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Operation gelungen, Klinik tot. Krankenhausgesellschaft warnt vor Dutzenden Insolvenzen noch in diesem Jahr. Gesundheitsminister Lauterbach bereitet Großkahlschlag vor.

Erstellt von Redaktion am 21. Februar 2024

 

Gesundheitswesen  –  Operation gelungen, Klinik tot

 

Von Ralf Wurzbacher

Pixabay.com/de; IMAGO-Images/Montage: jW

»Mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite ­Klinik schließen« (Bundesgesundheits­minister Karl Lauterbach/SPD)

Wo man hinsieht: Agonie.

Neuruppin, Wertheim, Bremerhaven, Werra, Ettenheim. Landauf, landab kämpfen Menschen gegen die drohende Schließung ihrer örtlichen Klinik.

Am Dienstag schlug einmal mehr die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) Alarm.

Bundesweit hätten seit Ende 2022 mehr als 40 Standorte Zahlungsunfähigkeit angemeldet,

allein im Januar seien sechs dazu gekommen.

Sollte die Politik nicht schnellstens eingreifen, »könnten in diesem Jahr 80 Kliniken pleite gehen«, sagte Verbandschef Gerald Gaß der Rheinischen Post.

»Das ist ein ungeordnetes Sterben, das zu Lasten der Mitarbeiter und Patienten geht.«

An diesem Mittwoch beraten Bund und Länder im Vermittlungsausschuss

das sogenannte Transparenzgesetz von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Gaß empfiehlt die Ablehnung, wenn Lauterbach

»den nötigen Inflationsausgleich weiterhin verwehrt«.

Schon eine halbe Ewigkeit lassen die Bundesländer die Krankenhäuser am langen Arm

verhungern. Seit Corona bleiben Patienten in Scharen fern,

der Preisschock infolge des ­Ukraine-Kriegs gab vielen den Rest.

Laut Gaß schreiben inzwischen »fast alle Kliniken rote Zahlen«.

Auf der DKG-Webseite tickt eine »Defizituhr«:

Am Dienstag erreichte sie die Marke von 9,2 Milliarden Euro.

Lauterbach behauptet, dem Siechen ein Ende setzen zu wollen,

verweigert aber kurzfristige Geldspritzen.

Heilung verspricht er statt dessen mit seiner »Krankenhausreform«, die teilweise Abkehr vom Fallpauschalsystem verschaffe vor allem kleineren Anbietern finanziell neue Luft. So könnten ein »ökonomischer Kampf um das blanke Überleben« und »wahrscheinlich« die meisten Insolvenzen »noch abgewendet werden«. Bedingung dafür sei jedoch die Zustimmung der Länder im Bundesrat.

Böse Falle: Das »Transparenzgesetz« ist eine Vorstufe zum geplanten Großkahlschlag. Es dreht sich vordergründig darum, den Zugang zu Informationen über Leistungsangebote, Fallzahlen und personelle Ausstattung der Versorger zu verbessern. Wobei Verbände wie der Marburger Bund die Rezepte missbilligen und vor überbordender Bürokratie und Doppelstrukturen warnen. Viel fataler noch: Mit der Lauterbach-Vorlage sollen die Weichen für die Neueinteilung der Kliniklandschaft nach »Leistungsgruppen« und »Leveln« gestellt werden. Auf diesem Wege würden »rund 350 Standorte zu ambulanten Zentren degradiert, womit sie dann de facto keine Krankenhäuser mehr sind«, beklagte am Dienstag Laura Valentukeviciute, Sprecherin vom »Bündnis Klinikrettung«, gegenüber jW. »Damit bricht die Grund- und Notfallversorgung auf dem Land einfach weg.«

 

»Jeder weiß, dass wir in Deutschland mindestens jede dritte, eigentlich jede zweite, Klinik schließen sollten«, hatte der SPD-Politiker noch im Sommer 2019 frank und frei erklärt. Jetzt macht er sich höchstpersönlich ans Werk. »Der Minister sucht Mittel und Wege, um die Versorgungslandschaft auszudünnen, das Transparenzgesetz ist Teil seiner Strategie«, betonte Valentukeviciute. DKG-Chef Gaß spricht Lauterbach die Kompetenz ab. Dieser kenne die Verhältnisse in den 1.900 Kliniken gar nicht, befand er.

Der Attackierte selbst verkauft sein Vorhaben als »Optimierung«. Wer mit Herzinfarkt oder Schlaganfall eingeliefert werde, »kann künftig darauf vertrauen, dass der Krankenwagen zum besten Krankenhaus für den jeweiligen Notfall fährt«, bemerkte er. Was aber, wenn es im Umkreis von 50 Kilometern bald keine Klinik mehr gibt? Operation gelungen, Patient tot!

Quelle:

https://www.jungewelt.de/artikel/469774.gesundheitswesen-operation-gelungen-klinik-tot.html

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