur zur EU-Wahl?

Noch nicht einmal Manfred Kapluck mit Sarg wurde aufgefahren um die anwesenden Gemüter zu beruhigen. So gab es dann nicht einmal einen freien Sitzplatz für den KV – WAF mit ihrem Lieschen und der langer Schnute.

Von Pascal Beucker

Auf einem Fest der DKP ziehen Noch- und Ex-Abgeordnete der Linken über ihre Partei her. Das Wagenknecht-Lager scheint auf dem Absprung zu sein.

Rückt die Abspaltung des Wagenknecht-Lagers von der Linkspartei näher? Erstmalig hat jetzt einer der prominentesten Vertreter des linkskonservativen Flügels öffentlich eine Konkurrenzkandidatur bei der Europawahl 2024 ins Gespräch gebracht. „Es muss eine Kraft antreten, die diesem Abbruchunternehmen da drüben im Karl-Liebknecht-Haus eine Alternative entgegensetzt“, sagte der frühere Bundestagsabgeordnete Diether Dehm am Sonntag auf einer Veranstaltung in Berlin.

Dehm, der von 2005 bis 2021 dem Bundestag angehört hat, nahm an einer Diskussion im Rahmen des von der DKP organisierten „UZ-Pressefestes“ auf dem Rosa-Luxemburg-Platz teil, an den die Parteizentrale der Linken grenzt. Die Frage einer Alternativkandidatur sei „der weiße Elefant im Raum“, sagte der 72-jährige Musikproduzent, der als einer der treuesten Anhänger Sahra Wagenknechts gilt, in seinem Redebeitrag aus dem Publikum. Er hoffe auf ein „breites Bündnis“ für die Europawahl – unter Einschluss der DKP. Die Kleinpartei, die bis heute der DDR nachtrauert, war früher moskau- und ist heute mehr pekingorientiert.

Vom Podium der gut besuchten Veranstaltung, in der es laut Ankündigung über „die Perspektiven der Linkskräfte in Zeiten von Krieg und Krise“ gehen sollte, erntete Dehm keinen Widerspruch. Das ist bemerkenswert, weil dort neben dem DKP-Chef Patrik Köbele unter anderem die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dağdelen und ihr Ex-Fraktionskollege Wolfgang Gehrcke saßen. Beide wiesen Dehms Vorstoß nicht etwa offensiv zurück, sondern ließen stattdessen an ihrer (Noch-)Partei kein gutes Haar.

So empörte sich Gehrcke darüber, dass die Linkspartei es abgelehnt hatte, der DKP Räume im Karl-Liebknecht-Haus für ihr Fest zu vermieten. Das finde er „eine Schande“, sagte der 78-Jährige. „Ich schäme mich dafür.“ Für ihn passt das ins Gesamtbild: „Ich finde, die Politik der Linken ist auf der schiefen Bahn und die schiefe Bahn ist mit Schmierseife poliert“, sagte Gehrcke, der 2007 zu den Grün­de­r:in­nen der Linken gehörte und lange im Parteivorstand saß.

So verbinde ihn mit dem Thüringer Ministerpräsidenten Bodo Ramelow nichts mehr, sie seien nur noch „zufälligerweise in einer Partei, ansonsten rutscht er mir den Buckel runter“. Die heutigen Linken-Parlamentarier:innen rief Gehrcke, der 2017 aus dem Bundestag ausgeschieden ist, auf: „Brecht die Fraktionsdisziplin der Linken, wenn sie weiter auf einen Pro-Nato-Kurs und Pro-Kriegskurs einschwenkt.“

Gehrcke: „Brutale Hetze gegen Russland“

Unter Zustimmung des Publikums machte er für den Überfall Russlands auf die Ukraine die USA und die Nato verantwortlich. Der Krieg sei „vom Zaune gebrochen worden“, weil diese die Sicherheitsinteressen von Russland und China nicht hätten anerkennen wollen. „Das ist der reale, tatsächliche Hintergrund des Krieges“, zeigte sich Gehrcke überzeugt – und beklagte eine „brutale Hetze gegen Russland“.

Fraktion vor Ort in Bochum (8404145869).jpg

Entgegen der Beschlusslage ihrer Partei sprach sich Sevim Dağdelen grundsätzlich gegen die verhängten Sanktionen gegen Russland aus. Denn es gäbe laut UN-Charta nur ein Gremium, „das befugt ist, Sanktionen völkerrechtskonform zu beschließen, und das ist der UN-Sicherheitsrat“. Daher seien nicht von ihm beschlossene Sanktionen völkerrechtswidrig. „Wenn Rechts als Hauptfeind China und Russland ausgemacht hat, dann denke ich, sollten Linke da besser aufpassen, dass sie sich nicht zu Instrumenten der Rechten machen“, sagte Dağdelen. „Unser Feind sind weder Russland noch China, unser Feind steht im eigenen Land.“

Quelle        :          TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Bundesparteitag DIE LINKE Mai 2014 in Berlin, Velodrom Diether Dehm

Autor   :   Blömke/Kosinsky/Tschöpe

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Unten        —       Bundestagsfraktion solidarisch mit Opelanern von Bochum

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EnBW, LBBW und Flüssiggas

Erstellt von Redaktion am 29. August 2022

Wahnsinnsgeschäfte mit Fracking

Von Jürgen Lessat

Der Karlsruher Energieversorger EnBW kauft in den USA Fracking-Flüssiggas (LNG) in rauen Mengen. Für deren Verschiffung braucht es im fernen Louisiana ein milliardenschweres LNG-Terminal, das die Landesbank Baden-Württemberg mitfinanziert. Unter den Augen der grün geführten Landesregierung torpedieren zwei öffentliche Unternehmen den Klimaschutz.

Mit Sekundenkleber und Bauschaum kleben sich seit Jahresbeginn jugendliche Klimaaktivist:innen auf Straßen fest, um wirksamen Klimaschutz zu erzwingen. Ziviler Ungehorsam, der die Gemüter erhitzt: Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte vor gezielten Attacken auf den Energiesektor. „Von Autobahnblockaden halte ich mal gar nichts. Das sind schwere Rechtsverletzungen, die man nicht rechtfertigen kann“, sagte Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Von „Klima-Terrorismus“ spricht gar die konservative FAZ.

Ganz anders sieht dies der UN-Generalsekretär: „Klimaaktivisten werden manchmal als gefährliche Radikale dargestellt. Doch die wirklich gefährlichen Radikalen sind die Länder, die die Produktion fossiler Brennstoffe ausweiten. Investitionen in neue Infrastrukturen für fossile Brennstoffe sind moralischer und wirtschaftlicher Wahnsinn“, twitterte António Guterres Anfang April an seine 1,8 Millionen Follower.

Wenn es nach Guterres geht, treiben diesen Wahnsinn ausgerechnet zwei Konzerne aus Baden-Württemberg voran, die unter Aufsicht der grün geführten Landesregierung von Ministerpräsident Kretschmann stehen: Der Karlsruher Energieversorger EnBW und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) in Stuttgart.

Die EnBW AG, an der das Land und mehrere oberschwäbische Landkreise die Aktienmehrheit halten, ist über ihre Leipziger Tochtergesellschaft VNG Handel & Vertrieb GmbH (VNG H&V) einer der größten Player auf dem deutschen Gasmarkt. Im ersten Halbjahr 2022 bezog die EnBW nach eigenen Angaben Erdgas im Wesentlichen über Lieferverträge aus Norwegen und Russland sowie vom europäischen Großhandelsmarkt. VNG H&V hielt zwei Gaslieferverträge, die von Liefereinschränkungen aus Russland betroffen sind. Einen weiteren Vertrag mit dem russischen Lieferanten Novatek beendete die EnBW im April „einvernehmlich vorzeitig“. „Nicht nur vor diesem Hintergrund haben wir uns verstärkt bemüht, unsere Bezugsquellen für Gas deutlich zu diversifizieren“, sagt die EnBW.

Neben konventionellem Erdgas versucht der Konzern seitdem an große Mengen LNG zu kommen. Die Buchstaben stehen für Liquefied Natural Gas, übersetzt Flüssiggas. Es soll Europa über den Winter retten, nachdem Russland den Gashahn immer weiter zudreht. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) klapperte dafür die wichtigsten Erdgas-Exportländer ab. In Windeseile organisierte er auch vier schwimmende LNG-Terminals, an denen Tankschiffe Import-Gas in Binnenpipelines einspeisen können. Bereits zum Jahreswechsel sollen die ersten beiden Anlagen in Wilhelmshaven und Brunsbüttel in Betrieb gehen.

Am 16. August sicherten die Energieversorger Uniper, RWE und EnBW Habeck in einem „Memorandum of Understanding“ die Belieferung der beiden Terminals zu. Vorgaben, woher die Konzerne das LNG importieren, gibt es nicht. Mögliche LNG-Lieferungen würden lediglich „politisch flankiert“, hieß es seitens der Regierung auf eine parlamentarische Anfrage. Die EnBW-Pressestelle teilt mit, dass es „für Fragen zur Beschaffung im Kontext dieser noch auszuarbeitenden Verträge noch zu früh“ sei.

Allerdings hat die EnBW bereits im Juni zwei Abnahmeverträge mit dem US-Unternehmen Venture Global LNG abgeschlossen. Das Gesamtvolumen der LNG-Mengen beträgt 1,5 Millionen Tonnen pro Jahr, die ab 2026 je zur Hälfte aus den Venture Global LNG-Anlagen Plaquemines und Calcasieu Pass 2 bezogen werden. Angeliefert wird das US-Flüssiggas vermutlich über das geplante LNG-Terminal Hanseatic Energy Hub (HEH) in Stade, das ebenfalls in 2026 mit einer jährlichen Kapazität von 12 Milliarden Kubikmetern Gas in Betrieb gehen soll. Diese Menge entspricht rund zehn Prozent des derzeitigen deutschen Bedarfs. Bereits im März hat die EnBW eine entsprechende Absichtserklärung mit dem HEH unterzeichnet, dessen Gesellschafter der belgische Gasinfrastrukturbetreiber Fluxys, der schweizerische Vermögensverwalter Partners Group, der Logistikkonzern Buss-Group des Hamburger Unternehmers Johann Killinger sowie der US-Chemiekonzern Dow sind.

EnBW wird viel mehr Gas importieren als nötig

Auffallend an den Lieferverträgen mit Venture Global LNG ist die lange Vertragsdauer von 20 Jahren: Noch bis ins Jahr 2046 bezieht die EnBW demnach große Mengen fossiles Erdgas, obwohl Deutschland laut Klimaschutzgesetz bis spätestens 2045 klimaneutral sein soll. Baden-Württemberg, das Heimatland des Versorgers, will sogar schon im Jahr 2040 netto keine Treibhausgase mehr emittieren. Klimaschützer:innen kritisieren, dass langfristige LNG-Lieferungen das Pariser Klimaabkommen gefährden. Nach Berechnungen der Deutschen Umwelthilfe (DUH) würden die aktuell geplanten LNG-Terminals hierzulande mit 2,1 Gigatonnen CO2 drei Viertel des Restbudgets aufzehren, das Deutschland zur Einhaltung des Pariser Klimalimits bleibt. „Die geplanten Importkapazitäten sind weit höher als der Anteil russischen Gases, der, wenn überhaupt, ersetzt werden müsste“, kritisiert die DUH. Verschärfend kommt hinzu, dass die LNG-Tanker im EnBW-Auftrag Fracking-Gas herankarren. „Wir haben in den Gesprächen mit Venture Global explizit darauf hingewiesen, dass wir eine Minimierung des Anteils aus unkonventionellem Fracking wünschen und dies unter anderem durch den Einsatz innovativer Technologien von VG erwarten“, teilt ein EnBW-Sprecher auf Anfrage mit. Doch dies dürfte ein frommer Wunsch bleiben.

„Grundsätzlich handelt es sich bei LNG um Erdgas und damit um einen fossilen Brennstoff, der bei seiner Verbrennung CO2-Emissionen freisetzt“, schreibt die EnBW im eigenen Internet-Blog. Zwar würden diese im Vergleich zu anderen fossilen Energieträgern wie Kohle und Erdöl „deutlich geringer und damit klimaschonender“ ausfallen. „Doch ein Problem bei LNG ist, dass die Herstellung von der Reinigung des Rohgases bis zur Verflüssigung, die Kühlung und der Transport bis hin zur Regasifizierung an den LNG-Terminals selbst einen hohen Energiebedarf aufweisen“, heißt es korrekterweise. Damit Erdgas flüssig wird, muss es auf −162 °C abgekühlt werden. Die Kältemaschinen verbrauchen dafür bis zu 25 Prozent des Heizwerts des Erdgases. „Dadurch fallen mehr CO2-Emissionen an als beispielsweise beim Transport über Erdgas-Pipeline“, so der EnBW-Blog.

„Ein weiterer Faktor in der Klimabilanz ist die Herkunft von LNG“, heißt es weiter im Blog. LNG wird hauptsächlich in den USA, Australien und Katar gefördert. Australisches Flüssiggas stammt zum Großteil aus Erdgas, das beim Abbau von Kohle freigesetzt wird. In Katar wird es direkt aus dem Boden unter dem Persischen Golf gewonnen. US-Unternehmen fördern Gas zur Herstellung von LNG vor allem durch Fracking. „Die Methode ist aber mit größeren Auswirkungen auf die Umwelt und Emissionswerten als in Katar oder Australien verbunden“, betont der EnBW-Blog. 2019 ermittelte eine Kurzstudie im Auftrag des Umweltbundesamts, dass im Vergleich zu russischem Pipeline-Gas bei LNG aus den USA die 1,5-fache Menge an Treibhausgasen entsteht.

Beim Fracking eingesetzte Chemikalien sind teils hochgiftig und gefährden Grundwasser und Gesundheit der Bevölkerung. Umweltrelevant ist auch der hohe Wasserverbrauch. Aus aufgegebenen Bohrungen entweicht das besonders klimaschädliche Methan, wie Umweltschützer:innen nachwiesen. Die US-Fracking-Hochburgen in Louisiana und Texas am Golf von Mexico, wo sich Bohrloch an Bohrloch reiht, ähneln Mondlandschaften. Aus all diesen Gründen gibt es im dichtbesiedelten Deutschland ein Fracking-Verbot – das die Ampel-Partei FDP sowie die Springer-Medien „Bild“ und „Welt“ gerade in Frage stellen.

Neben der EnBW sicherten sich auch polnische, spanische, britische, französische und italienische Versorger große Mengen Flüssiggas bei Venture Global LNG. Damit stießen die Konzerne die bislang größte Investition in fossile Energieinfrastruktur weltweit in diesem Jahr an. Der Grund: Das Plaquemines-Terminal muss erst noch gebaut werden. Die Kosten inklusive einer dazugehörigen Pipeline beziffert Venture Global auf 13,2 Milliarden US-Dollar. „Zu den Kreditgebern für die Projektfinanzierung gehören die weltweit führenden Banken auf mehreren Kontinenten“, verkündete das Unternehmen Ende Mai stolz. Geld geben auch hiesige Institute: die Deutsche Bank in Frankfurt und die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) aus Stuttgart.

Die LBBW stellt sich selbst als nachhaltig dar

Für die im öffentlichen Besitz befindliche LBBW – Träger sind das Land Baden-Württemberg, der baden-württembergische Sparkassenverband sowie die Landeshauptstadt Stuttgart – könnte das Engagement noch zum Bumerang werden. Denn gebetsmühlenhaft beteuert die Bank, nachhaltig zu arbeiten. „Die LBBW bekennt sich zu den Social Development Goals der UN sowie zum Pariser Klimaabkommen“, betont sie. „Wir leisten einen aktiven Beitrag für den Übergang von einer treibhausgasintensiven zu einer emissionsarmen Wirtschaftsweise.“ Dazu „richten wir unsere Kredit- und Investmentportfolien entsprechend den Zielen des Pariser Abkommens bis 2050 klimaneutral aus“ – so die allerdings großzügige Einschränkung.

Quelle        :       KONTEXT-Wochenzeitung-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben      —     Protest gegen BioMOre bei Deschka

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Spähtrupp – Bundespolizei:

Erstellt von Redaktion am 22. August 2022

Kleinste Mücken und riesige Elefanten im Villenviertel

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Botschaft von Kuwait in Berlin-Grunewald, Griegstraße 5-7.

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von        :         

Das „Quartiersmanagement Grunewald“ wehrt sich gerichtlich gegen eine Überwachungsmaßnahme der Bundespolizei. Die hatte die An- und Abreisewege zu einer satirischen Versammlung gefilmt. Ob das mit dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit vereinbar ist, wird am Montag verhandelt. Wir sprechen mit einer der Organisatorinnen.

Die Bundespolizei filmte in Berlin am 1. Mai 2019 heimlich alle an- und abreisenden Teilnehmer einer Satire-Demo. Gegen diese Videoüberwachung klagte im Jahr 2020 beim Berliner Verwaltungsgericht das „Quartiersmanagement Grunewald“, das die Proteste organisiert hatte.

Das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) unterstützte die Klage treuhänderisch, um die Prozesskosten abzufedern. Das „Quartiersmanagement Grunewald“ veranstaltet bereits seit 2018 Demonstrationen im Berliner Viertel Grunewald.

Diesen Montag findet die mündliche Verhandlung beim Verwaltungsgericht Berlin statt. Ob diese Form der Überwachung rechtens oder wegen ihrer einschüchternden oder gar abschreckenden Wirkung auf Demo-Teilnehmer unrechtmäßig war, wird nun das Gericht bewerten.

Frauke Geldher beantwortete unsere Fragen. Sie ist im satirischen „Quartiersmanagement Grunewald“ aktiv.

Hintergrund: Ungleichverteilung von Vermögen

 

Frauke Geldher: Das Quartiersmanagement Grunewald kümmert sich seit 2018 um den Problemkiez Grunewald, das Villenviertel im Berliner Südwesten. Die Villenkolonie hat sämtlichen Kontakt zur Realität verloren, lebt dort isoliert als Parallelgesellschaft und gefährdet so den sozialen Frieden im Rest der Stadt. Wir kümmern uns!

Wir versuchen, die Reichen wieder in die Gesellschaft zu re-integrieren, durch Sozialarbeit. Also beispielsweise machen wir „Hausbesuche“: Wir gehen einfach mal vorbei und schauen über den Gartenzaun und suchen die Begegnung – nicht nur, aber vor allem jedes Jahr am 1. Mai., zusammen mit einem Team aus Tausenden autonomen Sozialarbeiter:innen.

netzpolitik.org: Welche politischen Ziele stehen dahinter?

Frauke Geldher: Hintergrund ist die extreme Ungleichverteilung von Vermögen und die Tatsache, dass bei Krisen sehr viel umverteilt wird, aber leider immer weiter von unten nach oben. Wir wollen das umdrehen: Umverteilung von oben nach unten. Den Gini-Koeffizienten weg von der Eins, hin zur Null drücken. Dafür gibt es ja politische Antworten – Vermögenssteuer, Erbschaftsteuer, Übergewinnsteuer etc.

Wir brauchen dringend eine Debatte über all das. Über Armut wird viel geredet, Reichtum bleibt diskret. Darum gehen wir immer wieder in den reichen Problemkiez und sagen: „Ihr seid Teil des Problems, ihr müsst auch Teil der Lösung sein!“

Ein Vorzug, warum wir immer wieder ins Villenviertel gehen, ist die Offensichtlichkeit. Die Verhältnisse kriegt man da um die Ohren gehauen. Während beispielsweise Sticker in Berlin-Kreuzberg zum Alltag gehören, reagiert im Grunewald die Polizei nach komplett anderen Maßstäben und ermittelt wegen Landfriedensbruch. Wegen eines angebrachten Stickers! Sozioökonomische Ungleichheit wird so auf unseren Demos „erfahrbar“.

netzpolitik.org: Die Bundespolizei hat das Geschehen vor und während der Demo systematisch gefilmt und soll die Daten gespeichert gehaben. Was war die Begründung dafür?

Frauke Geldher: Zum 1. Mai 2019 hat die Bundespolizei mehrere Kameras im Bahnhof Grunewald installiert. Der infrastrukturell schwache Problemkiez ist auch in Sachen ÖPNV nicht gut an die Stadt angebunden. Der Bahnhof Grunewald ist eine der wenigen Möglichkeiten anzureisen. So filmte die Polizei also praktisch alle Versammlungsteilnehmer:innen kurz vor der Ankunft am Versammlungsort ab. Aus unserer Sicht ist das ein schwerwiegender Eingriff in das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit. Die Aufnahmen wurden für fünfzehn Tage gespeichert.

Im Voraus oder während der Versammlung begründete die Polizei die Filmerei gar nicht. Im Nachgang baten wir den Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit, den Vorgang zu prüfen. Als Begründung führte die Polizei dann eine mögliche Überfüllung des Bahnhofs durch die anreisenden Personen an – ein Umstand, dem wohl kaum durch eine umfassende Videoüberwachung beizukommen sein dürfte.

Schutz durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit

netzpolitik.org: Ihr wehrt euch gerichtlich gegen die Überwachungsmaßnahmen. Mit welchen Argumenten?

Frauke Geldher: Auch An- und Abreisewege zu Versammlungen sind durch das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit geschützt. Das heißt: Wie auf der Versammlung selbst darf die Polizei auch während der An- oder Abreise nicht einfach Videoaufnahmen von den Teilnehmenden anfertigen. Schon die Präsenz einer Kamera ist ein Umstand, der Protestierende davon abhalten kann, von der Teilnahme an der Versammlung oder folgenden abzusehen. In Zeiten automatisierter Gesichtserkennung gleicht das Abfilmen einer Demo dem potenziellen Anfertigen einer Teilnehmendenliste. Das geht gar nicht.

Was im Laufe des Verfahrens ans Tageslicht kam, ist skandalös. Es entsteht der starke Eindruck, dass die Intention der Polizei eine gänzlich andere war, als sie offiziell verlauten lässt – nämlich das von uns befürchtete Registrieren der Teilnehmenden für eine mögliche spätere Registrierung und/oder Strafverfolgung. Dies ergibt sich beispielsweise aus dem Umstand, dass der Zeitpunkt der Löschung der Aufnahmen vom Verlauf des Einsatzgeschehens im gesamten Stadtgebiet abhängig gemacht werden sollte. Oder dass die Bundespolizei im Nachgang die Berliner Polizei anfragte, ob sie die Aufnahmen weiterverwenden mag.

Weiterhin wurden explizit dreh- und schwenkbare Kameras mit Zoom-Funktion für den Einsatz geplant – vollkommen unnötig, um Übersichtsaufnahmen anzufertigen. Außerdem fand bei der Polizei im Voraus keine Abwägung statt, ob mildere Mittel in Frage kommen, um das offiziell erklärte Ziel des Einsatzes zu erreichen. Eine solche Verhältnismäßigkeitsprüfung ist eigentlich vorgeschrieben und hätte ergeben, dass man genauso gut eine:n Polizist:in auf dem Bahnsteig hätte postieren können, statt alle Anreisenden abzufilmen. Dass dies noch nicht mal in Erwägung gezogen wurde, kritisierte auch der Bundesdatenschutzbeauftragte.

netzpolitik.org: Warum unternehmt ihr die Anstrengung, gegen den Vorgang zu klagen? Schließlich gibt es auch viel gravierendere Eingriffe in die Versammlungsfreiheit, etwa bei Polizeigewalt.

Frauke Geldher: Das ist richtig, es gibt viel brutalere Angriffe auf die Versammlungsfreiheit und auf Protestierende. Dennoch ist unsere Klage wichtig: Der Vorgang zeigt, dass die Polizei ihre Kompetenzen auch subtil und im Verborgenen immer wieder überschreiten wird, wenn man ihr nicht genauestens auf die Finger schaut. An diesen Übergriffen gilt es sie aktiv zu hindern – sie sind Teil eines strukturellen Polizeiproblems.

Villa Konschewski, Gemälde von Oskar Kaufmann, 1923

Darüber hinaus ist es ein Novum, dass Kameras eigens installiert werden, um Teilnehmende vor der Anreise zu filmen. Dazu gibt es bisher keine Rechtsprechung. Wir hoffen also auch, mit dem Verfahren ein Grundsatzurteil zu erstreiten, damit sowas in Zukunft nicht mehr vorkommt.

„Absurde“ Kontrollen

netzpolitik.org: Wie sahen die „verdachtsunabhängigen“ Personenkontrollen praktisch aus?

Frauke Geldher: 2019 waren die Kontrollen absurd. Der S-Bahnhof Grunewald war sehr voll, ca. 8.000 Personen waren zu unserer Demo angereist. Speziell ist an dem S-Bahnhof ein relativ langer Tunnel, der zum Vorplatz führt. Dieser wurde durch die Polizei abgeriegelt, so dass sich die Menschen stauten und einige Personen schon Love-Parade-Assoziationen bekamen. Gerade für Kinder – unsere Demo ist explizit familienfreundlich – war dieser Spießrutenlauf sehr bedrohlich.

Die Polizei durchsuchte willkürlich Teilnehmer:innen und erteilte für das Mitführen harmlosester Sticker Platzverweise. Viele Personen wurden zur Identitätsfeststellung in einer extra auf dem naheliegenden Supermarktparkplatz aufgebauten Bearbeitungsstraße lange festgehalten – unter anderem ein Redner, der sich wegen einer Kinder-Bastelschere mit runden Ecken mit dem Tatvorwurf der Bewaffnung auseinandersetzen musste. Insgesamt wurde quasi nichts gefunden, aber um den absolut überzogenen Polizeiaufwand zu rechtfertigen, hat die Polizei aus den kleinsten Mücken riesige Elefanten gemacht.

netzpolitik.org: Sind Protestformen wie die aufgeführte Oper „Grunewalddämmerung“ oder auch die Interventionen genauso geschützt wie politische Demonstrationen?

Frauke Geldher: Rechtlich sind auch Aktionen wie die Oper genauso geschützt, da es Versammlungen sind. Das Recht sich zu versammeln ist im Grundgesetz in Artikel 8 festgeschrieben und wird in Berlin durch das kürzlich neu gefasste Versammlungsfreiheitsgesetz ausgeführt. Die Rechtsgrundlagen und der Schutz sind also die gleichen – soweit die Theorie.

Man kann sagen, die Polizei reagierte von Anfang an alarmiert und allergisch, als wir angefangen haben, im Grunewald zu protestieren. Es gab viel politischen Druck, dass da nichts passieren darf. Mittlerweile haben sie nur noch Angst vor der unübersichtlichen Lage am 1. Mai, weshalb sie jedes Jahr den Bezirk komplett abriegeln. Selbst im Corona-Jahr, in dem wir mit nur zwanzig Leuten einen Autokorso gemacht haben, war jede noch so kleine Nebenstraße mit Polizeieinheiten abgesperrt.

Andere kleinere Aktionen außerhalb des 1. Mai wie die Oper „Grunewalddämmerung“ werden entspannter gesehen. Da hatten wir eher Probleme mit Pöbeleien seitens der Villenbesitzer. Wir sind aber gespannt, wie die Stimmung weitergeht. Wir planen auch Aktionen zum Heißen Herbst der Sozialproteste. Insgesamt könnte die Stimmung wütender und die Reaktionen demnach repressiver werden.

netzpolitik.org: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen!

Offenlegung: Constanze Kurz ist Mitglied des Beirats des FIfF.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben     —     Heute die kuwaitische Botschaft

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Mappus‘ Manipulationen

Erstellt von Redaktion am 20. August 2022

StaMi-Akten zu Stuttgart 21

Ganz genau so geht die Politik der Specknacken !

Von Johanna Henkel-Waidhofer und Oliver Stenze

Erst jetzt eingesehene Dokumente zur S-21-Schlichtung und zum ersten Untersuchungsausschuss zum „Schwarzen Donnerstag“ belegen, wie manipulativ die Regierung Mappus Ende 2010 vorgegangen war. Die grüngeführten Regierungen ab 2011 hätten für Aufklärung bei den massiven Täuschungen und Tricksereien sorgen können. Stattdessen führte ihre Blockade zur strafrechtlichen Verjährung.

Winfried Kretschmann wollte 2011, als neuer grüner Regierungschef in Baden-Württemberg, nicht das letzte Hemd hergeben, um Stuttgart 21 zu verhindern. Hätte er aber auch gar nicht müssen, wie jetzt nach langem Rechtsstreit freigegebene Akten aus CDU-Zeiten zeigen: Zuerst tricksten mit allen Mitteln die Projektfans im Staatsministerium seines Vorgängers Stefan Mappus, dann kamen die Grünen und deckten zu viele der Machenschaften.

Einen einzigen Ordner zu suchen und zu finden hätte gereicht. Jetzt wurden Dieter Reicherter Unterlagen, einmal 133 und einmal fünf Seiten, fortlaufend paginiert, im Staatsministerium in der Villa Reitzenstein vorgelegt. Der frühere Richter am Landgericht bekam in den ersten Augusttagen nicht zum ersten Mal Akteneinsicht, diesmal aber auch in Papiere, die er bereits Ende 2012 sehen wollte, und für deren Veröffentlichung er seit 2014 vor Gericht stritt. Die aber wollte das grüngeführte Staatsministerium über vier Instanzen bis hinauf zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) verhindern, die Deutsche Bahn dabei immer mit im Boot. Letztlich erfolglos.

Reicherter und sein Team kämpfen für viele Betroffene des „Schwarzen Donnerstags“, des brutalen Polizeieinsatzes gegen S-21-Gegner am 30. September 2010. Und dafür, dass belegt werden kann, was schon immer plausibel schien: Die Regierung Mappus hat nicht nur auf den Polizeieinsatz Einfluss genommen, sondern auch auf dessen Aufarbeitung in einem Untersuchungsausschuss, bei dem der MP zwei Tage vor Weihnachten 2010 als Zeuge geladen war. Dort wollten Mappus‘ Berater:innen nichts anbrennen lassen, ebenso wenig bei Heiner Geißlers S-21-Faktencheck, der sogenannten Schlichtung.

Drehbücher à la Hollywood

Den einen, den größeren Teil der nun eingesehenen Akten bezeichnet Reicherter als „Drehbücher à la Hollywood“ für den ersten parlamentarischen Untersuchungsausschuss zum Polizeieinsatz, der zweite befasst sich mit der Schlichtung.

Für den Untersuchungsausschuss, das zeigen die Dokumente, hat sich Mappus offenbar ungeniert auf Basis der Aussagen schon gehörter Zeug:innen präparieren lassen. Viele Aussagen zum Ablauf der Besprechung am Vorabend des Polizeieinsatzes waren darauf angelegt, die Rolle des Regierungschefs herunterzuspielen. Auf Seite 34 in der Aufstellung vieler Vermerke, Notizen, Faxe oder Vorschläge heißt es fett gedruckt: „(Hinweis für MP: Ihr in der Sitzung gemachtes Angebot, ggf. selbst mit verschiedenen MPs zu sprechen, um zusätzliche Kräfte aus anderen Ländern zu gewinnen, wurde bislang von keinem Zeugen der Besprechung thematisiert).“ Mappus beteuerte aber im Zeugenstand, operativ nichts mit dem Einsatz zu tun gehabt zu haben. Das Dokument belegt also, dass er vor dem parlamentarischen Gremium der Verpflichtung nicht nachgekommen ist, wahrheitsgemäß auszusagen und nicht Relevantes wegzulassen.

Und hier kommt nun die ab Mai 2011 grüngeführte Regierung ins Spiel. Bis 2015 hätte Kretschmanns Vorgänger möglicherweise wegen uneidlicher Falschaussage strafrechtlich belangt werden können – hätte das Staatsministerium die Akten nicht bis zuletzt gemauert. Doch nun ist die Sache verjährt.

Ins Spiel kommen die Grünen auch in ganz besonderer Weise bei der Schlichtung. Alles sollte auf den Tisch, das war die Devise von Heiner Geißler, und alle sollten an den Tisch. Auch der heutige Ministerpräsident. Aus den jetzt eingesehenen Akten geht aber hervor, dass und wie im Herbst 2010 in der Zentrale der CDU/FDP-Landesregierung völlig ungeniert strategische und taktische Überlegungen angestellt wurden, den Beratungen im Stuttgarter Rathaus längst bekannte Verbesserungsvorschläge als neue Ideen unterzujubeln.

„Nachsteuern im Windschatten des Schlichterspruchs“

Deren Notwendigkeit war nach außen immer geleugnet, intern aber schon eingeräumt worden bei diskreten Gesprächen zwischen Bahn und Projektträgern. „Das S-21-Konzept hat in Einzelpunkten Eng- und Schwachstellen (z.B. 2. Gleis Flughafen, Rohrer und Wendlinger Kurve)“, heißt es wörtlich in einer vertraulichen Notiz vom 10. November 2010, „bei denen ein Nachsteuern ‚im Windschatten‘ des Schlichterspruchs vorteilhaft sein könnte.“

In einer zweiten Aktennotiz 13 Tage später wird das weitere Vorgehen orchestriert. Offensichtlich beerdigt werden mussten die Versuche, den Schlichterspruch heimlich und allein zwischen Befürwortern und Geißler „vorab“ abzustimmen. O-Ton: „Dr. Geißler legt Wert auf seine Unabhängigkeit. Deshalb gibt es auf Arbeitsebene keine Möglichkeit, das Schlichtungsergebnis unmittelbar zu beeinflussen.“ So wurden höhere Ebenen angepeilt. Etwa ein Forschungsprojekt „Große Infrastrukturvorhaben“, das an den Politikprofessor Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim vergeben werden könnte. Oder eine Enquête-Kommission, die zur gesellschaftlichen Partizipation an politischen Entscheidungen arbeiten könnte, wenn auch erst „in der kommenden Legislaturperiode“.

In der jedoch regierten die Grünen zusammen mit den Sozialdemokraten und dem großen Versprechen von einem substanziellen Neuanfang („Der Wechsel beginnt“). Kretschmann zog in die Villa Reitzenstein ein und mit ihm das Ziel, der Bürgerschaft auf Augenhöhe zu begegnen. Also hätte er alles daran setzen müssen, die dunklen Aktenecken auszuleuchten.

Wer sich nie in politischen Posten einkaufte – grunzte auch nicht mit den Schweinen.

Zwar war der grüne MP Projektbefürworter:innen aus der SPD in die Falle gegangen und hatte sich mit dem Sozialdemokraten Peter Friedrich als Minister im Staatsministerium einen Aufpasser im eigenen Haus zur Seite stellen lassen. Auch die neue graue Eminenz in der Villa Reitzenstein, der Amtschef Peter Murawski, hatte sich nicht eben als Stuttgart-21-Kritiker und vor allem -Kenner hervorgetan. Aber Kretschmann wusste wie viele andere führende Grüne seit Jahren um die diversen Defizite des Tiefbahnhofs – und wusste deshalb sicher, wo er hätte suchen lassen können.

Frühere Akteneinsicht hätte Aus für S 21 sein können

Quelle       :        KONTEXT-Wochenzeitung        >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —       Stefan Mappus (* 4. April 1966), 2010 – 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg

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Unten      —           Winfried Kretschmann u. Winfried Aßfalg bei der Verleihung des Verdienstordens des Landes Baden-Württemberg am 23. April 2016 (seit 2016 in Form eines stilisierten Kreuzes)

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Tödliche Staatsgewalt

Erstellt von Redaktion am 19. August 2022

Polizist erschießt Teenager

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Aus Dortmund Nordstadt von Aaron Wörz

Vor 11 Tagen tötete ein Polizist in Dortmund den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé. Wer war der Junge aus dem Senegal? Und wie kam es zu seinem Tod?

Wäre die Dortmunder Nordstadt ein Lied, dann wäre das Heulen der Polizeisirene ihre Melodie. Alle paar Minuten rast in dem Stadtteil ein Streifenwagen um die Ecke. Vorbei an Kiosken, Imbissen und vollgesprayten Gründerzeitfassaden. Ein kurzer Blick weg vom Handy, ein langsames Kopfdrehen – mehr Aufmerksamkeit schenken die Be­woh­ne­r:in­nen den Be­am­t:in­nen gewöhnlich nicht.

Das Lied ist abgedroschen, die An­woh­ne­r:in­nen kennen es zu gut: Im Vorjahr wurden in der Nordstadt mehr als 14.000 Straftaten von der Polizei registriert. Dortmund ist, das sagt zumindest die Kriminalstatistik, die gefährlichste Stadt im Ruhrgebiet.

Seit 2016 gibt es eine eigene „Ermittlungskommission Nordstadt“. In dem Stadtteil werden harte Drogen verkauft, es gibt oft Stress: Unter Konsument:innen, unter Dealer:innen. Kameras überwachen deshalb ganze Straßenzüge in dem Viertel, 24 Stunden am Tag. Die ständige Polizeipräsenz ist, ob von den knapp 60.000 Be­woh­ne­r:in­nen erwünscht oder nicht, ziemlich normal in der Nordstadt.

Auch der Polizeieinsatz, über den seit vorvergangenem Montag bundesweit diskutiert wird, findet zuerst keine besondere Beachtung. Ohne Sirenen, so berichten es mehrere An­woh­ne­r:in­nen vier Tage später der taz, rücken am 8. August zwölf Po­li­zis­t:in­nen um kurz vor halb fünf in die Missunder Straße aus. Erst das Rattern einer Maschinenpistole schreckt die Nachbarschaft auf: Das ist kein normaler Einsatz.

An dem heißen Sommernachmittag werden insgesamt sechs Schüsse im Innenhof einer Wohngruppe für Jugendliche abgefeuert. Fünf davon treffen ihr Ziel: Den 16-jährigen Mouhamed Lamine Dramé.

Die Polizei schreibt am selben Abend, der Geflüchtete habe die eingesetzten Be­am­t:in­nen mit einem Messer angegriffen, woraufhin ein Polizist das Feuer eröffnete. Die Projektile treffen den jungen Senegalesen in den Bauch, den Arm, in die Schulter, am Hals und im Gesicht. Die Reanimationsversuche im Krankenhaus bleiben ohne Erfolg.

Es ist die Art, wie Mouhamed getötet wird, weshalb die Empörung über seinen Tod weit über die Stadtgrenzen von Dortmund hinaus schwappt. So brutal sich die Beschreibung des Polizeieinsatzes liest, so drängender stellen sich viele Menschen hinterher die Frage: Wieso endete der Einsatz so schonungslos tödlich für den Teenager?

Die Suche nach einer Antwort beginnt an dem Ort, an dem die Schüsse fielen. Vier Tage nach dem Tod von Mouhamed flattert erneut Absperrband in der Missunder Straße. Zwei Polizeiwagen versperren ankommenden Autos die Zufahrt. Mit einer Drohne und Kameras vermisst die Kriminalpolizei Recklinghausen den Tatort.

Ein schüchternen Teenager

Auf dem Gehweg vor dem Hof, in dem Mouhamed starb, erinnern Blumen und Trauerkerzen an den Getöteten. Immer wieder halten Pas­san­t-in­nen an, darunter viele Kinder aus dem Viertel. Sie tuscheln und zeigen mit dem Finger in den Hof.

Auslandsinstitut

Nur ein paar Meter vom Tatort entfernt lehnt Zoran Licic an einer Hauswand. Der 58-Jährige, ein kleiner Mann im Unterhemd, vergilbte Tattoos an seinen dürren Armen, wohnt seit mehr als 20 Jahren in der Nordstadt. Seine Erdgeschosswohnung grenzt direkt an den Hof der katholischen Jugendeinrichtung. Im Sommer steht er oft vor der Tür und lässt seinen Blick über die Straße schweifen.

So auch an jenem Montag, erzählt Licic. Er habe aus wenigen Metern Abstand von der Seite dabei zugesehen, wie ein Polizist mit Maschinenpistole durch die Eisenstangen des Zaunes in Richtung Innenhof schoss. Was davor im Hof passiert ist, konnte er von seinem Standpunkt aus nicht sehen. Genauso wenig den getroffenen Mouhamed.

Trotzdem wirkt Licic mitgenommen, seine Augen werden wässrig. Er zittert: „Das Ganze ist einfach nur traurig.“ Ein paar Mal sei er Mouhamed vorher auf der Straße begegnet. Er sei sehr ruhig gewesen, ein schüchterner Teenager: „Der hätte keiner Fliege was getan. Der war doch erst 16, fast noch ein Kind.“

Licic ist einer der wenigen aus dem Viertel, der an diesem Freitag kein Problem damit hat, seinen Namen in der Zeitung zu lesen. Die Anwesenheit der Polizei verängstige die Leute, sagt er. Die meisten An­woh­ne­r:in­nen treten mit versteinerten Gesichtern vor die Tür. Man tauscht sich untereinander kurz aus und fragt rum: Wer weiß schon mehr?

Die am häufigsten gestellten Fragen auf der Straße sind die gleichen, die aktuell die Staatsanwaltschaft in Dortmund beschäftigen: Wer war Mouhamed? Und was ist kurz vor den tödlichen Schüssen passiert?

„Das mit dem Vertrauen in die Polizei ist als Ausländer in Dortmund kompliziert. Der Tod von Mouhamed hat die negative Stimmung gegenüber der Polizei nur verschlimmert“

Zu beiden Fragen kursierten in den vergangenen Wochen immer wieder Gerüchte. Und auf beide Fragen gibt es teils noch immer keine vollständigen Antworten. Bedingt Aufklärung über Mouhameds Flucht nach Deutschland liefern die Akten des Jugendamtes im Rhein-Pfalz-Kreis, wo er nach seiner Ankunft im April erstmals registriert wurde.

Demnach soll er sich bereits Ende 2019 aus dem Senegal auf den Weg nach Europa gemacht haben. Gemeinsam mit seinem Stiefbruder sei der Jugendliche nach Zwischenstopps in Mali und Mauretanien Ende 2021 mit einem Boot von Marokko nach Spanien übergesetzt. Sein Stiefbruder sei auf der Fahrt im Mittelmeer ertrunken.

Erstmal kein Platz für Mouhamed

Angekommen in Spanien wohnte er offenbar in einer Unterkunft für Asylsuchende in Sevilla. Weil es ihm dort nicht gefallen habe, soll er sich entschlossen haben, mit dem Zug über Paris nach Deutschland zu fahren. Die deutsch-französische Grenze habe er zu Fuß überquert und sich in den nächstbesten Zug gesetzt, bevor er sich in Worms bei der Polizei meldete. Von dort wurde er am 30. April nach Zornheim gebracht, ein kleines Dorf südlich von Mainz. Dort gab Mouhamed an, seine beiden Eltern seien im Senegal gestorben.

Diese Information wurde zunächst von der Stadt Dortmund verbreitet. Weil es in den umliegenden Einrichtungen keinen Platz für ihn gab, wurde Mouhamed schließlich am 1. August in die katholische Jugendeinrichtung St. Elisabeth in der Dortmunder Nordstadt gebracht.

Die Informationen über Mouhameds Flucht aus der Akte des Jugendamts beruhen auf seinen eigenen Aussagen. Sie lassen sich nur schwer überprüfen. Eine Woche nach seinem Tod wurde bekannt: Er hat noch nahe Angehörige im Senegal. Auf der Suche nach Familienmitgliedern haben mehrere senegalesische Nachrichtenseiten Bilder von Mouhamed verbreitet.

Jörg Stüdemann, Krisenmanager in Dortmund

„Das ist eine heterogene Gruppe von Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt, die eins eint: Sie sind am unteren Ende der sozialen Klaviatur“

Daraufhin meldeten sich sein Vater und sein Bruder. Sie stehen derzeit in Kontakt mit der senegalesischen Botschaft in Berlin und haben den Wunsch geäußert, Mouhamed in seinem Heimatdorf im Westen des Landes zu beerdigen.

Im Innenhof einer Moschee in der Dortmunder Nordstadt nehmen am Freitagnachmittag nach dem tödlichen Polizeieinsatz mehrere Hundert Menschen an einer Trauerfeier für den 16-Jährigen teil. Es verabschieden sich vor allem Menschen aus der afrikanischen und muslimischen Community. Unter den Zu­hö­re­r-in­nen sind kaum Menschen aus der weißen Stadtgesellschaft. Eine der wenigen Ausnahmen ist Thomas Westphal (SPD), Oberbürgermeister von Dortmund.

In seiner Trauerrede fällt wiederholt das Wort Vertrauen, das nicht verloren gehen dürfe. Er spricht vom Vertrauen in die Polizei, in die Justiz, in den Zusammenhalt aller Dortmunder-innen. Während der Rede gibt es immer wieder Zwischenrufe. Einige Teilnehmende sind verärgert, dass Westphal ausgerechnet im Moment des Innehaltens vom Vertrauen in die Behörde spricht, durch deren Waffe Mouhamed getötet wurde.

Über dem Hof der Moschee liegt an diesem Vormittag eine drückende Schwere. In den Blicken einiger Anwesender paart sich die Trauer mit Wut. Direkt im Anschluss ist eine Demonstration von der Moschee zum Rathaus geplant, die eine lückenlose Aufklärung des tödlichen Polizeieinsatzes fordert.

Bei der Trauerfeier und anschließenden Demo ist auch Mariama Sow dabei. Die 30-jährige Sozialarbeiterin aus Guinea, herzliches Lachen, runde Brillengläser, hat die muslimische Gedenkfeier mitorganisiert. Sie sagt: „Das mit dem Vertrauen in die Polizei ist als Ausländer in Dortmund kompliziert.“

Auffällig gewalttätig

Sow ist Mitglied im Integrationsrat der Stadt. Sie kennt die zahlreichen Geschichten von negativen Erfahrungen, die in Dortmund lebende People of Colour mit der Polizei machen. Sie selbst werde nach 12 Jahren in Dortmund regelmäßig auf der Straße nach ihrem Ausweis gefragt.

In letzter Zeit sei das Verhältnis zur Polizei besonders angespannt gewesen. In den vergangenen zwei Monaten fielen Po­li­zis­t-in­nen der Wache Nord zweimal mit gewalttätigen Einsätzen auf. Ende Mai wurden drei Teenagerinnen, die auf einem E-Scooter unterwegs waren, unsanft vom Roller geholt und von den Be­am­t:in­nen angeschrien.

Auf Tiktok machte ein Video des Vorfalls die Runde. Vier Tage später wurde ein flüchtender Kleindealer in der Nordstadt von einem Polizeiauto angefahren. Bereits 2019 wurde eine schwangere Frau von einem Polizisten mehrere Minuten auf den Boden gedrückt. Ihr Kiefer brach nach mehreren Schlägen ins Gesicht.

Quelle       :         TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Der Hannibal an der Bornstraße, Dortmund

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Ein Skandal ohne Ende

Erstellt von Redaktion am 19. August 2022

Privatisierte Uni-Spitäler

Quelle      :        INFOsperber CH.

Von     :     Bernd Hontschik /   

Im Land Hessen hatten CDU und FDP Investitionen gescheut und eine Spitalgruppe an einen Konzern verschachert. Jetzt wird’s teuer.

Red. Der Autor dieser Kolumne, Bernd Hontschik, ist Chirurg und Publizist.

Über den Verkauf der Universitätskliniken Marburg und Giessen (heute 86 Spitäler und Institute mit 11’000 Mitarbeitenden) an den börsennotierten Konzern Rhön-Klinikum AG (Umsatz 2011: 1,4 Milliarden Euro) ist in den vergangenen sechzehn Jahren eigentlich schon alles gesagt worden. Vorher hatte die Hessische Landesregierung ihre gesetzlichen Verpflichtungen der Krankenhausfinanzierung jahrelang und so lange ignoriert, bis die Kliniken in ihrer Bausubstanz soweit heruntergekommen waren, dass CDU und FDP sie für den Spottpreis von 116 Millionen Euro an den Rhön-Konzern verkaufen konnten, der seinen Aktionären seitdem zehn Prozent Rendite zukommen lässt. Die Landesregierung unter Roland Koch brüstete sich lauthals, den Landeshaushalt von der millionenschweren Last notwendiger Investitionen und Unterhaltskosten befreit zu haben. Was dem ärztlichen und pflegerischen Personal damit angetan wurde, interessierte nicht. Was das für die Medizin bedeutete, interessierte auch nicht. Heute wissen wir aber, dass alles sowieso ganz anders gekommen ist. Denn niemand weiss ja, was in dem Kaufvertrag von 2006 eigentlich vereinbart worden ist. Der Vertragstext ist nach wie vor geheim. Warum ist dieser Vertrag wohl geheim? Misstrauen ist angesagt.

Bernd Hontschik

Versprechungen wurden nicht eingehalten, vertraglich Vereinbartes gekündigtDruckversuche ausgeübt und die Öffentlichkeit immer wieder getäuscht, aber das Schlimmste ist: Seitdem lässt sich jede Hessische Landesregierung am Nasenring durch die Manege führen. Nicht einen einzigen Euro hat der Verkauf der Universitätskliniken erspart, im Gegenteil. Vor kurzem hat die Hessische Landesregierung sogar eine halbe Milliarde Euro für den Konzern locker gemacht, um die privatisierten Universitätskliniken «zu fördern»!

Weniger Forschung und hohe Ausschüttungen an Aktionäre

Red. Auf der Wikipedia-Seite über die privatisierten Universitätsspitäler ist folgende Anmerkung zu finden:
Der Autor und Journalist Werner Rügemer kritisierte in einer Analyse der Privatisierung, dass sich die Arbeitsbedingungen im Klinikum verschlechterten, weniger Geld in Forschung investiert werde, der Unterricht für Medizinstudenten regelmässig ausfällt und die Anzahl der Doktorarbeiten rückläufig ist. Gleichzeitig wurden im Zeitraum von 2015 bis 2019 insgesamt 278,2 Millionen Euro an die Aktionäre ausgeschüttet. Hinzu kamen 10 Millionen Euro an Aufsichtsratsmitglieder, der doppelte Betrag an aktive und ehemalige Vorstände sowie 6 Millionen Euro an das Wirtschaftsprüfungsunternehmen PricewaterhouseCoopers.

Und in der ganzen langen Reihe von Tricks und Täuschungen ist aktuell nun die Partikeltherapie an der Reihe. Die Partikeltherapie war 2006 eine der grossen und gross angekündigten Versprechungen des Rhön-Konzerns, um die Vorteile der Privatisierung der Unikliniken anzupreisen. Bei der Partikeltherapie handelt es sich um eine Sonderform der Strahlentherapie zur Behandlung bösartiger Tumoren. Zur Anwendung kommen positive Ionen. Grosse Hoffnungen ruhen auf ihr. Die Partikeltherapie ist mit einem hohen technischen und apparativen Aufwand verbunden und der konventionellen Strahlentherapie überlegen, denn nicht nur das Bestrahlungsfeld lässt sich punktgenau konfigurieren, sondern auch die Bestrahlungstiefe. In Deutschland gibt es bislang nur zwei Zentren, die diese Therapie anwenden können, in Heidelberg und eben in Marburg.

Auszug aus der Wikipedia: Von Juli 2001 bis Juni 2013 war er Mitglied des Aufsichtsrats der Rhön-Klinikum AG. Hierbei geriet er in die Kritik, da der Rhön-Klinikum AG 2013 die Ausbeutung der Putzkräfte und Unterlaufen des Mindestlohns vorgeworfen wurde, in der Zeit, in der Lauterbach im Aufsichtsrat saß.[80] Er gab den Posten im Juni 2013 im Zusammenhang mit seiner Berufung in das Kompetenzteam von Peer Steinbrück für die Bundestagswahl 2013 ab.[81]

Und nun verkündet Christian Höftberger, der Vorstandsvorsitzende der Rhön-Klinikum AG, dass diese Technik in Marburg «an ihr Ende kommen wird, weil sie anscheinend zu komplex ist». Eingeweihte wissen natürlich, dass diese technischen Argumente nur vorgeschoben sind, um die betriebswirtschaftliche Logik der Argumentation zu verschleiern. Die Technik sei zu teuer, zu aufwändig und nicht rentabel. Und so ist die Partikeltherapie in Marburg ein eklatantes Beispiel dafür, was mit der Medizin passiert, wenn sie rote Zahlen schreibt: Sie wird gestrichen, geschlossen und eingestellt. Ein Versorgungsauftrag oder die Gesundheit der Betroffenen sind dabei gleichgültig.

Was hier geschieht, ist nicht verboten. Es folgt der einfachen Logik jedes Unternehmens: Kosten senken, Einnahmen steigern, Gewinne ausschütten. Ob das Klopapier, Elektroautos oder Gesundheitsleistungen sind, ist dem Kapital gleichgültig, Hauptsache es vermehrt sich. Wenn Krankenhäuser in Konzernbesitz geführt werden wie jedes andere Unternehmen, dann hat die Medizin abgedankt. Es gibt nur einen Ausweg, und das ist die Gemeinnützigkeit. koste es, was es wolle.

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Diese Kolumne erschien am 13. August in der «Frankfurter Rundschau».

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Oben      —    Universitätsklinikum Marburg

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Scholz – Beide Augen zu

Erstellt von Redaktion am 18. August 2022

„Ein Auge zudrücken beim Bankraub“

Interview von Gernot Knödler mit  – Norbert Hackbusch- der ist 67 Jahre alt, Doku­mentationsjournalist und Obmann der Linken im Unter­suchungs­ausschuss der Hamburger Bürgerschaft zum Cum-Ex‑Steuerraub. Abgeordneter über Scholz und Cum-Ex. Der Hamburger Bürgerschaftsabgeordnete Hackbusch glaubt dem Kanzler seine Erinnerungslücken im Cum-Ex-Skandal nicht. Nun muss Scholz vor den Ausschuss.

taz: Herr Hackbusch, wo liegt das Problem, wenn der Inhaber eines bedeutenden, alteingesessenen Kreditinstituts, Christian Olearius, den Hamburger Bürgermeister, Olaf Scholz (SPD), um ein Gespräch bittet?

Norbert Hackbusch: Problematisch ist nicht, dass Scholz Olearius empfangen hat, sondern, dass er ihn innerhalb weniger Wochen ein zweites Mal getroffen hat.

Warum war das zweite Treffen problematisch?

Weil der Bürgermeister beim zweiten Mal genau wusste, dass es um eine Steuerangelegenheit gehen wird – in diesem Fall im Zusammenhang mit möglicher Steuerhinterziehung durch Cum-Ex-Aktiengeschäfte. Dabei hat er als Bürgermeister mit Steuerangelegenheiten nichts zu tun.

Schlimmer noch: Scholz nimmt ein Argumentationspapier der Bank an, das er an Finanzsenator Peter Tschentscher (SPD) weiterreichen lässt, obwohl es im Finanzamt schon vorliegt. Das bringt ihn in den Verdacht, er habe das Steuerverfahren politisch beeinflussen wollen.

Der Bürgermeister argumentiert, er habe das Schreiben auf dem Dienstweg weitergereicht, also den Finanzsenator als die zuständige Stelle – so wie der Finanzsenator sagte, ich habe mich informieren lassen aber keinen Einfluss genommen auf die Entscheidung meiner Behörde.

Das ist völlig unglaubwürdig, denn Tschentscher ist nicht der Dienstweg. Der Bürgermeister muss achtgeben, dass er eben nicht in den Ruch einer Unterstützung kommt, denn einzelne Steuersachen sind allein eine Entscheidung des Finanzamtes.

Was hätte Scholz tun müssen?

Er hätte schauen müssen, was es mit Cum-Ex-Geschäften an sich auf sich hat. Stattdessen unterhält er sich mit dem Chef der Bank darüber, was der will.

Wäre es dann nicht geradezu angeraten gewesen, sich an den Finanzsenator und dessen Behörde zu wenden?

Bei Scholz hätten mit dem Wissen um die bundesweit bekannt gewordenen Cum-Ex-Fälle die Alarmglocken läuten müssen. Er hätte sich fragen müssen: Was ist eigentlich generell mit Cum-Ex-Fällen in Hamburg? Wie haben wir damit eigentlich gearbeitet? Diese Initiative sehen wir von ihm nicht. Wir sehen nur die Initiative im Zusammenhang mit dem konkreten Fall Warburg und die Befürchtung, dass es der Bank schlecht gehen könnte.

Was ihm nicht unbedingt zum Negativen gereichen würde.

Natürlich muss man sich damit auseinandersetzen. Aber man darf einem Bankräuber auch nicht das Geld lassen, nur damit er nicht verarmt. Es gibt viel, was man tun kann, wenn ein Unternehmen in Schwierigkeiten kommt – aber nicht, ein Auge zuzudrücken im Zusammenhang mit einem Bankraub.

Was verspricht sich der Hamburger Ausschuss davon, ihn am Freitag ein zweites Mal einzuladen?

Herr Scholz muss noch mal kommen, weil die SPD durchgesetzt hat, dass er schon im April gehört wurde, mit gehörigem Abstand zur Bundestagswahl. Unser Verfahrenskompromiss war, dass er am Ende, wenn wir den ganzen Fall aufgearbeitet haben, noch mal aussagen muss. Allerdings stehen wir doch noch nicht am Ende des Ausschusses, weil wir den Untersuchungsauftrag ausweiten werden.

In welche Richtung?

Auch die inzwischen umfirmierte HSH Nordbank hat als damalige Bank mit Landesbeteiligung Cum-Ex-Geschäfte betrieben und daraus 126 Millionen Euro aus eigener Initiative zurückgezahlt. Tschentscher behauptet, das sei vorbildlich aufgeklärt worden und die Bank habe zudem Bußgelder bezahlt. Das Zweite ist falsch.

Seit 2009 mussten sich Banken sogenannte Berufsträgerbescheinigungen ausstellen lassen, die Steuerraub mit Cum-Ex-Geschäften verhindern sollten. Wir wissen, dass das nicht funktioniert hat. Die HSH Nordbank konnte aber in 29 Fällen nicht einmal solche Bescheinigungen vorlegen. In der Finanzbehörde gab es eine Ermittlungsgruppe, die das aufklären sollte. Es ist erstaunlich, dass die nicht mehr herausgefunden hat als das, was die Bank freiwillig gemeldet hat.

Die Hamburger Senatskanzlei hatte die Frage, ob sich der Bürgermeister mit den Warburg-Bankiers getroffen habe, zuerst verneint. Wusste Scholz das? Wusste es die Senatskanzlei nicht besser?

Quelle          :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —    Das in der Ferdinandstraße 75 in Hamburg-Altstadt wurde 1912/13 nach Plänen von Martin Haller im Stil der Neorenaissance errichtet.

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Bruno, lass es

Erstellt von Redaktion am 16. August 2022

Brand bei Reifen – Göggel

Von Josef-Otto Freudenreich

Der Gammertinger Bauernsohn Bruno Göggel gilt als größter Reifenhändler Deutschlands. Und niemand kennt ihn. Seine Hochzeit mit Flugshow und finalem Feuerwerk schärft nun den Blick auf seine Heimat: den schwarzen Filz. Angela Merkel inklusive.

Womöglich hat Bruno Göggel geglaubt, er heirate im Himmel, als ihm vier Kunstflieger von Red Bull ein Herz in die Luft zeichneten. Hin und her waren sie am Nachmittag des 23. Juli diesen Jahres über das Laucherttal gedonnert, mit eineinhalb Meter Abstand, knapp über den roten Ziegeldächern der kleinen Stadt, hatten Loopings vollführt und mit dem Zeichen der Liebe geendet, ehe sie am Horizont verschwanden.

Das war ganz nach dem Geschmack des Reifen-Königs, der es einmal richtig krachen lassen wollte. Sonst macht er wenig Aufsehen um seine Person, er meidet die Öffentlichkeit eher, hockt lieber auf dem Bock seiner Trucks. Und so sagt sein Name kaum jemand etwas, obwohl er 1,5 Millionen Pneus auf Lager und viele Millionen Euro auf dem Konto hat.

Am Vormittag noch hat sich der geschiedene 61-Jährige im katholischen Münster zu Zwiefalten, in der schönsten Kirche Baden-Württembergs, mit seiner geschiedenen 38-jährigen Corinna vermählt, wovon die „Bild“ als aufmerksamste Berichterstatterin die aufregendsten Bilder druckte. Danach sind beide, begleitet von einem hupenden Konvoi von schwarzen Göggel-Lkws, nach Hause gefahren, wo der Höhepunkt des Abends mit Stargast DJ Ötzi wartete: ein Feuerwerk. Es sollte ein Fiasko werden.

Glück für Göggel, dass der Wind stillsteht

Um 23:30 Uhr brennen Reifen, Gasflaschen explodieren, Fahrzeuge gehen in Flammen auf, in den Himmel aufsteigende Rauchsäulen sind kilometerweit zu sehen. Glück für Göggel und seine 300 Gäste, dass nur eine von acht Hallen brennt, der Wind stillsteht, die Feuerwehren aus fünf Landkreisen schnell vor Ort sind, mit 70 Löschfahrzeugen und 380 Einsatzkräften die Brandherde eindämmen können, und dass sie tatkräftige Unterstützung in Bauern finden, die Löschwasser mit ihren Güllewagen herbeischaffen. Schon am nächsten Morgen kann der Firmenchef verkünden, dass die „gewohnten Geschäftsprozesse unvermindert weiter laufen“. Die Staatsanwaltschaft sieht die Ursache kurz danach in der Pyrotechnik, den Schaden beziffert das Unternehmen auf 20 bis 25 Millionen Euro.

Wenige Tage nach dem Brand sitzen wir mit Lothar Wasel auf seinem Balkon mit Panoramablick. Unten im Tal liegt das 6.500-Einwohner-Städtchen Gammertingen, das ist wie viele auf der Schwäbischen Alb: immer der Straße entlang, lustig in der Narrenzeit, konservativ. Auf dem Hügel gegenüber thront die größte Firma am Ort, Reifen Göggel, gelandet wie ein Ufo, ausgestreckt auf zehn Hektar Fläche. Der Balkon bietet also einen Logenplatz für Flugshow, Feuerwerk, Großbrand – und Bilder für den großen Zorn.

Dem Kindergarten wird ein Grillfest untersagt

Der 74-jährige Anwalt nennt Göggel einen ungebildeten Oligarchen. Er fragt, wie es kommen kann, dass einer genehmigt kriegt, was niemand anderem erlaubt würde? Ein Feuerwerk mitten in der Sommerhitze, in der die Gemeinde Rauchen und Feuermachen in der Natur „strengstens“ verbietet, dem Kindergarten ein Grillfest untersagt wird. Eine Flugshow inmitten galoppierender Krisen, in denen das Sparen von Energie ein Muss ist. Tausende von Reifen, im Freien gelagert, in unmittelbarer Nähe von Wohnhäusern und Wald? Alles genehmigt und wenn ja von wem?

Die Fragen sind eher rhetorischer Natur. Wasel holt die Antworten aus seinem politischen Leben. Er ist 25 Jahre im Gammertinger Gemeinderat gesessen, als einzige Opposition, Grünen-nah, aber unabhängig. Es seien harte Kämpfe für eine demokratische Kultur gewesen, erzählt er, „gegen Hinterzimmerpolitik und Mauschelei“, und gegen den Vorwurf, er sei ein „geistiger Terrorist“. Das Gremium sei „bis in die Haarwurzeln schwarz“, sagt er, acht von der CDU, sechs von der Liste „Gleiches Recht für alle“, drei Rotgrüne, die sich nicht sehr unterschieden, und dann noch Bürgermeister Holger Jerg, CDU-Mitglied und Duzfreund Göggels. Das verbindet.

Seine Fragen hat der Jurist auch in einen Leserbrief an die „Schwäbische Zeitung“ gepackt, mit dem Hinweis, dass ihre Aufgabe doch wäre, als „vierte Gewalt“ diesen Seilschaften nachzugehen und sie nicht „unter den Teppich zu kehren“, zum „Gefallen der Mächtigen“. Das Organ für christliche Kultur und Politik hat die Zuschrift nicht gedruckt. Sie sei „übersät von Vorverurteilungen“, begründet der Redaktionsleiter in Sigmaringen, und kündigt vorsorglich an, dass er künftig von ihm keine Antwort mehr erhalten werde, „egal wie viele E-Mails Sie noch schreiben werden“.

Der Bürgermeister sagt, er habe alles richtig gemacht

Bürgermeister Jerg, 60, Jeans, Polohemd, Gast bei der Hochzeit, ist weniger verschlossen. Auf seinem Besuchertisch hat er eine Karte des Göggelschen Areals liegen, auf der die acht Lagerhallen, das Privathaus, die Brandherde und das Partyzelt eingezeichnet sind. Will sagen: Ich kümmere mich. Bezogen auf das Feuerwerk soll das heißen, dass sie bei der Antragsstellung im Mai alles richtig gemacht und ein „reines Gewissen“ hätten, der Pyrotechniker habe alle notwendigen Zertifikate vorgelegt. Hinsichtlich der Flugshow sei das Regierungspräsidium Stuttgart zuständig, das die Genehmigung erteilt habe, und die strittige Frage der Reifenlagerung habe Göggel mit dem Landratsamt zu klären.

Manchmal ist der Dschungel der Bürokratie doch hilfreich, wenn es darum geht, ein argumentatives Schlupfloch zu finden, das einem Verantwortung abnimmt. Andererseits wäre es falsch zu behaupten, der Schultes hätte sich keine Gedanken gemacht. Heute würde er Göggel raten, sagt er: Bruno lass es, lass die Flugshow, lass das Feuerwerk und DJ Ötzi. Das sei nicht mehr zeitgemäß. Auch Friedrich Merz hätte nicht mit seinem Flugzeug nach Sylt müssen.

Der nachrückende Sinneswandel („Ich trage die Ängste mit“) dürfte auch der Unruhe in seiner Bürgerschaft geschuldet sein. Nachdem viele Tage Stille war, fand sich ein Ehepaar, dessen Unternehmen direkt an die Göggelschen Mauern angrenzt, vergangene Woche in der Gemeinderatssitzung ein und beklagte eine „Ungleichbehandlung“, der Jerg sofort widersprach: „Ich lasse mich nicht kaufen.“

Ein amerikanischer Traum in Gammertingen

Quelle         :         KONTEXT: Wochenzeitung-online           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben      —       Gammertingen – Lauchert mit Stadtansicht und Kirche

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KOLUMNE * Red Flag

Erstellt von Redaktion am 16. August 2022

Polizeigewalt in Deutschland: Fehler im System

Rote Flagge II.svg

Von     :    Fatma Aydemir

Vier Tote durch Polizeigewalt in einer Woche. Solange es keine neutralen Ermittlungen gibt, kann man sich nicht sicher fühlen, findet unsere Autorin.

Wir haben ein Polizeiproblem. Und das nicht erst seit ein paar Tagen. Wenn sich die Todesfälle durch Polizeigewalt so häufen wie in der letzten Woche, dann ist das ein Grund mehr, alarmiert zu sein. Im Frankfurter Bahnhofsviertel wurde ein wohnungsloser 23-Jähriger am Dienstag vergangener Woche mit einem Kopfschuss von Polizeibeamten getötet. Am Tag darauf erschoss die Polizei einen 48-jährigen Kölner, der sich gegen die Zwangsräumung seiner Mietwohnung gewehrt hatte. Beide Opfer sollen mit Messern bewaffnet gewesen sein. Am Sonntag verstarb ein 39 Jahre alter Mann im Kreis Recklinghausen nach Fixierung und Einsatz von Pfefferspray durch die Polizei – der Mann hatte in einer Wohnung randaliert.

Nicht nur in diesen drei Fällen stellt sich dringend die Frage, wie unfähig die Polizei im Umgang mit aufgebrachten, existenziell bedrohten, traumatisierten oder unter Drogeneinfluss stehenden Menschen sein muss, dass sie ein tödliches Ende nehmen. Am Montag kam es zu einem weiteren Fall: Ein suizidaler 16-Jähriger, der unbegleitet aus dem Senegal geflohen und in einer Jugendhilfeeinrichtung in Dortmund untergekommen war, wurde getötet. Ein Betreuer habe die Polizei verständigt, weil der Jugendliche mit einem Messer unterwegs gewesen sei und „bedrohlich“ gewirkt habe.

Bei einem Polizeieinsatz wurde der Junge von fünf Schüssen aus einer Maschinenpistole getroffen. Fünf Schüsse, weil er ein Messer bei sich trug, mit dem er sich offensichtlich vor allem selbst verletzte? Wie konkret kann eine Bedrohungslage sein, dass mehrmals mit einer MP5 auf einen Minderjährigen gefeuert werden muss? Was rechtfertigt so etwas?

Verhältnismäßigkeit ist keine brauchbare Kategorie mehr, wenn Polizeigewalt eskaliert

Gedenkstele für die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg.jpg

Wenn der Mord zum täglichen Polizeialltag mutiert hat der Staat versagt.

Solange diese Fragen nicht geklärt sind, solange die Polizei sich nicht unabhängigen Ermittlungen stellen und mit Konsequenzen rechnen muss, ist es schier unmöglich, sich in diesem Land sicher zu fühlen. Verhältnismäßigkeit ist keine brauchbare Kategorie mehr angesichts der Eskalation, die von der deutschen Polizei gegenüber armen, kranken oder schwarzen Menschen ausgeht. Oury ­Jalloh, der 2005 in Polizeigewahrsam in Dessau starb, dürfte der bekannteste ungeklärte Todesfall durch Polizeigewalt in der jüngeren deutschen Geschichte sein. Er ist bei Weitem nicht der einzige. Jahr für Jahr wird die Liste der Namen von bei Festnahmen oder in Gewahrsam getöteten Menschen länger. Ermittlungen finden statt, doch zu Verurteilungen von Polizisten kommt es so gut wie nie. Stattdessen wird vertuscht und abgewimmelt. Niemand weiß, wer Oury Jalloh in seiner Zelle an eine Matratze gefesselt und angezündet hat.

Die eigene Macht schützen

Quelle        :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Eine wehende rote Fahne

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Unten     —           Gedenkstele aus Beton für die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt am Oranienplatz in Berlin-Kreuzberg. Text: „Zum Gedenken an die Opfer von Rassismus und Polizeigewalt“. Es wurde wahrscheinlich am 26.09.2020 errichtet.

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Klimawandel und Inflation

Erstellt von Redaktion am 14. August 2022

Klimawandel, Inflation und satte Gewinne

Northwest Crown Fire Experiment.png

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Axel Mayer – Mitwelt Stiftung Oberrhein

Die berechtigte Angst vor der Inflation treibt die Menschen in Deutschland um. Krieg war immer eine makaber gute Zeit für Spekulanten. Ob Wohnungsunternehmen, Agrar- oder Ölkonzerne – zurzeit scheint für Unternehmen jeder Anlass recht, beim Preisetreiben mitzumachen und so die eigenen Gewinnmargen zu erhöhen. Es wird Zeit, etwas dagegen zu unternehmen.

Kriegsgewinnler sind Personen, Firmen und Organisationen, die Notsituationen in Kriegszeiten ausnutzen, um überproportional hohe Profite zu erwirtschaften.

Inflation bezeichnet den Anstieg des Preisniveaus einer Ökonomie über einen bestimmten Zeitraum. Das allgemeine Preisniveau steigt und die Menschen können für jede Geldeinheit weniger Güter und Dienstleistungen kaufen.

Kriegsgewinnler & Inflationstreiber: (nicht nur) Öl- und Energiekonzerne

Die Welt erlebt und erleidet den menschengemachten Klimawandel. Dürren, Wüstenbildung, Extremwetterereignisse und extreme Hitze sind noch schneller gekommen, als es die Umweltbewegung und die Wissenschaft prognostiziert haben. Öl-, Gas-, Kohle- und Energiekonzerne haben auf eine verbrecherische Art und Weise das Thema heruntergespielt und mit atomar-fossilen Seilschaften die Klimawandelleugner und die Energiewendegegner finanziert. Sie sind Täter und Klimaverbrecher. Jetzt werden sie nicht etwa bestraft, sondern mit Milliardenprofiten belohnt. Alle großen Energiekonzerne treiben die Öl- und Gaspreise infolge des Ukraine-Krieges und fördern so die Inflation. Die demokratiegefährdende, neoliberale Umverteilung von unten nach oben beschleunigt sich.

Die globalen Energieunternehmen profitieren massiv vom Ukraine-Krieg. So konnte das britische Energieunternehmen Shell seinen Gewinn im zweiten Quartal 2022 auf 18 Milliarden US-Dollar verfünffachen. Der US-amerikanische Mineralölkonzern Exxon Mobile machte im zweiten Quartal des laufenden Jahres 17,9 Milliarden US-Dollar Gewinn. Im zweiten Quartal des Vorjahres waren es noch 4,7 Milliarden.(Eine Milliarde sind unglaubliche 1000 Millionen!). Der französische Konzern TotalEnergies verdoppelte seinen Gewinn, ebenso der spanische Ölkonzern Repsol. In Deutschland hat der Energiekonzern RWE seine Prognose für das laufende Geschäftsjahr stark nach oben korrigiert – das Unternehmen erwartet nun einen Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen von bis zu 5,5 Milliarden Euro statt bislang rund vier Milliarden Euro.

Es sind diese Konzerne, denen wir die Klimakatastrophe zu verdanken haben. Sie haben in Deutschland keine Übergewinnsteuer zu befürchten, denn mit der FDP sitzen die Schutzheiligen der Superreichen und der Konzerne in der Regierung.

Es ist gut, richtig und wichtig, im Krieg auf die Opfer zu schauen. Wir sollten dabei aber auch die Kriegsgewinnler und Profiteure des Krieges nicht aus den Augen verlieren und ihnen mit einer Übergewinnsteuer auf die Finger schlagen. Es ist gut, richtig und wichtig, auf die Folgen der Klimakatastrophe zu schauen. Wir sollten aber auch deutlicher und lauter als bisher die Täter benennen.

Es ist erschreckend, wie selten in unseren Medien über die Täter der Klimakatastrophe, über Kriegs-Profiteure und über die tatsächliche Ursache der Inflation berichtet wird.

Nachtrag: Die explodierenden Energiepreise und die wachsende Kluft zwischen Arm und Reich könnte im Herbst / Winter 2022 zu Energieaufständen auch in Deutschland führen. Diese werden schon jetzt im Internet von rechts-libertären Netzwerken und auch von Klimawandelleugnern vorbereitet, die (nicht nur in den USA) teilweise von amerikanischen Energiekonzernen und Energiemilliardären gesponsert werden. Die kommenden  Demos gegen „das System“ und gegen die hohen Energiepreise werden auch von den Profiteuren der hohen Energiepreise finanziert.

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben     —   Beispielfoto  –  Northwest Crown Fire Experiment, Nordwest-Territorien, Kanada

(Foto mit Genehmigung des USDA Forest Service verwendet.) – Bunk S: Welt in Flammen. PLoS Biol 2/2/2004: e54. doi:10.1371/journal.pbio.0020054.g001

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Unten      —     Verlandete Buhnenfelder französische Rheinseite Höhe Lauterburg

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Verwicklungen in der SPD

Erstellt von Redaktion am 13. August 2022

Ein Raubzug namens Cum-ex

Von    :     Gernot Knödler und Stefan Reinecke

Das Hamburger Bankhaus Warburg, ein verbrecherisches Hütchenspiel – und was das mit Kanzler Olaf Scholz und SPD-Politiker Johannes Kahrs zu tun hat.

Weil in einem Schließfach des Hamburger SPD-Granden Johannes Kahrs 214.800 Euro gefunden wurden, rückt der Cum-Ex-Skandal der dortigen Warburg-Bank wieder in den Blickpunkt. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

1.) Was sind Cum-ex-Geschäfte überhaupt?

Es handelt sich um einen systematischen Steuerbetrug. Die Cum-ex-Geschäfte waren ein organisierter Raubzug. Die Banken ließen sich mit Tricks und Leerverkäufen rund um den Dividendenstichtag vom Staat Steuern erstatten, die nie gezahlt worden waren. Das Ganze funktionierte wie eine Art Hütchenspiel, bei dem die Finanzbehörden am Ende nicht mehr durchblicken konnten, wem wann welche Aktien gehört hatten. Den deutschen Staat hat das rund 10 Milliarden Euro gekostet. Cum-ex war kein Steuervermeidungstrick am Rand des Illegalen, sondern gezielter Diebstahl. Die traditionsreiche Hamburger Warburg-Bank hat sich an diesem kriminellen Betrug beteiligt – wie viele andere Banken auch.

2.) Welche Rolle hat Olaf Scholz dabei gespielt?

Das ist die entscheidende Frage. Scholz hat 2016 und 2017 als Erster Bürgermeister in Hamburg Christian Olearius, Miteigentümer der Warburg-Bank, dreimal in seinem Amtszimmer empfangen. Damals sollte die Warburg-Bank 47 Millionen Euro aus den Cum-ex-Raubzügen aus dem Jahr 2009 zurückzahlen. Diese Rückforderung wäre Ende 2016 verjährt gewesen. Laut seinen eigenen Tagebüchern schilderte Olearius Scholz die miese wirtschaftliche Lage der Bank. Scholz habe zwar nichts versprochen, schreibt Olearius, doch er habe das Gefühl, „dass wir uns keine Sorgen zu machen brauchen“.

Scholz empfiehlt dem Banker am 9. November, die rechtliche Begründung der Bank, warum sie meint, die 47 Millionen nicht zurückzahlen zu müssen, an den damaligen Finanzsenator Peter Tschentscher zu schicken. Das passiert auch, obwohl die Finanzbehörde diese Begründung längst hat. Kurz darauf bestätigt sich Olearius frohe Erwartung, dass er sich keine Sorgen zu machen braucht. Die Hamburger Finanzbehörde entscheidet: Die Bank braucht die 47 Millionen nicht zurückzuzahlen.

3.) Warum trifft die Finanzbehörde diese Entscheidung, die offenkundig falsch war?

Es gab 2016 in der Finanzbehörde lange Debatten um diese 47 Millionen. Manche waren für die Rückforderung des Geldes, weil es sich um einen Cum-ex-Betrug handele. Auch die Sachgebietsleiterin Daniela P. sieht das so – ändert aber plötzlich ihre Meinung. Am Ende ist die Finanzbehörde der Ansicht, die schwer nachvollziehbaren Cum-ex-Geschäfte der Bank aus dem Jahr 2009 nicht beweisen zu können. Ein Argument ist: Wenn die Bank wegen der Zahlung der 47 Millionen in finanzielle Schwierigkeiten komme, müsse die Stadt am Ende dafür haften. So stellt es Tschentscher im Hamburger Cum-ex-Untersuchungsausschuss dar.

4.) Was hat Olaf Scholz damit zu tun?

Er sagt: nichts. Die Finanzbehörde habe unabhängig entschieden. Er habe keinen Einfluss auf die Rückzahlung genommen. Am Donnerstag hat er versichert: „Sie können sich darauf verlassen, dass ich nicht zu den Leuten zähle, die so was machen.“

Wer möchte auf Politiker wetten? Der Clan-Chor steht schon bereit: „Und dann will es Keiner gewesen sein, denn Niemand hat es gesehen.“

5.) Ist das glaubwürdig?

Auffällig ist die zeitliche Nähe zwischen Olearius’ Termin bei Scholz im November 2016 – und der Entscheidung der Finanzbehörde, die Sache auf sich beruhen zu lassen, ein paar Wochen später. Scholz’ Engagement bei der Aufklärung dieser Affäre übersichtlich zu nennen, ist eine Untertreibung. Zuerst behauptete die Senatskanzlei, Scholz habe sich nie mit Olearius getroffen. Das war, wie die Tagebücher zeigten, unwahr. Im Untersuchungsausschuss konnte sich Scholz im Mai 2021 an nichts mehr erinnern. Um diese Erinnerungslücken plausibel zu finden, muss man sehr sozialdemokratisch sein. Scholz ist bekannt für sein gutes Gedächtnis. Und es ging ja um viel Geld und eine bekannte Hamburger Bank in Schwierigkeiten. Daher rührt der Verdacht: Der Kanzler verschweigt etwas.

6.) Hat Scholz sich womöglich bereichert? Geht es um Korruption?

Nein. Es geht nicht um Bestechung. Politik und Wirtschaft sind in Hamburg traditionell eng verflochten. Der Verdacht lautet, dass Scholz mit Rücksicht auf die Bank und Arbeitsplätze, die in Gefahr geraten könnten, der Finanzbehörde sanft nahegelegt hat, auf die Rückforderung zu verzichten.

7.) Hat die Warburg-Bank das geklaute Geld wieder rausgerückt?

Quelle       :          TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —     Bankhaus Warburg in Hamburg-Altstadt, Eingang Ferdinandstraße 75.

 

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Internet für Wohnungslose:

Erstellt von Redaktion am 13. August 2022

Wackeliger Empfang auf der Straße

File:Armut Bettler Obdachlos (12269249596).jpg

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von    :     

Das Internet wird auch für Wohnungslose immer wichtiger, viele haben eigene Smartphones. Doch oft hindern sie prekäre Lebensverhältnisse, fehlende Infrastruktur oder eigene Ängste am digitalen Zugang. Immer mehr Projekte setzen sich für Veränderung ein.

Das Wetter checken, sich in der Stadt zurechtfinden oder mit Freund*innen schreiben: Smartphones sind längst kein Luxusprodukt mehr, sondern für die meisten Teil des Alltags. Das gilt auch für die hunderttausenden Wohnungslosen in Deutschland.

Als wohnungslos gelten Menschen, die keinen Wohnraum haben, der durch einen Mietvertrag oder eigenes Eigentum abgesichert ist. Obdachlos sind diejenigen von ihnen, die gar keine dauerhafte Unterkunft haben und beispielsweise nicht bei Bekannten unterkommen können. Wie viele Personen betroffen sind, lässt sich schwer genau bestimmen, im Januar 2022 übernachteten 178.000 Menschen in Notunterkünften.

Lutz Schmidt war bis 2012 selber wohnungslos, jetzt lebt er in einer Einrichtung gemeinsam mit anderen ehemals Wohnungslosen. 2019 hat er die Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen mitgegründet, die sich als „Sprachrohr aller obdach- oder wohnungslosen Menschen im deutschsprachigen Raum Europas“ versteht. Er ist Vorstandsmitglied des Vereins und gibt Workshops zum Umgang mit Smartphones und dem Internet für Menschen, die aktuell auf der Straße leben.

Die Technik macht vielen Angst

Auch als er selber wohnungslos war, hatte er schon ein Handy. „Damals noch so einen alten Knochen“, sagt Schmidt. Für Computer und die Digitalisierung hat er sich schon immer interessiert. Mit seinen Workshops möchte er anderen die Angst vor der Technik nehmen. Viele Wohnungslose hätten Angst, Handys zu benutzen, sagt er. Sie würden sich davor fürchten, ausspioniert zu werden, indem etwa ihr Aufenthaltsort registriert wird. Dazu kommt die Sorge, nicht richtig mit der Technik umgehen zu können.

In den Workshops sei es deshalb wichtig, mit den Menschen auf Augenhöhe zusammenzuarbeiten und auf ihre Fragen zu den Geräten einzugehen. „Ich hab viele schon davon überzeugen können, dass sie damit arbeiten“, sagt er. Durch den Zugang zum Internet ergäben sich neue Möglichkeiten: Die Kommunikation untereinander oder etwa mit dem Arbeitsamt werde leichter. Auch können sich Betroffene so über Hilfsangebote zu informieren. „Man hat dann nicht mehr diesen sturen Blick auf die Platte, wo man gerade ist, sondern kann ein bisschen weiter rausschauen in die weite Welt“.

Durch die Coronapandemie kamen neue Probleme hinzu. Die Menschen verbrachten mehr Zeit in ihren Wohnungen. Wer auf der Straße lebte, hatte plötzlich weniger Geld durchs Betteln zur Verfügung. Laut Schmidt konnten es sich viele dadurch nicht mehr leisten, ihr Handy-Guthaben aufzuladen. Die Ämter waren geschlossen und viele Angebote ohne Internetzugang nicht mehr erreichbar. „Das ist eine sehr schreckliche Situation für die Wohnungslosen gewesen“.

Auch die Selbstvertretung Wohnungsloser Menschen hat ihre Arbeit während der Pandemie ins Internet verlegt. Einige Treffen finden immer noch über Zoom statt. „Wir haben dann gemerkt, dass viele gar nicht erreichbar waren, sei es durch keine Zeit, kein Geld oder keine Geräte“. Seitdem es wieder möglich ist, sich persönlich zu treffen, sei es besser geworden, berichtet Schmidt.

Projekte verteilen Handys an Wohnungslose

Der Verein arbeitet aktuell an zwei Projekten, die sich mit der Digitalisierung beschäftigen. Im Projekt „Stein auf Stein“ in Bayern geht es darum, Wohnungslose mit Geräten auszustatten und sie im Umgang mit diesen zu schulen. Auch hofft die Selbstvertretung durch das Projekt, neue Mitglieder zu finden. Ein ähnliches Projekt hat der Verein im Rahmen des Förderprogramms „Internet für alle“ von Aktion Mensch.

Auch ein Forschungsprojekt an der Universität der Künste in Berlin möchte die digitale Teilhabe auf der Straße verbessern. Mit dem „MOWO-Projekt“ untersuchen die Wissenschaftler*innen, wie Wohnungs- und Obdachlose mobile Medien nutzen und welche Probleme sie dabei haben. Dazu führten sie im Jahr 2021 mit obdachlosen Menschen in Berlin eine Umfrage durch. Außerdem verteilten sie kostenlose Smartphones und SIM-Karten an Obdachlose, die davor für längere Zeit keines besessen hatten und begleiteten sie in den darauffolgenden Wochen.

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Einige Ergebnisse des Forschungsprojektes hat der wissenschaftliche Mitarbeiter David Lowis Ende 2021 im Berliner Straßenmagazin „Karuna-Kompass“ vorgestellt. 99 Prozent der Menschen, die von den Forscher*innen ein Handy bekamen, hatten in der Vergangenheit schonmal eines. Doch wenn man in so prekären Verhältnissen lebt, ist es oft schwierig, ein Smartphone lange zu behalten: 44 Prozent der Befragten gaben an, dass ihnen ihr letztes Handy gestohlen wurde. Weitere 21 Prozent haben es verloren, bei fast einem Drittel ist es kaputtgegangen.

„Leider Gottes ist es so, dass das ein sehr begehrter Gegenstand ist“, sagt auch Lutz Schmidt. „So ein Smartphone muss man hüten wie seinen Augapfel, sonst ist es weg.“

Kein Ausweis, kein Handyvertrag

Ein weiteres zentrales Problem sei die Beschaffung von SIM-Karten. Wer in Deutschland eine kaufen möchte, muss seit 2017 seinen Ausweis vorzeigen. In vielen europäischen Staaten gibt es ähnliche Vorschriften, begründet werden sie oft mit der Bekämpfung von Terrorismus.

Menschen ohne festen Wohnsitz werden durch diese Regelung stark belastet, sagt Lowis. Auch Ausweisdokumente gehen oft verloren oder werden gestohlen. Einen neuen Ausweis zu beantragen, kostet Zeit und Geld. Besonders schwierig sei es laut Lowis für Menschen, die nicht aus Deutschland kommen. Ihnen fehlten oft die nötigen Dokumente.

Auch Lutz Schmidt kennt das Problem mit der SIM-Karten-Registrierung. „Viele haben keinen Ausweis oder möchten auch keinen. Klar kann man denen ein Handy geben, aber die Verträge bleiben ein Problem.“ Was wünscht er sich von der Politik? Es müssten mehr Geräte zur Verfügung gestellt werden, antwortet Schmidt. Auch der Zugang zu SIM-Karten und WLAN müsste vereinfacht werden.

Nur ein Smartphone reicht nicht

Allein mit dem Austeilen von Smartphones sei es aber nicht getan, schreibt Maren Hartmann, die Leiterin des MOWO-Projekts. Wenn die Menschen weiterhin auf der Straße lebten, ginge das Handy bald wieder verloren. Nur eine Wohnung reiche aber heutzutage nicht mehr aus, um in die Gesellschaft eingebunden zu sein, dazu brauche es auch digitalen Zugang. Sie spricht sich deshalb für ein Konzept aus, das sie „Housing First Plus“ nennt: Die Bereitstellung von Wohnraum und digitalen Medien.

Housing First ist ein Konzept aus den USA, auch in Deutschland gibt es inzwischen einige Projekte. Dabei bekommen Obdachlose eine Wohnung ohne zusätzliche Bedingungen wie etwa einen Drogenentzug. Zusätzlich werden die Teilnehmenden zum Beispiel bei der Jobsuche unterstützt und bekommen medizinische und psychologische Versorgung. Das Konzept ist eine Alternative zum sogenannten Stufenmodell, bei dem Wohnungslose erst dann eine eigene Wohnung bekommen können, wenn sie sich durch gutes Verhalten in Notunterkünften als „wohnfähig“ erwiesen haben.

Viele Housing First-Projekte melden hohe Erfolgsraten, in Berlin wohnten etwa nach drei Jahren noch 97,3 Prozent der Teilnehmenden in ihren neuen Wohnungen. Im Koalitionsvertrag hat sich die Bundesregierung vorgenommen, Wohnungs- und Obdachlosigkeit bis 2030 zu überwinden. Bauministerin Klara Geywitz will sich dazu auch ein Beispiel an Finnland nehmen, das die Housing-First-Strategie umsetzt. Dort ist die Zahl der Wohnungslosen seit 1987 von über 16.000 auf 3.950 gefallen.

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Description Armut Bettler Obdachlos
Date
Source Armut Bettler Obdachlos 

Author blu-news.org
w:en:Creative Commons
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2.) von Oben     —   Demonstration unter dem Motto „Wer hat der gibt!“ für die Umverteilung von Reichtum am 19. September 2020 in Berlin.

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RBB-Skandal – Schlesinger

Erstellt von Redaktion am 12. August 2022

Gemach, verehrte Jagdgesellschaft

Eine Kolumne von Thomas Fischer

Betrug, Untreue, Korruption? Gehen wir davon aus, dass ein Staat, der seinen Präsidenten wegen Annahme eines Bobby Cars verfolgt, die Kraft haben wird, den »Fall Schlesinger« sach- und regelgerecht aufzuklären.

Ein Fall, ein Fall!

Die Intendantin des RBB ist »zurückgetreten«, als solche und als Vorsitzende der ARD. Vom Aufsichtsratsvorsitz bei der Degeto ist (mir) derzeit nichts bekannt. »Zurücktreten«, von was auch immer, tut in der Regel niemand gern, erst recht nicht auf erste Anforderung, die, wann und wo immer es etwas zu mutmaßen gibt, bekanntlich nicht lange auf sich warten lässt. Spätestens bei der dritten Wiederholung lautet die Schlagzeile »Der Druck wird immer größer«, und über Nacht bringen sich die besten Freunde in Sicherheit.

Insoweit kann man die ganz großen Moralkaliber mindestens vorerst mal stecken lassen, die sich darauf beziehen, dass Frau Patricia Schlesinger zunächst einmal tat, was man so tut, wenn man meint, ganz oben zu sein und kleine Neid- und Missgunstkäfer rasch von den Füßen schütteln zu können. Das misslingt, wie die Erfahrung zeigt, nicht stets, aber doch häufig, schon wegen der Eigengesetzlichkeiten einer Branche, die auf den Durchlaufverzehr von Lebensschicksalen nicht nur spezialisiert, sondern von ihm hochgradig abhängig ist.

Das müsste man als erfahrene Macherin von »Panorama« eigentlich ganz genau wissen, wo man sich stets gern als Miterfinder der Kunst des investigativen Schiffeversenkens verstand. Aber wie es so geht im Leben: Kaum sind die Honigtöpfe erreicht und dies als zwangsläufiges Ergebnis der eigenen Höchstleistung in die Selbstbetrachtung integriert, beginnen die kleinen Teufel, am Seelenrückgrat zu nagen und die Selbsterkenntnis zu vernebeln.

Nun haben wir also einen insgesamt recht ansehnlichen Fall in Deutschland: ein bisschen unklar noch und gruselig, aber von erfreulicher, urlaubskompatibler, »Bild«-am-Strand-verträglicher Übersichtlichkeit, was man ja von Krieg, Gas, Corona, Cum-ex und so weiter nicht wirklich sagen kann. Und zudem von einer absolut unwiderstehlichen Framing-Verortung: Die-da-oben, moralspezialisierte Frau, Zwangsbeitrag, Doppelmoral, Staat, Gier, Luxus.

Nun hören und lesen wir: »Jetzt ermittelt der Staatsanwalt.« Bei »Panorama« ist das der triumphale Schlusssatz einer richtig gut gelaufenen Schiffeversenken-Geschichte. Wir erwarten daher alsbald die ersten Berichte darüber, welche Strafe Frau Schlesinger »nun droht« (es handelt sich hierbei stets um die in jeweils irgendeinem Gesetz angedrohte Höchststrafe, die sowieso nie verhängt wird; klingt aber schon mal vielversprechend).

Falls Sie, verehrte Leser, sich hier nun ein Gutachten zum Ausgang des Verfahrens erhoffen, muss ich Sie enttäuschen: Den Teufel werde ich tun. Ebenso wenig wie ich Beweise zu würdigen, Indizien, die wir nicht kennen, zu bewerten oder Sie, Damen und Herren rechtstreu Rechtsunterworfene, in einem Ihrer erträumten Vorwegurteile zu bestätigen oder zu widerlegen habe. Bei dieser Gelegenheit darf ich einmal wieder anmerken, dass diese Kolumne weder die Absicht noch die Aufgabe hat, über Schuld und Unschuld zu räsonieren. Der »Fall Schlesinger« bewegt sich derzeit im Bereich des (medienpolitischen) Skandals und der (strafrechtlichen) Verdachtsberichterstattung. Das ist ja auch genug.

Worum geht’s?

Aber vielleicht ist es sinnvoll, einmal kurz darüber zu sprechen, was die Begriffe bedeuten, die da herumschwirren und teilweise schon wieder wie feststehende Ergebnisse verwendet werden: »Untreue«, »Spesenbetrug«, »Vetternwirtschaft«. Von der vorläufigen Rand-Orchestrierung ganz zu schweigen: »Luxusbüro«, »Massagesitze«, »Privatfahrten«. Gemach, gemach, verehrte Jagdgesellschaft! Und denken Sie – wie stets, wenn Sie auf der Spur der Verworfenheit sind – gelegentlich an den Titel einer frühen (1971) LP der Combo Uriah Heep: »Look at Yourself!«

»Compliance« heißt: Zuverlässigkeit, Regeltreue. Ich weiß nicht, wie es um Ihre eigene Compliance bestellt ist, Leser: als Patient, Steuerzahler, Gebührenentrichter, Ein- oder Verkäufer, Notar oder Tankstellenkassierer. Das geht mich ja auch meist nichts an. Man hört anderseits so allerlei: »Korruption und Schmiergeldsumpf allenthalben!«, rufen unermüdlich am lautesten diejenigen, die garantiert wenig Ahnung haben. Das ist einerseits zwar nicht verwunderlich, andererseits aber auch kein Beweis.

Betrug

»Betrug« zum Beispiel ist ein ehrwürdiger Straftatbestand. Seit 1871 ist er in Paragraf 263 StGB formuliert. Er setzt auf der »objektiven« (»äußeren«) Seite voraus: 1) Täuschungshandlung, 2) Irrtum, 3) Vermögensverfügung, 4) Vermögensschaden. Alle vier Elemente müssen »kausal« miteinander verknüpft sein. Das ist schwieriger festzustellen, als man glaubt. Auf der »subjektiven« (täterinneren) Seite setzt die Strafbarkeit voraus: 1) mindestens bedingten Vorsatz von Eins bis Vier plus 2) zusätzlich (!) die »Absicht«, sich selbst oder eine dritte (natürliche oder juristische) Person geldwert zu bereichern. Ob sich diese Absicht realisiert, ist egal – das nennt man, falls man sich juristisch gebildet ausdrücken möchte, »überschießende Innentendenz«: Die Absicht muss weitergehen als das in der Realität Erreichte. Glauben Sie mir vorerst einmal, dass diese Rechtslage zwar menschheitsgeschichtlich auch anders sein könnte, aber einen recht gut vertretbaren Sinn hat, seit ungefähr 2000 Jahren erforscht wurde und auf mehrere Kilometer wissenschaftliche Literatur von allen Kontinenten zurückblickt. Ob es hier und im Einzelfall so war, kann man beim besten Willen nicht sagen; daher sollte man es auch unterlassen, so zu tun, als wisse, ahne oder beurteile man irgendetwas Konkretes.

Untreue

Der Straftatbestand der »Untreue« ist, so sagen viele, einer der unklarsten und willkür-anfälligsten des Strafgesetzbuchs. Dies gilt, obgleich die meisten, die man fragt, der Ansicht sind, sie wüssten, worum es geht. Strafbar »untreu« handelt in der praktisch wichtigsten Variante des Paragrafen 266 Absatz 1 StGB, wer 1) eine Pflicht hat, fremdes Vermögen zu »betreuen«, 2) diese Pflicht verletzt und 3) hierdurch dem zu betreuenden Vermögen einen Vermögensnachteil (Schaden) zufügt. Eine »Bereicherungsabsicht« wie beim Betrug ist nicht vorausgesetzt: Weder der Täter noch eine dritte Person muss objektiv oder intentional bereichert werden; es reicht der (bedingte) Vorsatz, das betreute Vermögen pflichtwidrig zu schädigen.

Mit ein bisschen Fantasie können Sie sich hoffentlich ausmalen, welche Abgründe an »Streitigkeit«, Interessen, Sachverhaltsvarianten und Bewertungen sich hinter solch spröden Formulierungen verbergen können. Die erste wichtige Frage bei der Anwendung des Tatbestands ist die Tauglichkeit des möglichen Täters: Hat die Person eine »Betreuungspflicht« gegenüber einem fremden Vermögen? Das ist in vielen Fällen klar (Kassierer, Schatzmeister, Geschäftsführer), in vielen anderen nicht (zum Beispiel: Muss ein niedergelassener Arzt das Vermögen der Krankenkasse betreuen?). Die zweite oft schwierige Frage ist, ob eine Verletzung dieser Pflicht vorliegt. Auch hier gibt es leichte Fälle (»Griff in die Kasse«) und schwierige (Eingehen von Risiken durch Vorstände).

Quelle       :      Spiegel-online          >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —     03.05.2018, Berlin: Vortrag: Investigativer Journalismus – Wer kann sich das noch leisten? Referentin: Patricia Schlesinger, Georg Mascolo, Olaf Sundermeyer, Uli Köppen, Oliver Schröm Robin Lautenbach Die re:publica ist eine der weltweit wichtigsten Konferenzen zu den Themen der digitalen Gesellschaft und findet in diesem Jahr vom 02. bis 04. Mai in der STATION-Berlin statt. Foto: Gregor Fischer/re:publica

Unten          —        Thomas Fischer auf der re:publica 2016
Ot – Eigenes Werk
Thomas Fischer (Jurist)
CC-BY-SA 4.0
File:Thomas Fischer-Jurist-rebuliva16.JPG
Erstellt: 4. Mai 2016

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Neues aus Rheinland-Pfalz

Erstellt von Redaktion am 18. Juli 2022

Rheinfall in Mainz

Von    :      Jimmy Bulanik

Am Samstag, 16. Juli 2022 sollte ab 12 Uhr in Mainz am Hauptbahnhof eine Demonstration durch eine Neonazi Splitterpartei durchgeführt werden.

Tatsächlich befanden sich um 12 Uhr drei Personen aus dem politischem Spektrum. Zwei minderjährige Förderschüler, eine männliche erwachsene Person welche laut eigenen Angaben zu dieser Splitterpartei gehören soll. Sie hatten weder zu den verantwortlichen Personen Michel Fischer aus Thüringen und Florian Grabowski aus Rheinhessen in Rheinland – Pfalz erreichen.

Einige Minuten nach zwölf Uhr erhöhte sich die Anzahl der Rechten von drei auf vier. Dabei handelt es sich um eine deutsche, männliche Person, zirka 1,85 cm groß, zirka 45 Jahre alt, normale Figur, schwarze Kappe mit der Farbkombination schwarz – weiß – rot auf der linken Seite der Schirmkappe, dunkle bräunliche Haare, bunte Sonnenbrillengläser aus Plastik, eine schwarze Maske mit der Aufschrift „Alles Lügen!“ in weißen Buchstaben, ein kurzer Bart um die Oberlippen bis zum Kinn, weißes T – Shirt mit einem Rundhals, Schwarzer Ledergürtel mit einer Schnalle aus Metall worauf ein Reichsadler, Hakenkreuz in einem Kranz eindeutig in der Öffentlichkeit zu sehen gewesen ist, schwarze Hose und schwarze Schuhe wie Arbeitsschuhe für Handwerker.

Dies stellt ein Offizialdelikt der Art Staatsschutzdelikt nach § 86a StGB dar.

Auf meiner Anfrage stammt der Mann aus Rheinland – Pfalz. Er spricht deutsch mit einer Mundart aus Rheinland – Pfalz. Zeitweilig ging er in den Bahnhof und kaufte dort ein Brötchen mit Leberkäse. Ob der dort dabei von einer oder mehr Kameras aufgezeichnet worden ist, wird sich herausstellen. Ebenso ob diese Person in Verbindung mit dem Innenministerium des Landes Rheinland – Pfalz steht.

An diesem Mann gingen ständig vorbei sprachen mit ihm die Beamtinnen und Beamten der Bundespolizei, Landespolizisten aus Rheinland – Pfalz, Baden – Württemberg, Bayern, Nordrhein – Westfalen, Freistaat Bayern sowie eine männliche Person des Ordnungsamt Mainz. Neben der Reinigung am Hauptbahnhof Mainz standen zwei Männer in Zivilkleidung zusammen, welche dem Habitus und journalistische Erfahrungswerte her es sich um Polizeibeamte der Abteilung Staatsschutz gehandelt haben könnte.

Niemand von den anwesenden des Ordnungsamt Mainz, der Polizei will die Straftat bemerkt haben. Somit ist vor Ort keine Strafanzeige geschrieben worden. Die öffentliche Sicherheit ist in so guten Händen wie bei infantilen Nucklerinnen und Nuckler von Babyschnuller.

Die Polizei in Mainz hat keinen der Nazis sowie deren Rucksäcke kontrolliert.

Deshalb werde ich selbst gegenüber der StA Mainz eine Strafanzeige und Strafantrag stellen. Auch ist die Staatsanwaltschaft Mainz gut beraten zu ermitteln weshalb alle Kräfte vor Ort dies nicht zur Anzeige gebracht haben. Ganz offensichtlich sind eine Reinigungskraft am Flughafen in Wien, eine OBI Mitarbeiterin oder ein Fachjournalist eher kompetent die Straftaten von Nazis als das zu erkennen was sie sind.

Die Personen Michel Fischer und Florian Grabowski waren nicht an dem Treffpunkt angekommen. Offenbar sind diese Subjekte mangels Fähigkeiten zu überfordert. Michel Fischer ist bedingt durch Nazi Demonstrationen kein unbekannter. Er wirkt von seinem Verhalten und Ausdrucksweise her minderbemittelt, ist impulsiv und gewalttätig gegenüber den Kräften der Landespolizei auf Nazi Demonstrationen wie in Bad Nenndorf oder in Dortmund.

Auf der anderen Seite gab es ein buntes Bündnis gegen Nazis gegenüber dem Hauptbahnhof von Mainz. Diese stellten sich zusammen aus Bündnis 90 / Die Grünen, SPD, Fridays For Future, Omas gegen Rechts, sowie jüngere idealistische Menschen. Laut Angaben der Polizei vor Ort waren es insgesamt über 1.500 Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten der demokratischen Zivilgesellschaft anwesend gewesen.

Sie spielten fröhliche Musik, die jüngeren liefen durch Mainz. Unter Umständen hatte dies zur Wirkung das Dritte sich nicht für die Teilnahme an der Nazi Veranstaltung interessiert haben. Letzten Endes rief die Polizei über eine Sprechanlage die Ansage aus, daß die Veranstaltung der Nazis nicht stattfinden werden wird.

Dies hat die Gesellschaft in Mainz wohlwollend zur Kenntnis genommen.

Nützlicher Link im Internet:

Talk Talk – Such a shame

www.youtube.com/watch?v=lLdvpFIPReA

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Grafikquellen      :

Oben     —     Hauptbahnhof in Mainz

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Der Schrebergärtner rät

Erstellt von Redaktion am 5. Juli 2022

Die Selbstversorgung mit Gemüse und Kräuter

Von Jimmy Bulanik

Es immer sinnig die eigene Gesundheit zu pflegen. Grundsätzlich können die Menschen ihre private Wohnräume nutzen, um die nicht verarbeiteten Mittel zum Leben anzubauen. Die Vorteile dessen sind vielfältig.

Was kann in den eigenen, privaten Räume überhaupt angepflanzt werden ?

Erbsen, Bohnen, Tomaten, Radieschen, Gurken, Zucchini, Zwiebeln, Lauchgewächse, Ingwer, Feldsalat, Kohlrabi, Basilikum, Schnittlauch, Schnittknoblauch, Rosmarin, Thymian, Oregano, Pfefferminze, Salbei, Petersilie, Liebstöckel und vieles mehr.

Jeder Konsum von nährstoffreicher Lebensmittel verlängert die eigene Lebensqualität wie die Vitalität als auch die Zeit zum Leben.

Die Mittel zum Leben haben unverzichtbare Nährstoffe

Der Eigenanbau von Gemüse und Kräuter ist ökologisch. Sie wird weder verpackt oder transportiert

Der eigene Anbau von gesunden Lebensmittel ist ökonomisch

Die Reduktion der eigenen Abhängigkeit durch die Betriebe Dritter

Die Kompetenzen in Sachen Natur und Gesundheit erreichen eine Reichweite

Alles was an Gemüse und Kräuter selbst angebaut wird, ist sowohl vegetarisch als auch vegan

Das Gemüse trägt zu einer vernünftigen und nachhaltigen Form der Sättigung bei

Die Sorten an Gemüse und Kräuter sind eine unabhängige Hausapotheke

Die quantitative Notwendigkeit von Mittel der Pharmazeutischen Industrie und Drogerie wird vermindert

Der Eigenanbau von gesunden Nahrungsmittel im Haushalt ist eine wirkungsvolle Kapitalismuskritik

Alle Menschen welche Zuhause selber die gesunden Lebensmittel anbauen gehen für die Gesellschaft als positives Beispiel voran und sind geeignet für andere Menschen eine Inspiration darzustellen.

Die Gesellschaften wie beispielsweise Gartenhandel welche die benötigten Materialien wie Samen, Erde, Behälter produzieren und verkaufen erfahren die gesteigerte Wertschätzung für ihre humane, ehrliche und harte Wertschöpfung. Wer durch den eigenen Anbau selber die Mittel zum Leben hat kann das Leid wie Hunger Dritter Menschen welchen einem am Herzen liegen konkret vermindern. Insbesondere in Zeiten von Preisentwicklungen welche für die Mehrheit der rund acht Milliarden Menschen auf dem Globus eine unmittelbare Bürde sind.

Über den Erfolg des eigenen Anbau kann das Internet genutzt werden um diese Inhalte zu transportieren. Von der Hilfe zur Selbsthilfe, hin zu einem Selbstläufer. Auch der Handel wird dies konstatieren wenn ihre Kundschaft die eigenen Räumlichkeiten zum Anbau von gesunden Lebensmittel nutzt.

Weil der Handel immer Geld verdienen möchte, werden diese sich auf die Befindlichkeiten ihrer Kundschaft einstellen. Der Verzehr von Mittel zum Leben welche die Gesundheit fördern ist jedes mal eine Absage an durch die Konzerne wie Nestle, mit unverhältnismäßig stark zugesetzten Substanzen wie Einfachzucker, Transfette, Salz verarbeiteten Produktionsgüter welche primär darauf ausgerichtet sind den Profit der Konzerne im Blick zu haben in einer unmittelbaren Vergleichbarkeit zur Lebensqualität des Menschen.

Der eigene, gute Wille respektive der Achtung anderer Menschen, einem selbst ist eine regenerative Energie dessen Charakter autonom ist.

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Grafikquellen       :

Oben     —    Altes Kleingartenhaus

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„Ich, Wissler, ich, ich“

Erstellt von Redaktion am 30. Juni 2022

Die Prinzipienlose und ihr „politisches“ Programm

von Wolfgang Gerecht, 23.06.2022 – 29.06.2022

Das Geltungsbedürfnis von Politiker-Innen ist gerade – wieder einmal – am „Kampf um die Parteiführung“ zu beobachten.

Da kann Frau Wißler („Wissler“), die mit den anderen Drei (Bartsch, Mohamed Ali, Hennig-Wellsow), die Partei beinahe mit 4,9% aus dem Bundestag „gekickt“ hätte, noch so oft gegen das Partei-Programm von 2011 und das Wahl-Programm für die BTW v.26.09.21 handeln, sie – Wissler – fühlt sich weiter berufen, die Partei „anzuführen“.

Die Berufs-Politikerin Wissler, hat sich schon als Studentin – im Jahr 2004 in den Partei-Vorstand !!! der WASG gedrängt, seit 2007 im Partei-Vorstand !!! der Partei DIE „LINKE“, seit 2014 stellvertretende Partei-Vorsitzende!!! und seit 2021 Partei-Vorsitzende der Partei.

Das Wissler – alles was ihr nach 20 !!! Jahren politisch lästig geworden ist – wegschmeißt wie eine schmutzige Unterhose – hat sie durch ihre Austritte aus den vom Inlands-Geheimdienst „Verfassungsschutz“ beobachteten Organisationen im trotzkistischen LINKSRUCK-MARX21-Netzwerk und der (Sozialdemokratischen) Sozialistischen Linken, bewiesen.

Und aus der gerade mal in 2019 „neu“ gebildeten „Bewegungs-Linke“ (Für und gegen Alles) ist sie auch ausgetreten, steht dieser aber dennoch „nahe“. Was ist das für eine Person???

Mensch kann sehen und sollte wissen, egal ob die Dame 20 Jahre oder 1 Jahr eine Mitgliedschaft pflegt, alles was ihrer Karriere-Planung „im Wege steht“, ist, wenn ihr der geeignete Zeitpunkt gekommen scheint, „Null und Nichtig“.

So wird auch einigermaßen erklärlich, dass die Dame in extremer Weise an „ihrem“ Partei-Vorsitz festhalten wollte, egal was kommen mag.

Bei Wißler scheint mir der Ausdruck „klebt wie Pattex“ am Amt, viel zu milde gefasst. Es bedarf anscheinend eher der „GSG 9“ oder des „KSK“ um diese Person von dem höchsten Amt der Partei zu entfernen. Wie können Menschen, also hier die Bundes-Parteitags-Delegierten, so einer Person überhaupt ein Amt und dann noch das „höchste“ in der Partei anvertrauen??? Leider sind die gerade mal noch 60.000 Mitglieder von der Direkt-Wahl der/des Partei-Vorsitzenden ausgeschlossen.

Sehr gut für die Funktionärs-Kaste der „LINKEN“, sehr schlecht für die (Basis) Mitglieder, denen bleibt „nur“ die Zahlung von Beiträgen bzw. Spenden und das „Rackern“ für die Partei während der Wahlkämpfe, in ihren Betrieben und Verwaltungen, in ihren Vereinen und Bekannten-Kreisen.

Absahnen und machen was s i e wollen, und nicht das was s i e sollen, das tut die hoch besoldete mit Spitzen-Gehältern und traumhaften Altersversorgungsansprüchen ausgestattete Funktionärs-Kaste der Partei.

Parteitages der Partei DIE LINKE 2019, Bonn.2.jpg

Während die „Kapital“ hörigen Parteien CDU-SPD-GRÜNE schon die Urwahl durch ihre Mitglieder ermöglichen, ist die Partei „DIE LINKE“ noch im „Steinzeit-Modus“ der parlamentarischen Parteien-Demokratie.

Die ach so „demokratische“ „LINKE“, die ach so „demokratischen“ Partei-Vorstände der „LINKEN“, die
ach so „demokratischen“ Fraktions-Mitglieder der „LINKEN“, alles nur oberflächliches Geschwätz für das „Publikum“, egal, ob (Basis) Partei-Mitglied oder „nur“ (ehemalige) Wähler-Innen der Partei DIE „LINKE“.

Schließen wir mit der Erkenntnis:

Das Prinzip und die Programmatik der Kandidatin Wissler ist nach den vorstehenden Ausführung, die noch bewusst kurzgefasst wurden: „Ich, Wissler, ich, ich.“

Aktualisierung des Artikels vom 23.06.2022.

Die Parteitags-Regie hat für diesen 8. BPT in Erfurt vom 24.-26.06.2022 eine durch und durch stabilisierte Rechte im Partei-Vorstand der Partei DIE „LINKE“ herbei organisiert.

Diese Rechte besteht zum einen, aus den Regierungs- “Sozialisten“ der „Ost-Bundesländern“, aus dem Ost-West-Berlin, Bremen.

Eine relativ neue Erscheinung von Karriere-Netzwerk firmiert seit 14.12.2019 unter dem Label „Bewegungs-Linke“. Inhaltlich so etwa: „Wir sind für und gegen alles“.

Nie hat Frau Wissler und ihr Partei-Vorstand eine von verschiedenen Bundesarbeitsgemeinschaften geforderte Wahlanalyse zur BTW erstellt. Eine Wahlanalyse ist in jeder politischen Partei der Regelfall und zur Eigen-Beurteilung und Sicherung der Zukunftsfähigkeit ein absolutes „Muss“.

Nie hat Frau Wissler sich für ihr Partei- und Wahlprogramm widriges „Sofort-Programm“ vom 07.09.2021 gerechtfertigt. Dieser „Anschleim-Versuch“ an SPD und GRÜNE war ja schließlich ein Hauptgrund für die Flucht der ehemaligen Wähler der LINKS-Partei in das Nicht-Wähler-Lager oder eben gleich zu den Originalen SPD-GRÜNE zu wechseln.

Die rechte „Linksblinkerin“, Frau Wissler, die ja mit dem rechten Herrn Bartsch als Spitzen-Kandidaten DIE LINKE zur BTW 2021 de facto an „die politische Betonwand“ gefahren hat, wurde mit 58% wieder gewählt.

Eine feurige Rede, mit allen denkbaren Facetten von „ich wünsch mir was“ und schon war das politische Kunstprodukt aus Hessen wieder zur Vorsitzenden gewählt.

„Normalerweise“ müssen Wahlverlierer sofort ihre bisherige Position räumen. Nicht so in der komischen „LINKS-Partei“. Aber, was ist in dieser Partei schon „normal“???

Die genannten Fakten werfen ein bezeichnendes Licht auf das tatsächliche politische Urteilsvermögen und allgemeine politische Niveau der Wissler-Mehrheit. Oder geht es etwa „nur noch“ um innerparteiliche Macht-Positionen und die Sicherung interner Ansprüche auf aussichtsreiche Listenplätze bei anstehenden Landtagswahlen um eine staatliche  Voll-Versorgung) zu ergattern?

Alle Änderungsanträge wurden von der Parteitags-Mehrheit abgelehnt. Hauptwortführer war der Rechte in der LINKEN, Wulf Gallert. Dieser erklärte den Delegierten was „realistischer“ Weise beschlossen werden sollte. Also so etwa „mehr Realismus wagen“.

Der Partei-Vorstand hatte i.d.R. die Mehrheit der Delegierten, namentlich der „Bewegungs-Linken“, der „Progressiv-Linken“, „Regierungs-Linken“ – auf seiner Seite. Also „weiter so“ mit Wißler und dem Hennig-Wellsow Ersatz Schirdewan.

Noch eine Anmerkung zur erfolglosen Partei-Vorsitzenden-Kandidatur von Herr Pellmann: Ohne dessen Direkt-Mandat würden Wissler, Bartsch und Co. jetzt in Frankfurt am Main und Stralsund privatisieren können. Er wurde für seine tatsächlichen Leistungen für die Partei mit 32% „abgekanzelt“. Auch dieses Ergebnis zeigt an, die Rechten in der Linken haben alles gut vorbereitet.

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Gesamteindruck von diesem Parteitag: Was an dieser Partei „links“ sein soll, ist für viele Menschen schwer zu erraten.

Diese Gedanken teilen offensichtlich auch viele (ehemaligen) Wähler Innen der „LINKS“-Partei. Wer es nicht „glauben“ will, der schaue auf die Wahlergebnisse der letzten zwei Jahre. Auch das Dahin-Siechen der LINKEN in Thüringen, wo ein MP Ramelow absolut abhängig von der CDU, der FDP und natürlich von den „LINKEN“ -„geliebten“ Koalitions-Parteien SPD und GRÜNE ist.
Nicht der MP Ramelow regiert das Bundesland Thüringen, sondern die genannten Parteien regieren den MP Ramelow.

Es kam in Erfurt zwar nicht zum weithin hörbaren „großen Knall“, aber die Fakten weisen deutlich darauf hin, das diese Partei keine Zukunft haben wird.

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Grafikquellen          :

Oben     —   Janine Wissler hält ihre Rede zum Parteivorsitz auf dem 7. Parteitag von DIE LINKE im Februar 2021.

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2.) von Oben     —     Parteitag der Linkspartei in Bonn. 2. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE, 22. und 23. Februar 2019, Bonn.

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Die Linke Friedenspartei

Erstellt von Redaktion am 28. Juni 2022

Noch ist DIE LINKE eine Friedenspartei

Quelle:    Scharf  —  Links

Rückblick auf den Erfurter Parteitag von Edith Bartelmus-Scholich*

Am Wochenende trafen sich knapp 560 Delegierte der Partei DIE LINKE in Erfurt zum Parteitag. Ihr Arbeitsprogramm war umfangreich und straff organisiert. Geklärt wurden die Position der Partei zum Ukraine-Krieg, der Umgang mit #linkemetoo und die mittelfristige politische Perspektive für DIE LINKE. Ein neuer Vorstand wurde gewählt. Zudem gab es wichtige satzungsändernde Anträge.

Krieg und Frieden: Der Konsens wird brüchig, aber er hält

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine hat die Partei DIE LINKE bis in die Grundfesten erschüttert. Auf dem Parteitag war zu klären wie sich DIE LINKE zu diesem Krieg, aber auch zu kommenden Kriegen, wie sie sich zu Russland und wie zur NATO verhält. Der Parteivorstand hatte mit dem Leitantrag L03 eine Positionierung vorgeschlagen, die entschieden auf politische Distanz zu Russland ging, die Ukraine mit nichtmilitärischen Mitteln unterstützen will, aber die bisher vertretene Kritik der Partei an der NATO ziemlich zurücknahm. Die historische Entwicklung hin zu diesem Krieg wurde weitgehend ausgeblendet.

Aus dem linken Flügel der Partei wurde ein unter Federführung von Özlem Demirel, Christine Buchholz und Heinz Bierbaum erarbeiteter Ersetzungsantrag dazu eingereicht. Dieser Antrag wurde u.a. von den Landesvorständen von DIE LINKE. NRW und Hessen unterstützt. Auch im Ersetzungsantrag zu L03 wurde der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verurteilt. Ebenso sollte die Ukraine mit nichtmilitärischen Mitteln Unterstützung erhalten. Allerdings wurde ein Wirtschaftskrieg gegen Russland, der nur oder in erster Linie die Menschen in Russland trifft als untauglich abgelehnt. Sanktionen sollten zielgerichtet die sogenannten Oligarchen ins Visier nehmen. Dabei stufte der Ersetzungsantrag den Krieg als imperialistischen Krieg ein und setzte ihn ins Verhältnis mit anderen imperialistischen Kriegen im Rahmen einer weltweiten imperialistischen Auseinandersetzung. Die Einschätzung der NATO fiel in dem Antrag deutlich nüchterner aus als im Leitantrag des Parteivorstands.

Mit knapper Mehrheit entschied der Parteitag, dass der Leitantrag des Parteivorstands Beratungsgrundlage sein sollte. Dabei entfielen auf den Ersetzungsantrag 42% der Stimmen. Zum Leitantrag des Vorstands lagen ursprünglich ca. 400 Änderungsanträge vor. Die hohe Anzahl der Änderungsanträge ist ein Beleg dafür, wie sehr das Thema die Partei beschäftigt. Im Laufe der Antragsberatung beschloss der Parteitag an vielen Stellen des Leitantrags klarere Positionen. So werden nun Sanktionen, die sich vor allem gegen die Bevölkerung richten, oder zur Verarmung im globalen Süden beitragen, abgelehnt. Es wurde aufgenommen, dass es westlichen Akteuren auch um eigene geopolitische Einflusszonen und Interessen geht und nicht nur um die Selbstverteidigung der Ukraine. Ebenso wird die wachsende Militarisierung der EU abgelehnt. Bekräftigt wurde, dass sich DIE LINKE an Protesten der Friedensbewegung gegen den Krieg in der Ukraine, gegen die Aufrüstung der Bundeswehr und das 100-Milliarden-Sondervermögen aktiv beteiligen wird. Anträge, die Waffenlieferungen nicht ablehnten sondern prüfen wollten, fanden hingegen keine Mehrheit.

Noch hält er also, der friedenspolitische Konsens der Partei. Allerdings wird er von Reformern wie Wulf Gallert zunehmend auf den Prüfstand gestellt. Es bleibt abzuwarten, ob nach politischen Entwicklungen, die jetzt noch nicht absehbar sind, der Parteivorstand von diesem Konsens abrücken wird. Der Stellenwert des Themas schlug sich auch in den Wahlen zum Parteivorstand nieder: Sowohl Wulf Gallert als auch Christine Buchholz wurden gewählt.

Team „Weiter so“ setzt sich durch

Bei den Wahlen zur Parteispitze traten Janine Wissler und Martin Schirdewan explizit als Team an, Heidi Reichinnek und Sören Pellmann bildeten quasi auch ein Team. Gewählt wurden Wissler (57%) und Schirdewan (61%). Auf Reichinnek entfielen 35% auf Pellmann knapp 32%.

Knapp wurde damit das bestehende Bündnis der Bewegungslinken mit Teilen der Reformer bestätigt, welches vor ungefähr anderthalb Jahren mit großen Hoffnungen gestartet war. Bald stellte sich heraus, dass die Spannung innerhalb dieses Bündnisses nicht produktiv gemacht werden konnte. Die Krise der Partei hat sich innerhalb dieser anderthalb Jahre vertieft. Eine inhaltliche und strategische Klärung, eine Schärfung des Profils der Linkspartei unterblieb, weil die BündnispartnerInnen Auseinandersetzungen scheuten und sich auf wenig Gemeinsames einigen konnten. Einig waren sie sich allerdings zum Erfurter Parteitag satzungsändernde Anträge einzubringen, mit denen die Mitgliederrechte beschnitten werden sollten. Der Parteitag entschied, diese Änderungen der Satzung abzulehnen. Verkleinert wurde aber der Parteivorstand.

Dem nun 26köpfigen Vorstand gehören 11 Bewegungslinke an, darunter auch zwei Stellvertretende Parteivorsitzende. Das Gewicht der Reformer im Parteivorstand ist gewachsen. Bemerkenswert ist, dass der sozialkonservative Flügel um Sahra Wagenknecht, der ca. 15% der Delegierten stellte, im neuen Vorstand nicht mehr vertreten ist. Anzumerken ist, dass das Thema Klimapolitik nun durch den Stellvertretenden Parteivorsitzenden Lorenz Gösta Beutin gut vertreten und faktisch aufgewertet ist.

Vor dem neuen Parteivorstand liegt die Aufgabe mit dem „Weiter so“ zu brechen. Die Partei braucht ein klares Profil, einen mutigen Auftritt, eine glaubwürdige politische Praxis und eine Vertiefung der innerparteilichen Demokratie mit mehr Teilhabe für die Mitglieder.

Immer noch nur anti-neoliberal

In einer langen, mit Begeisterung aufgenommen Rede umriss Janine Wissler vor ihrer Wahl die Aufgaben, die sie für DIE LINKE sieht. Im Kern war diese Rede immer noch nur eine anti-neoliberale Rede, ein wenig modernisiert durch die Aufnahme von Klimapolitik und verbindender Klassenpolitik. Was fehlte waren Analyse und Selbstkritik sowie leitende, zukunftsfähige Ideen. Denn angesichts des heutigen Zustands des globalisierten, fossilen Kapitalismus und seiner multiplen Krisen kann eine solche Rede und natürlich auch das damit korrespondierende Programm der LINKEN nicht nur anti-neoliberal sein. Wenn die Partei den Anforderungen der Zeit genügen will, bedarf es eines klaren Bruchs mit dem Kapitalismus und einer Transformationsperspektive, die in einen Ökosozialismus mündet.

Und hier sei an das Motto des Parteitags: „… es kommt aber darauf an sie zu verändern.“ erinnert. Gemeint ist die Welt, das Leben der Menschen, vielleicht auch noch die Linkspartei. Diese nähert sich hier der Ursache für endlosen Flügelstreit und politische Misserfolge an.

In 15 Jahren konnte von dem Anspruch „eine neue soziale Idee“ zu etablieren, die Welt und das Leben der Menschen zu verändern viel zu wenig eingelöst werden. Gegründet gegen Agenda 2010 und Hartz IV, gegen Niedriglohn, Niedrigrente und Verarmung, gegen Umweltzerstörung, gegen sexistische und rassistische Benachteiligung und gegen Krieg, bleibt heute festzuhalten, dass sich die Lebenslage der Betroffenen von Hartz IV und der von Armut betroffenen Menschen bis heute nicht verbessert hat. Trotz Mindestlohn gibt es immer noch Armut trotz Arbeit, Alters- und Kinderarmut. Klimawandel und Artensterben stehen für historisch beispiellose Umweltzerstörung. Sexismus und Rassismus betreffen insgesamt die Mehrheit der Bevölkerung. Und nach Ausbruch des Ukraine-Krieges wird alle Politik der Kriegslogik untergeordnet. Es ist kein Zufall, dass sich die WählerInnen von der Partei DIE LINKE abwenden. Selten hat eine Partei so wenig für die auf sie orientierenden Menschen erreicht.

Gleichzeitig ist bereits sichtbar, dass durch die Explosion der Energie- und Lebensmittelpreise Millionen Menschen von existenzieller Armut bedroht sind. Heizen oder Essen ist die Auswahl, die der ärmere Teil der Bevölkerung, darunter viele Familien mit Kindern, im kommenden Winter zu treffen hat. Es ist absehbar, dass hunderttausenden Haushalten Energiesperren drohen, die Anzahl der Obdachlosen wird sprunghaft auf Rekordhöhen anwachsen, es wird mehr Kriminalität aus existenzieller Not heraus geben. Der Prozentsatz der Armen in der Gesellschaft wird in kurzer Zeit 30 Prozent und mehr erreichen. Millionen Menschen, die sich in gesicherten finanziellen Verhältnissen wähnten, werden deklassiert werden.

Die Aufgaben der Partei DIE LINKE sind in dieser historischen Situation deutlich zu machen, dass ein „Weiter so“ im kapitalistischen Wirtschaftssystem zu Elend und Barbarei für die Mehrheit der kapitallosen Menschen führen wird. Sie muss die Alternative einer nachhaltigen, klimaneutralen, bedarfsorientierten Produktionsweise unter demokratischer, gesellschaftlicher Steuerung und die Schritte dazu aufzeigen. Konkret muss sie zudem den Deklassierten ein organisatorisches Angebot zur politischen Arbeit machen. Für eine solche Exit-Strategie aus dem Kapitalismus ist ein anti-neoliberales Angebot schlicht unbrauchbar.

#linkemetoo: Erste Schritte auf einem steinigen Weg

Der Parteitag musste sich zudem dem Umgang mit sexistischen Übergriffen in der LINKEN stellen. Hierzu lag ein Antrag von Feministinnen (P013) mit einem Maßnahmenkatalog vor. Etabliert werden soll eine neue feministische politische Kultur in der Partei. Zusätzlich soll es Sanktionen gegen TäterInnen geben. Hierzu lag der satzungsändernde Antrag S14 vor, der dem Parteivorstand erlauben sollte mit 2/3-Mehrheit bei schwerwiegenden Übergriffen das Ruhen von Parteiämtern bis zur Klärung der Vorwürfe anzuordnen.

Dazu fanden produktive Debatten zunächst im gut besuchten Frauenplenum des Parteitags statt. Später gab es eine Generaldebatte, in deren Verlauf Stimmen von Betroffenen zu hören waren, die mit viel Empathie aufgenommen wurden. Dass es kein leichter Weg werden wird, war spätestens klar, als nach der Wahl von Janine Wissler zur Vorsitzenden, sich zwei von Übergriffen betroffene Genossinnen zu Wort meldeten und erklärten, dass sie kein Verständnis für die Wahl einer „Täterschützerin“ hätten. Die Reaktion des Parteitags bestand aus Buh-Rufen und unflätigen Beschimpfungen. Ein niederer Reflex, ausgelöst durch das Bedürfnis das eigene Spitzenpersonal zu schützen. Es kamen Erinnerungen an den Göttinger Parteitag 2012 auf.

Abschließend wurde der feministische Antrag mit großer Mehrheit angenommen. Strittig war bis zuletzt, ob es verpflichtende Seminare zur Sensibilisierung für MandatsträgerInnen geben soll. Die Mehrheit der Delegierten sprach sich dafür aus. Nicht beschlossen wurde der satzungsändernde Antrag S14. Er fand zwar eine Mehrheit, erreichte jedoch nicht das für Satzungsänderungen vorgeschrieben Quorum. TäterInnen können sich nun erst einmal beruhigt zurücklegen.

* die Autorin hat als Delegierte für den Zusammenschluss der Antikapitalistischen Linken (AKL) am Parteitag teilgenommen.

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Grafikquellen      :

Oben     —     Der ehemalige brasilianische Präsident Lula besucht Die Link in Berlim, März 2020

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Bundesweite Demonstration

Erstellt von Redaktion am 27. Juni 2022

„Wir zahlen nicht für eure Kriege! 100 Milliarden für eine demokratische,
zivile und soziale Zeitenwende statt für Aufrüstung“

Quelle      :        Wir – Friedensbewegte in der BRD

Von     :        Birgit Malzahn

In einigen Städten ist eine gemeinsame Anreise geplant: https://zivilezeitenwende.de/anreise/

Wir – Friedensbewegte in der BRD aus der ganzen Welt – rufen dazu auf, das angekündigte Aufrüstungspaket von 100 Milliarden Euro im Grundgesetz gemeinsam zu stoppen und für die Umwidmung der Mittel zum Ausbau des Sozialstaats zu kämpfen. Die Aufrüstungspolitik ist grundfalsch, hochgefährlich und zynisch, weil sie bedeutet, die gesellschaftliche Krise mit Militarismus zu beantworten statt mit sozialem Fortschritt zur Mehrung des Allgemeinwohls. Rüstungs- und Kriegspolitik stehen immer im Gegensatz zur solidarischen Kultivierung der Gesellschaft. Deswegen engagieren wir uns stattdessen für massive öffentliche Investitionen und dauerhafte Ausgabenerhöhungen für Soziales, Gesundheit, Bildung, Kultur und Klima – zur zivilen, demokratischen und sozialen Wohlentwicklung weltweit.

Die Waffen nieder!
Den Krieg in der Ukraine wird diese Aufrüstung weder stoppen noch verkürzen. Vielmehr hat das neue globale Wettrüsten der vergangenen Jahre die verschärfte Konfrontation der großen Machtblöcke mit verursacht und eskaliert sie weiter. Auch geht es bei dem Aufrüstungspaket nicht um Landesverteidigung, sondern um national eigenständige Kriegsbefähigung. Die auf der Einkaufsliste stehenden F35-Tarnkappenbomber und Drohnensysteme sind aggressives Angriffskriegsgerät und sollen zudem die atomare Teilhabe verstetigen. Dagegen ist der einzige Weg zum Frieden: Abrüstung, Deeskalation, internationale Diplomatie und soziale Gerechtigkeit weltweit!

Nie wieder Krieg!
Aufrüstung gehört nicht ins Grundgesetz. Im Gegenteil: Als Konsequenz aus zwei imperialistischen Weltkriegen, die von deutschem Boden ausgingen, sowie als Schlussfolgerungen aus der Befreiung vom deutschen Faschismus, flossen ins Grundgesetz das Gebot zum Frieden, zu Gewaltverzicht, Völkerverständigung, Asylrecht und Sozialstaat ein: „Handlungen, die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten sind verfassungswidrig“ (Art. 26). Ein bis heute und für heute gültiges Entwicklungsprogramm, damit nie wieder Krieg von Deutschland ausgehe!

Gemeinsame Entwicklung statt Aufrüstung
Mehr Waffen schaffen keinen Frieden und Sicherheit gibt es nur gemeinsam, nicht gegeneinander! Das Potential für zivile, demokratische und soziale Wohlentwicklung für alle ist vorhanden. Eine gerechte Ressourcenverteilung würde die Hungerkrisen insbesondere im globalen Süden beenden; der Umstieg auf erneuerbare Energien für eine nachhaltige Klimapolitik ist technologisch möglich; eine umfassende Gesundheitsversorgung kann für alle gewährleistet und solidarische Entfaltung durch vernünftige Arbeit, soziale Sicherheit und demokratisch-offene Bildung und Kultur für Alle geschaffen werden. All dies erfordert globale Kooperation, demokratische Aushandlung und kluge Investitionen für die gemeinsame Lösung von Problemen.

Gemeinsam sagen wir NEIN zur Aufrüstung und JA zur Zukunft!
Das Aufrüstungspaket ist gegen die Interessen der Mehrheit der Bevölkerung weltweit gerichtet. Es geht einher mit gesteigert unsozialer und autoritärer Politik, mit Nationalismus und Chauvinismus. Die ohnehin enorme Ungleichheit wächst weiter. Profiteure sind einzig die Chefetagen von Banken und Rüstungskonzernen. Statt dieser destruktiven Hinterzimmerpolitik braucht es eine tatsächlich demokratische, zivile und soziale Zeitenwende – hervorzubringen von uns Allen in Gewerkschaften, Schüler:innen- und Studierendenvertretungen, Friedens-, Antifa-, Umwelt- und sozialen Bewegungen, in Kirche und Kultur-, Bildungs-, Sozialeinrichtungen sowie in Parteien. Allein mit je 20 Milliarden in die öffentliche Energie- und Verkehrsinfrastruktur, in die Sanierung von Schulen und Hochschulen, in den personellen Ausbau des Gesundheitswesens, in sanktionsfreie soziale Mindestsicherungen und in die Förderung von Museen, Theatern, Kinos und Bücherhallen würde ein notwendiger Schritt zur Lösung der vordringlichsten Probleme der Mehrheit getan. Wir rufen daher auf, eine solche Kehrtwende gemeinsam durchzusetzen!

Kommt zur bundesweiten Demonstration
am Samstag, den 02.07.2022,
um 14 Uhr, Bebelplatz
in Berlin!

NEIN zur Aufrüstung – JA zur zivilen, solidarischen Entwicklung!

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Von Sahra ohne Knecht

Erstellt von Redaktion am 26. Juni 2022

„Ich frage mich, ob Menschen irgendwann von mir enttäuscht sein werden“

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Ein  Interview von Christian Baron

Sahra Wagenknecht glaubt zu wissen, wie die Linke mit ihrem anstehenden Parteitag aus der Krise kommen kann. Im Gespräch mit Christian Baron hinterfragt sie ihre eigene Rolle dabei.

Beinahe hätte höhere Gewalt unser Treffen verhindert. Mit der U-Bahn geht es nicht weiter – Notarzteinsatz. Auf dem Fußweg zum Deutschen Bundestag zeigt sich der zuvor strahlende Berliner Juni plötzlich von seiner hässlichen Seite.

Klatschnass komme ich an, werde an der Pforte jedoch abgewiesen: „Frau Wajenknecht findense jegenüba, wa?“ Ich stapfe hinüber, komme unbeschadet durch die Sicherheitsschleuse – und staune. Wer kann in einem solchen Gebäude auch nur einen klaren Gedanken fassen? Diese Enge in den Fluren! Überall bürokratenholzvertäfelte Wände! All die geschlossenen Türen! Als ich Sahra Wagenknecht endlich gegenübersitze, fängt es draußen zu hageln und zu donnern an. Beste Voraussetzungen für ein Gespräch über eine linke Partei am Abgrund.

der Freitag: Frau Wagenknecht, die Bundesregierung hat mit der CDU/CSU gerade die größte Aufrüstung in der Geschichte der Bundesrepublik beschlossen. Massenproteste wie zu Zeiten des Nato-Doppelbeschlusses sind nicht in Sicht. Warum versagt Ihre Partei aktuell dabei, den Protest gegen den Militarismus zu organisieren und auf die Straße zu bringen?

Sahra Wagenknecht: In den achtziger Jahren gab es eine starke Friedensbewegung. Wichtige Teile der Sozialdemokratie unterstützten die Demonstrationen gegen den Nato-Doppelbeschluss. Auch die Gewerkschaften waren dabei. So ein Bündnis war in der Lage, große Proteste zu organisieren. Meine Hoffnung ist, dass wir es spätestens im Herbst auch wieder schaffen, viele Menschen gegen Krieg und Aufrüstung auf die Straße zu bringen. Aber das kann nicht eine Partei allein. Und schon gar nicht die Linke in ihrer aktuellen Verfassung, die dafür viel zu schwach ist. Dafür braucht es bekannte parteiunabhängige Persönlichkeiten und möglichst auch einige mobilisierungsstarke Organisationen. Von der SPD ist leider nicht mehr viel zu erwarten. Im Bundestag ist die Linksfraktion aktuell die einzige Kraft, die bei diesem Thema dagegenhält.

Das stimmt nicht. Auch die Fraktion der AfD hat mehrheitlich gegen das „Sondervermögen“ von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr gestimmt.

33 AfD-Abgeordnete haben zugestimmt, sechs haben sich enthalten, nur 35 haben mit Nein gestimmt. Soweit der Beschluss von der AfD kritisiert wurde, war das mit einer ganz anderen Begründung. Die AfD ist nicht gegen die Aufrüstung, sondern nur dagegen, die Aufrüstung über Schulden zu bezahlen. Sie fordert, dass sie durch Kürzungen in anderen Etats finanziert wird. Waffen statt Kindergeld, so könnte man diese Position zusammenfassen. Das ist das genaue Gegenteil dessen, was wir fordern: Wir sagen, dass die 100 Milliarden in der Bildung oder im Gesundheitswesen viel besser aufgehoben wären und Atombomber, bewaffnete Drohnen und anderes schweres Kriegsgerät wirklich das Letzte sind, was unser Land braucht. Dass ausgerechnet SPD und Grüne diese Hochrüstung jetzt umsetzen, ist doch pervers. Die Grünen sind immerhin mal aus der Friedensbewegung hervorgegangen. Heute sind sie im Bundestag die schlimmsten Kriegsbefürworter von allen.

Muss man den Grünen nicht zugutehalten, dass sie mit ihrer veränderten Außenpolitik einen Gutteil der deutschen Bevölkerung repräsentieren? Die hat sich doch auch verändert. Kriegspropagandabegriffe wie „Lumpenpazifismus“ sind plötzlich wieder in Mode – diesmal aber nicht am rechten Rand, sondern in der linksliberalen Mitte.

Die gesellschaftliche Debatte ist in einer Weise gekippt, wie ich mir das noch vor ein paar Jahren nicht hätte vorstellen können. Die aggressivsten Bellizisten kommen heute aus jenem grünliberalen Milieu, das noch vor zwei Jahren lange Debatten über verletzende Sprache führte und meinte, sensible Gemüter vor bösen Worten oder blonden Dreadlocks schützen zu müssen. Verletzung und Tod durch immer mehr Waffen sind für sie offenbar keine relevante Bedrohung, vor der man jemanden in der Ukraine oder anderswo schützen müsste. Im Gegenteil. Sie beschimpfen jeden als Weichei und als Putinisten, der es wagt, gegen die Kriegslogik Verhandlungen und Kompromissbereitschaft auch auf westlicher und ukrainischer Seite einzufordern.

Öffentliche Debatten entwickeln sich auch in Deutungskämpfen. Anstatt sich geschlossen gegen Waffenexporte und pauschalen Russenhass einzusetzen, laviert Ihre Partei in dieser Frage seit Monaten herum. Einige überbieten die Grünen in der Forderung nach schweren Waffen für die Ukraine, andere sind ganz dagegen. Ihr Bundesgeschäftsführer Schindler sagte nach der Landtagswahl in NRW in einer Fernsehsendung, die Ablehnung der Nato in ihrer bestehenden Form sei nicht die Position der Linkspartei – eindeutig eine Lüge. Verlieren Sie nicht an Glaubwürdigkeit, wenn Sie in einer Partei sind mit Leuten, die Grundsätze des eigenen Programms negieren?

Vor allem die Partei verliert dadurch an Glaubwürdigkeit. Das sehen wir ja an den katastrophalen Wahlergebnissen. Natürlich gibt es Punkte im Parteiprogramm, bei denen auch ich darauf bestehen würde, dass eine Pluralität von Meinungen möglich sein muss. Aber die Frage von Krieg und Frieden ist eine Grundsatzfrage. So wie die soziale Frage. In solchen Fragen kann es sich keine Partei leisten, völlig gegensätzliche Positionen zu vertreten. Mindestens 45 Prozent der Bevölkerung sind laut Umfragen gegen die Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Wo sollen sie eine politische Vertretung finden, wenn nicht bei uns? Mehr als 50 Prozent haben Angst davor, dass der Krieg sich ausweitet und wir immer mehr hineingezogen werden. Die Politik der Bundesregierung und der Union hat keine überwältigende Mehrheit hinter sich. Es wäre schmählich, wenn wir als linke Partei ausgerechnet in dieser Situation friedenspolitisch umkippen würden. Willy Brandt wusste noch, dass ein Krieg gegen eine Atommacht nicht gewinnbar ist, weil man ihn schlicht nicht überleben wird. Inzwischen hat man das Gefühl, Leute wie Anton Hofreiter von den Grünen oder Marie-Agnes Strack-Zimmermann von der FDP möchten sich am liebsten in einen Panzer setzen und mit geladenem Rohr gen Russland rollen. Als könnte die Ukraine diesen Krieg gewinnen, wenn wir nur genug Waffen liefern! Es ist unsere verdammte Pflicht, hier dagegenzuhalten – und ja, auch bezogen auf die Nato immer wieder deutlich zu machen, dass es ein echtes Sicherheits- und Verteidigungsbündnis braucht. Das ist die Nato nicht. Sie ist vor allem ein Hebel US-amerikanischer Geopolitik, ein Instrument zur Durchsetzung von US-Interessen. Die USA tragen eine erhebliche Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine. Nichts rechtfertigt den russischen Überfall, aber die von den USA vorangetriebene Integration der Ukraine in die militärischen Strukturen der Nato erklärt, weshalb er stattgefunden hat.

Gregor Gysi ist außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, und er hat Sie schon mehrmals öffentlich attackiert für genau diese Nato-kritische Haltung. Benjamin-Immanuel Hoff, der sich zum stellvertretenden Bundesvorsitzenden wählen lassen will, vertritt die außenpolitischen Positionen von SPD und Grünen. So wie manch anderer Außenpolitiker der Linken auch. Aus den Landtagsfraktionen der Linken gab es noch keine geschlossene Ablehnung des Öl-Embargos oder der Sanktionspolitik gegen Russland, die hauptverantwortlich sind für die Inflation. Also noch einmal: Was hält Sie in dieser Partei, die aktuell nur noch eine sozial abgefederte Version der Grünen ist?

Ich stimme Ihnen zu: Wenn die Linke diesen Weg fortsetzt, wird sie untergehen. Und sie hätte das dann auch verdient. Aber sehr viele Parteimitglieder unterstützen das nicht. Mit meinen Positionen bin ich ja nicht allein. Darum setze ich mich für eine Rückbesinnung auf unseren Gründungskonsens ein, nicht nur in der Außenpolitik. Eine Partei, die das Gleiche vertritt wie SPD oder Grüne, braucht kein Mensch. Wenn die Leute das Gefühl haben, dass es keine Unterschiede mehr gibt, dann macht sich die Linke überflüssig. Der Druck der öffentlichen Debatte ist gerade in der Kriegsfrage derzeit ziemlich stark, und es braucht Rückgrat, um bestimmte Positionen zu halten. Das bringt offenbar nicht jeder mit.

In Erfurt startet am 24. Juni der Bundesparteitag. Das wäre eine Gelegenheit, in all diesen Fragen eindeutige Beschlüsse zu fassen. Viel hängt davon ab, wer die neuen Vorsitzenden werden. Für beide Posten gibt es Kampfkandidaturen: Janine Wissler gegen Heidi Reichinnek und Martin Schirdewan gegen Sören Pellmann. Wen unterstützen Sie?

Es ist sehr wichtig, dass die Linke mit diesem Parteitag einen Neubeginn schafft. Und das geht nur, wenn Personen gewählt werden, die nicht für ein „Weiter so“ stehen, sondern deutlich machen: Wir wollen wieder vor allem soziale Themen in den Vordergrund stellen, und wir stehen ganz klar zu unseren friedenspolitischen Positionen. Wir sind keine Partei, die Waffenlieferungen oder Aufrüstung befürwortet. Wenn wir weitermachen wie bisher oder sogar in der Friedensfrage ganz kippen, dann wird die Linke verschwinden.

Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018.jpg

Das steht auch in dem „Aufruf für eine populäre Linke“, den Sie unterstützen. Der „Spiegel“ hat dazu geschrieben: „Der Aufruf ist auch als parteiinternes Signal von Wagenknecht zu werten, die eigenen Reihen zu schließen und Präsenz zu zeigen.“ Werden wir beim Parteitag erleben, wie Sie auf offener Bühne den innerparteilichen Gegnern das Zepter aus der Hand reißen, so wie es Oskar Lafontaine beim SPD-Parteitag im Jahr 1995 getan hat?

Was der Spiegel da schreibt, finde ich ein bisschen albern. Es geht mir nicht darum, meine Präsenz zu demonstrieren. Ich freue mich, wie viel Zuspruch der Aufruf schon gefunden hat. Wir hatten schon nach kurzer Zeit über 3.000 Unterstützer, liegen derzeit bei gut 5.000. Das zeigt doch, dass unser Aufruf einen Nerv getroffen hat. Letztlich geht es um die Frage: Wie muss die Linke sich aufstellen, um wieder diejenigen zu erreichen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen? Wegen der hohen Inflation haben Menschen bis in die gesellschaftliche Mitte hinein große Ängste und Zukunftssorgen. Die Frage von Krieg und Frieden ist in einer Weise auf die Tagesordnung zurückgekehrt, wie das noch vor zwei oder drei Jahren undenkbar war. Deshalb ist es wirklich eine Tragödie, dass die Linke so schwach ist und nur noch so wenige Menschen erreicht. Gerade jetzt bräuchte es eine starke linke Kraft im Bundestag, und wir könnten das sein. Immerhin hatten wir mal fast zwölf Prozent. Da waren wir ein politischer Faktor in Deutschland. Das müssen wir wieder werden.

Einer, der die Partei in Ihrem Sinne führen würde, ist Sören Pellmann. Sein Name fehlt bei den Unterzeichnern des Aufrufs. Wie finden Sie das?

Keiner der vier Kandidaten für den Parteivorsitz hat den Aufruf unterzeichnet. Das finde ich auch in Ordnung, denn sie müssen im Falle einer Wahl Vorsitzende der gesamten Partei sein. Aber bei ihren Bewerbungen haben die verschiedenen Kandidaten ja deutlich gemacht, wofür sie stehen.

Im Aufruf steht auch der Satz: „Unser Ziel ist ein neuer, demokratischer und ökologischer Sozialismus.“ Stehen Sie auch persönlich hinter dieser klaren sozialistischen Rahmung? In Ihren wirtschafts- und sozialpolitischen Statements der jüngeren Vergangenheit haben Sie die Begriffe „Sozialismus“, „Klassengesellschaft“ oder „Kapitalismus“ gemieden.

Ich wurde als Jugendliche durch Marx-Lektüre eine Linke und ich würde diese Wirtschaftsordnung selbstverständlich immer als Kapitalismus bezeichnen. Der Profit dominiert und entscheidet. Profitstreben ist letztlich auch der Hintergrund fast aller Kriege. Es geht um Rohstoffe, Absatzmärkte, Einflusssphären. Wenn ich das in einer Talkshow sage oder in einer nicht-linken Zeitung, muss ich allerdings viel mehr erklären. Für den Begriff „Sozialismus“ gilt das erst recht. Unser Aufruf richtet sich ja vorrangig an Mitglieder der Partei und Sympathisanten, die meist mit linken Debatten vertraut sind. Nach außen würde ich aber immer versuchen, allgemeinverständlich zu reden. Gerade im Westen existiert immer noch die Vorstellung, Sozialismus sei das, was in der DDR mal existiert hat. Für andere ist es wiederum ein akademischer Begriff, unter dem sie sich nichts vorstellen können. Ich will so über Politik sprechen, dass mich nicht nur Linke verstehen.

Die Linke hat jahrelang Erfolg gehabt als Anti-Neoliberalismus-Partei. Das scheint heute nicht mehr zu funktionieren. Man weiß, wogegen Sie sind, aber nicht, wofür Sie einstehen. Wäre da nicht die Formulierung von Visionen wichtig oder die Entwicklung einer neuen Utopie?

Quelle        : Der Freitag-online           >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen       :

Oben       —      Rechte Tasche – linke Tasche – übrig blieb die leere Flasche /  Screenshot  YOUTUBE

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Unten        —

Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018. 1. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE. Vom 8. bis 10. Juni 2018. Tagungsort: Leipziger Messe, Congress Center Leipzig.

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Die Documenta 2022

Erstellt von Redaktion am 25. Juni 2022

Die »Judensau« von Kassel

Eine Kolumne von Thomas Fischer

In Kassel implodierte die Kunst. Der identitäre Kulturkram verkrümelte sich; zurück blieben verstörte Sozialpädagogen. Nicht tragisch!

Eine, zwei, viele Schanden

In dieser Woche muss man vermutlich etwas zur Documenta 15 sagen, die in einer anderen Kolumne ein bisschen robust als »Antisemita 15« bezeichnet wurde und von »Bild« als »Kunstausstellung der Schande«, was auf unangenehme Weise die bekannte Höcke-Terminologie andeutet, in jedem Fall aber eine unangemessene Bedeutsamkeit ins Spiel bringt, wie sie auf »Bild«-Level gern mit dem – gern auch rassistisch konnotierten – Trash verschmolzen wird. Ansonsten, kleine Schlagzeilenauswahl: »Wie konnte das passieren?«, »Antisemitismus im Postkolonialismus«, »Das Kreuz des Südens«, »Die Schande der Documenta«, »Rocky Horror Picture Show«, »Die Kunst ist frei, aber…«, »Warum schaute Roth bei Judenhass weg?«.

Womit wir in der Abteilung »Rücktritte« gelandet wären. Selbstverständlich haben der Oberbürgermeister sowie die Landeskulturministerin die vollständige Unverzeihlichkeit, Unentschuldbarkeit, Unerträglichkeit und Unmenschlichkeit der Schande sogleich dem Publikum mitgeteilt, verbunden mit dem Hinweis, genau das hätten sie schon immer gesagt. Da kann mal also einen Rücktritt schon mal ausschließen. Frau Roth ist wie immer schwer betroffen, muss also ebenfalls nicht zurücktreten, wo sie doch sogar einmal »Managerin« von, äh, dem König von Kreuzberg war! Herr Steinmeier tritt auch nicht zurück, da er zwar eine Begrüßungsrede bei der Show der Schande hielt, aber zu Protokoll gab, das habe er sich echt lange überlegen müssen. Vorbildlich! Herr Bundeskanzler hat Glück gehabt; er konnte rechtzeitig absagen. Da wird es wohl ein paar aus der zweiten und dritten Reihe erwischen.

Verantwortungen

Die eigentlichen Verursacher, sogenannte Kollektive mit irgendeiner »kulturellen Identität«, jedoch – deshalb – ohne individuelle Verantwortungen, treten demnächst ebenfalls zurück, allerdings wohl nur per Flug nach Indonesien. Erstaunlicherweise, so muss man sagen, konzentrieren sich die Entsetzensschreie ganz auf die oben genannten deutschen Aufsichtspersonen: Irgendwie haben die begeisterten Veranstalter und Politiker offenbar die Pflicht verletzt, auf ihre ungezogenen Globalsüdkinder aufzupassen. Das ist eine »Aufarbeitungs«-Herangehensweise, die einem vertraut vorkommt.

Auch der Kolumnistenkollege hat einleitend klargestellt: »Es gibt eine breite Antisemitismusakzeptanz in Deutschland.« Ich bin mir nicht sicher, ob ich das so formuliert hätte, obgleich es, nach Auskunft der empirischen Sozialforschung, zutreffen dürfte. Allerdings ist alles und sogar dies relativ, und bei »Antisemitismusakzeptanz« würden mir spontan erst einmal ein paar Beispiele außerhalb Deutschlands einfallen. Es kommt darauf aber nicht an, denn das Banner der Documenta-Schande wurde ja, soweit ersichtlich, keinesfalls von einer breiten Akzeptanz besichtigt, gutgeheißen, aufgestellt und so weiter. Bevor man in die »Breite« geht, sollte man die Höhe und Tiefe ausloten. Und dass jetzt die Breite Deutschlands binnen zwei Tagen als Quell einer »Schande« ausgemacht ist, die in ungenügender Kontrolle über einige »Kollektive« dummer Südweltkinder bestand, überzeugt mich jedenfalls so lange nicht, wie nicht ein bisschen konkreter darüber gesprochen wird, wie sich das Grauen, das Entsetzen, die Empörung und die Schanden denn in den hiesigen Rahmen einordnen lassen, wenn alle Rücktritte abgewickelt sind und alle einmal zu Protokoll gegeben haben, dass man von jetzt an aber wirklich aufpassen sollte.

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Ende Linker Hoffnungen?

Erstellt von Redaktion am 24. Juni 2022

Ungewisse Hoffnung aufs Morgenrot

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Werden auch noch die letzten der roten Ballons zerplatzen ?

Von Pascal Beucker

Acht Notizen zum Erfurter Linksparteitag. Die Linke trifft sich zum Parteitag in Erfurt. Auf dem dreitägigen Treffen sucht sie nach einem Ausweg aus ihrer Existenzkrise.

Das Parteitagsmotto

Das offizielle Parteitagsmotto hätte kaum besser gewählt sein können: „… es kommt darauf an, sie zu verändern.“ Das passt gut auf den Zustand der Linken – auch wenn der, von dem es abgeschrieben ist, in einem etwas größerem Maßstab gedacht hat. Denn der Halbsatz stammt aus den Feuerbachthesen von Karl Marx. Der ganze Satz lautet im Original von 1845: „Die Philosophen haben die Welt nur verschieden interpretiert; es kömmt drauf an, sie zu verändern.“ Nun ja, bevor sie daran denken kann, die Welt zu verändern, wird die Linke erstmal bei sich anfangen müssen. Ob ihr das gelingen wird?

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Die Ausgangslage

Die Linkspartei befindet sich in einer tiefen Krise. Bei der vergangenen Bundestagswahl schaffte sie mit 4,9 Prozent nur noch dank drei gewonnener Direktmandate den Wiedereinzug ins Parlament. Bei den Landtagswahlen in diesem Jahr bekam sie Splitterpartei­ergebnisse zwischen 1,7 und 2,6 Prozent. In ihren besten Zeiten war die Linke in 13 von 16 Landesparlamenten vertreten, heute sind es nur noch 8 – wobei Hessen das einzig verbliebene westliche Flächenland mit einer Linksfraktion ist.

Mit Ausnahme Thüringens befindet sich die Linke auch in den östlichen Bundesländern im Sinkflug, hier bewegt sie sich inzwischen um die 10 Prozent, Tendenz fallend. Das liegt weit unter den Ergebnissen, die einst die PDS holte, die zu ihren Hochzeiten überall im Osten über der 20-Prozent-Marke lag.

Laut einer Studie der parteinahen Rosa-Luxemburg-Stiftung (RLS) auf der Basis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar können sich 18 Prozent der Wäh­le­r:in­nen vorstellen, für die Linke zu stimmen. In den bundesweiten Umfragen rangiert die Linkspartei trotzdem nur bei 4 Prozent.

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Die Regierungsbeteiligungen

Während die Linkspartei einerseits um ihr Überleben kämpft, ist sie andererseits derzeit an vier Landesregierungen beteiligt, so vielen wie noch nie in ihrer Geschichte: in Berlin, in Bremen, in Mecklenburg-Vorpommern und in Thüringen, wo sie mit Bodo Ramelow den Ministerpräsidenten stellt.

In diesen vier Ländern habe die Linkspartei gezeigt, dass sie „auch bei allen Rückschlägen und Niederlagen wirksame Verbesserungen und Fortschritte erzielen“ könne, heißt es in einem gemein­samen Brandbrief der Vorsitzenden der Linken-Landesverbände mit Regierungsbeteiligung. Dort sei sichtbar, „dass wir für eine moderne sozialistische Politik stehen, die sich von SPD und Grünen unterscheidet“. Es müsse auch wieder auf Bundesebene gelingen, den Gebrauchswert der Linken als soziale Kraft „erkennbar und erlebbar“ zu ­machen.

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Die Parteitagsstadt

Nicht nur weil es die Hauptstadt des ersten und bisher einzigen Bundeslands ist, in dem sie den Regierungschef stellt, hat das Thüringische Erfurt für die Linkspartei eine ganz besondere Bedeutung. Denn hier verabschiedete sie 2011 – nach Abarbeitung von fast 1.400 Änderungsanträgen – ihr erstes und bisher einziges Grundsatzprogramm. Beschlossen mit 503 Ja-Stimmen bei 4 Gegenstimmen und 12 Enthaltungen wird das 75-seitige „Erfurter Programm“ seitdem in der Partei hochgehalten wie anderswo die Bibel.

DIE LINKE Bundesparteitag 10-11 Mai 2014 -116.jpg

Und warum ging die Linkspartei damals nach Erfurt? Wegen der Symbolik: Weil hier bereits 120 Jahre zuvor „ein Programm der Arbeiterbewegung“ entstand, wie es Oskar Lafontaine formulierte. 1891 beschloss die SPD ihr – wesentlich kürzeres – „Erfurter Programm“, das erste Grundsatzprogramm der Partei nach dem Ende des Sozialistengesetzes Bismarcks.

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Die inhaltlichen Konflikte

Drei Leitanträge, die der Parteivorstand eingebracht hat, sollen in Erfurt verhandelt werden. Zwar bergen auch der erste, in dem es vorrangig um Klimagerechtigkeit und die sozialökologische Transformation geht, und der zweite zur Veränderung der Parteistrukturen einiges Konfliktpotenzial.

Heftig zur Sache wird es aber wohl vor allem bei dem dritten Antrag gehen, dem zum Ukraine­krieg. Nur die Überschrift scheint nicht umstritten zu sein: „Keine Aufrüstung, kein Krieg. Für eine neue Friedensordnung und internationale Solidarität“. Ansonsten gibt es rund 400 Änderungsanträge.

Hauptstreitpunkt ist die Feststellung, Russland verfolge „eine imperialistische Politik“, die das Putin-Regime „gegenüber der eigenen Bevölkerung durch eine nationalistische, militaristische und autokratische Großmachtideologie“ legitimiere. Das wollen zahlreiche An­trag­stel­le­r:in­nen streichen lassen, darunter die Ex-Bundestagsfraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht, die stattdessen eine schärfere Kritik am Westen und an der Nato fordern.

Ende des Irak-Krieges?. png-Datei

Wer würde wem eine solche Abfuhr wünschen ?

Sprengkraft könnte auch die für Freitagabend angesetzte Generaldebatte zum Thema „Kampf gegen patriarchale Machtstrukturen, Gewalt und Sexismus“ haben, bei dem es um den Umgang mit den MeToo-­Vor­würfen in der Linkspartei geht. Per Twitter hat die Linksjugend [’solid] allerdings versprochen, sie werde „auf dem Bundesparteitag weder Tomaten, Kuchen noch andere Lebensmittel auf Parteimitglieder werfen“.

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Das Personalkarussell

Nach dem Rücktritt der Co-Vorsitzenden Susanne Hennig-Wellsow Mitte April hat die Linke beschlossen, auf dem Parteitag in Erfurt ihre komplette Parteispitze neu zu wählen. Alle Posten sind heftig umstritten.

So muss sich die Parteivorsitzende Janine Wissler bei ihrer Wiederkandidatur der Bundestagsabgeordneten Heidi Reichinnek erwehren. Hinzu kommt noch die frühere sächsische Landtagsabgeordnete Julia Bonk, der aber keine Chancen eingeräumt werden.

Für den zweiten Vorsitzendenplatz kandidiert Martin Schirdewan, der Vorsitzende der Linken im EU-Parlament, gegen den sächsischen Bundestagsabgeordneten Sören Pellmann. Außerdem gibt es noch fünf weitere Basiskandidaturen, die aber als aussichtslos gelten.

Quelle        :        TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Looks like a good clean start.

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2.) v0n Oben   —      Bundesparteitag DIE LINKE Mai 2014 in Berlin, Velodrom:

Autor    : Blömke/Kosinsky/Tschöpe

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Unten     —          Cartoon für Operamundi – BREAKING NEWS! Obama erklärte das Ende des Irakkrieges… Oh wirklich???

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Eine Partei auf Sinnsuche

Erstellt von Redaktion am 23. Juni 2022

Die Mixtur aus Unbeweglichkeit und Beliebigkeit ist einmalig in der deutschen Parteiengeschichte

Parteitages der Partei DIE LINKE 2019, Bonn.2.jpg

Von Stefan Reinecke

Die Linkspartei verliert Wahlen – und macht unverdrossen weiter wie immer. Wenn sie nicht entscheidet, was sie sein will, wird sie politisch bedeutungslos.

Der Soziologe Robert Michels schrieb vor mehr als hundert Jahren: „Die Organisation ist die Mutter der Herrschaft der Gewählten über die Wähler.“ Adressiert war seine Analyse an die Sozialdemokratie vor 1914. Der revolutionäre Schwung der SPD sei, so der linkssozialistische Soziologe, in der Organisation verloren gegangen. Jede Partei habe die Tendenz, eine verselbstständigte Parteibürokratie auszubilden, die letztlich nur das eigene Überleben im Sinn hat. Dieses „eherne Gesetz der Oligarchie“ legt sich wie Mehltau über die Parteien. Bei bürgerlichen Parteien, die als Machtmaschinen Interessen bündeln, fällt das weniger auf als bei linken, die Idealen wie Fortschritt und Befreiung verpflichtet sind.

Die Linkspartei wirkt derzeit in manchem wie eine Illustration dieser Analyse. Der Sinn der Partei erodiert, doch der Apparat von Fraktion und Partei genügt unbeeindruckt sich selbst. Eine 39-köpfige Parlamentsfraktion, in der sechs frühere Partei- oder Fraktionsvorsitzende sind, wirkt wie ein Ausrufezeichen der These, dass Parteieliten dazu neigen, Strukturen zu nutzen, in denen Geld fließt. Nachdem die Linkspartei bei der Bundestagswahl ein deprimierendes Ergebnis erzielte, passierte – nichts. Niemand übernahm Verantwortung, niemand trat zurück. Die Beharrungskräfte des Apparates erstickten die naheliegende Idee, dass man schleunigst etwas verändern muss, wenn es nicht weiter abwärts gehen soll.

Für Michels war die bürokratische Erstarrung der Sozialdemokratie ein unvermeidlicher Kollateralschaden ihres Aufstiegs. Sie wuchs – und wurde ängstlicher. Bei der Linkspartei ist die innere Verholzung ein Effekt ihrer Schrumpfung. Sie wirkt von Niederlage zu Niederlage verstockter und unbeweglicher. Anders als in der autoritär-sozialdemokratischen Top-down-Partei, die Michels beschrieb, bildet der Apparat hier auch nicht das Machtzentrum, das die Organisation lenkt. In der Linkspartei 2022 ist der Apparat nur ein Puzzleteil unter vielen, die Partei ein loser Verbund von Strömungen, Fraktionen und miteinander oft in inniger Abneigung verkeilter Gruppen und Grüppchen. Was AntikapitalistInnen und TechnokratInnen, Regierungsfans und -gegnerInnen, Bewegungslinke und gewerkschaftlich Orientierte, junge woke AktivistInnen und Traditionslinke zusammenhält, ist fraglich. Diese Fliehkräfte werden seit fast zehn Jahren durch machttaktische Bündnisse eingehegt – um den Preis, als Partei kaum noch erkennbar zu sein. Steht die Linkspartei in der Russlandfrage für die kalte Appeasementpolitik von Sevim Dağdelen oder für Bodo Ramelow, der Waffenlieferungen an die Ukraine befürwortet? In der Klimapolitik für radikale Maßnahmen oder angezogene Handbremse? Diese Liste lässt sich sehr lange fortsetzen. Die Partei stürzt sich mit Lust in identitätspolitisch aufgeladene Fehden. Ihr fehlt die Fähigkeit, Positionen kommunikativ zu verbinden – vor allem aber der Mut, Grenzen zu ziehen. Dağdelen zieht auch nach Putins Überfall auf Kiew gegen die „Aufrüstung des Westens“ zu Felde und unterstellt der Ampel, „per Wochenbefehl den ‚Sieg‘ gegen Russland“ zu fordern. Dağdelen und andere haben sich in ein antiimperialistisches, gegen die Realität sorgsam abgeschottetes Paralleluniversum verabschiedet, in dem, egal was passiert, immer Nato, USA, Regierung Schuld sind. Sie ist immer noch Obfrau der Fraktion im Auswärtigen Ausschuss.

Fraktion vor Ort in Bochum (8404145869).jpg

Zwei Sektenführerinnen aus der Linken?

Ein steuerndes Zentrum, das Strategien entwirft und imstande ist, sie durchzusetzen, ist nicht in Sicht. Das wird wohl so bleiben, egal ob die GenossInnen in Erfurt Martin Schirdewan oder Sören Pellmann, Janine Wissler oder Heidi Reichinnek wählen. Die Lage wirkt paradox. Die Partei verliert an Kraft, an WählerInnen und Mitgliedern. Und sie wird gleichzeitig immer manövrierunfähiger. Diese Mixtur aus Unbeweglichkeit und Beliebigkeit ist recht einmalig in der deutschen Parteiengeschichte.

Ist die Fesselung in dieser selbst konstruierten Falle ausweglos – oder gibt es noch Spielräume? Gregor Gysi hat kürzlich skizziert, dass die Partei in erster Linie für „Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer“ da sein soll, erst in zweiter Linie für Studierende, Arbeitslose oder Geflüchtete. Das war eine Parteinahme in dem mit viel Affektaufwand betriebenen innerparteilichen Kampf zwischen TraditionalistInnen und Linksliberalen. Das Interessante liegt jenseits der innerparteiliche Markierungen, für die Echoräume in der Wirklichkeit fehlen. In den Gewerkschaften spielt die Partei, anders als vor zehn Jahren, nur eine randständige Rolle. Zur klimaneutralen Transformation der Industrie, dem größten Umbau der Arbeitsgesellschaft seit Jahrzehnten, hat sie weder theoretisch noch praktisch viel beizutragen. 12 Euro Mindestlohn, auf den sie das Copyright hatte, setzt die Ampel um. Die Linkspartei ist 2022 kaum mehr in der Lage, die Interessen von ArbeiternehmerInnen zu vertreten.

Quelle        :         TAZ-online          >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben     —     Parteitag der Linkspartei in Bonn. 2. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE, 22. und 23. Februar 2019, Bonn.

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Ford im Saarland

Erstellt von Redaktion am 23. Juni 2022

Mal klug, mal weniger klug.

Von Wolfgang Gerecht, 23.06.2022

Wenn der NOCH-Vorsitzende der Partei DIE „LINKE“ aus dem Saarland meint, die SPD-lerin, Frau Rehlinger, beratschlagen zu müssen, dann ist er sprichwörtlich „auf dem Holzweg“. Niemand wird einen Gesetz-Entwurf im Bundesrat für eine „Übergewinnsteuer“ einbringen.

Auch die Entscheidung von Ford gegen seine Standorte im Saarland, zugunsten derer im spanischen Valencia wird in Fach-Artikeln informativ und deutlich dargestellt.

So sagt der Ford-Europachef Rowley, dass „man“ nun eine „Task Force“ gründe und mit den „Arbeitnehmervertretern und der saarländischen Landesregierung“ das weitere Vorgehen besprechen werde. Der dreimal größere Standort Köln soll mit Milliardeninvestitionen gestärkt werden. „Am saarländischen Standort läuft die Fertigung des Verbrennermotor-Modells Focus
im Jahr 2025 aus“.

Das ganze Politiker – Geschwurbel dient doch nur dazu, die allgemeine Öffentlichkeit, die örtlichen Politik-Vertreter, die betroffenen Arbeitnehmer zu verwirren und im Unklaren zu lassen.

Das Frau Spaniol einmal langjährige Abgeordnete im Saarländischen Landtag war, das hilft den betroffenen Arbeitnehmern (und ihren Familien) in Saarlouis, Dillingen und Umgebung herzlich wenig.

Auch die „bahnbrechende“ Erkenntnis des MdB´s und der Ex-MdL, „dass „großen“ Konzernen ihr Profit wichtiger ist als das Interesse der Beschäftigten und ganzer Regionen“ hilft den Betroffenen genau so wenig wie den Arbeitnehmern des Saarlandes an der Tankstelle.

Solche Aussagen hören sich doch eher nach Kindergarten und ABC-Schüler an, als nach ernsthaften Informationen für Betroffene und politisch interessierten Bürger Innen.

Mit solchen seichten und nichtssagenden Politik -“Aussagen“ wird DIE „LINKE“ keinen „Blumentopf“ mehr künftig gewinnen.

Die Abwanderung von der Politik in das Nichtwähler-Lager ist letztlich reine Notwehr der Betroffenen und wird ja auch immer öfters und in immer größerem Umfange wahrgenommen.

Eine klare Gesellschafts- und Klassen-Analyse m ü s s t e die Grundlage eines aktualisierten Grundsatz-Programms einer „wirklichen“ bzw. „echten“ LINKEN sein.

Eine solche Analyse wird man weder von dem (neuen) Partei-Vorstand noch von der mit riesigen staatlichen Steuergeldern „gepämperten“ Rosa-Luxemburg-Stiftung, deren künftiger Vorsitzende ja der Saarländer Bierbaum wird, erstellt werden.

Die beiden Bundes-Vorsitzenden der Partei und der gesamte Partei-Vorstand hatten ja sogar eine Analyse der Wahl-Niederlage bei der BTW vom 26.09.2021 abgelehnt.

Datei:Ford Werk Saarlouis.jpg

Ohne eine klare und eindeutige Grundhaltung, ohne eine klare und eindeutige Kommunikation und ohne eine klare und eindeutig politische Handlungen wird es mit einer LINKEN Partei in Deutschland nichts werden.

Bezug und verwendete Quellen:

https://www.focus.de/finanzen/news/hiobsbotschaft-fuer-4600-mitarbeiter-ford-werk-in-saarlouis-baut-ab-2025-keine-autos-mehr_id_107983641.html
https://dielinkesaar.de/index.php?id=nb&id2=1654776365-140605 („Übergewinnsteuer“)
https://dielinkesaar.de/index.php?id=nb&id2=1655898820-135340 (Ford-Standort-Schließungen im Saarland)

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Grafikquellen      :

Oben     —    Das Ford-Hochhaus (Aufnahme 2008)

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Gretchenfrage : Russland

Erstellt von Redaktion am 23. Juni 2022

Klaus Lederer über Linken-Parteitag

Interview von Pascal Beucker und Stefan Reinecke

Die Haltung der Linken im Ukraine-Konflikt wird entscheidend sein, so der Senator. Doch auch in anderen Fragen herrscht Uneinigkeit in seiner Partei.

taz: Herr Lederer, warum tut sich Ihre Partei so schwer, ihr Verhältnis zu Russland zu klären?

Klaus Lederer: Der Grundfehler ist, dass wir in großen Teilen unserer Partei zu lange den fortschreitenden Umbau der russischen Gesellschaft zu einer repressiven Autokratie und die nachhaltige Kooperation des Putin-Regimes mit dem globalen Rechtsextremismus ignoriert haben. Und wir haben das russische Streben nach Destabilisierung liberaldemokratischer Verhältnisse in anderen Ländern nicht ausreichend zur Kenntnis genommen. Nicht einmal die Liquidierung von Regimekritikern im Ausland hat bei uns zu einem Aufschrei geführt.

Die SPD will sich selbstkritisch mit ihrer Russland-Politik befassen. Muss die Linkspartei das nicht auch tun?

Da bleibt uns gar nichts anderes übrig. Die russische Politik der vergangenen 15 Jahre hat keinen Zweifel daran gelassen, dass sie frühere sowjetische Republiken und Regionen, die versuchen, eigene Wege zu gehen, auch militärisch zurück auf den Moskauer Pfad der Tugend bringt. Wir haben das nicht wahrnehmen wollen. Damit waren wir nicht alleine, aber das macht es nicht besser.

Eine Gruppe um Sahra Wagenknecht und Sevim Dagdelen will verhindern, dass der Linken-Parteitag am Wochenende beschließt, Russland verfolge eine „autokratische Großmachtideologie“ und eine „imperialistische Politik“. Sie sieht den Angriff auf die Ukraine als zwar zu verurteilende, aber doch nachvollziehbare Aktion von Putin, der sich von der Nato eingekreist sehe. Verstehen Sie diese Logik?

Diese Sichtweise kommt einer Bankrotterklärung gleich. Letztlich bleibt in dieser Sicht nur die Feststellung übrig, dass Russland zwar einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg begonnen habe, aber die USA und ihre Verbündeten hätten das ja auch schon etliche Male getan. Wir haben diese anderen Kriege stets zu Recht heftig kritisiert. Sie an dieser Stelle aufzuführen, dient aber nur der Relativierung des russischen Überfalls auf die Ukraine. Auffällig ist, dass keine Forderungen an Russland gestellt werden. Am Ende bleibt der Eindruck des Victim Blaming. Wenn der Parteitag diesen Änderungsantrag annimmt, hat sich aus meiner Sicht jeder demokratisch-sozialistische Anspruch der Partei erledigt. Dahinter verbirgt sich eine linksreaktionäre „Friedensliebe“, die letztlich in der Kapitulation vor der russischen Expansionspolitik mündet.

Wagenknecht wirbt für verstärkte diplomatische Bemühungen.

Der Ruf nach Diplomatie ist völlig richtig, aber er muss auch eine Chance haben, erhört zu werden. Russland ist derzeit nicht bereit, den Krieg auf dem Verhandlungsweg zu beenden. Das zur Kenntnis zu nehmen, ist eine Grundlage dafür, sein antimilitaristisches Profil auf die Höhe der Zeit zu bringen.

Ist ein Nein zu Waffenlieferungen an die Ukraine für Linke eine vertretbare Position?

Wer die demokratische Entscheidung der ukrainischen Bevölkerung gegen eine Unterwerfung unter die russische Vormundschaft nicht respektieren will, betrachtet Menschen nicht als Subjekte, sondern als Insassen imperialer Interessensphären und als eine Art Verschiebemasse großer Mächte. Für demokratische Sozialisten ist das inakzeptabel. Wir als Linke müssen mehr tun, als abstrakte geopolitische Erwägungen anzustellen, in denen die konkreten Menschen mit ihren Bedürfnissen, Befindlichkeiten, Wünschen und Ängsten nicht mehr vorkommen.

In einem Diskussionsbeitrag, den Sie mit Bodo Ramelow sowie der Spitze der Bremer Linken verfasst haben, heißt es, dass die Linkspartei friedenspolitisch scheitern wird, wenn sie Waffenlieferungen an die Ukraine ablehnt. Warum?

Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass unsere gut begründete Grundregel, Waffenlieferungen in Krisengebiete abzulehnen, auf die aktuelle Situation des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ganz offensichtlich nicht recht passen will. Die Antwort auf den russischen Überfall kann nicht sein, den Ukrainerinnen und Ukrainern nahezulegen, sich zu ergeben und sich in die russische Interessensphäre einordnen zu lassen, damit „Frieden“ herrscht. In der akuten Situation ist Hilfe zwingend, und eine funktionierende Verteidigungsarmee auch. Und trotz alledem müssen wir daran festhalten, dass wir letztlich eine Welt ohne Waffen, eine Welt ohne Atombomben, ein zivilisiertes Miteinander im Rahmen globaler Regeln brauchen, die durch den russischen Angriff leider fundamental infrage gestellt worden sind. Aber ja, es ist verheerend, dass derzeit überall auf der Welt die Alternative zu Abrüstung und zu globaler Verständigung darin gesucht wird, die Waffenarsenale massiv aufzustocken. Daher halte ich das 100-Milliarden- Aufrüstungsprogramm für die Bundeswehr so für falsch.

Ukrainische Flüchtlinge ab 2022, die nach Polen einreisen.jpg

Bei Flucht und Migration, Klimapolitik, Corona und nun dem Ukrainekrieg hat die Linkspartei keine einheitlich wahrnehmbare Position. Was bleibt da noch?

Nach dem Zusammenbruch des poststalinistischen Parteibürokratismus ist die PDS 1989/90 mit dem Anspruch gestartet, die Vorstellung eines demokratischen Sozialismus für sich neu zu entwickeln. Im Zentrum stand dabei, sich für eine bessere Zukunft für die Menschen, ein besseres Leben für Alle einzusetzen. Das war der zentrale programmatische Ankerpunkt bei der Fusion mit der WASG vor 15 Jahren, aus der die Linke entstanden ist. Heute müssen wir diskutieren, ob dieses Ziel demokratischer Sozialismus weiterhin die Basis des gemeinsamen Handelns sein soll. Denn in der Praxis ist das nicht mehr klar erkennbar. Die Linke kreist um sich selbst und stagniert innerhalb ihrer eigenen Widersprüche, statt sie als Widerspiegelung gesellschaftlicher Zustände und Interessen zu begreifen. Ja, sie fürchtet gesellschaftliche Widersprüche, statt sie produktiv zu machen. Abstrakte Prinzipien scheinen wichtiger als konkrete Politik, in der auch Fehler passieren können. Aber nur so lernen wir, verändern wir Kräfteverhältnisse, haben eine praktische Relevanz im politischen Koordinatensystem.

Bisher wurde die verschiedenen Haltungen mit Formelkompromissen und taktischen Bündnissen unter einen Hut gebracht. Hat die Linkspartei eine Zukunft, wenn sie weiterhin der Devise folgt: Bloß keine Spaltung?

Quelle      :          TAZ-online       >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —      Session: Mensch, Maschine, Mündigkeit: Wie sich Kulturverwaltungen neu erfinden Referentin: Birgit Schneider-Bönninger, Klaus Lederer, Nicolas Zimmer, Sylvie Kürsten

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Die Stadtverwaltung Ulm:

Erstellt von Redaktion am 17. Juni 2022

An Peinlichkeit kaum zu überbieten

Ulm vom sprollheim aus.jpg

Quelle          :        Netzpolitik ORG.

Von        :       

Die Stadt Ulm hat eine jahrelange erfolgreiche Zusammenarbeit von Verwaltung und Ehrenamtlichen mit ihrem ignoranten Vorgehen kaputt gemacht. So wird der einstige Leuchtturm nun zum Lehrstück, welche Fehler man nicht machen sollte.

Zivilgesellschaft ist schön und recht. Aber wenn sie zu kritisch wird, wird sie vor die Tür gesetzt. Die Eskalation zwischen der Ulmer Stadtverwaltung und den Ehrenamtlichen des Verschwörhauses ist an Peinlichkeit kaum zu überbieten. Und peinlich ist hier nur eine Seite: die Stadtverwaltung.

Da hat ein zivilgesellschaftliches Projekt, zur richtigen Zeit gefördert von der Stadt, dieser den Ruf eingebracht, besonders innovativ, smart und digital zu sein. Die Stadt wird Smart-City-Modellprojekt des Bundes. Sie geht hausieren mit dem lebendigen Ort, lässt sich von diesem kostenlos beraten, profitiert vom ehrenamtlichen Engagement, indem sie sich millionenschwere Fördertöpfe sichert.

Was der Stadtverwaltung allerdings nicht ins Bild passt: Die zivilgesellschaftlichen Akteure sagen ihre Meinung. Sie äußern sich zur städtischen IT und zu Projekten, bei denen die Stadt wenig Digitalkompentenz zeigt. Sie sammeln Fehler und machen sie öffentlich.

Hirnlos und ignorant

Offenbar deswegen schaltet die Verwaltung jetzt auf stur. Anstatt das Projekt wie geplant in die Selbstverwaltung und Unabhängigkeit zu entlassen, entwirft sie auf eigene Faust eine Neuausrichtung und sichert sich zu allem Überfluss den von den Ehrenamtlichen erfundenen Namen beim europäischen Markenamt.

Hirnloser und ignoranter kann man engagierte Menschen wirklich nicht verprellen, kränken und beleidigen. Den später folgenden Rauswurf aus den Räumlichkeiten dann auch noch als Stärkung des offenen Charakters des Verschwörhauses zu verkaufen, setzt diesen eingeschlagenen Holzweg dann konsequent fort.

Und so wird der einstige Leuchtturm der Zusammenarbeit von Verwaltung und Zivilgesellschaft zu einem Lehrstück. Eines, das Ehrenamtliche und Aktivist:innen in Zukunft vor Augen haben werden: Lass dich niemals ohne Absicherung auf die Verwaltung ein. Wenn die Stadt Ulm nicht doch noch umschwenkt, wird sie wohl immer in dieser zweifelhaften Erinnerung bleiben.

Lizenz: Die von uns verfassten Inhalte stehen, soweit nicht anders vermerkt, unter der Lizenz Creative Commons BY-NC-SA 4.0.

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Oben       —   Panoramablick auf die Stadt Ulm vom Dach des Bischof Sproll Hauses aufgenommen

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Meuthen zum Zentrum

Erstellt von Redaktion am 12. Juni 2022

Meuthen erhört das Geläut der Glocken

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Von Sabine am Orde

Der ehemalige AfD-Chef Meuthen sucht sein Glück in einer katholischen Splitterpartei, die sich rühmt, sechsmal den Reichskanzler gestellt zu haben.

Jörg Meuthen will es schlauer anstellen als seine beiden Vorgänger:innen, ein bisschen zumindest. Bernd Lucke und Frauke Petry, beide geschasste AfD-Vorsitzende wie Meuthen auch, traten aus der Partei aus und versuchten dann, neue zu gründen und mit diesen an den AfD-Erfolg anzuschließen. Das scheiterte bekanntlich. Meuthen tritt nun, wie er am Freitagvormittag mitteilte, in eine bestehende Partei ein. Das Zentrum allerdings ist auch nichts anderes als eine Splitterpartei mit 500 Mitgliedern, wenn auch eine mit sehr langer Tradition.

Bei der Pressekonferenz in Berlin betonte der Schatzmeister des Zentrums, Hans-Joachim Woitzik, denn auch, seine Partei sei älter als die SPD. Und: „Im Kaiserreich und auch in der Weimarer Republik stellte das Zentrum sechsmal den Reichskanzler.“ Seit Mitte der 50er Jahre aber ist die Partei des politischen Katholizismus vollständig unbedeutend.

Noch vor wenigen Jahren war die Partei bestenfalls mit radikalen Anti-Abtreibungskampagnen samt Flyern mit zerstückelten Föten aufgefallen. Diese Ansicht teile man nicht mehr, sagte Parteichef Christian Otte. „Wir haben kein Problem mit der aktuellen Gesetzeslage.“ Generell habe sich die Partei seitdem modernisiert. Im Januar war bereits der ehemalige AfD-Bundestagsabgeordnete Uwe Witt zum Zentrum gewechselt. Mit Meuthens Eintritt stellt die Partei nun auch einen Abgeordneten im Europäischen Parlament.

Meuthen selbst gab sich am Freitag alle Mühe, den Eindruck vom Tisch zu wischen, der Eintritt ins Zentrum sei eine Verzweiflungstat. Er betonte, die Partei sei „eine politische Heimat, wie ich sie immer gesucht habe“. Die Partei stehe für das, was in der deutschen Politik derzeit fehle – „wertebasierte, aber unideologische bürgerliche Vernunft“. Sie habe aus zwei Gründen Potential: Weil der vermeintliche Links-Kurs der CDU auch unter ihrem neuen Vorsitzenden anhalte und weil die AfD im Niedergang sei.

Eine AfD 2.0 soll es nicht geben, laut Meuthen

File:Keine AFD V1.svg

Ohne CDU – keine AfD

Bei der Landtagswahl in NRW, wo die Wahlbeteiligung auf 55 Prozent gesunken sei, sei die Repräsentationslücke sehr deutlich geworden. Schon bei der Landtagswahl in Niedersachsen im September wolle man ein Zeichen setzen. Für radikales oder extremistisches Gedankengut habe es im Zentrum noch nie einen Platz gegeben, betonte Meuthen. „Das Zentrum wird definitiv nicht zu einem Sammelbecken ehemaliger AfD-Mitglieder werden. Eine AfD 2.0 wird es mit mir nicht geben.“

Quelle      :          TAZ-online       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —   Wahlnacht Sachsen 2019: Jörg Meuthen (AfD)

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Die Jugend in Ravensburg

Erstellt von Redaktion am 8. Juni 2022

Schachpartie der Ravensburger Stadtverwaltung, oder  :
Partyszene in Selbstverantwortung?

Rutenfest 2008 Festzug Kinder mit Ruten.jpg

Von:   Stefan Weinert
„Einmal hier – einmal dort …“ So könnte Hannes Waders Lied 2022 beginnen, wenn er sich in Ravensburg befände und er sich mit den Rochade-Plänen der Ravensburger Stadtverwaltung hinsichtlich der feiernden Jugendszene beschäftigen würde. Doch dafür hat er keine Zeit, deswegen einer seiner  größten Fans, ein Ravensburger Blogger, das für ihn übernommen hat – seit über zwei Jahren. Denn genau so soll es nach den Plänen unserer Bürgermeister aussehen: Mal Hirschgraben, Bärengarten, Scheffelplatz, auf der Molldiete, mal in der Kantine, mal im Douala, mal auf dem Parkplatz der Gewerblichen Schulen… und dann kommen noch die 16 Geheimplätze dazu, von denen niemand weiß, ob es sie wirklich gibt. Getränke selbst mitbringen ist Tabu, im Gegenteil: im Bärengarten – wie es tatsächlich von den Oberen gedacht ist, ist nur Bier vom Tresen erlaubt. Diese Rumgeschubse lassen sich die wahlberechtigten  (Kommunalwahlen ab 16) jungen Leute offensichtlich nicht gefallen. Höchstens die Quotenjugendlichen, die artig tun, was von Oben erwartet.
Zunächst einmal gehört das Eingeständnis dazu, dass es wohl für die jüngere Generation keinen besseren Partyplatz in der Stadt Ravensburg gibt, als den Platz auf der Veitsburg und dem Hang darunter (Serpentinenweg). Denn schließlich feiert dort die heile, erwachsene Ravensburger Gesellschaft jährlich das bierselige „Rutenvergraben“ – wenn denn Corona das zulässt, wonach es 2022 ganz aussieht.

Des weiteren braucht es die Erkenntnis, dass sich junge Leute selbst ihren Platz/ihre Plätze suchen (so wie es auch das Wasser tut), wo einfach alles stimmt, um Feiern zu können – inklusive der selbst mitgebrachten Getränke!! Jedenfalls aus der Sicht und Perspektive der jungen Leute wäre das so. Drittens, dass es offensichtlich keinen Sinn macht und zu einer endlosen Geschichte führen wird, wenn man/frau der Jugend befiehlt !, wo sie sich zu treffen hat und verbietet !, wo nicht. Egal ob es sich dabei um die  Eishalle, die Oberschwabenhalle oder einen der 16 – der Öffentlichkeit nicht bekannten – Plätze der Stadtverwaltung handelt.

Abgesehen davon, dass niemand weiß, wie lange wir in diesem Jahr noch Partys feiern können, scheint die gesamte Stadtverwaltung plus all‘ der Protagonist/innen und Akteur/innen in Sachen „Jugend-Party-Szene“ hoffnungslos überfordert zu sein. Und das geht nun schon seit zwei Jahren mit Versprechungen und davor auch schon einige Jahre ohne Versprechungen so! Dabei ist eine Lösung relativ einfach. Vorausgesetzt, man und frau weiß, wie so etwas angepackt werden könnte, um mit Überblick und Kreativität sowohl eine topografische als auch inhaltlich akzeptable Lösung zu finden.

All die Akteure und Protagonisten haben sich vor zwei Monaten nun mal wieder zusammengesetzt, um zu eruieren, was möglich und was gewünscht ist. 

Schloss Veitsburg Peter Felber 1817.jpg

Zunächst einmal gehört das Eingeständnis dazu, dass es wohl für die jüngere Generation keinen besseren Partyplatz in der Stadt Ravensburg gibt, als den Platz auf der Veitsburg und dem Hang darunter (Serpentinenweg). Denn schließlich feiert dort die heile, erwachsene Ravensburger Gesellschaft jährlich das bierselige „Rutenvergraben“ – wenn denn Corona das zulässt, wonach es 2022 ganz aussieht.Des weiteren braucht es die Erkenntnis, dass sich junge Leute selbst ihren Platz/ihre Plätze suchen (so wie es auch das Wasser tut), wo einfach alles stimmt, um Feiern zu können – inklusive der selbst mitgebrachten Getränke!! Jedenfalls aus der Sicht und Perspektive der jungen Leute wäre das so. Drittens, dass es offensichtlich keinen Sinn macht und zu einer endlosen Geschichte führen wird, wenn man/frau der Jugend befiehlt !, wo sie sich zu treffen hat und verbietet !, wo nicht. Egal ob es sich dabei um die  Eishalle, die Oberschwabenhalle oder einen der 16 – der Öffentlichkeit nicht bekannten – Plätze der Stadtverwaltung handelt.

Abgesehen davon, dass niemand weiß, wie lange wir in diesem Jahr noch Partys feiern können, scheint die gesamte Stadtverwaltung plus all‘ der Protagonist/innen und Akteur/innen in Sachen „Jugend-Party-Szene“ hoffnungslos überfordert zu sein. Und das geht nun schon seit zwei Jahren mit Versprechungen und davor auch schon einige Jahre ohne Versprechungen so! Dabei ist eine Lösung relativ einfach. Vorausgesetzt, man und frau weiß, wie so etwas angepackt werden könnte, um mit Überblick und Kreativität sowohl eine topografische als auch inhaltlich akzeptable Lösung zu finden.

All die Akteure und Protagonisten haben sich vor zwei Monaten nun mal wieder zusammengesetzt, um zu eruieren, was möglich und was gewünscht ist. 

Ravensburger Karmeliterkloster img04.jpg

Es sei darauf hingewiesen, dass eine so platzierte Partyszene keinen Anwohner stören würde, weil es dort keine gibt. Dennoch ist auch dieser Vorschlag nicht perfekt. Fast perfekt wäre der Vorschlag , wenn die Jugend in Ravensburg in den zurückliegenden 12 Jahren den gleichen Stellenwert wie die feiernden Erwachsenen hätte (Areal zwischen rotem Rathaus und Landgericht, Rutenfest etc.).

Wer hier reflexartig sein „Aber“ und andere „Bedenken“ ins Feld führt, der muss sich leider den Boykott einer nicht so schlechten Idee vorwerfen lassen. Zum Beispiel das Argument der möglichen Vermischung mit der „Bahnhofsszene“. Zum einen wäre das ziemlich diskriminierend und würde andere diskreditieren – und es wäre exklusiv statt inklusiv. Ganz davon abgesehen, ob die Szene am Bahnhof sich überhaupt „gemein“ machen möchte mit den aus ihrer Sicht „gutbürgerlichen Hipstern“!

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Grafikquellen          :

Oben     —      Rutenfest Ravensburg 2008, Festzug, Kinder mit Ruten

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2.) von Oben        —     Ravensburg „Schloss Veitsburg“, Gouache von Peter Felber, 1817

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Unten       —   Ravensburg, ähm. Karmeliterkloster (jetzt Landgericht), Hof (vom Parkplatz)

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Wagenknecht – eine Linke?

Erstellt von Redaktion am 3. Juni 2022

Der Aufruf „Für eine populäre Linke!“

Sahra Wagenknecht Parteitag der Linkspartei 2018. Leipzig.jpg

Dunkel war’s der Mond schien helle, als ein Wagen blitzesschnelle, langsam um die Kurve fuhr…………

Quelle   : „Für eine populäre Linke!“

Von   :      Amid Rabieh

Die Preise für Energie und Lebensmittel steigen, und mit ihnen die gesellschaftliche Ungleichheit. Denn Löhne, Renten und soziale Leistungen halten mit der Teuerung bei weitem nicht Schritt. Die Mieten gehen seit langem durch die Decke, die Probleme im Gesundheitssystem wurden auch nach Jahren der Pandemie nicht behoben. Für Menschen mit geringem Einkommen ist das Lebensnotwendige kaum noch erschwinglich. Aber auch Familien mit mittlerem Einkommen müssen sich einschränken und haben Angst vor der Zukunft. Nach Beginn des völkerrechtswidrigen Angriffskrieges Putins gegen die Ukraine, den wir aufs schärfste verurteilen, bestimmt auch hierzulande die Logik der Eskalation immer stärker das Denken und Handeln der politisch Verantwortlichen. Mit der Lieferung mittlerweile auch schwerer Waffen an die Ukraine sowie der Ausbildung ukrainischer Soldaten auf deutschem Boden macht die Bundesregierung Deutschland zunehmend zur Kriegspartei. Die Gefahr einer Ausweitung des Konflikts auch auf unser Land wächst. Zu keinem Zeitpunkt seit dem Ende des Kalten Krieges war das Risiko eines Atomkrieges in Europa so groß wie heute.

Umso wichtiger ist in dieser Situation eine politische Kraft, die all denjenigen eine starke, laute Stimme gibt, die sich sehnlichst eine verantwortungsvollere Politik für sozialen Ausgleich und Frieden wünschen. Eine Partei, die die Regierung unter Druck setzt, sich um diplomatische Lösungen, um die Sicherheit unseres Landes und das Wohlergehen derjenigen zu kümmern, die seit Jahren vergessen wurden. Dafür wurde DIE LINKE einst gegründet. In ihrer aktuellen Verfassung erfüllt sie diese Aufgabe kaum noch.

Seit dem katastrophalen Ergebnis bei der Bundestagswahl ist unübersehbar: Unsere Partei steckt in einer existenziellen Krise. Wir haben in allen Bevölkerungsgruppen verloren, besonders stark bei den bevölkerungsreichen Jahrgängen mittleren und höheren Alters, bei abhängig Beschäftigten ohne höhere Bildung und außerhalb der Großstadtregionen. Auch bei den Jüngeren blieb das Wahlergebnis deutlich hinter früheren zurück. Lag DIE LINKE bei Gewerkschaftsmitgliedern 2017 noch vor Grünen und FDP, ist sie heute die schwächste der im Bundestag vertretenen Parteien. Zunehmend haben Genossinnen und Genossen sowie Wählerinnen und Wähler den Eindruck, dass DIE LINKE immer weniger die Partei ist, für die sie sich jahrelang eingesetzt bzw. die sie lange Zeit gewählt haben. So wie bisher darf es nicht weitergehen – sonst verschwindet unsere Partei in der Bedeutungslosigkeit.

Wir wollen eine LINKE, die für die Mehrheit der Bevölkerung, die Arbeitenden, die Familien, die Rentnerinnen und Rentner und die sozial Benachteiligten aktiv ist. DIE LINKE darf sich nicht auf bestimmte Milieus verengen. Es geht um die gemeinsamen Klasseninteressen. Will DIE LINKE sich in Stadt und Land, bei Jung und Alt, egal welchen Geschlechts, bei hier Geborenen wie Eingewanderten sowie Menschen mit Behinderungen verankern, muss sie die Leute in ihrem Alltag abholen: bei ihren Lebensbedingungen, Bedürfnissen und Erfahrungen. Und um gehört zu werden, muss eine allgemein verständliche Sprache gesprochen werden. DIE LINKE soll deshalb klar sagen, wofür sie steht. Sie muss offen und einladend sein, bereit und fähig zum Gespräch, nicht abstoßend, ausgrenzend und verschreckend. Nur so kann sie stärker werden.

Es ist unsere Pflicht die Millionen zu erreichen, deren Interessen missachtet werden, und die sich eine Verbesserung ihrer Lebenssituation erhoffen. Eine besondere Verantwortung haben wir für den Osten der Republik, für abgehängte und von Strukturkrisen gebeutelte Regionen. Eine glaubwürdige soziale Alternative, die die Menschen nicht moralisch von oben herab belehrt, ist zugleich die wirksamste Kraft gegen Rechts. Eine Friedenspartei, die sich konsequent Konfrontationspolitik und Aufrüstung widersetzt, ist gegenwärtig wichtiger denn je. Wir verteidigen das Völkerrecht, verurteilen Angriffskriege und lehnen doppelte Standards in der Außenpolitik ab.

Um politisch zu überleben, muss DIE LINKE sich verändern – ohne ihre Grundsätze aufzugeben, die im Erfurter Programm beschrieben sind. Wir schlagen dafür eine Priorisierung von Aufgaben und Botschaften für DIE LINKE vor:

Die Ungleichheit von Einkommen, Vermögen und Macht wollen wir zurückdrängen und die sozialen und kulturellen Spaltungen überwinden. Die Menschen brauchen Arbeit, von der sie leben können, soziale Sicherheit, Schutz ihrer Gesundheit und Perspektiven für eine gute Zukunft. Deshalb wollen wir den Sozialstaat ausbauen und deutlich mehr in Bildung investieren. Höhere Reichensteuern sind unerlässlich.

Wir wollen eine wirksame und eine gerechte Umwelt- und Klimapolitik, die die Perspektive der Beschäftigen beachtet. Der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen kann nur gelingen, wenn er durch massive staatliche Investitionen gefördert wird. Soziale Absicherung sowie der Erhalt und die Schaffung neuer guter Arbeitsplätze sind dafür Bedingungen.

Wir wollen Frieden, Abrüstung und Entspannung und sprechen uns grundsätzlich gegen Konfliktlösungen mit militärischen Mitteln aus. Dem Denken und Handeln in Blockkonfrontationen setzen wir Interessenausgleich und internationale Zusammenarbeit entgegen.

Wir wollen Demokratie stärken und persönliche Freiheit schützen, gegen die ökonomische und damit auch politische Macht des Kapitals. Wir wollen keine Überwachung sowie Versuche der Manipulation der Menschen und ihrer Kommunikation durch Konzerne, Geheimdienste und Regierungen.

DIE LINKE setzt auf Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, will dort verankert sein und sie unterstützen. Aber sie hat als Partei nicht die Aufgabe, die bessere Gewerkschaft zu sein oder die weitestgehenden Forderungen einzelner Bewegungen als eigenes Programm zu verkünden. Überzogene und unrealistische Forderungen schaden ebenso wie ein opportunistisches Streben nach Mitregieren um den Preis der Aufgabe linker Ziele. Bewegungen sind wichtig, aber ebenso wichtig sind die Verbindungen zu örtlichen Vereinen und kulturellen Initiativen. Kämpfe „von unten“ reichen jedoch nicht aus. DIE LINKE will eine sozial gerechte Politik in Bund, Ländern und Gemeinden durchsetzen. Ein echter Politikwechsel muss spürbare Verbesserungen für die Menschen zur Folge haben. Dabei stehen wir in grundsätzlicher Opposition zum Marktradikalismus und zu kapitalistischer Herrschaft. Unser Ziel ist ein neuer, demokratischer und ökologischer Sozialismus.

Für all dies ist eine konstruktive Zusammenarbeit in unserer Partei nötig. Wir dürfen dabei nicht auf bekannte und anerkannte Persönlichkeiten verzichten. Auf der Basis des Parteiprogramms müssen verschiedene Auffassungen Platz haben und politische Differenzen respektvoll und ohne Diffamierungen ausgetragen werden. Wir lehnen es ab, die Partei auf die Forderung nach einem Bedingungslosen Grundeinkommen festzulegen. Dies würde wichtige Teile unserer Mitgliedschaft und sozialen Basis abstoßen. Die Partei sollte bei ihrer bisherigen Offenheit in dieser Frage bleiben.

Grundsätzlich muss die Fähigkeit der Partei, Einigungen zu finden, ausgebaut werden, um Spaltungstendenzen zu verhindern. DIE LINKE muss auch Menschen erreichen, für die ihre Arbeit, Familie oder andere Tätigkeiten wichtiger sind als politischer Aktivismus. Wir wollen zudem die stetig wachsende Zahl der Nichtwählerinnen und Nichtwähler ansprechen und zeigen, dass sich ihr Vertrauen in uns für sie lohnt.

Viele Leute wollen ihren Beitrag für eine Veränderung in diesem Land leisten. Deswegen ist eine einladende Parteikultur zu entwickeln, an der sich viele unterschiedliche Menschen beteiligen können und die auch Möglichkeiten für Geselligkeit bietet.

So können wir gemeinsam DIE LINKE wieder stark machen. Es ist vielleicht unsere letzte Chance.

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Grafikquellen          :

Oben     —   Die Fraktionsvorsitzende der Linkspartei Sahra Wagenknecht. Leipziger Parteitag der Linkspartei 2018. 1. Tagung des 6. Parteitages der Partei DIE LINKE. Vom 8. bis 10. Juni 2018. Tagungsort: Leipziger Messe, Congress Center Leipzig.

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Fehler der Altkanzlerin

Erstellt von Redaktion am 2. Juni 2022

Merkelscherben

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Eine Kolumne von Sascha Lobo

Wir werden Angela Merkel noch vermissen, hieß es. Von wegen. Nach ihrem Abtritt lässt sich sagen: Die Altkanzlerin hat uns mehrere Scherbenhaufen hinterlassen. Hier ist eine Liste der fünf größten.

2021 fühlt sich in vielerlei Hinsicht so an, als sei es ein Jahrzehnt her, und niemand kann in die Zukunft schauen. Aber gibt es einen Mediensatz aus dem Jahr 2021, der sich als falscher herausgestellt hat als »Wir werden Angela Merkel noch vermissen«? Es hat nur ein paar Wochen seit der Amtsübergabe im Dezember 2021 gedauert, bis wir aufs Bitterste erkennen mussten, was viele, viele längst ahnten: Angela Merkels Vermächtnis ist ein Scherbenhaufen. Obwohl, ich bitte um Entschuldigung, das ist sachlich nicht korrekt, denn Merkels Vermächtnis ist eine Ansammlung verschiedener Scherbenhaufen. Deshalb folgen hier die Top-5-Merkel-Scherbenhaufen:

Top 5: Die Gewöhnung an Politik als Verwaltungsakt

Diesen Scherbenhaufen könnte man leicht auch auf Platz eins gewählt haben, und vielleicht ist es derjenige, der am schädlichsten nachwirkt. Denn Merkel hat als 16-Jahre-Kanzlerin nicht nur die Politik geprägt, sondern vor allem auch die Erwartung an Politik. Wir können uns gar nicht mehr vorstellen, dass und wie politische Visionen funktionieren. Wer jetzt mit dem unsäglichen Helmut-Schmidt-Quatsch (Visionen, Arzt) um die Ecke kommt, hat eine wesentliche Aufgabe der Politik des 21. Jahrhunderts nicht begriffen – den überlebensnotwendigen Wandel zwischen KlimakatastropheGlobalisierung und Digitalisierung zu managen. Wofür man zwingend Visionen braucht, also eine attraktive politische Zukunftserzählung, oder zumindest die kleine rationale Schwester der Vision, nämlich die Strategie. Auch die fand sich im System Merkel selten.

Das Gegenteil einer politischen Vision oder langfristigen Strategie ist das Fahren auf Sicht, Merkels Politikstil, der in Krisen schnell zum Verfahren auf Sicht wird. Durch Merkel ist uns Politik ausschließlich als unemotionale Gegenwartsverwaltung vorgeführt worden, ergänzt durch eine radikale Nonkommunikation. Merkel hat selten ihre Politik und noch seltener ihre politische Motivation erklärt, und wie bei einer Geiselnahme haben wir uns irgendwann per Stockholm-Syndrom eingeredet, das ganz gut zu finden. Erst jetzt, wo Leute wie Annalena BaerbockMarie-Agnes Strack-Zimmermann oder Robert Habeck eine neue, klare, offene politische Kommunikation betreiben, wird langsam das gigantische Versäumnis der Ära Merkel deutlich. Insofern ist die letzte Nachwirkung der Ära Merkel die Kanzlerschaft von Olaf Scholz, der die Merkelsche Nonkommunikation offenbar weiterzuführen gedenkt. Die SPD steht bei 19 Prozent in den Umfragen, die Kanzlerunterstützung ist noch tiefer abgestürzt – mal sehen, wie gut das von Scholz aufgetragene Prinzip Merkel im Multikrisenjahrzehnt noch klappt.

Top 4: Das digitale Staatsdebakel

Das ist so offensichtlich, man müsste es kaum mehr ausformulieren. Es ist 2022, und noch immer funktionieren im durchschnittlichen deutschen Regionalexpress weder Mobilfunk noch WLAN zwischen den Städten. Linksrheinisch strecken die Menschen ihren Handyarm Richtung Frankreich, um besseren Empfang zu haben, am Bodensee hofft man, zufällig in Schweizer oder österreichische Netze eingeloggt zu sein. Es gibt noch immer Orte in Berlin-Mitte, an denen man Edge hat, und Edge ist offline. Die digitale Infrastruktur in Deutschland ist ein Dauertrauerspiel, weil sich die vielen Regierungen Merkel nicht wirklich darum geschert haben. Dabei ist die Infrastruktur nur der Beginn: Deutschland hat die mit Abstand teuerste Corona-App der Welt, der digitale Führerschein auf dem Handy wurde kurz vor der Wahl veröffentlicht und kurz nach der Wahl zurückgezogen, die digitale Patientenakte ist so alt, dass sie noch »elektronische Patientenakte« heißt und irgendwie seit 2021 eingeführt wird, ohne dass es jemand bemerken würde, das digitale Rezept wird aus Lobby- und Unfähigkeitsgründen immer weiter nach hinten verschoben. 2019 sagte die damalige estnische Staatspräsidentin, sie sei überrascht, dass Deutschland in der digitalen Verwaltung 20 Jahre zurückliege . Wir sind nicht überrascht, sondern sauprimiert, eine Mischung aus sauer und deprimiert.

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Top 3: Die schwarze Null

Die schwarze Null, die Folge der unter Merkel im Grundgesetz verankerten Schuldenbremse, ist entgegen der landläufigen Meinung kein Konzept für einen ausgeglichenen Staatshaushalt, sondern eine Welthaltung: Sparradikalismus. Wenn man der schwarzen Null folgt, muss der Staat immer sparen. Wenn es gut läuft, muss man für schlechte Zeiten sparen, wenn es schlecht läuft, muss man ohnehin sparen. Aber diese Haltung färbt ab, sie soll auch abfärben, und dann werden in den Bürgerämtern neue Stellen nicht mehr besetzt, das Krankenhaus und die Schule geschlossen und die Buslinie auf dem Dorf fährt nur noch einmal am Tag. Durch die Schwarze-Null-Haltung, von den Merkel-Regierungen zur Fiskalreligion erhoben, kommen auch dringend notwendige Sanierungen zu kurz. Allein bei Schulen liegt der Sanierungsstau laut KfW bei 44 Milliarden Euro , der Bahn fehlen fast 50 Milliarden  für die Sanierung von Brücken und Gleisen, und das jetzt aufgelegte 100-Milliarden-Sondervermögen wird laut Fachleuten gerade so ausreichen, um die Bundeswehr verteidigungsfähig zu halten. Oder erst zu machen. Und das sind nur bisher fehlende Instandhaltungen, um die Substanz zu erhalten.

Die schwarze Null gibt der Finanzpolitik überproportional viel Macht, und dadurch kommen Investitionen grundsätzlich zu kurz. Dabei hätte man eigentlich massiv investieren müssen, denn Zeiten des Wandels erfordern Weiterentwicklung. Zum Beispiel hätte man das Sozialsystem umbauen müssen, um neuen Arbeitsformen im Zeitalter der Wissensarbeit gerecht zu werden. Aber mit der verdammten schwarzen Null im Kopf kann jede Reform und jede Investition abgeschmettert werden mit der knallwurstigen Frage: »Wer soll das bezahlen?« Und so sind am Ende fehlende Investitionen extrem viel teurer als jede Schuldenlast.

Quelle         :          Spiegel-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   PEGIDA Demonstration Dresden 2015-03-23

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Dilemma der SPD in NRW

Erstellt von Redaktion am 29. Mai 2022

Eine Partei ohne eigenes Gewicht – Gesicht ?

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Von   : Stefan Reinecke

In NRW sucht die SPD nach den Ursachen für ihre Niederlage. In Berlin funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Kanzleramt und Partei nicht.

Eigentlich ist die Landtagswahl für SPD-Mann Frank Börner (56) gut gelaufen. Er hat im Duisburger Norden fast 42 Prozent der Erststimmen bekommen und das Direktmandat gewonnen.

Wie immer. Marxloh und Hamborn, migrantische Arbeiterviertel, sind fest in sozialdemokratischer Hand. Börner ist seit zehn Jahren im Landtag. Er kommt aus Duisburgs Norden und kennt hier jeden Stein. Im Wahlkreis liegt das Stahlwerk Thyssenkrupp, groß wie ein Stadtteil. 13.000 arbeiten dort. Der Konzern will in die Produktion von grünem Stahl einsteigen. Ein Zukunftsprojekt. Die Stadt braucht die Jobs.

„Die Wahl war bitter“, sagt Börner. Nur 38 Prozent sind zwischen Marxloh und Hamborn zur Wahl gegangen. So wenige wie in keinem Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen. Nur jeder Sechste hat für den SPD-Mann votiert. Je ärmer der Stadtteil, desto geringer die Lust, zur Wahl zu gehen. Auch deshalb wird der SPD-Mann Thomas Kutschaty nicht regieren. In Düsseldorf und Kiel ist vermutlich bald Schwarz-Grün an der Macht. Vor allem die Niederlage in NRW strahlt bis nach Berlin aus. Das „sozialdemokratische Jahrzehnt“, das SPD-Chef Lars Klingbeil vor fünf Monaten kühn entwarf, kann kurz werden.

Wenn BürgerInnen nicht wählen, deuten Konservative das gern bonbonfarben als stillschweigende Zustimmung. Linke verstehen Nichtwählen als schlummernde Protestenergie, die durch entschlossene populistische Ansprache überwunden werden muss. SPD-Mann Börner sieht eher Apathie und Rückzug. Das mangelnde Interesse war schon vorher absehbar. „Wir haben einen Superwahlkampf gemacht“, sagt er am Telefon. Aber: „Im Duisburger Norden ist es hip, nicht zu wählen“.

Resignierte Stammklientel

Die Bemühungen, das Wahlvolk für Politik zu interessieren, sind, so sieht es Börner, an drei Gruppen abgeprallt. Die mit prekären Jobs fühlen sich abgehängt. Dass sie bald 12 Euro Mindestlohn bekommen, „werden viele erst mitbekommen, wenn er real da ist. Auch dann werden viele nicht genug Selbstbewusstsein haben, den ihrem Chef gegenüber durchzusetzen.“ Die von Jobs abgekoppelten Hartz-IV-Milieus seien für Politik kaum noch erreichbar. Und auch bei jenen, denen es materiell besser geht, ist das Bild trübe. „Die Saturierten“ (Börner) hatten keine Lust auf Politik. „Die haben am Sonntag noch was auf den Grill gelegt und gesagt: Wählen? Ach, lass ma’.“

2017 ging in dem Wahlkreis allerdings noch gut die Hälfte zur Wahl. Eine schlüssige Erklärung, warum in vielen roten Hochburgen SPD-SympathisantInnen lieber Würstchen brieten, fehlt den GenossInnen. Die NRW-SPD will in drei Monaten eine Analyse mit Verbesserungsideen erarbeiten.

Klar ist: Die SPD hat die Wahl in Nordrhein-Westfalen an zwei Fronten verloren. Ein Teil der früheren Stammklientel hat sich in Resignation zurückgezogen – wie zu den Zeiten, als sich viele wegen der Agenda 2010 frustriert abwandten. Das Bürgertum findet Robert Habeck und Annalena Baerbock eloquenter als den Kanzler. Das ist für die SPD eine ungemütliche Nachricht. Denn es ist nicht leicht, eine Antwort auf diese Doppelbotschaft – zu wenig Soziales hier, zu wenig diskursiv ansprechendes Angebot dort – zu finden.

In der Union sprießt nach den Erfolgen in Düsseldorf und Kiel schon die Hoffnung, dass der Wahlsieg von Olaf Scholz 2021 nur ein Intermezzo war, die Ampel noch fragiler wird und Schwarz-Grün bald wieder auf der Tagesordnung steht. Ralf Stegner, linker SPD-Bundestagsabgeordneter, wiegelt ab. Es gab auch den Sieg im Saarland. Die Niederlagen seien „nicht schön“. Aber, dass neue Bundesregierungen Landtagswahlen verlieren, sei nicht ungewöhnlich. Und die Stimmung sei zu schwankend, um Kiel und Düsseldorf als Wiederbelebung von Schwarz-Grün zu deuten. „Als wir im Sommer 2021 bei 15 Prozent lagen, habe ich mir mehr Sorgen gemacht“, so Stegner.

Glanzlos im Kabinett

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Scholz und der Lauterbach – wer hätte je daran gedacht ?

Allerdings läuft es für die Sozialdemokratie gerade nirgends richtig gut. Die Performance der SPD-MinisterInnen in Berlin ist glanzlos. Karl Lauterbach erweckt den Eindruck, dass er als Gesundheitsminister eine Coronapolitik vertritt, die er als Wissenschaftler kritisieren würde. Verteidigungsministerin Christine Lambrecht ist seit Wochen wegen Ungeschicklichkeiten in der Kritik. Scholz und die SPD stehen bislang eisern zu ihr.

Zu Lam­brechts letztem Fauxpas fällt aber auch treuen GenossInnen nichts mehr ein. Die Verteidigungsministerin ließ in einem Interview die Bemerkung fallen, dass Parteifreundin und Innenministerin Nancy Faeser 2023 gern hessische Ministerpräsidentin werden will – und damit ihren Job in Berlin quittieren würde. Als Faeser bei einer Pressekonferenz dazu befragt wurde, sagte sie: „Ich ärgere mich in der Regel nie über Kolleginnen“, und lachte mit zusammengekniffenen Lippen. Eher in der Regel als nie. Lambrecht wollte weit lieber Innenministerin werden, als sich mit dem Beschaffungswesen der Bundeswehr herumärgern zu müssen.

Das mögen kleine Querelen sein. Aber sie wecken ungute Erinnerungen an die Zeit nach 2005, als es in der SPD mitunter zuging wie im Dschungelcamp.

Quelle    :       TAZ-online           >>>>>         weiterlesen 

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Oben     —   2022    –   Wahlplakat Land Nordrhein-Westfalen von der SPD

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Zum B.Grundeinkommen

Erstellt von Redaktion am 28. Mai 2022

Der Trugschluss von Christoph Butterwegge :
zum Bedingungslosen Grundeinkommen

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Von:  Charlotte Ullmann

Eine Auseinandersetzung zu Butterwegges Artikel „Solidarität statt Grundeinkommen“ Butterwegge stellt eine unhaltbare Alternative auf: Solidarität statt Grundeinkommen? Was gibt es Solidarischeres und Demokratischeres als ein bedingungsloses Grundeinkommen, das jeden auffängt, der ins Uferlose zu stürzen droht?

Das kann sogar der Unternehmer sein mit einem vorweg gut florierenden Unternehmen, das Konkurs gemacht hat, der gut bezahlte Angestellte, der wegen eines Unfalls plötzlich arbeitsunfähig geworden ist, oder der prekär Beschäftigte, der Arbeitslose, sowie der Obdachlose, den eine Krise, sei es eine Pandemie oder Wirtschaftskrise, erst recht einholt.

Ein Bedingungsloses Grundeinkommen in Krisen, wie Pandemien und dgl. wäre ein einfaches und unbürokratisches Instrument, den Menschen zu helfen, wie jüngst in der Covid-19-Pandemie.

Ergo: Für alle wäre gesorgt, auch für den Reichen im Notfall. Ein demokratischeres Prinzip gibt es nicht.

Nur, solange die Reichen reich sind, tragen sie durch nachgelagerte steuerliche Abgaben wesentlich dazu bei, das Grundeinkommen mitzufinanzieren. Eine Umverteilung par excellence, die einen wirklichen Sozialstaat garantieren und die Spaltung der Gesellschaft aufheben würde.

Aber so weit denkt Butterwegge offensichtlich nicht.

Er würde auf das Argument hin eher sagen, die Reichen können sich mit ihrem Geld für den Ernstfall eine Privatversicherung gegen Unfall oder Berufsunfähigkeit leisten und die Armen werden mit Hartz IV oder Sozialhilfe aufgefangen. Gut und schön, wir wissen, wie das funktioniert, nämlich auf Kosten der Menschenwürde des armen Hilfesuchenden, verbunden mit Stigmatisierung und Gängelei (Sanktionen), was Butterwegge ebenso nicht will.

Nicht nachzuvollziehen ist, wie Butterwegge bei Grundeinkommenskonzepten unterschiedslos von der Prämisse ausgeht, alle Bürger bekämen nach dem Gießkannenprinzip dasselbe, ob er es brauche oder nicht. Dementsprechend macht er folgende Milchmädchenrechnung auf:

„Erhielten die 83,2 Millionen Einwohner:innen der Bundesrepublik beispielsweise 1.000 Euro pro Monat, müsste der Staat dafür ungefähr eine Billion Euro aufbringen. Das ist erheblich mehr, als Bund, Länder und Kommunen jährlich an Steuern einnehmen“.

Dabei unterschlägt er die Steuerkonzepte, die jedem sozialen System zugrundeliegen, somit auch den linken, nicht neoliberalen Grundeinkommenskonzepten. Die jedoch mit ihren Steuerkonzepten einen viel besseren und gerechteren sozialen Ausgleich gewährleisten können, als das heute der Fall ist.

Wenn sich Butterwegge vorrangig an neoliberalen Konzepten orientiert, gemäß derer der Mensch schlechter gestellt wäre als mit Hartz IV, und so tut, als gäbe es nur diese Konzepte und nicht auch die anderen, wie bsw. das linke emanzipatorische Konzept der BAG- Grundeinkommen in und bei der Linken, das hier insbesondere vorgestellt wird, dann frage ich mich, ob das böser Wille ist, dem Leser bewusst Sand in die Augen zu streuen oder pure Unkenntnis, weil er sich eine umfassende Lektüre nicht mehr zumuten will.

Von wegen Geld nach dem „Gießkannenprinzip“ über alle Einwohner gleichermaßen ausgeschüttet? Das stimmt zwar zunächst. Aber durch die nachgelagerte Besteuerung eben nicht mehr.

Und das Konzept der BAG- Grundeinkommen (ich war an der Novellierung beteiligt) sieht einen grundlegenden und umfassenden Umbau der heutigen Steuergesetzgebung wie folgt vor:

Nicht nur, dass darin alle Steuerschlupflöcher gestopft werden sollen, die Vermögenssteuer wieder eingeführt, die Erbschaftssteuer erhöht, eine Transaktionssteuer neu eingeführt, sondern es soll auch jeder über das Grundeinkommen hinaus verdiente Euro mit einer Grundeinkommensabgabe von 35 Cent belegt werden, nach oben nicht gedeckelt, so dass im Endeffekt ca. 90 Prozent der Menschen netto besser gestellt wären als heute. Nur wer mehr als 6500.- Euro im Monat verdient, wäre Zuzahler, mit Kindern jedoch erst ab 10 Tausend Euro brutto monatlich.

Diametral dazu stehen die neoliberalen Konzepte.

Das von Goetz Werner zum Beispiel sieht sogar die Abschaffung von fast allen Steuern vor, mit Ausnahme der Konsumsteuern, über die der gesamte Staatshaushalt inklusive Grundeinkommen geschaukelt werden soll.

Das würde eine gigantische Preisexplosion nach sich ziehen, die Reichen (Unternehmer) würden profitieren und die Armen verhungern!

Ganz abgesehen davon, dass nach dem notwendigen Abzug der Konsumsteuern für den Export dieser noch mehr gefördert würde, der Import jedoch gedrosselt, was die ohnehin schon bestehende Schieflage in der Außenhandelsbilanz der BRD ins Unermessliche verstärken und die Reichen noch reicher machen würde.

Dass Butterwegge solche neoliberalen Konzepte ablehnt, ist verständlich. Auch wir wehren uns dagegen. Denn etwas Unsozialeres gibt es kaum.

In dem linken Konzept der BAG- Grundeinkommen wurde minutiös ausgerechnet (was sich wohl der Kenntnis von Butterwegge entzieht), dass bei ca. 1200.- Euro im Monat für jeden Einwohner, für Kinder die Hälfte, die Finanzierung eine solide Grundlage darstellt.

Ich betone nochmal: In unserem linken Konzept hätten alle mehr Netto als heute, vom Brutto, nämlich diejenigen, die bis zu 6500.- Euro im Monat als Alleinstehende verdienen, mit Kindern bis zu 10000.- Euro. Alle, die darüber liegen, wären Zuzahler!

Und da ca. 90 Prozent der Einwohner zur ersteren Kategorie gehören, ist das Konzept sozial ausgewogen, und nicht, wie Butterwegge behauptet, sozial ungerecht .

Entgegen der Unterstellung von Butterwegge blieben dabei Mehrbedarfe wie Wohngeld oder Behindertengeld bestehen, auch die Kranken-, Arbeitslosen-, und Rentenversicherung, allerdings umgebaut zu einer Bürgerversicherung, in die alle einzuzahlen haben, auch Beamte, Politiker und Berufsständische, wie bsw. Ärzte oder Anwälte, ganz im Sinne von Butterwegge.

Insgesamt bedeutete das eine gigantische Umverteilung von Reich zu Arm, wogegen die Reichen sich mit Händen und Füßen wehren würden.

Eine solche Umverteilung wäre ganz im Sinne von Butterwegge! Er als Armutsforscher beklagt ebenso wie wir die zunehmende Spaltung zwischen Arm und Reich!

Da müsste er sich mit Freuden auf unser linkes Konzept stürzen, schon gar, wenn er sich selbst als Linker wähnt, und es bewerben wie seine eigene Leib- und Magenspeise.

Nein! Er scheut unser Konzept wie der Teufel das Weihwasser. Warum? Das erschließt sich mir kaum! Rückwärtsgewandtheit?

Das Festhalten am Bismarkschen Konzept, das bald 150 Jahre alt wird und von Vollbeschäftigung ausgegangen ist?

Das hielte ich für anachronistisch!

Die Welt, und somit auch die Arbeitswelt, hat sich verändert. Maschinen, Roboter ersetzen zunehmend menschliche Arbeitskraft. Sicher, es werden dadurch auch neue Jobs geschaffen, aber unter dem Strich nimmt das Volumen menschlicher Arbeitskraft immer mehr ab.

File:Die Linke Grundrecht Grundeinkommen BGE Berlin 2013.jpg

Im Zuge der Digitalisierung geht der Trend hin zur Arbeitszeitverkürzung, und das bei vollem Lohnausgleich, sowie zur Freistellung von „Arbeit“, nämlich bezahlter Arbeit, und dafür brauchen wir eine menschenwürdige existentielle Absicherung. Auch, um die vielfach unbezahlte gesellschaftlich notwendige Arbeit wie die Erziehung von Kindern oder Carearbeit im allgemeinen entsprechend aufzufangen, und die macht ca. Zweidrittel der gesamtgesellschaftlich notwendigen Arbeit aus.

Allerdings muss es eine Absicherung sein, die, wie eingangs erwähnt,
jeden mitnimmt, ohne Diskriminierung, ohne Antragszirkus, ohne bürokratische Gängelung oder gar Sanktionen, ohne Bedrohung des Existenzminimums, das jedem Bürger grundgesetzlich zusteht. Also, demokratischer geht es nicht.

Da soll Butterwegge mal von seinem existentiell gesicherten hohen Ross heruntersteigen und das Leben eines Hartz IV- Empfängers führen, auch wenn dieses Leben ohne Sanktionen, die er gleichfalls abschaffen will, verlaufen sollte.

Aber nein! Er hängt lieber längst vergangenen Zeiten an, wie den Bismarckschen Sozialgesetzen, die auf Vollbeschäftigung fußen.

Man könnte fast meinen, Bismarck, dieser erzkonservative, aber fuchsschlaue Reichskanzler des neu gegründeten Deutschen Reiches (1871), der mit seinen noch heute existierenden Sozialgesetzen (1889) den Kommunisten das Wasser abgraben wollte, würde Butterwegge aus seinem Grab heraus fernsteuern.

Link:. https://www.kontextwochenzeitung.de/debatte/581/solidaritaet-statt-grundeinkommen-8192.html#jumpto-comments

Charlotte Ullmann – Diplomsoziologin
Sprecherin der LAG- Grundeinkommen die Linke-Hessen

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Eine echte Luthersau

Erstellt von Redaktion am 27. Mai 2022

Rechtsstreit um „Judensau“-Relief

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Von   :  Ulrich Hentschel

Am Montag entscheidet der Bundesgerichtshof über das Schmährelief „Judensau“. Eine strafbewehrte Beschimpfung darf der Kirche nicht erlaubt sein.

Am Montag verhandelt der Bundesgerichtshof in Karlsruhe die Revision auf Abnahme des Schmähreliefs „Judensau“ von der Wittenberger Stadtkirche. Der Aktivist und Rentner ­Michael Düllmann, selbst Jude, war vor Gericht gezogen, nachdem seine langen und intensiven Bemühungen, mit der Gemeinde ins Gespräch zu kommen, keine Resonanz gefunden hatten. 2019 war dann seine Klage zuerst vom Landgericht und danach auch in zweiter Instanz im Februar 2020 vom OLG Naumburg abgewiesen worden.

Für die evangelischen, besonders die lutherischen Kirchen in Deutschland ist es ein kulturelles und geistliches Armutszeugnis, dass ein Gericht jetzt darüber entscheiden soll, ob eine unzweifelhaft antijüdische Schmähung auch weiterhin nicht nur irgendeine, sondern die zentrale Kirche des Luthertums „zieren“ darf. Das schon im Mittelalter im Innenraum der Kirche zur agitatorischen Belehrung der Christen angebrachte Relief ist an Widerwärtigkeit und Bösartigkeit nicht zu überbieten: Es zeigt eine Sau, an deren Zitzen zwei Menschen saugen, die durch ihre Spitzhüte als Juden identifiziert werden. Eine durch einen Hut als Rabbiner zu identifizierende Figur hebt den Schwanz der Sau und blickt ihr in den After.

Der große Reformator Martin Luther, Prediger an der Stadtkirche, war von dieser Darstellung so fasziniert, dass er sie 1543 in seinem antijüdischen Pamphlet „Vom Schem Hamphoras“ eigens würdigte. Schem Hamphoras bedeutet den für Juden heiligen und darum unaussprechlichen Namen Gottes. Gut zwei Jahrzehnte nach Luthers Tod wurde über der Sau die Inschrift „Rabini Schem Ha Mphoras“ angebracht. Es war die Übergangszeit vom Mittelalter in die Moderne. Der Antijudaismus wurde modernisiert zum Antisemitismus. Luthers Ratschläge „wider die teuflischen Juden“ lesen sich wie eine Anleitung zu den Pogromen 1938. Die sogenannte Judensau ist also tatsächlich eine Luthersau.

Das alles wird vom Vorstand der Wittenberger Kirchengemeinde und seinen Unterstützern nicht bestritten. Doch was folgt daraus? Man hätte das Schmährelief einfach weiter verfallen lassen können, tat aber das Gegenteil: Noch rechtzeitig zum großen Lutherjubiläum 2017 wurden das Relief und seine Überschrift vergoldet, auch mit öffentlichen Geldern. Neben dem Wittenberger Stadtrat inklusive AfD und Linker setzt sich auch Friedrich Schorlemmer, langjähriger Prediger an der Stadtkirche, für den Verbleib der „Luthersau“ ein: „Dieser Stachel im Fleisch muss bleiben. Es muss in schmerzhafter Erinnerung bleiben, was in dieser Luther-Kirche passiert ist. Ich fände es eine Schande, die ‚Judensau‘ einfach wegzumachen“, sagte er im Dezember 2017 dem SZ-Magazin.

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„Stachel im Fleisch“ der Christenheit?

Schorlemmer scheint seiner eigenen Forderung nicht zu vertrauen. Sonst hätte er längst dafür sorgen können, dass die schmerzhafte Erinnerung, also die „Judensau“, ins Innere der Stadtkirche geholt und dort in einem aufklärenden Kontext präsentiert werden könnte. Alle Veranstaltungen und Gottesdienste im Angesicht der niederträchtigen antijüdischen Skulptur, das wäre ein „Stachel im Fleisch“ der Christenheit. Wäre! Tatsächlich aber ist die Sau an der Kirchenwand ein „Stachel im Fleisch“ der Jüdinnen und Juden, die die „schmerzhafte Erinnerung“ an Antisemitismus und Holocaust durch Luthers Kirchengefolgschaft nur als Hohn empfinden können.

Für die demokratische Gesellschaft stellt sich darum die Frage, ob sie bereit ist, das sture Festhalten der Wittenberger Gemeinde an ihrem Schmährelief einfach zu akzeptieren. Warum sollte der Wittenberger Kirche die strafbewehrte verbale Beschimpfung „Du Judensau“ erlaubt sein, nur weil sie in Stein geschlagen ist und unter Denkmalschutz steht? Es darf auch für die Kirche kein Sonderrecht auf antijüdische Darstellungen geben.

Respektloses Mahnmal

Man stelle sich einmal vor, ich beleidigte einen anderen Menschen mit dem inkriminierten Schimpfwort und überreichte ihm dazu einen Zettel, der darüber aufklärte, dass sechs Millionen Juden „unter dem Zeichen des Kreuzes starben“, so die Inschrift einer Bodenplatte unter dem Schmährelief. Ein Unding. Doch genau auf dieser schiefen Ebene argumentiert der Vorstand der Wittenberger Stadtkirche: Ein „Mahnmal“, das vor circa 35 Jahren noch zu DDR-Zeiten auf Initiative der Jungen Gemeinde in den Boden unterhalb des Schmähreliefs installiert wurde, relativiere den beleidigenden Charakter der Kirchensau und hebe ihn auf.

Quelle        :        TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Oben     —   Die Stadsgemeentekerk Sint Marien op die kerkplein van Lutherstad-Wittenberg, Sakse-Anhalt, Duitsland

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 24. Mai 2022

Altkanzler in den 90er Jahren: Neues vom Gazprom-Gerd

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Durch die Woche mit Robert Misik

In den 1990ern habe ich Gerhard Schröder als hilfsbereiten Menschen kennengelernt. Das ist nun vergessen, ebenso wie die Zusammenhänge aus den Balkankriegen.

Gerhard Schröder werden jetzt also sein Büro, die Apanage, die Mitarbeiter gestrichen, die in Deutschland jedem Ex-Regierungschef gewohnheitsmäßig zustehen. Praktisch wird das wohl nicht viel ändern, denn Berichten zufolge herrscht in Schröders Büro längst gähnende Leere, nachdem die ihm zugeteilten Amtspersonen den Dienst wütend quittierten. Auch Schröder selbst sei in den Gängen seit Monaten nicht gesehen worden, ist zu hören, was verständlich ist: Wenn da keiner mehr ist, findet er wohl nicht einmal den Lichtschalter, er müsste sich den Espresso selbst brühen, und wer will schon in der toten Atmosphäre des leeren Offices rumhängen?

Bürotrakt

Ich male mir das so aus: Da gibt’s ­irgendwo eine Etage für ausrangierte Diener des Volkes, und der Schröder-Trakt ist seit Monaten menschenleer. Staub legt sich über die Einrichtung, die Zimmerpflanzen lassen betrübt die Blätter fallen, Mäuse und Spinnen holen sich das Territorium zurück, eine gespenstische Stimmung. Selbst die Leute von der Gebäudesicherheit betreten die knarrenden Gänge nur mit Widerwillen. Die Wände atmen den sozialen Tod aus, den ihr Bewohner erlitt. Schröder selbst hüllt sich weitgehend in ­Schweigen, schreibt verbitterte Briefe, allein der New York Times gab er ein ­Interview, das von einer deprimierenden Entrücktheit war. Viele fanden es skan­dalös. Mich machte es vor allem traurig.

Zeitzeuge

Das liegt an meiner menschenfreundlichen Natur, aber auch an meinem Status als Zeitzeuge. In den neunziger Jahren war Schröder Ministerpräsident in Niedersachsen und ich Berlin-Korrespondent eines Wiener Nachrichtenmagazins, ich habe ihn ein paar dutzend Male getroffen, regel­mäßig mit ihm telefoniert, in ­kleineren und größeren Kreisen mit ihm ­zusammengesessen.

Bundesarchiv Bild 183-1987-0909-423, Saarbrücken, Besuch Erich Honecker, Schröder, Lafontaine.jpg

Ohne die Machenschaften in ihrer Partei, der SPD, währen Beide ein Nichts !

Anders als sein Parteirivale Oskar Lafontaine – der quasi die Personifizierung des Unsympathen war – hatte Schröder nicht nur diese schulterklopfende Freundlichkeit, sondern auch eine egalitäre Ader, die mich für ihn einnahm.

Srebrenica

Er begegnete den Leuten als Gleiche, belehrte nicht. Und wenn ich mal meine Journalisten-Identität gegen meine Aktivisten-Identität wechselte, konnte man von ihm auch als Kanzler noch unkompliziert Unterstützung erlangen, wie seinerzeit, als die Wiener linke Zivilgesellschaft ­gegen die Rechtsregierung von ÖVP und FPÖ revoltierte. All das ist mehr als zwanzig Jahre her und dieser ­Schröder ist in Vergessenheit geraten, in Erinnerung ist nur mehr der „Basta“-Schröder, der Genosse-der-Bosse-Schröder, zuletzt der Putin-Schröder und Gazprom-Gerd.

Farbbeutel

Die Vorgeschichte fehlt

Apropos vergessen: Es gibt ein aktives Vergessen, das die Geschichte mittels selektiver Erinnerung strukturell falsch erzählt. Die Nato ist böse, hat schreckliche Großmachtpolitik betrieben, Kriege entfacht, Russland gedemütigt und so weiter, ist heute oft zu hören. Einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg auf Serbien hat die Nato gestartet. Aber es wird eben die lange Vorgeschichte vergessen.

Die Vorgeschichte war: Im blutigen Bosnienkrieg hat man den ­Gewaltorgien jahrelang zugesehen und genozidale Verbrechen wie in Srebrenica geschehen lassen. Der Völkermord in Ruanda wurde nicht gestoppt, obwohl es möglich gewesen wäre. Dieses Versagen war das große Trauma des westlichen Linksliberalismus der neunziger Jahre.

Quelle       :     TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Oben        —             Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Wissler über die linke Krise

Erstellt von Redaktion am 20. Mai 2022

„Keine fünfte Kolonne Putins“

Die Forderungen vor den Wahlen waren immer Groß : „Hartz 4 muss weg.“ Folgerichtig große Forderungen – ohne jemals  Leistungen erbracht zu haben.  Wäre es nicht klüger, nur zu fordern – was auch geliefert werden kann?

Ein Interview von Pascal Beucker und Anna Lehmann

Die Chefin der Linkspartei spricht über das Ringen um die richtige Haltung zum Ukrainekrieg. Außerdem äußert sie sich zu MeToo-Vorwürfen in den eigenen Reihen.

taz: Acht Mal in Folge hat die Linkspartei nun bei Wahlen verloren. In Schleswig-Holstein landete sie unter und jetzt in NRW nur knapp über 2 Prozent. Halten Sie den Weg zur Splitterpartei noch für aufhaltbar?

Janine Wissler: Ja.

Warum?

Vollkommen klar, dass das ganz bittere Wahlniederlagen gewesen sind. Aber die Linke hat immer noch ein Fundament. Es gibt vielerorts aktive Kreisverbände mit einer kommunalpolitischen Verankerung, die Linke ist in neun Landtagen vertreten, an vier Landesregierungen beteiligt und in Thüringen sind wir nach wie vor stärkste Kraft.

Deswegen glaube ich, dass wir aus dieser schwierigen Situation wieder rauskommen können. Wir haben es selbst in der Hand. Wir müssen endlich die Themen, die uns ausmachen, wieder nach vorne stellen und mehr mit einer Stimme sprechen. Schauen Sie sich an, was Menschen unter dem Hashtag #IchBinArmutsbetroffen berichten, darüber wie Armut in diesem reichen Land aussieht. Den Bedarf nach einer linken Partei gibt es. Ich höre immer wieder: Ich will euch ja wählen, macht es mir doch nicht so schwer.

In allen zentralen gesellschaftlichen Auseinandersetzungen scheint der Linkspartei nicht mehr die Vermittlung zu gelingen, wofür sie eigentlich steht – egal ob es um Migration, die Klimapolitik, Minderheitsschutzrechte, Corona oder nun den Ukrainekrieg geht. Was bleibt da noch?

Wir müssen die Gemeinsamkeiten wieder in den Blick nehmen und nach vorne stellen. Wenn wir sich widersprechende Botschaften nach außen geben, dann wissen die Leute irgendwann nicht mehr, für was wir stehen. Wenn man zehn Sekunden Zeit hat, etwas über die Linke in eine Fernsehkamera zu sagen, dann sollte man nicht die eigene Partei kritisieren, sondern darüber sprechen, für was wir inhaltlich stehen und was wir erreichen wollen. Ich möchte, dass die Mitglieder wieder stolz sein können auf ihre Partei und ihre Abgeordneten.

Seit Jahren wird das öffentliche Bild der Linkspartei geprägt von dem Konflikt mit Sahra Wagenknecht und ihrem Anhang. Ihre Medienpräsenz nutzend hat sie es geschafft, den Eindruck zu vermitteln, die Linkspartei werde von einem Haufen Lifestyle-Linker dominiert, der sich nicht mehr für die Sorgen und Nöte von Werktätigen und sozial benachteiligten Menschen interessiere.

Soziale Gerechtigkeit ist unser absolutes Schwerpunktthema. Das ist offenkundig, wenn man sich unsere Initiativen in den Parlamenten, unsere Homepage oder Presseerklärungen ansieht. Der Kampf um soziale Gerechtigkeit und gegen alle Formen von Diskriminierung gehört zusammen. Ich kann diese ganze Debatte um angebliche Lifestyle-Linke in der Linken nicht nachvollziehen. Ich wünsche mir von jedem Abgeordneten und jeder Abgeordneten, dass sie den politischen Gegner ins Visier nehmen und sich nicht an der eigenen Partei abarbeiten.

Woher kommt die Mutlosigkeit, den Konflikt mit Wagenknecht & Co. nicht klären zu wollen, obwohl der Bruch nicht zu kitten ist und die Linkspartei zerreibt?

Für uns stehen einige inhaltliche Klärungsprozesse an, wie zur Frage der sozial-ökologischen Transformation und dem nachhaltigen Umbau der Industrie. Wir müssen als konsequente Friedenspartei wahrgenommen werden und auf dem Parteitag im Juni unzweideutig klarstellen: Wer einen verbrecherischen Angriffskrieg führt, den kritisieren wir aufs Schärfste. Da machen wir auch keinen Unterschied, wer ihn führt.

So wie wir stets völkerrechtswidrige Kriege der USA abgelehnt haben, verurteilen wir jetzt in Wort und Tat genauso, dass Russland die Ukraine überfallen hat. Menschenrechte gelten für alle: für die Häftlinge in Guantanamo wie für chinesische Gewerkschafter oder russische Oppositionelle, die drangsaliert werden. Wir messen nicht mit zweierlei Maß. Daran dürfen wir keinen Zweifel lassen.

Trotzdem wird die Linkspartei von manchen als fünfte Kolonne Putins wahrgenommen.

Eine fünfte Kolonne Putins waren und sind wir in keiner Weise. Niemand in der Linken heißt diesen Krieg gut oder stellt sich an die Seite der russischen Regierung. Selbstkritisch muss man feststellen: Schon vor dem Angriff auf die Ukraine gab es die brutalen Kriege Russlands in Tschetschenien, in Georgien, in Syrien, die Unterstützung der Diktaturen in Belarus und Kasachstan, das Verbot von Memorial und die Unterdrückung der Opposition. Da hätte unsere Kritik lauter sein müssen.

Laut ihrem Grundsatzprogramm will die Linkspartei die Nato auflösen und ein kollektives Sicherheitssystem unter Einbeziehung Russlands. Ist das noch zeitgemäß?

Dieser Krieg hat natürlich die gesamte Sicherheitssituation in Europa völlig verändert. Das ändert aber nichts daran, dass die Angriffskriege der Nato, etwa im Kosovo oder von Nato-Mitgliedsstaaten im Irak, falsch waren und es nach Ende der Blockkonfrontation eine gemeinsame Friedensordnung mit dem Ziel der Abrüstung und Nichtangriffsfähigkeit gebraucht hätte, statt einer Ausweitung des Militärbündnisses Nato. Eine weltweite Friedensordnung und Abrüstung bleiben notwendig. Aber das ist derzeit leider in weite Ferne gerückt.

Im Leitantrag für den Parteitag heißt es, die Linkspartei nehme keine Verletzungen des Völkerrechts hin und stünde an der Seite der Menschen, die sich gegen Diktaturen einsetzen. Wie passt das mit der Ablehnung von Waffenlieferungen an die Ukraine zusammen?

Russland führt in der Ukraine einen verbrecherischen Angriffskrieg. Unsere Solidarität gilt den Menschen in der Ukraine, die um ihr Leben fürchten, die in die Flucht getrieben werden. Ich kann die Befürwortung von Waffenlieferungen emotional nachvollziehen, aber ich unterstütze diese Forderung nicht.

Meine Befürchtung ist, dass das letztlich zu mehr Opfern und einer weiteren Eskalation führen wird. Schon jetzt greifen russische Spezialeinheiten Waffentransporte an und bombardieren Bahnlinien. Das kann den Krieg weiter nach Westen verlagern, dorthin wo hunderttausende Geflüchtete sind, und die humanitäre Versorgung gefährden. Eine weitere Eskalation muss verhindert werden, die droht, wenn Deutschland und andere Nato-Staaten die ukrainische Armee an schwerem Gerät ausbilden und damit selbst Konfliktpartei werden.

Dann liegen also Bodo Ramelow und Gregor Gysi – mit der Einschränkung, die Waffen sollten aufgrund der deutschen Geschichte aus anderen Ländern kommen – falsch, die sich beide für Waffenlieferungen an die Ukraine aussprechen?#

Datei:Gregor Gysi (Bochum, 2017).jpg

Ich habe gesagt, was die Position der Linken dazu ist – und ich habe es auch nicht so verstanden, dass die beiden für die Lieferung von schweren Waffen sind.

In Umfragen zeigen sich mehr als 40 Prozent der Bevölkerung ablehnend gegenüber der Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine. Wieso landen die nicht bei der Linkspartei?

Wir haben bei vielen unserer inhaltlichen Positionen eine deutlich größere Zustimmung als die Partei bei Wahlen an Stimmen bekommt. Das gilt für die Steuerpolitik, die Rente, die Bürgerversicherung und auch für das 100 Milliarden schwere „Sondervermögen“ für die Bundeswehr, das von sehr vielen Menschen skeptisch gesehen wird, aber im Bundestag nur von uns abgelehnt wird. Dass uns nicht alle diese Menschen ihre Stimme geben wollen, liegt auch an uns selbst, an unserem Auftreten.

Während Russland Krieg in der Ukraine führt, findet an diesem Samstag in Berlin ein Kongress unter dem Titel „Ohne Nato leben – Ideen zum Frieden“ statt, zu dem auch Bundestagsabgeordnete der Linkspartei aufrufen. Ist das nicht eine etwas merkwürdige Prioritätensetzung?

Ich kenne den Aufruf im Wortlaut nicht. Das ist eine Konferenz, die nicht von der Partei Die Linke veranstaltet wird, weder inhaltlich noch organisatorisch. Grundsätzlich gilt: Wer heute eine Konferenz für Frieden veranstaltet, muss sehr deutliche Worte zur Aggression Russlands finden. Putin spricht davon, dass die Staatlichkeit der Ukraine ein Fehler der russischen Revolution war und er diesen „Fehler“ korrigieren will. Das ist imperialistisches Großmachtstreben, das wir als Linke ablehnen.

Das heißt nicht, dass man die Nato nicht mehr scharf kritisieren sollte, aber es gibt keinerlei Rechtfertigung und Entschuldigung für diesen Angriffskrieg.

Es scheint so, dass die Linkspartei derzeit mit zu vielen Krisen zu kämpfen hat. Jetzt wird sie auch noch von #LinkeMeToo erschüttert. Hat die Linkspartei ein Sexismus-Problem?

Sexismus ist ein gesamtgesellschaftliches Problem und natürlich gibt es das auch in der Linken. Gerade wir als linke Partei müssen aber einen besonders hohen Anspruch an uns selbst haben. Wir müssen alles dafür tun, um in der Partei ein Klima zu schaffen, in dem Frauen nicht sexistischen Sprüchen oder gar Übergriffen ausgesetzt sind. Deswegen haben wir inzwischen eine externe Ex­per­tin­nen­kom­mis­si­on eingesetzt, mit einer erfahrenen Rechtsanwältin und einer erfahrenen Psychologin, die beide seit vielen Jahren mit Betroffenen von sexualisierter Gewalt arbeiten.

Haben Sie das Problem unterschätzt?

Quelle         :         TAZ -online              >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Janine Wissler hält ihre Rede zum Parteivorsitz auf dem 7. Parteitag von DIE LINKE im Februar 2021.

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Unten     —     Gregor Gysi in Bochum (2017)

Verfasser DIE LINKE Nordrhein-Westfalen      /        Quelle  : https://www.flickr.com/photos/dielinke_nrw/35791386154/        Datum    :    16. August 2017

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Die neue Rücksichtslosigkeit

Erstellt von Redaktion am 19. Mai 2022

Was die private Form verdeckt: die Vergesellschaftung der Produktion

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Quelle     :      Streifzüge ORG. / Wien 

Von Peter Klein

„Das Einzige, worauf sich die Linke und die Rechte einigen können, ist, dass mehr Jobs etwas Gutes sind. Daher gibt es wenig Anreize, irgendeine Maßnahme zu setzen, die Jobs abschafft.“

(David Rolfe Graeber)

„Schuster bleib bei deinem Leisten. Kümmere dich nicht um Dinge, die dich nichts angehen und von denen du nichts verstehst.“ Laut Marx (im „Kapital“ lateinisch: „ne sutor ultra crepidam!“, MEW 23, S. 512) ist das die Maxime, die in der vormodernen Welt der zünftigen Handwerker und kleinen Kaufleute das Leben der Menschen regierte. Der Kreis der Tätigkeiten, meist innerhalb der Stadtmauern verbleibend, war eng, geradezu zwerghaft verglichen mit dem Aktionsradius des modernen Menschen, aber er umfasste unter Einschluss der Hochzeitsbräuche und der Sitzordnung in der Kirche einen ganzen Lebenszusammenhang. Das Bedürfnis, ihn zu überschreiten oder gar zu sprengen, war dementsprechend gering entwickelt. Die Allgemeinheit, die sich jenseits davon befand, war nicht etwa „die Gesellschaft“ oder „der Staat“, sondern tatsächlich „das Jenseits“. Es waren die Dinge, die allen sterblichen Wesen gemeinsam sind und die seinerzeit in der Hand Gottes lagen: die Sorge um das tägliche Brot, die Angst vor Hunger, Krankheit und frühem Tod. Weshalb der Priester ein unverzichtbarer Bestandteil der über den Alltag hinausweisenden intellektuellen Bemühungen war. Und mit dem Landleben, das Marx mit dem Attribut „idiotisch“ verzierte, verhielt es sich nicht anders.

Diese Beschränktheit ist gleichsam der Abstoßungspunkt, von dem aus Marx im Kapitel „Maschinerie und große Industrie“ (Kapital I, MEW 23, S. 391 ff.) einen vorsichtigen Blick auf die in den modernen Produktionsmitteln liegenden Möglichkeiten wirft. In der bereits am Markterfolg ausgerichteten Manufaktur des 17. und 18. Jahrhunderts war die Produktion noch eine Sache der handwerklichen Arbeit und Geschicklichkeit gewesen, sie war aber schon fabrikmäßig organisiert: Der Arbeitsprozess wurde in eine Reihe von Teiloperationen zerlegt, sodass der einzelne, einer solchen Operation zugeteilte Arbeiter immer die gleichen Handgriffe auszuführen hatte. Die Beschränktheit, die beim mittelalterlichen Handwerker eine Vielfalt von Tätigkeiten umfasste, hatte sich hier also – bei Steigerung der Produktion im Ganzen – zur Einseitigkeit weiterentwickelt.

Der nächste Schritt, die von der Dampfkraft angetriebene Maschine, machte dann auch noch mit dieser Art von Geschicklichkeit Schluss. Das als technisches Erfordernis auftretende Kapital bestimmte von nun an ganz allein den Rhythmus, das Tempo und die Logik der Produktion. Fähigkeiten, Kenntnisse, Geschicklichkeit – nichts davon blieb in der Verfügung des Arbeiters. Die Maschinerie wollte nur noch gefüttert und bedient werden. Jedes Kind konnte das leisten. Der frühe Industrialismus, in allen Erziehungs- und Ausbildungsfragen genügsam, hieß denn auch die von ihren Eltern preiswert und in großer Zahl angebotenen Kinder in der Fabrik willkommen. Und es dauerte einige Zeit, bis die freiheitlich gesinnten Unternehmer, die vor allem von Steuern frei sein wollten, zu der Einsicht gelangten, dass ein bisschen friedfertig stimmende Allgemeinbildung, den Unterschichten in vorsichtiger Dosierung verabreicht, für die bürgerliche Gesellschaft als ganze durchaus nützlich sein konnte – auch wenn dergleichen unmittelbar für die Produktion nicht „gebraucht“ wurde, zunächst jedenfalls nicht.

Marx theoretische Rücksichtslosigkeit

Vom Elend des frühen Fabriksystems, von den unwissenden, verwahrlosten und kurzlebigen Kümmergestalten, die es hervorbrachte, ist bei Marx’ Blick in die Zukunft allerdings nicht die Rede. Er schaut durch die Empirie seiner Zeit gewissermaßen hindurch, verhält sich in theoretischer Hinsicht, indem er sich den Möglichkeiten zuwendet, die in den modernen Produktivkräften liegen, sozusagen rücksichtslos gegen sie. Mit dem Übergang zur großen Industrie und ihren „self-acting“ Maschinen gewinnt die Produktion unmittelbar gesellschaftlichen Charakter. Vom Schulwesen bis zu den Forschungseinrichtungen, vom Kommunikations- und Transportsystem bis zum Gesundheitswesen entsteht ein einziges Aggregat von untereinander vernetzten Funktionselementen, das der eigentlichen Produktion immer schon vorausgesetzt ist. Und auch die Produktion selbst mit ihren Roh-, Vor-, Halb- und Fertigprodukten ist ein solches System (Stichwort: Lieferketten), dessen Bestandteile untereinander zusammenhängen und aufeinander angewiesen sind. Die ausschließlich und spezifisch auf ein bestimmtes Produkt bezogenen Tätigkeiten, auf die also das Attribut „privat“ im empirisch-realen Sinne vielleicht noch passen würde, werden mit der Ausbildung dieses Systems, das alle Wissenschaften in seinen Dienst nimmt, marginal. „Die technologische Anwendung der Naturwissenschaft“ zum einen, die „gesellschaftliche Gliederung in der Gesamtproduktion“ zum andern: die Gesellschaft als ganze ist das entscheidende Agens der Produktion. Der einzelne Arbeiter, seine Verausgabung von „Muskel, Nerv und Hirn“, wird in seiner Bedeutung für die Produktion zurückgedrängt, als eigene Produktivkraft ist er schließlich zu vernachlässigen. Die staatskapitalistischen Länder des sogenannten sozialistischen Lagers, die an dieser Entwicklung logischerweise teilhatten (wenn auch nicht ganz so exzessiv und erfolgreich wie die westliche Konkurrenz), hielten trotzdem an der Ideologie der „Arbeitermacht“, die sie angeblich darstellten, fest. Sie büßten diesen Starrsinn mit dem Verlust jeder Glaubwürdigkeit, schließlich mit ihrem Verschwinden. Der Widerspruch ist treffend dargestellt in Erich Loests Roman „Es geht seinen Gang oder Mühen in unserer Ebene“.

Marx jedenfalls sah schon zu seiner Zeit, dass mit den modernen Produktivkräften die Negation der kapitalistischen Lohnarbeit heranreift, die, lediglich in Zeiteinheiten gemessen, einzig dem Geld zuliebe verrichtet wird, gleichgültig gegen die Frage nach ihrem stofflichen Sinn oder Nutzen. Dadurch, dass die Kenntnis der Naturgesetze sich allgemein verbreitet und zum Bestandteil des gesellschaftlichen Bildungskanons wird, dass die Grundelemente der technischen Verfahren in den verschiedenen Zweigen der Produktion einander angleichen, dass die Produktion also nicht mehr ausschließlich eine Sache der Erfahrung ist, die sich ein geheimniskrämerischer Meister über viele Berufsjahre hinweg mühsam angeeignet hat, auf diese Weise wird es dem Arbeiter leicht gemacht, von einer Branche in die andere zu wechseln. Er folgt dabei den Vorgaben des Marktes, es folgt daraus aber auch eine geistige Beweglichkeit, die dafür sorgt, dass er das System, zu dem sich der Kapitalismus entwickelt, als ganzes in den Blick bekommt. Mindestens aber wird er sich, wenn es um Fragen von allgemeinem Belang geht, nicht mehr so ohne weiteres als die bloße Manövriermasse eines autokratischen Regimes verwenden lassen. Wo dies noch geschieht, wie gegenwärtig in Russland, ist es ein Zeichen der Rückständigkeit und des Mangels an kapitalistischer Entwicklung. Marx illustriert diesen Trend zur geistigen Beweglichkeit, indem er einen aus San Franzisko zurückgekehrten französischen Arbeiter zitiert: „Ich hätte nie geglaubt, dass ich fähig wäre, alle die Gewerbe auszuüben, die ich in Kalifornien betrieben habe. Ich war fest überzeugt, dass ich außer zur Buchdruckerei zu nichts gut sei … Da das Geschäft der Minenarbeit sich nicht einträglich genug auswies, verließ ich es und zog in die Stadt, wo ich der Reihe nach Typograph, Dachdecker, Bleigießer usw. wurde. Infolge dieser Erfahrung, zu allen Arbeiten tauglich zu sein, fühle ich mich weniger als Molluske und mehr als Mensch.“ (MEW 23, S. 511 f.)

Natürlich ist dieser „Mensch“ erst noch der Mensch als Ware-Geld-Individuum. Aber dieses markiert nicht das Ende der Geschichte. Schon in den „Grundrissen“ denkt Marx im Zusammenhang mit dem modernen Maschinenwesen einen Schritt weiter: „Die Arbeit erscheint nicht mehr so sehr als in den Produktionsprozess eingeschlossen, als sich der Mensch vielmehr als Wächter und Regulator zum Produktionsprozess selbst verhält“, heißt es dort. Der Mensch „tritt neben den Produktionsprozess, statt sein Hauptagent zu sein“ (Grundrisse, S. 592 f.). Und es versteht sich, dass dieser „Mensch“ dem vom Kapital ausgeübten Verwertungszwang nicht mehr unterworfen ist. Das, was er an sich ist, gesellschaftliches Individuum, ist er für sich geworden. Zumindest darf man, die heutige Situation vor Augen, unterstellen, dass er auf dem Weg dorthin schon sehr weit vorangekommen ist. In den Ländern des globalen Westens sind es kaum noch zwanzig Prozent seiner Zeit, die er für die Produktion wirklicher Dinge verwendet. Und es könnte, wenn er die Produktion unter dem Aspekt ihres materiellen Nutzens betriebe, weitaus weniger sein. Die Verschiebung der Arbeit in den Dienstleistungssektor kaschiert nur, was in Sachen Arbeitslosigkeit tatsächlich möglich wäre. In seinem Buch „Bullshit Jobs“ kommt der Anthropologe David Graeber zu dem Ergebnis, dass gut ein Drittel der dort in den letzten hundert Jahren entstandenen Jobs, vor allem Bürojobs sind gemeint, keinen Beitrag „zur Welt“ leisten, nicht einmal zur kapitalistischen Welt (Interview in: Der Standard, 31.12.2018).

Politisierung und Privatisierung

Der moderne Mensch verfügt über die Zeit, über das Wissen und über die aus allen Ecken der Welt herbeigeschafften Informationen, die es ihm möglich machen über den Tellerrand des Privatstandpunktes hinauszuschauen. Oder besser: die es ihm unmöglich machen, sich auf diesem zum vereinzelten Individuum zusammengeschrumpften Standpunkt wohl und heimisch zu fühlen. „Heraus aus der Unmittelbarkeit, heraus aus der privaten Beschränktheit!“, so lautet die von den modernen Produktivkräften ausgegebene Direktive.

Wurde es der politischen Laienspielschar nicht immer schon zu einfach gemacht über ihre Wähler-Innen zu Verfügen ?

Im 19. Jahrhundert war dies natürlich zunächst einmal das Heraus aus jener mit rechtlich-politischen Elementen versetzten und daher „unreinen“ Erscheinungsform von Privatheit, die für die „Privatsphäre“ der vormodernen Zeiten kennzeichnend war. Das Heraus also aus jener Dienstbarkeit und Bedientenhaftigkeit, die das Verhältnis der Unterschichten zu den qua Geburt und Besitz privilegierten Ständen bestimmte. Nachdem es in der theoretischen Sphäre bereits vollzogen worden war, nämlich mit dem von Kant formulierten Gebot, die (gegenüber der Erfahrungswelt verselbständigte) Kategorie der Allgemeinheit zum leitenden Gesichtspunkt aller Moral und allen Rechts zu machen, wurde dieses Heraus zunehmend zu einer Sache der gesellschaftlichen Praxis. Die Alternative zur persönlichen Abhängigkeit und Folgsamkeit war die Herrschaft der unpersönlich zu denkenden Prinzipien des Menschenrechts, in Kants Diktion: des allgemeinen Gesetzes. Die Masse der Bevölkerung schien, da sie eigentumslos war, zur Allgemeinheit der Gesetzesform, die für ihr Gelten nichts als praktische Vernunft (das ist die Fähigkeit, sich eines eigenen Willens bewusst zu sein) voraussetzte, eine besondere Nähe und Neigung zu besitzen.

Allerdings existieren die Massen empirisch-konkret, man kann mit ihnen nicht so theoretisch feinsinnig verfahren wie mit einer theoretischen Kategorie. Die von Kant getroffene Unterscheidung zwischen der a priori geltenden Kategorie, die bei „vernünftigen Wesen“ moralische Gefühle auszulösen vermag, und den handgreiflichen Bedürfnissen empirisch-realer Menschen spielte in der praktischen Bewegung denn auch keine Rolle. Die Politisierung des „Volkes“ stand an (überwiegend als „Nationalisierung der Massen“ abgelaufen, wie der Titel des bekannten Buches von George L. Mosse lautet), und bei diesem Geschäft waren lange theoretische Erörterungen nicht hilfreich. Als Volksfreund schaute man umso leichter über den Kant’schen (und Hegel’schen) „Idealismus“ hinweg, als man selbst natürlich auf dem vermeintlich festen Boden des „Materialismus“ stand. Die staatliche Allgemeinheit, für den liberalen Bourgeois immer noch das absolutistische Monster von einst, war jedenfalls dazu auserkoren, Freund und Trost der Armen und Entrechteten zu sein. Der dem Allgemeinwohl wahrhaft dienende Staat musste zur Bastion der „Massen“ werden, die der politisierende Alltagsverstand kurzerhand mit der „Allgemeinheit“ in eins setzte. Der empirische „Volkswille“, der meint, die bürgerliche Metaphysik, in deren Namen er auftritt, mit beliebigem Inhalt füllen zu können, je nach Stimmung und Bedürfnis des Augenblicks: der Weg in die moderne rechtsstaatliche Demokratie war mit jeder Menge populistischer Illusionen gepflastert. (Zur Kategorie des „politischen Willens“ siehe den lesenswerten Artikel von Meinhard Creydt: „Glanz und Elend des Politisierens“, Streifzüge Nr. 75.)

Diese Epoche, in der die Politik den Menschen noch innige Glaubenserlebnisse verschaffen konnte und die entsprechenden Kreuzzüge viele Millionen von Opfern forderten, haben wir, in den Zeiten des überreif gewordenen Kapitalismus lebend, im wesentlichen hinter uns. Was wir dagegen nicht hinter uns haben, das sind die ideologischen und politischen Frontstellungen, die als Relikte aus jener Zeit immer noch in unseren Köpfen herumspuken. In dem vollkommen durchstaatlichten System der modernen Gesellschaft, in dem der Staat – John Locke würde sich im Grabe umdrehen – auch noch für den „Schutz der Privatsphäre“ verantwortlich zeichnet, wird nach wie vor zwischen „öffentlich“ und „privat“ unterschieden, zwischen Privateigentum und Staatseigentum – als würde sich die kapitalistische Geldbewegung um dieses juristische Detail scheren. Nach wie vor wird zwischen „linker“ und „rechter“ Politik unterschieden, nach wie vor werden „die Politiker“ für alle möglichen Entwicklungen und Fehlentwicklungen verantwortlich gemacht, nach wie vor wird nach ihrem moralisch guten „politischen Willen“ gefragt und ob sie ihn „glaubwürdig“ vertreten. Sie sind ja die Treuhänder jener „allgemeinen Angelegenheiten“, die von den Bürgern – allzu sehr in Anspruch genommen von den Problemen, die das Leben in der Vereinzelung mit sich bringt – angeblich nicht selbst wahrgenommen werden können. Obwohl diese Bürger unverzichtbare Bestandteile des weltumspannenden kapitalistischen Systems geworden sind, das ganz und gar auf ihrem beflissenen, am Geld ausgerichteten Funktionieren beruht, verhalten sie sich dazu wie zu etwas, das ihnen äußerlich ist, für das nicht sie selbst, sondern jemand anderes zuständig ist – eben „die Politik“.

Das Heraus aus den persönlichen Abhängigkeits- und Treueverhältnissen war offensichtlich das Hinein in die Abstraktion. Der moderne Mensch, der sich in der ganzen Welt herumtreibt, der mit Produkten umgeht, deren Komponenten aus x verschiedenen Ländern stammen, ist durch Recht und Gewohnheit auf den Standpunkt der Privatperson fixiert. Ein Standpunkt, der angesichts der Wirklichkeit, von der er abstrahiert, freilich zur bloßen Formalität geworden ist. Die private Form umschließt das moderne Individuum viel enger, als es jene Privatsphäre tat, über die der Bourgeois des 19. Jahrhunderts verfügte, dessen Mägde, Knechte und Bedienstete selbst noch ein Bestandteil davon waren. Sie ist, reduziert auf den Punkt des vereinzelten Individuums, aber auch viel unglaubwürdiger geworden. Zum einen gibt es die Neigung, seine höchstprivaten Vorlieben, sei es beim Sex, sei es beim Essen, an die Öffentlichkeit von Tausenden von „Freunden“ zu tragen, zum andern wird der öffentlichen Sphäre (Sanitäter, Polizisten, Zugbegleiter, Politiker) mit überaus privaten Verhaltensweisen das Funktionieren schwergemacht. Wo ist die Grenze? Die Penetranz, mit der uns die öffentlichen Gewalten einschließlich der Internet-Konzerne versichern, wie sehr ihnen der Schutz der Privatsphäre, d.i. die Trennung der Menschen voneinander, am Herzen liegt, spricht für sich. Wie stets, wenn sich eine gesellschaftliche Institution historisch erledigt hat, kommt sie noch einmal groß heraus als Beteuerung und Behauptung. Don Quijote, der Ritter von der traurigen Gestalt, reitet heute auf der Privatsphäre herum.

Die zeitgemäße Rücksichtslosigkeit

Marx konnte von dem Erfolg der privaten Form, den ausgerechnet der expandierende Kapitalismus mit sich bringen sollte, natürlich nichts wissen. Zu seiner Zeit hatte das „Zeitalter der Massen“ gerade erst begonnen. Dass es sich zu einer eigenen Epoche – nicht etwa der Überwindung, sondern ganz im Gegenteil der weltweiten Herstellung und Durchsetzung des Kapitalismus auswachsen und dabei lauter kleine Bürger ausbrüten würde, war wohl von niemandem vorauszusehen. Allein schon der Umfang des Kapitels über den „Arbeitstag“ (MEW 23, S. 245–320) zeigt, welche sozialen Probleme für die damalige Linke im Vordergrund standen. 50 Jahre Streit und Kämpfe, nur um überhaupt irgendwelche Grenzen des Arbeitstages gesetzlich festgelegt zu bekommen und die Abarbeitung kleiner Kinder zu beschränken! Ein anderes Beispiel ist der Aufstand der Pariser Arbeiter im Juni 1848. Er war von der Schließung der Nationalwerkstätten provoziert worden: Mehrere Tausend Tote waren die Strafe für diese Unbotmäßigkeit, die sich die Arbeiter im Namen einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme zuschulden kommen ließen, die ihnen einen Franc pro Tag eingebracht hatte. Das (von dem General Cavaignac angeordnete) Gemetzel zeuge, so Marx, „von der Wahrheit, dass die geringste Verbesserung seiner (des Proletariats) Lage eine Utopie bleibt innerhalb der bürgerlichen Republik, eine Utopie, die zum Verbrechen wird, sobald sie sich verwirklichen will“ (MEW 7, S 33).

Was man sich im 19. Jahrhundert gewiss nicht vorstellen konnte, war ein gesellschaftlicher Zustand, in dem alle Menschen einschließlich der „Lohnsklav:innen“ rechtlich und politisch vollkommen gleichgestellte Bürger sein würden: eben jene Gesellschaft des demokratischen Kapitalismus, die es im Anschluss an die Weltkriegsepoche des 20. Jahrhunderts tatsächlich fertiggebracht hat, die totale Herrschaft der kapitalistischen Verwertungszwänge als die Vollendung der „offenen“ oder „freien Gesellschaft“ auszurufen. Das politische und ideologische Getöse, das die Geburt dieser „freien Gesellschaft“ begleitete, klang den nachfolgenden zwei oder drei Generationen noch lange in den Ohren, so laut, dass sie den Grundton, der die ganze Zeit über gespielt wurde, die Vergesellschaftung der Produktion, glatt überhörten. Nur noch die immergleiche Melodie von „Demokratie“ und „Antifaschismus“ wurde gedudelt.

Marx dagegen war von diesem Lärm unbelastet. In diesem Sinne war er theoretisch im Vorteil. Er musste sich notgedrungen auf das Wesen der Sache konzentrieren, auf die vom Kapitalismus vorangetriebene Vergesellschaftung der Produktion, die mit dem lediglich am abstrakten Geld-Reichtum interessierten Privatstandpunkt, für den es sich immer nur darum handelt, das in die jeweils „eigene“ Produktion investierte Kapital zu vermehren, auf Dauer gesehen unvereinbar ist. Dass diese „Dauer“ von einer kämpfenden Partei, als die Marx sich ja verstand und verstehen musste, zu einem eigenen Thema gemacht wird, darf man nicht erwarten. Sie wird ja von der Aktivität und Kampfkraft dieser Partei maßgeblich mitbestimmt. Engels stellt in einem seiner letzten Briefe fest, dass „die kapitalistische Produktion“ noch längst nicht „überall vollständig durchgeführt“ ist. Und er fährt fort: „Das existiert noch nicht einmal in England und wird nie existieren, so weit lassen wir’s nicht kommen“ (Engels an Conrad Schmidt, 12.3.1895, MEW 39, S. 432).

Inzwischen wurde die Lohnarbeit, zu Marx’ Zeiten eine Art Stigma der unterständischen Schichten, nicht etwa nur integriert in die sich ewig „modernisierende“ bürgerliche Gesellschaft, sie ist sogar zur zentralen politischen, sozialen und mentalen Kategorie aufgestiegen (Stichwort: Arbeitsplätze), an deren Wohlergehen das gesamte kapitalistische System Anteil nimmt. Im gleichen Zuge, in dem das Privatkapital seine stoffliche Grundlage verlor: voneinander getrennt operierende Produktionseinheiten, die einander erst in ihren Produkten begegnen, auf dem Markt, verbreitete sich die Form der Privatheit: alle Menschen rückten – nicht zuletzt dank der Bemühungen linker Politik – in den Status des Ware-Geld-Individuums ein, das sich zu sich selbst, zu seiner eigenen empirischen Existenz und Leiblichkeit als zu seinem (verkäuflichen) Privateigentum verhält. Der Prozess der Vergesellschaftung der Produktion wurde also konterkariert durch die gesellschaftliche Form, die für diesen Prozess die motivgebende Ebene zur Verfügung stellte: das private Leistungs- und Erfolgsstreben. Da sich der betreffende Standpunkt rein praktisch herstellte, einfach dadurch, dass ein jegliches Bedürfnis an die Form des Kaufens und Verkaufens verwiesen wurde, ist es um das Bewusstsein von dieser Entwicklung natürlich schlecht bestellt. Das moderne Individuum, das dabei entstand, ist in sich nicht reflektiert, von seinem historischen Gewordensein weiß es nichts. Es mag die kapitalistischen Zumutungen in äußerst schmerzhafter Weise erleiden, da es sie aber verinnerlicht hat, ist es zunächst mal das eigene empirische, den „Anforderungen“ niemals genügende Selbst, mit dem es zu hadern pflegt. In dem Film „Wunderschön“ (2022) wird dieses Thema wieder einmal durchgespielt.

Und wenn es sich doch einmal dazu aufrafft, über den Tellerrand des Privatstandpunktes hinauszudenken, trifft das auf Leistung gebürstete Ware-Geld-Ich also gleich auf die ihm gegenüberstehende Abstraktion, auf die „allgemeinen Angelegenheiten“ in Form der Politik. Dieser bleibt bei der ganzen auf Dynamik und Perspektive angelegten Wesensart des kapitalistischen Systems gar nichts anderes übrig, als in der Pose des Gestaltens und Richtungweisens aufzutreten. Obwohl die Politik längst keine Visionen mehr anzubieten hat – glücklicherweise, muss man sagen –, begegnen uns die aus der Vergangenheit überlieferten Sprechblasen und Ideologeme auch heute noch. Man kennt den längst nicht mehr erbittert, sondern eher routiniert geführten Richtungsstreit bis zum Überdruss: ob die „Zukunft“ (sie läuft immer auf „Wachstum“ hinaus, auch mit „grüner“ Regierungsbeteiligung) besser bei der „individuellen Freiheit“ und „Leistungsbereitschaft“ aufgehoben sei oder bei der „staatlichen Fürsorge“ und „Vorsorge“. Brauchen wir „mehr Markt“ oder „mehr staatliche Umverteilung“? Müssen die Steuern rauf oder runter? Und fahren wir nicht am besten, wenn wir von alledem die „Mitte“ wählen?

So wenig glaubhaft die auf der öffentlichen Bühne gelegentlich noch vorgeführten Leidenschaften sind – das Spektakel ist aufdringlich genug. Wie abgetakelte Wracks, die in einem flachen Meer namens „Komplexität“ vor sich hindümpeln, verstellen uns die ideologisch-politischen Restbestände aus jener Epoche, in der das System wirklich noch expandierte und die Gesellschaft durchstaatlicht wurde, den Blick auf die Realität des erreichten Vergesellschaftungsgrades. Sie verstellen uns den Blick auf das „andere Ufer“, könnte man im Bild bleibend sagen, wo das gesellschaftliche Individuum längst schon vorhanden ist und in einigen Exemplaren auch schon anfängt, sich als solches zu verstehen und zu betragen. Was uns daran hindert, das wirklich zu sein, was wir an sich schon sind, ist die private Form, in die wir durch Gewohnheit und Institutionen gebannt sind. Gegen sie hat sich die neue Rücksichtslosigkeit zu wenden. Jene „abgetakelten Wracks“ der bürgerlichen Prinzipien und Abstraktionen, die uns die Sicht auf die Realität versperren, sind als solche also kenntlich zu machen und beiseite zu räumen. Erst „dahinter“ kommt der kapitalistische Widerspruch zum Vorschein, wie Marx ihn, vom Zeitalter der Massen noch unbelastet, formuliert hat und wie er heute zur Auflösung drängt: als Widerspruch zwischen den gesellschaftlichen Produktivkräften und den dazu nicht mehr passenden Produktionsverhältnissen.

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siehe auch wikipedia s.v. „copyleft“

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Grafikquellen          :

Oben     —       Karl Marx, Der Prophet

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