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Archiv für die 'Regierung' Kategorie

DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 12. Januar 2022

Rückkehr des GesternHilfe, die 90er sind zurück!

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche führt Nina Apin

Alles schon mal dagewesen: die FDP in der Koalition, Atomkraft und beigefarbene Hosen. Sogar Schlecker soll es bald wieder geben.

Ist das schon die Midlife-Crisis oder noch Corona? Seit Beginn dieses Jahres, das sich durch eine Zwei hinten angeblich vom alten unterscheiden soll, habe ich das Gefühl: Manche Dinge gehen einfach nicht weg (Inzidenzverlesungen im Morgenradio, Impfgegnerproteste), und andere kommen in kaum veränderter Gestalt wieder: Kurz nachdem wir im Familienkreis herzlich über das Kinder-Atomkraftwerk im Loriot-Sketch „Weihnachten bei Hoppenstedts“ gelacht hatten, war sie wieder aktuell, die Atomkraft.

Als von der EU-Kommission nachhaltig genannte „Brückentechnologie“. Die Anti-Atom-Sticker sind doch etwas vorschnell in der Tonne gelandet. Es hätte gereicht, „Gundremmingen“ durch „Penly“ zu ersetzen und man könnte gleich wieder losmarschieren. In einer dieser beigen Hosen vielleicht, die derzeit wieder an Teenagerkörpern ein Comeback feiern und mich unangenehm an die Stromlinienförmigkeit perlenohrringtragender Kommilitoninnen in den Neunzigern erinnern.

Die Neunziger sind vielleicht vergangen, aber vorbei sind sie nicht: Die FDP regiert wieder mit, die Inflation steigt erstmals seit 1993 wieder auf vier Prozent. Und Ulrich Schneider, auch schon seit 1999 Chef des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, mahnt regelmäßig, man solle angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise die Armen nicht vergessen. Wollte die Ampelkoalition nicht eigentlich weg von der Hartz-IV-Logik und Menschen nicht länger in zu fördernde Arbeitsbereite und zu bestrafende Minderleister einteilen?

Noch sind Details des neuen Bürgergeldes unklar. Aber die Schäbigkeit, mit der über die Auszahlung eines Coronabonus in Pflegeberufen (für manche mehr, für manche weniger – als seien manche Belastungen weniger wert als andere) diskutiert wird, lässt nichts Gutes ahnen. Apropos Neunziger: Sogar Schlecker soll jetzt wieder auferstehen.

Ein schwäbischer Selfmade-Millionär hat sich die Namensrechte an der gescheiterten Drogeriekette gesichert und kündigt vollmundig den größten „Angriff in der Geschichte des europäischen Handels“ an. Filialen in Fußgängerzonen halb Europas hochziehen – diese Zeiten sind nun doch vorbei.

Ob an die Stelle der Zehntausenden Schlecker-Mitarbeiter:innen, die vor 10 Jahren ihre Arbeitsplätze verloren, nun eine Heerschar von E-Bike-Lie­fer­ku­rie­r:in­nen treten wird, die Windeln, Shampoo und Entkalker „innerhalb von 6 Minuten zu Ihnen nach Hause“ bringen? Was diese Woche putzmunter aus den Falten der Zeitgeschichte gekrabbelt kam, waren Moralappelle aus Rom.

Die katholische Kirche zeigt sich weiterhin selbstgerecht

Ganz in der Tradition seines Vorvorgängers, des Pillengegners Johannes Paul II., äußerte sich der vermeintlich progressive Papst Franziskus diese Woche. Der Pontifex kritisierte Paare, die kinderlos blieben und stattdessen lieber mit Hunden und Katzen lebten. „Wer in der Welt lebt und heiratet, muss daran denken, Kinder zu haben“ – auch Adop­tion sei ein Weg. So viel Gift in nur einem Satz verspritzen, das schafft nur die römisch-katholische Kirche.

Quelle      :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen  

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Grafikquellen          :

Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten     —     Fahnen bei der Demonstration gegen die Laufzeitverlängerung deutscher Kernkraftwerke im September 2010 in Berlin

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Bestandsaufnahme der EU

Erstellt von Redaktion am 11. Januar 2022

Im europäischen Zwischenland

Reunión con Vicepresidenta de la Comisión Europea y Alta Representante para la Política Exterior y de Seguridad de la UE (6856953422).jpg

Von Franz C. Mayer

Die EU ringt um Stabilität. Am Ende der Pandemie zeigt sich, dass wir aufeinander angewiesen sind. Das ist eine Chance für engere Zusammenarbeit.

Politische Stabilität ist keine Selbstverständlichkeit. Das hat die Erstürmung des Bundesparlaments in den USA vor einem Jahr nachdrücklich in Erinnerung gerufen, in einer mehr als 230 Jahre alten Union. Auch die wesentlich jüngere Europäische Union, Rechtsgemeinschaft und Friedensgarantin in der alten Welt nach den fürchterlichen Erfahrungen zweier Weltkriege, erscheint weniger denn je als dauerhaft gesichert.

Zurück zum Nationalstaat war vielerorts der erste Reflex nach Ausbruch der Pandemie im Frühjahr 2020. Längst überwunden geglaubte Grenzen wurden wieder sichtbar, Schlagbäume, Grenzkontrollen, Einreisesperren. Die europäische Integration ist indessen nicht nur wegen der Pandemie in der Defensive.

Nach der Eurokrise ab 2010, der sich anschließenden Flüchtlingskrise, dem Endlosdrama um den britischen Austritt und nun der Rechtsstaatskrise insbesondere in Polen und Ungarn ist die europäische Integration seit mehr als einem Jahrzehnt im Krisenmodus, in ungesichertem Terrain – in einem Zwischenland. Keine der Krisen kann als sicher überwunden gelten. Vor allem die Rechtsstaatskrise in Polen betrifft die Substanz der EU als Rechtsgemeinschaft.

Es geht dort nicht um vereinzelte Rechtsverstöße, sondern den systemischen Umbau zu einem Land ohne unabhängige Gerichtsbarkeit. Den aktuellen Machthabern geht es dabei vorrangig um die Sicherung dieser Macht. Unabhängige Gerichte und europäische Beobachtung stören da nur. Eine unabhängige Gerichtsbarkeit ist aber Beitrittsvoraussetzung und damit Geschäfts- und Vertrauensgrundlage für das rechtliche Miteinander in der EU.

Polen rauswerfen geht nicht

Schon deswegen kann von einer rein innerpolnischen Angelegenheit keine Rede sein. Es geht um die Frage, ob Polen in dieser Verfassung noch Mitglied der EU bleiben kann. Das große Problem der EU ist dabei, dass man einem Mitgliedstaat nicht einfach kündigen kann, anders als übrigens beim Europarat, dort ist ein Rauswurf möglich. Entsprechend macht die Europäische Kommission, was sie machen kann:

Sie geht mit den Mitteln des Rechts gegen den Rechtsstaatsabbau vor, mit Vertragsverletzungsverfahren und Zwangsgeldern. Bisher war dies nur begrenzt wirksam. Zwangsgelder in Höhe von 1 Million Euro pro Tag sind für einen Staatshaushalt gut verkraftbar, und selbst der zwischenzeitlich eingeführte, aber noch vom EuGH auf seine Kompetenzmäßigkeit zu prüfende Rechtsstaatsmechanismus, mit dem EU-Haushaltsmittel gesperrt werden können, dürfte nur begrenzte Reichweite entfalten.

Anders verhält es sich mit der Sperre der zur Pandemiefolgenbewältigung aufgelegten Wiederaufbauprogramme, wo es um Größenordnungen von 40 bis 60 Milliarden Euro geht. Dies würde in Polen spürbar sein. Die Eskalation des Streits kann zum Austritt führen, es besteht freilich auch das Risiko des „dirty remain“: der Nichtaustritt bei kontinuierlicher Sabotage aller innerunionalen Vorhaben, die Einstimmigkeit erfordern. Ein schneller Ausweg aus dem Dilemma zeichnet sich nicht ab.

Wirklich gefährlich an der Entwicklung in Polen ist vor allem die offen aggressiv beanspruchte bedingungslose Vorfahrt des Nationalstaates, gegen jede eingegangene rechtliche Bindung. Dieses Zurück zum Nationalstaat ist kein isoliertes Phänomen, was der Beifall aus Ungarn wie auch die verstörend nationalistischen Töne aus dem konservativen Spektrum in Frankreich indizieren. Der Koalitionsvertrag der Ampelregierung bezieht scheinbar klare Stellung in Sachen Rechtsstaatlichkeit.

Verstörende Töne aus Frankreich

Die Bundesregierung will bei den Entscheidungen über Mittel aus dem Wiederaufbaufonds nur zustimmen, „wenn Voraussetzungen wie eine unabhängige Justiz gesichert sind“. Genau gelesen macht man dies aber abhängig von den Vorschlägen der Kommission. Auch sonst verliert der Koalitionsvertrag eher, je länger man die Europapassagen liest.

Dass die bisher in Deutschland weitgehend unbeachtet gebliebene, nur sehr schleppend in Gang gekommene Konferenz zur Zukunft Europas „in einen verfassungsgebenden Konvent münden und zur Weiterentwicklung zu einem föderalen europäischen Bundesstaat führen“ sollte, lässt zunächst aufhorchen. Derartige legal science fiction findet sich für gewöhnlich eher in Grundsatzprogrammen, wo sie auch ihre Berechtigung hat, nicht im Regierungsfahrplan für die nächsten vier Jahre.

Niederländische Dornier Frontex-5.jpg

Die Frontex – das einzige was bislang unter dem Strich steht ?

Aus europaverfassungsrechtlicher Sicht stellen sich sofort Fragen. Nicht nur weil es keine „nicht-föderalen“ Bundesstaaten gibt und man für einen Bundesstaat mindestens noch einen Mitstreiter bräuchte – unter den anderen Mitgliedstaaten weit und breit nicht in Sicht. Die Eingliederung Deutschlands in einen europäischen Bundesstaat ist zudem insbesondere mit der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG nicht vereinbar.

Es wäre also eine Grundgesetzänderung oder gar eine völlig neue deutsche Verfassung erforderlich – eine rechtliche Revolution. Wollte man das ernsthaft, dann würde man es doch weiter vorne im Text ansprechen, jedenfalls aber einen verfassungsrechtlichen Pfad zum Bundesstaat skizzieren. Noch befremdlicher ist der Koalitionsvertrag mit der Zielsetzung, der Europäische Gerichtshof solle nationales Recht ohne jeden EU-Bezug an europäischen Grundrechten messen können.

Koalition zeigt Gestaltungswillen

Auch dies käme einer rechtlichen Revolution gleich, aus verfassungs- wie europarechtlicher Perspektive, für die weder in Deutschland noch in der EU die erforderlichen verfassungs- und vertragsändernden Mehrheiten in Sicht sind. An diesen Stellen mangelt es dem Koalitionsvertrag an Ernsthaftigkeit.

Eine denkbare Erklärung dafür wäre, dass in den Verhandlungen viele EP-Abgeordnete die Feder geführt haben und dabei möglicherweise so etwas wie eine Wunschliste erstellten, die in der Folge dann asymmetrischerweise vor allem die nationalen Abgeordneten abzuarbeiten haben. Als positive Deutungsmöglichkeit bleibt immerhin, dass hier europäischer Gestaltungswille dokumentiert ist, der sich deutlich von der alten Regierung absetzt.

Quelle      :          TAZ-online         >>>>>       weiterlesen

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Oben       —   Bruselas (Bélgica), 19 de Marzo 2012. En el Edificio Berlamont, de la Comisión Europea, el Canciller Ricardo Patiño se reunión con la Vicepresidenta de la Comisión Europea y Alta Representante para la Política Exterior y de Seguridad de la Unión Europea, Catherine Ashton.

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Gedanken zu Negativzinsen

Erstellt von Redaktion am 11. Januar 2022

Der Traum vom ewigen Wirtschaftswachstum

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Wirklich traumhaft muss es erscheinen, wenn die eigene Immobilie innerhalb weniger Jahre ihren Wert verdoppelt oder doch erheblich steigert, ohne dass wir einen Finger rühren, also leistungslos. Fragt man sich nach dem Grund dieses wundersamen Wertzuwachses, verschlägte es einem schier den Atem ob der uns weitgehend unbekannten und auch kaum nachvollziehbaren finanziellen Machenschaften. Dabei geht es im Ergebnis um eine radikale Umverteilung, die Reiche immer noch unvorstellbar reicher macht, während der Großteil der Bevölkerung nicht nur leer ausgeht, sondern ohnmächtig real ärmer wird. Und wer hätte wohl gedacht, dass dahinter die erstaunlich antidemokratischen Manipulationen der Notenbanken stehen? Dabei stellt die EZB ausdrücklich fest: „Unser vorrangiges Ziel besteht darin, Preisstabilität zu gewährleisten, also den Wert des Euro zu wahren“. Tatsächlich finanziert sie jedoch praktisch zum Nullzins eigentlich zahlungsunfähige Staaten, Banken und Unternehmen. So entsteht Wirtschaftswachstum stupend durch Schuldenmachen. Im liberalen Kapitalismus geht es gnadenlos um Wachstum um jeden Preis, eben auch durch Verschuldung, denn jede zu erwartende oder reale Inflation mindert die Schulden proportional. Pecunia non olet (Geld stinkt nicht) ist seit dem römischen Kaiser Vespasian die Bezeichnung für eine Geldbeschaffung aus unsauberen Quellen. Sparen war eigentlich einmal eine Tugend, die aber heute von den Banken nicht mehr honoriert wird, denn sparen kostet jetzt richtig Geld. Dadurch flieht das Geld in Immobilien und Aktien, während Otto Normalverbraucher mit dem Ofenrohr ins Gebirge schaut. Und die Politik schaut tatenlos zu, wie die Notenbanken einen gesunden Wettbewerb aushebeln und unsere hochgelobte Marktwirtschaft verhunageln.

Für die Mehrheit unserer Bevölkerung wird ein solcher Traum aber zu einem Albtraum, denn zu der perversen Umverteilung kommt jetzt auch noch eine brutale Enteignung durch die Inflation. Diese trifft gnadenlos wieder merklich nur die Schwächeren in unserer Gesellschaft, die aber durch ihre Arbeit und Steuern ganz erheblich zum Wohl unseres Volkes beitragen, gegenüber den Machenschaften der Notenbanken aber machtlos sind. Hier versagt unsere Demokratie, denn das Volk ist der Souverän. Partikularinteressen am Parlament vorbei dürfen nicht sein. Wenn die Teuerungsraten die Lohn- oder Rentenzuwächse übersteigen, muss det Staat handeln. Ohne wenn und aber. Hier geht es auch um die Würde des Menschen, die keinesfalls einer ruchlosen Geldpolitik der Finanzmärkte geopfert werden darf.

Dabei liegt die Lösung auf der Hand. Die EZB soll wirklich das tun, was sie selbst als vorrangige Aufgabe sieht, sich konsequent der Kontrolle unseres Parlaments unterwerfen und ihre Einnahmen aus Negativzinsen direkt und schnörkellos an unsere Sozialsysteme überweisen. Hier ist natürlich unsere Ampelregierung gefordert. Ampel sofort auf Rot für die aktuelle Praxis der EZB ohne demokratische Legitimation, Ampel kurzzeitig auf Gelb für eine demokratiesichere Regelungsfindung und dann dauerhaft auf Grün bei einer sozialgerechten Aktivität der Notenbank. Der Wachstumswahn einer sich nur am Kapital aufgeilenden Finanzwirtschaft darf nicht zum Albtraum für das Wohl und Wehe unseres Volkes werden.

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Oben       —     Gerechtigkeitsbrunnen in der Gerechtigkeitsgasse Berns – Justitia zu Füßen sind ein Papst, Kaiser, Sultan und Schultheiß

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Nicht sagen, was war

Erstellt von Redaktion am 11. Januar 2022

Der „Spiegel“ verklärt eigene Geschichte

Bundesarchiv B 145 Bild-F058375-0003, Freiburg, FDP-Bundesparteitag, Augstein.jpg

Von Ulrich Gutmair

Zum 75. Jubiläum stellt sich der „Spiegel“ als Hort des hehren Journalismus dar, der Nazis enttarnte und Antisemiten bekämpfte. War das so?

Die erste Ausgabe des Spiegel erschien am 4. Januar 1947. In der aktuellen Ausgabe feiert das Magazin das 75. Jubiläum seiner Gründung, die drei britischen Presseoffizieren zu verdanken ist. Major John Chaloner hatte das Konzept entwickelt, ein deutsches „news magazine“ analog zum amerikanischen Time zu schaffen. Seine beiden jüdischen Kollegen, die Seargants Harry Bohrer und Henry Ormond, waren einst aus Deutschland geflohen und in die britische Armee eingetreten, um Deutschland von den Nazis zu befreien.

18 Seiten umfasst das Jubiläums-Spezial des Spiegel, der „bis heute“ für „unabhängigen, unerschrockenen und unbeugsamen Journalismus, für das Aufdecken von Affären, das kritische Hinterfragen wohlfeiler Floskeln“ stehe, wie Chefredakteur Steffen Klusmann im Editorial schreibt. Das lasse sich immer noch auf Rudolf Augsteins „kurzen, großen“ Satz bringen: „Sagen, was ist.“

Sagen, was war, tut auf den folgenden Seiten Augsteins Schwester Ingeborg Villwock, die über ihren im Jahr 2002 verstorbenen Bruder sinniert: „Hatte Rudolf wirklich schon in jungen Jahren hehre Ziele? Hat er gehandelt aus Sorge, die Deutschen könnten von der Verkommenheit der Nazis noch so beeinflusst sein, dass sie nicht zu einer aufrechten Demokratie fähig sind? Oder ließ er sich einfach treiben? Ich hielt ihn damals nicht für einen Idealisten.“

Die folgende Doppelseite bietet einen Rückblick, in dem unter anderem zu erfahren ist, dass 1948 zum ersten Mal eine Politikerin, die Berliner Oberbürgermeisterin Louise Schroeder, auf dem Cover abgebildet wurde, Helmut Kohl aber 80-mal auf dem Titel zu sehen war. Auf einer weiteren Doppelseite zu den „größten Enthüllungen und Skandalen“ erfahren wir über die frühen Jahre: Das Magazin schrieb 1948, dass Prinz Bernhard der Niederlande SS-Sturmführer war, und enthüllte 1953 die NS-Vergangenheit des Politikers Rudolf Vogel. 1957 machte der Spiegel antisemitische Beschimpfungen eines Studienrats publik.

Der Spiegel präsentiert sich also so, wie er sich sehen möchte und auch weithin gesehen wird: als antifaschistisches Bollwerk, von Anbeginn der Mission verpflichtet, die Bundesrepublik zu liberalisieren und zu demokratisieren. War das so?

Rehabilitierung der Täter

Wer sich für deutsche Nachkriegsgeschichte und das Nachleben des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik interessiert, weiß, dass dem nicht so ist. Allgemeinwissen ist es nicht. Wenn man sich die Spiegel-Ausgaben der frühen Jahre ansah, wie Otto Köhler, der als junger Journalist Medienkritiker des Spiegel gewesen war, dies Anfang der 1990er Jahre tat, konnte man zum Schluss kommen, dass bereits im Mai 1949 eine Spiegel-Kampagne zur „Rehabilitierung der Täter des alten Staates“ begonnen hatte, wie Köhler schrieb.

Rudolf Augstein hatte den ehemaligen Chef der Gestapo, Rudolf Diels, als Autor für eine achtteilige Serie gewonnen – über die Gestapo. Die Serie, befand Köhler, „bedeutete eine Ehrenrettung der Gestapo. Verbrechen, Mord, sadistische Quälereien gab es nur in den Konzentrationslagern von SA und SS“.

Auch die deutsche Kriminalpolizei war vom Geist des Nationalsozialismus, den sie erdulden musste wie alle anderen Deutschen auch, anscheinend kaum angekränkelt. Der in Reinhard Heydrichs Reichssicherheitshauptamt eingegliederten Reichskriminalpolizei und ihrem Chef Arthur Nebe war die nächste große Serie des Spiegel gewidmet, die längste, die das Magazin je veröffentlichte. Sie umfasste 30 Fortsetzungen. Ihr Ziel war es, wie Augstein in einer Kolumne schrieb, „den heutigen Polizei-Verantwortlichen vor Augen“ zu führen, dass die Kriminalpolizei „auf ihre alten Fachleute zurückgreifen muss, auch wenn diese mit einem SS-Dienstrang ‚angeglichen‘ worden waren“.

Vor Exekution bewahrt

Dabei hatte die Serie selbst offenbart, wie der oberste Reichskriminalpolizist Nebe, der von Juni bis November 1941 auch Chef der Einsatzgruppe B war, die während des Überfalls auf die Sowjetunion laut eigener Meldungen 45.467 Personen ermordete, eine saubere Lösung für das Problem fand, die Insassen der Irrenhäuser von Minsk und Smolensk befehlsgemäß zu „liquidieren“.

Dieses Problem bestand darin, dass es nicht leicht ist, sehr viele Menschen, die man als überflüssig betrachtet, schnell und ohne viel Aufhebens zu töten: „Die Exekution würde Tage dauern. Wer sollte das aushalten?“ Mit dieser Frage versetzte sich der ungenannte Autor der Serie, ein Spiegel-Kriminalreporter namens Dr. Bernhard Wehner, vor dem Krieg als SS-Hauptsturmführer und Kriminalrat Leiter einer Dienststelle im Reichssicherheitshauptamt, in den Kopf seines Chefs Arthur Nebe (Ab 1954 leitete Wehner dann die Düsseldorfer Kriminalpolizei.).

Bundesarchiv Bild 183-R98680, Besprechung Himmler mit Müller, Heydrich, Nebe, Huber2.jpg

Bleibt eine Uniform nicht immer eine Uniform – ganz egal wer – wann und wo –  eine trägt ?

Laut Spiegel entwickelte Nebe daher den Plan, die Menschen in einer Garage mit Auspuffgasen zu töten. Der Kriminalist litt unter seinem Auftrag, aber, so stand es in der 18. Fortsetzung der Serie, „tröstete sich mit dem Gedanken, ordentliche Männer seiner Einsatzgruppe vor der Durchführung der grauenvollen Exekution bewahrt zu haben“. Nebe habe zwar die „Probe“ nicht bestanden, „der alle Deutschen ausgeliefert waren“, aber auch seine Organisation „gerettet“, kommentierte Augstein dies.

Ironischerweise, hielt Köhler später fest, war Augsteins Kampagne für die Wiedereinstellung kriminalistischer Fachleute mit SS-Dienstrang so erfolgreich gewesen, dass es Hauptsturmführer Theo Saevecke war, der im Verlauf der Spiegel-Affäre von 1962, die dem Magazin das Image des „Sturmgeschützes der Demokratie“ verschaffte, an der Spitze der Sicherungsgruppe Bonn in dessen Büros eindrang.

Nachsichtig mit Nazis

Zum einen also klärte der Spiegel seine Leserinnen und Leser in der Tat von Anfang an darüber auf, welche schwer fassbaren Verbrechen in ihrem Namen begangen worden waren, auch wenn er dies zuweilen im schnoddrig-ironischen Casino-Ton alter Nazis tat. Zum anderen aber strickte er an der Legende mit, welche die Deutschen über sich selbst erzählen wollten: Letztendlich waren ein paar hochrangige Nazis für die Verbrechen verantwortlich – wenn nicht gar Hitler allein. Die von den Alliierten in Nürnberg verurteilten und in Landsberg einsitzenden NS-Kriegsverbrecher durften jedenfalls darauf zählen, dass sich der frühe Spiegel für sie, die er als „Kriegsverurteilte“ bezeichnete, einsetzte.

„Das deutsche Nachrichtenmagazin“, wie es sich seither und noch lange nannte, war auch recht nachsichtig mit jenen Alt-Nazis, die gute Beziehungen zur Ruhr-Industrie pflegten und planmäßig die NRW-FDP unterwandert hatten: Eine „NS-FDP“ zu etablieren sei ihnen ja nicht gelungen.

Opfer des NS-Regimes dagegen, die Konzentrationslager oder Zwangsarbeit überlebt hatten, sich als Displaced Persons in der Bundesrepublik befanden und sich als Schmuggler betätigten, wurden in einem Artikel Georg Wolffs über den Kaffeeschmuggel als Juden gekennzeichnet und als „DP-Terroristen“ bezeichnet.

Was kaum jemand wissen wollte

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Es folgt die historische Originalbeschreibung, die das Bundesarchiv aus dokumentarischen Gründen übernommen hat. Diese kann allerdings fehlerhaft, tendenziös, überholt oder politisch extrem sein. Außerordentlicher Bundesparteitag der FDP in Freiburg.

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Schweizer Impfdebatte

Erstellt von Redaktion am 10. Januar 2022

 200 Jahre Kampf um die Impfhoheit

Historische Karikatur Pockenimpfung

Edward Jenner impft Menschen gegen Pocken. Seine Vakzine gewann er aus Kuhpockenpusteln. Diese historische Karikatur von James Gillray aus dem Jahr 1802 nahm die Befürchtungen der geimpften Personen aufs Korn: Den Geimpften wachsen Kühe aus den Leibern.

Quelle      :        INFOsperber CH.

Von Hans-Ulrich Jost /   

Die Debatte um eine Impfpflicht verlief schon in früheren Jahrhunderten aufgeheizt. Es ging dabei nicht nur ums Impfen.

Am 5. Februar 1882 versammelten sich vierzig Männer im Bahnhofbuffet Olten, um – wie die «NZZ» berichtete – einen «Referendumssturm» gegen den Impfzwang zu lancieren. Die Impfgegner kamen aus den Kantonen Basel, Aargau, Zürich, St.Gallen, Solothurn und Bern. Die welsche Schweiz und das Tessin waren nicht vertreten. Und Frauen fehlten offenbar auch.

Es ging um das vom Bundesrat vorgelegte Bundesgesetz betreffend Massnahmen gegen gemeingefährliche Epidemien (Pocken, Cholera, Fleckfieber, Pest). Die eidgenössischen Räte hatten der Vorlage mit klarem Mehr zugestimmt: 83 zu 12 Stimmen im Nationalrat, 24 zu 11 im Ständerat. Im Volk hingegen waren die Massnahmen umstritten. Im Zentrum der Kritik stand die obligatorische Impfung gegen Pocken, zu deren Durchsetzung auch Bussen vorgesehen waren. An sich war die Impfpflicht nicht neu. Verschiedene Kantone hatten schon im Laufe des 19.Jahrhunderts zu dieser Massnahme gegriffen, ohne diese jedoch wirklich durchsetzen zu können.

Impfpolemik als Politikersatz

Es ging allerdings vielen Gegnern des Gesetzes von 1882 nicht nur ums Impfen. Die Referendumsbewegung richte sich, schrieb etwa die Tessiner «Libertà», nicht bloss «gegen das Seuchengesetz, sondern gegen die Seuche der eidgenössischen Gesetzgebung». Diese müsse in erster Linie bekämpft werden. Der «Referendumssturm» erwies sich in der Tat als Sammelbewegung, in der sich die Katholisch-Konservativen, die eingeschworenen Föderalisten und verschiedenste Gegner der modernen Medizin zusammengefunden hatten. Hinzu kam auch eine nicht zu vernachlässigende Gruppe von Bürgern, die einfach ihrem gegen die Obrigkeit gerichteten Unmut Ausdruck geben wollten. Und für die im Bundesrat nicht vertretenen Katholisch-Konservativen ging es schlicht darum, ihre plebiszitäre Stärke zu zeigen. Das katholische «Vaterland» schrieb am 26.Juli 1882, mit dem Referendum solle «auch diesmal dem Versuche einer neuen bundesstaatlichen Zwängerei und Hineinregieren in die kantonale Gesetzgebung das Genick gebrochen werden». Das Resultat der Abstimmung war überwältigend: 264’340 Ja-Stimmen gegen 68’027 Nein. Nur ein Stand, Neuenburg, stimmte gegen das Referendum.

Der Bundesrat gab sich nicht ganz geschlagen und legte 1886 ein überarbeitetes Epidemiegesetz vor, in dem die Impfpflicht nicht erwähnt ist. Gegen diese neue Vorlage kam es zu keinem Referendum. In ausserordentlichen Situationen griff der Bundesrat jedoch zu Massnahmen, die einer Impfpflicht gleichkamen. Er erklärte beispielsweise während des Zweiten Weltkrieges die Pockenimpfung für Säuglinge und Kleinkinder obligatorisch.

Die Abstimmung von 1882 bildete einen gewichtigen Beitrag zu den zwischen 1875 und 1884 lancierten Referendumsstürmen, mit denen die freisinnige Vorherrschaft gebrochen werden sollte. Dabei kamen die unterschiedlichsten Vorlagen ins Schussfeld der Gegner des freisinnigen Bundesstaates. Ein erster Höhepunkt bildete der Kampf gegen den «Schulvogt», einen neu anzustellenden Departementssekretär, der statistisches Material zu Schulfragen aufarbeiten sollte. Der letzte Sturm, 1884, galt dem «vierhöckerigen Kamel». Gemeint waren damit vier Vorlagen: eine Bundesstrafrechtsnovelle, eine Sekretärstelle im Justiz- und Polizeidepartement, Patenttaxen für Handelsreisende und ein Kredit von 10’000 Franken für die Botschaft in Washington. Das vierhöckerige Kamel überlebte diesen Referendumssturm nicht. Alle vier Vorlagen wurden verworfen.

Mit Vorlagen wie dem Epidemiegesetz oder dem Schulvogt wurden die heftigsten Emotionen geweckt. Um die katholisch-konservative Opposition zu besänftigen und die Referendumsstürme zu beenden gab der Freisinn schliesslich klein bei und überliess 1891 dem Führer der katholisch-konservativen Opposition, Josef Zemp, einen Sitz im Bundesrat.

Der Jahrhundertkampf um die Pockenimpfung

Die Impffrage betraf in erster Linie die Pocken, eine seit Jahrhunderten weltweit auftretende Seuche mit relativ hohen Todesraten. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erkannte man, dass dank Inokulation von Flüssigkeit aus Pockenbläschen Immunität erzeugt werden konnte. In der Schweiz hatte schon 1754 der weit über die Grenzen hinaus bekannte Arzt Samuel August Tissot die Pockenimpfung propagiert. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts entdeckten dann englische Ärzte, dass sich mit Kuhpocken eine ungefährliche Impfung durchführen lässt. Dank einer 1798 publizierten populären Schrift von Edward J. Jenner (1749-1823) fand diese neue Impfmethode weite Verbreitung. Die polemischen, die Impfung betreffenden Auseinandersetzungen hielten jedoch unvermindert an.

Neben Tissot hatte der in Bischofszell praktizierende Jakob Christoph Scherb die «Einpfropfung der Pocken» nicht nur propagiert, sondern in grossem Umfang selbst durchgeführt. Scherb machte zudem Karriere in der Politik und sass von 1803 bis 1807 im thurgauischen Regierungsrat; er verordnete in dieser Zeit die Durchführung von Pockenimpfungen. Andere, die Impfung praktizierende Ärzte stiessen oft nicht nur auf den Widerstand der Bevölkerung, sondern auch auf wenig Verständnis von Seiten der Obrigkeit oder der amtlichen Medizinalkommissionen. Dies war etwa der Fall bei Ignaz Paul Vital Troxler, einem Luzerner Arzt, Philosoph und Politiker, der sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts vehement für die Pockenimpfung einsetzte. Er kritisierte zugleich das Luzerner Medizinalwesen und die obrigkeitliche Sanitätspolitik. Diese Kritik war Bestandteil seines politischen Kampfes für ein liberales und demokratisches Staatswesen. Dank seinen politischen und staatsrechtlichen  Schriften fand – nebenbei gesagt – 1848 das Zweikammersystem in der neuen Bundesverfassung Eingang.

Inkohärente Impfmassnahmen im 19.Jahrhundert

Obwohl systematische Pockenimpfungen eindeutig positive Resultate verzeichneten, setzte sich in der Schweiz keine kohärente Impfpolitik durch. Zwar führten in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts einige Kantone ein Impfobligatorium ein, doch die praktische Durchführung war uneinheitlich und nachlässig. Gelegentlich kam es allerdings zu handfesten Massnahmen. So beschloss beispielsweise der Grosse Rat Graubündens, die Namen der sich der Impfung widersetzenden Vorsteher, Gemeinden oder Partikularen öffentlich bekannt zu machen. Es wurde auch versucht, mit Bussen das Impfobligatorium durchzusetzen.

Mit der revidierten Bundesverfassung von 1874 erhielt der Bund schliesslich die Kompetenz, bei gemeingefährlichen Epidemien gesundheitspolitische Massnahmen zu treffen. Möglicherweise hatte der deutsch-französische Krieg 1870/71 den Befürwortern von Impfungen ein handfestes Argument geliefert. Beide Armeen waren von einer verheerenden Pockenepidemie erfasst worden. Doch die preussische Armee, deren Soldaten gegen Pocken geimpft waren, verzeichnete nur 8500 Infizierte und 450 Tote (5%), während auf französischer, ungeimpfter Seite 125’000 Infizierte und 23’500 Tote (19%) zu beklagen waren. In der Schweiz hatte denn auch das Militärdepartement Pockenimpfungen beim Eintritt in die Rekrutenschule angeordnet.

Impfpolitik auf Bundesebene

1893 schuf der Bund ein Gesundheitsamt. Anlass zu dieser Gründung war die Internationale Sanitätskonvention betreffend einheitlicher Schutzmassnahmen gegen die Cholera. Zur Rechtfertigung des Gesundheitsamtes erklärte der Bundesrat, die «Erhaltung und Förderung der Volksgesundheit» zähle zu den «vornehmsten aller Güter […] auf dem jegliche Arbeit und jeder wahre Fortschritt» beruhten. In Verbindung mit dem eidgenössischen statistischen Büro publizierte das Gesundheitsamt ein «Sanitarisch-demographisches Wochenbulletin der Schweiz». Der Bund übernahm hiermit die Überwachung und Förderung der Volksgesundheit. Mit dem Epidemiegesetz und dem Gesundheitsamt verfügte der Bund über Instrumente, die ihn zum Eingreifen bei Epidemien berechtigen. Die dabei gemachten Erfahrungen – in den Weltkriegen oder anlässlich der spanischen Grippe von 1918 – führten 1974 zu einer Totalrevision des Gesetzes von 1886.

Die Beispiele aus der Geschichte zeigen, dass Auseinandersetzungen über die Impfpflicht emotionell stark aufgeladen sind. Dies erlaubt partikularen Gruppen, als Trittbettfahrer an den politischen Kampagnen mitzumachen und ihre Potenz zur Geltung zu bringen. Mit polemischen und populistischen Vorstössen zog man Aufmerksamkeit auf sich und hoffte, mit Impfgegnern und generell unzufriedenen, aber apolitischen Bürgern und Bürgerinnen das eigene Lager zu stärken. In die sachlich-politische Argumentation mischten sich Vorurteile und Phantasmen. Dies gefährdete nicht nur gesundheitspolitische Massnahmen, sondern auch die demokratischen Prozesse im Rechtsstaat.

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Oben      —      Vorstellung von Citizen Volpone & His Suite, in Paris.–Vide, The Moniteur, & Cobbetts Letters

   Quelle/ Autor         Metropolitan Museum of Art, Online-Datenbank: Eintrag 391788

Diese Datei wird unter der Creative Commons CC0 1.0 Universal Public Domain Dedicationzur Verfügung gestellt.

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Über die Pandora-Papers

Erstellt von Redaktion am 10. Januar 2022

Martin Sonneborn über die Pandora-Papers

Martin-Sonneborn.jpg

Wo Martin steht – können die Fahnen nur noch  hängen !

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Gruppen gegen Kapital und Nation

Martin Sonneborn, ehemaliger Chefredakteur der Satire-Zeitschrift Titanic, hat als Abgeordneter im Parlament der EU einen neuen Beruf gefunden. Er ist fraktionsloser Oppositions-Politiker und befasst sich kritisch mit der EU-Politik und den Leuten, die für diese verantwortlich sind. So befragt er EU-Kommissare, gibt Statements und Interviews, schreibt Berichte und produziert mit einem eigenen Kanal bei Youtube Videos.

Während bei seiner Partei „Die Partei“ das Witzeln und die Satire im Vordergrund stand, ist bei ihm als EU-Parlamentarier das eher unbekümmerte Verhöhnen meist zurückgetreten hinter eine andere Darstellungsweise: das Vorführen von Unfähigkeit und moralischer Verkommenheit von EU-Politiker*innen und das Aufdecken von (mehr oder weniger) verdeckten „Machenschaften“ der europäischen Politik-Elite. Scherze und Anspielungen sind dabei noch Stilmittel („Zwinkersmiley“), aber viel trägt er ganz unironisch vor und meint es offenbar ernst. Er nutzt seine Position im Getriebe und offenbart dem deutschsprachigen Wahlvolk mit Insider- und Hintergrund-Wissen, was in Brüssel läuft – wie schlecht und schäbig von der Leyen und Co seines Erachtens sind. Damit konfrontiert er Politiker*innen dann auch direkt im Parlament etc.

Die Pandora Papers…

Eines seiner Themen ist im Oktober 2021 die Pandora-Papers. Das ist eine Sammlung von knapp 12 Millionen Dokumenten verschiedener Offshore-Provider, also Unternehmen, die in sog. Steueroasen für ihre Kunden Briefkastenfirmen und andere Unternehmensformen aufbauen, über die Geldanlagen anonym und mit wenig oder keinen Steuern möglich sind. Diese Dokumente wurden von einem Netzwerk von mehr als 600 Journalist*innen ausgewertet und die Ergebnisse Anfang Oktober in verschiedenen internationalen Medien veröffentlicht.

Sonneborn widmet sich der Praxis, die da dokumentiert wird. In einem 30-minütigen Video stellt er einige politische Protagonisten aus den Pandora-Papers mit ihren dort dokumentierten Geschäften vor und führt ein paar allgemeine Überlegungen aus (Youtube: Aus der Bierbüchse der Pandora, Kanal von Martin Sonneborn. Die folgenden Zitate mit Zeitangaben daraus).

Ihm dient die ganze Sache erstens dazu, anhand der herausgegriffenen Figuren persönliche Verkommenheit von Politiker*innen generell herauszustellen. Dazu betont er, dass diese Figuren besonders raffgierig seien. Er stellt auch heraus, dass sie wie Mafiosi agieren würden, also sich mit Schattengeschäften und anonymer Geldanlage vergleichbarer Geschäftspraktiken bedienen. Außerdem geht es ihm um den seines Erachtens unkritischen Umgang der EU mit ihnen. Ausführlicher gewürdigt werden zum Beispiel der tschechische Ministerpräsident Andrej Babiš und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Letzterer plustere sich zum „Diener des Volkes“ auf, nur um hinterrücks das eine oder andere einträgliche Offshore Geschäft zu machen (~4.15). Und ironisch: die EU-Kommission habe da wirklich einen tollen demokratischen Hoffnungsträger an der Angel, dem die Welt mit Geld und Militärhilfe assistieren sollte.

B-1B Büchse der Pandora Nase Kunst.jpeg

In Bezug auf die von Sonneborn präsentierten Fakten gibt es keinen Anlass etwas anzuzweifeln. Solche Schattengeschäfte und das Verschieben von Vermögen in Steueroasen gibt es offenbar massenhaft, und die von ihm zitierten Personen waren entsprechend der Recherche-Ergebnisse da tätig. Diese Geschäfte muss man sich leisten können, was wohl erst ab zwei- bis dreistelligen Millionenbeträgen möglich ist. Promis und Politiker*innen sind dabei prinzipiell nicht ausgenommen. Sie nutzen die Anonymität sowie niedrige Steuersätze, die ihnen die Gesetze und Vorschriften dieser Länder und die dort ansässigen Dienstleister bieten, um ihren Reichtum vor Steuern zu erhalten und Geschäfte zu tätigen, von denen ökonomische Konkurrenten, andere Staatseinrichtungen oder Öffentlichkeit nichts mitbekommen sollen. Damit entgehen vor allem westlichen Staaten eine Menge Einnahmen.

…und Sonneborns moralischer Blick darauf

Etwas anderes ist die Ebene, von der Sonneborn dieses Geschehen beurteilt. Ihm geht es fast ausschließlich um Fragen des Anstands. Sein Kriterium ist das der persönlichen Moral. Damit skandalisiert er ausführlich: den Reichen und vor allem den reichen Mächtigen mangele es eklatant an Anstand. Seine ganzen Ausführungen sind getragen von Empörung über Verdorbenheit und Gemeinheit der Leute, die solche Geschäfte tätigen. Die seien korrupt und damit in ihrem Ämtern gänzlich fehl am Platz.

Sachliche Differenzierungen zu der Materie haben dabei wenig bis keinen Platz. Dabei gäbe es schon das Eine oder Andere zum Thema internationale Steuervermeidung zu sagen. Zum Beispiel dass Steuerwettbewerb nicht auf Kleinststaaten in Überseegebieten beschränkt ist, sondern ein allgemeines Konfliktfeld von Staaten und deren Bündnissen in diversen Konkurrenzlagen ist. Zum Beispiel warum niedrige Steuersätze und Gewährung von Anonymität lohnenswerte Standortfaktoren für Staaten zum Anziehen von Geschäftstätigkeit unter staatlicher Hoheit sind. Zum Beispiel dass neben Privatpersonen auch Unternehmen und staatliche Geheimdienste derlei Angebote nutzen, wiederum aus verschiedenen Gründen…

Was Sonneborn ebenfalls nicht interessiert, oder zumindest nicht für erwähnenswert hält, ist die Frage der Rechtmäßigkeit dieser Geschäfte. Seine Ebene der Moral ist unabhängig von Fragen nach Legalität. Wenn er Anstand fordert, danach die Herrscher*innen begutachtet und krachend durchfallen lässt, geschieht das losgelöst von der Frage, ob diese gegen Gesetze verstoßen haben. Tatsächlich ist es so, dass die dargestellten Geschäfte grundsätzlich erst mal rechtmäßig sind. Die Süddeutsche Zeitung hält es bei ihrer ebenfalls skandalisierenden Berichterstattung für nötig, darauf extra hinzuweisen: „Geschäfte in Steueroasen sind nicht verboten, und sehr vieles, was sich an Deals und Investitionen im Leak findet, scheint absolut legal zu sein. Illegal wird es zum Beispiel, wenn steuerpflichtige Einnahmen, die in Steueroasen verbucht wurden, dem heimischen Finanzamt nicht gemeldet werden. Das wiederum zu überprüfen, ist für Medien kaum möglich.“1 Die Übergänge von legal zu illegal sind auf diesem Feld wohl sehr fließend; das ist Sonneborn neben vielem anderen sehr egal. Er weiß wo er steht mit seiner Moral-Brille und blickt durch sie gänzlich voreingenommen auf die Vorgänge.

Alternativ kann man auch mal einen Blick auf die Gesellschaft werfen, in der Steuervermeidung gang und gäbe ist: In dieser von Staaten eingerichteten und betreuten Welt richtet sich bekanntermaßen alles nach Geld-Verdienen und -Vermehren. Nur wenn mit Waren und Dienstleistungen rentable Geschäfte gemacht werden können, werden sie her- und bereitgestellt. Gebrauchswerte sind Verwertungsinteressen untergeordnet. Auch Arbeiter*innen und Angestellte machen ihre Arbeit, um Geld zu verdienen. Die Figuren im Kapitalismus verfolgen in der arbeitsteiligen Gesellschaft ihr Privatinteresse – Geld verdienen und vermehren – und sind darauf durch die Ordnung festgelegt.

Das von Sonneborn als „Gier“ gebrandmarkte Streben nach Gelderhaltung und -vermehrung ist also systemisch begründet – und nicht erst im „entfesselten Finanzsystem“, sondern durch das Prinzip der Ökonomie generell. Geld ist universelles Zahlungsmittel und nicht auf bestimmte Bedürfnisse beschränkt, man kann so ziemlich alles damit kaufen. Bei Geldbesitz gibt es keine quantitative Grenze. Mehr Geld heißt mehr Möglichkeiten, Komfort, Lebensgenuss und Sicherheiten in einer Gesellschaft omnipräsenter Existenzunsicherheit. Nicht zuletzt gilt Geldreichtum in dieser Gesellschaft als Ausweis von Erfolgstüchtigkeit, trägt zum Ansehen und Selbstwert bei und ist damit für viele zusätzlich erstrebenswert.

Der Staat, d.h. in Person dann seine Diener*innen, die verantwortlichen Politiker*innen, will Geschäftserfolg auf seinem Standort, da er daraus seine Machtmittel schöpft. Das gilt auch für (teil-)autonome Gebietskörperschaften mit teilweiser oder gänzlicher Steuerhoheit, in Deutschland zum Beispiel Länder und Kommunen, oder global die britischen Überseegebiete. Sie enteignen über Steuern die Bürger*innen und Unternehmen. Das ist per se eine widersprüchliche Angelegenheit: Sie richten ein System ein und kümmern sich um dessen gedeihen, in dem es um die Vermehrung von Geldreichtum in privater Hand geht. Andererseits schöpfen sie diesen Reichtum ab und nehmen den Leuten ihr Privateigentum wieder weg.

Mit dieser Enteignung wird den ökonomischen Subjekten eine widersprüchliche Doppelrolle aufgezwungen: sie sollen und müssen für sich ihr Geld ran schaffen, andererseits finanzieren sie den Staat und darüber das Gemeinwesen. Steuern sind ein Abzug vom privaten materiellen Erfolg. Das gilt prinzipiell für alle, wenngleich es praktisch für Leute mit wenig Geld direkt an die Substanz des täglichen Lebens geht, während das für Reiche Luxusprobleme sind.

Steuervermeidung, die „legale Nutzung von Möglichkeiten und Verfahren, um die Steuerlast von Unternehmen und Privatpersonen zu verringern“ (Wikipedia: „Steuervermeidung“), gehört daher zu Steuern dazu wie Ernie zu Bert. Das Sammeln von Quittungen für Sachen, die man als Privatperson von der Lohnsteuer absetzen kann zum Beispiel, oder Steuerfachanwälte in Unternehmen, etc. Das tun Leute nach ihren Möglichkeiten, viele leisten sich für sowas Bücher wie „100 legale Steuertricks“, Multimillionäre Offshore-Dienstleister.

Soweit: Das moralische Beurteilen in Bezug auf Herrscherfiguren heißt, von den gesellschaftlichen Realitäten, Notwendigkeiten, Zwecken und Gegebenheiten abzusehen. Das ist schlecht, weil gänzlich an der Sache vorbei, in diesem Fall vorbei an Gründen und (internationalen) Zusammenhängen vom Kassieren und (nicht-)Zahlen von Steuern.

Schlechte Politiker*innen verhindern gute Politik

Zum Ende des Videos zieht Sonneborn einige Schlüsse und wird allgemein. Zuerst stellt er fest, dass die Schäden für die von den inkriminierten Geschäften betroffenen Länder immens sind. 2020 habe die EU die jährlichen Mindereinnahmen beispielsweise mit 46 Milliarden Euro angegeben. (~18.00)

Er gibt dann eine Erklärung, warum dieses System von der Politik nicht unterbunden wird, obwohl es allseits bekannt ist:

„Jene, die dem kaputten Selbstbereicherungssystem der unregulierten Finanzplätze ein Ende machen könnten, gehören gleichzeitig zu seinen größten Profiteuren. Solange wir Staatsführer haben, Minister, öffentliche Beamte, mitten in der EU, die in irgendeiner geheimer Parallelwelt geheimen Offshore Reichtums unterwegs sind, wird sich nichts an den Verhältnissen ändern, denen Sie da draußen tagtäglich ausgeliefert sind.“ (~17.10)2

Außerdem könnten EU und Nationalstaaten viel Gutes tun, wenn sie nicht durch Steuervermeidung der Mittel dazu beraubt wären:

„Falls Sie sich je gefragt haben, wo eigentlich das Geld für die Modernisierungen der Schulen, dem Ausbau von Netz, Bahn und ÖPNV oder für Rente, gerechte Löhne und das bedingungslose Grundeigentum geblieben ist, dann haben Sie hier einen Teil ihrer Antwort.“ (~18:26)

Diese Aussage ist sehr merkwürdig. Die Politik in Deutschland will ein bedingungsloses Grundeinkommen einführen, damit die Menschen endlich ein entspanntes Leben führen können, aber kann das leider nicht, weil ein paar Milliarden aus Steuereinnahmen fehlen? Warum werden dafür keine Kredite aufgenommen, wie das für andere Anliegen auch möglich ist? Ausbau von Schulen, Netz, ÖPNV und gerechte Löhne stehen auf der Tagesordnung, scheitern aber an mangelnden Steuereinnahmen?

Hier wird deutlich: Sonneborn stellt sich die Politik als Dienstleister vor, der den Armen und Ehrlichen im Land ein schönes Leben einrichtet – „normalerweise“, eigentlich, wenn er nur könnte. So schlecht also Sonneborns Bild der Politiker*innen ist – verkommen und korrupt, verschlagen in der Parallelwelt des Finanzreichtums – so gut ist sein Bild von der Politik, wie sie eigentlich mit anständigem Personal und mehr Steuereinnahmen wäre.

Das ist offenbar Unsinn: Die Steuereinnahmen, die die Staaten ohne Offshore-Finanzplätze hätten, wären ein Bruchteil ihrer tatsächlichen Haushalte. Diese haben in den marktwirtschaftlich erfolgreichen Staaten einigen Spielraum durch Kreditschöpfung. Klar achten Staaten darauf, Ausgaben in einem gewissen Verhältnis zu Einnahmen zu halten. Es ist aber nicht richtig, dass die Wohltaten für das Volk an mangelnden Finanzmitteln scheitern würden.

Vorstellung der zehn Kanzlerinkandidatinnen der Partei DiePARTEI vor dem Kanzlerinamt in Berlin mit rütteln am Zaun des Kanzlerinnenamts 15.jpg

Denn dabei wird eine Zwecksetzung unterstellt, die demokratische Staaten nicht haben. Sie sind etwas anderes, als (verhinderte) Dienstleister der Armen und Aufrichtigen. Sie richten als Souveräne die Marktwirtschaft ein und betreuen sie. Dazu gehört tatsächlich auch ein Sozialsystem. Das ist aber nicht dazu da, Leuten ein schönes Leben zu ermöglichen, sondern sie als Arme für den Dienst am freien Unternehmertum zu erhalten. Jede Debatte über eine Reform des Sozialsystem ist dahingehend sehr offenkundig. Auch Alte und Arbeitsunfähige werden (auf einem ziemlich erbärmlichen Niveau) in dieser Gesellschaft mittels staatlicher Einrichtungen über Abzüge vom Lohn finanziert. So wird von oben dafür gesorgt – das steht nicht zur demokratischen Wahl –, dass Marktwirtschaft das Lebensmittel der ganzen Gesellschaft ist und bleibt.

Sonneborn macht so mit seiner moralisch-kritischen Haltung jede Menge Werbung für das System, indem er einer alten Leier das Wort redet: Es könnte alles so schön sein, wenn wir nur anständige Herrscher*innen hätten. Seinen Zuschauer*innen bringt er bei, ihre materiellen Probleme der Integrität der Politiker*innen zuzuschreiben. Nach dem Motto: wenn du prekär lebst, liegt das an der geheimen Parallelwelt des Finanzreichtums, in dem sich die so ziemlich ausnahmslos abgedrifteten Volksdiener*innen bewegen. Darüber sollen sich die Leute dann mit Sonneborn Sorgen machen.

Das ist verkehrt als Erklärung für Armut in der modernen Welt. Politiker*innen richten als tätige Demokraten, als originäre Diener*innen des Gemeinwesens die Verhältnisse ein, in denen es um das Vermehren von Geld geht, was durch Ausbeutung der Lohnarbeitenden geschieht. Deren relative und absolute Armut sowie deren Stress gehört zu den demokratisch-marktwirtschaftlichen Verhältnissen, „denen wir hier draußen tagtäglich ausgeliefert sind“, dazu. Diese Gesellschaft ist das Resultat des legalen Wirkens der Politiker*innen, die nicht ihren Beruf versauen, sondern immer wieder aufs Neue ausüben. Sie nehmen die Verantwortung für ihre Standorte wahr und bemühen sich um einen bei ihnen jeweils erfolgreichen Kapitalismus, weil sie ihn als Erfolgsweg für ihre Nation wollen. Korruption und Steuervermeidung gibt es damit dann auch, aber die ist nicht entscheidend für das Elend der modernen Welt. Das Problem ist der legale Normalbetrieb.

1https://projekte.sueddeutsche.de/artikel/politik/pandora-papers-geheimgeschaefte-von-politikern-enttarnt-e500259/ Zuletzt abgerufen am 6.12.21

2Sonneborn gibt noch andere Punkte an: die Gesetzesvorhaben werden mit Sollbruchstellen versehen, und geschickte Anwälte finden auch in gut gestrickten Gesetzeswerken noch Lücken. Letzteres erklärt die Lücken allerdings nicht, und da ist bei Sonneborn das Entscheidende, dass diese von der EU-Politik intendiert sind und nicht (nur) aus Schwierigkeiten bei der lückenlosen Regulierung zu Stande kommen. Entscheidend an seiner Erklärung bleibt damit die Verstrickung von Politikern in diese Praxis.

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Ein Schland – à la USA?

Erstellt von Redaktion am 9. Januar 2022

Wollen wir wirklich eine Demokratie à la USA?

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

In seiner Ansprache anlässlich des Jahrestages des Sturms auf das Capitol am 6.1.2021 spricht Joe Biden davon, dass Trump und seine Komplizen mit diesem Sturm den Dolch an die Kehle der amerikanischen Demokratie gesetzt haben (“dagger at the throat of American democracy”). Da stellt sich zwangsläufig die Frage, von welcher Demokratie der US-Präsident denn eigentlich spricht.

Die US-Verfassung von 1787 regelt im Wesentlichen ein Wahlverfahren mit dem Ziel einer Machtbalance (Gewaltenteilung) zwischen den Befugnissen des Präsidenten, der gleichzeitig Regierungschef ist, und den Rechten des Kongresses und des Abgeordnetenhauses. Und eben diese Machtbalence ist in USA seit 1787 mehrfach und bis heute gestört, wenn man nur z.B. an die gewaltsame Vertreibung der Indianer und deren Verbannung in Reservate denkt, oder an die rücksichtslose Ausbeutung der Bodenschätze des Landes und der Sklaven insbesondere in der Plantagenwirtschaft. Ganz zu schweigen von der Selbstherrlichkeit, mit der die USA militärisch in fremde Länder wie Vietnam, Irak und Kuba eingefallen sind, um ihren politischen Willen durchzusetzen. Unglaublich auch die Intervention in Guatemala zur Durchsetzung ihrer Truman-Doktrin. Spätestens seit Afghanistan dämmert es nun allen, dass die bis dahin eher bewunderte America-First-Attitude ein Rohrkrepierer ist, zumal der Dauerfeind Russland und jetzt auch China die bisher hingenommene Führunsgsrolle der USA insbesondere in den Bereichen Wirtschaft und Technik mehr als fragwürdig erscheinen lassen.

Gleichwohl kämpfen der ehemalige und jetztige Präsident weiter um den Besitz der Wahrheit und Macht. Während Biden Trump ein Lügennetz („web of lies“) vorwirft, spricht Trump bezüglich des Wahlsieges von Biden von einer großen Lüge („big lie“), die zur Zerstörung des Landes führen würde („leading to our country’s destruction”). Und das alles unter dem Schirm einer amerikanischen Demokratie und unter Berufung auf die Regierungsart der USA seit über 200 Jahren, in denen die USA einen sehr eigenwilligen Begfriff von Freiheit gepflegt, Gleichheit und Brüderlichkeit aber weitgehend vernachlässigt haben. Bis heute und mit der Waffe für jedermann, denn spezifisch dieses Recht ist in der Verfassung der USA festgeschrieben.

Wie viele von diesen  dicke Backen blasenden Trompetern laufen Tag für Tag hier im Bundestag als Vertreter ihrer Clan-Parteien  „Ein und Aus?“

Insofern unterscheidet sich die amerikanische Auffassung von Demokratie – was immer das sein soll – ganz entscheidend von dem Demokratieverständnis, wie es aus der Französischen Revolution von 1789 hervorgegangen und in Verfassungen mit dem Volk als Souverän und den Menschenrechten festgeschrieben ist. Erst einmal kräftig und verblüffend planlos draufhauen und dann erst schauen, wie es wohl weitergehen könnte, gilt nicht und führt die Demokratie à la USA ad absurdum. Ein willkürlicher und egozentrischer Gebrauch der Freiheit zum Schaden anderer Individuen und der Natur ist ein Beweis für ein stümperhaftes Verständnis von Demokraties. Demokratische Freiheit ist nur in Harmonie mit Gleichheit und Brüderlichkeit möglich. Aber das scheint die US-Politik erst noch lernen zu müssen. Und solange sie kein überzeugendes Reifezeugnis in Sachen Demokratie vorweisen kann, kann „amerikanische Demokratie“ kein Vorbild für die Welt sein. In einem „westlichen Wertekatalog“ hat sie bis dahin nichts zu suchen.

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Grüne BTA zur Impfpflicht

Erstellt von Redaktion am 9. Januar 2022

„Eine Pflicht auch für den Staat“

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Das Interview führte Eiken Bruhn

Kirsten Kappert-Gonther, Grüne und Psychiaterin, war lange gegen eine Impfpflicht. Nun ist sie dafür – nennt für deren Einführung aber eine zentrale Voraussetzung.

taz: Frau Kappert-Gonther, ursprünglich sollte in der kommenden Woche im Bundestag über die Impfpflicht debattiert werden. Jetzt wird das auf Ende Januar verschoben. Wie finden Sie das?

Kirsten Kappert-Gonther: Die Debatte wurde nicht verschoben, weil sie noch gar nicht angesetzt war. Es ist notwendig, diese Diskussion mit Zeit und Sorgfalt zu führen. Ich gehe davon aus, dass wir uns noch im Januar mit konkreten Vorschlägen entlang den Empfehlungen des Ethikrats beschäftigen werden und anschließend ins Gesetzgebungsverfahren einsteigen. Aus meiner Sicht ist das in Anbetracht der Entwicklung des Pandemiegeschehens geboten.

Aber es gibt starke Vorbehalte – vor allem in der FDP, aber sicher auch bei den Grünen.

Dass das Impfen der Weg raus aus der Pandemie ist, da gibt es unter den Abgeordneten der demokratischen Fraktionen ein weitgehendes Einvernehmen. Ob wir eine allgemeine Impfpflicht brauchen und wie diese ausgestaltet werden sollte, dazu wird es vermutlich unterschiedliche Meinungen und Vorschläge in Form von fraktionsübergreifenden Gruppenanträgen geben.

Sie haben selbst die Impfpflicht lange abgelehnt. Warum sind Sie jetzt dafür?

Ich gehe davon aus, dass die Impfpflicht einen signifikanten Beitrag dazu leisten kann, diese Pandemie zu überwinden. Wegen Delta und jetzt Omikron brauchen wir eine höhere Impfquote, als wir sie bisher ohne die Pflicht erreicht haben. Allerdings müssten wir gar nicht über eine Impfpflicht sprechen, wenn die bisherige Impfkampagne bundesweit besser gewesen wäre.

Das heißt, sie ist eine Notlösung?

Sie ist ein Baustein zur Überwindung der Pandemie, und sie wird erst mittelfristig als Schutzschild gegen zukünftige Wellen greifen, das muss allen klar sein. Deshalb bleibt es erst einmal notwendig, Maske zu tragen, Abstand zu halten und Kontakte zu reduzieren. Und damit die Impfpflicht überhaupt wirksam werden kann, muss sie gut ausgestaltet sein.

Der Ethikrat hat sich kurz vor Weihnachten ähnlich geäußert. Die Impfpflicht sei „kein Allheilmittel“, es brauche auch eine „flächendeckende Infrastruktur“ mit „niedrigschwelligen Impfangeboten“. Aber wenn es solche Angebote bisher nicht gegeben hat in den meisten Bundesländern, warum sollen die sich jetzt noch anstrengen? Mit der Impfpflicht wird die Verantwortung an die Bür­ge­r:in­nen abgegeben.

Nein, es muss eine doppelte Verpflichtung geben, also auch für den Staat, die geeignete Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Wir sehen ja an Bremen, welche Quoten möglich sind, wenn die Impfkampagne gut organisiert ist. Politik und Verwaltung haben dort eine Positivspirale in Gang gesetzt: Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto mehr ziehen sie mit. Da kann die Impfpflicht einen Beitrag leisten, aber nur, wenn der Staat die Impfung wie in Bremen zu den Menschen bringt: als ermöglichender, nicht verfolgender Staat. Dazu gehört, dafür zu sorgen, dass auch diejenigen den Schritt gehen können, die bisher Zweifel haben oder sogar Angst.

Die Impfpflicht kann für diese Menschen auch ein Segen sein, weil sie endlich nicht mehr abwägen müssen, wovor sie sich mehr fürchten: der Impfung oder der Krankheit.

Ich vermute, dass das auf diejenigen zutrifft, die sehr ambivalent sind und sich gedanklich im Kreis drehen. Die sind vielleicht sogar erleichtert. Aber die Gruppe der Ungeimpften ist heterogen. Es gibt auch diejenigen, die es bisher einfach nicht geschafft haben, die Impfung in ihren Alltag zu integrieren. Und ich gehe davon aus, dass es auch Menschen gibt, die eigentlich große Angst vor der Pandemie haben, das aber verdrängen und die Angst unbewusst verschieben. Auf etwas, das sich – anders als die Pandemie – vermeiden lässt, nämlich auf die Impfung. Dann werden Widerstände gegen die Impfung entwickelt, ohne sich der Ursache bewusst zu sein. Für viele dieser Menschen können Gesprächsangebote zum begleiteten Impfen sinnvoll sein.

Also mehr als das ärztliche Aufklärungsgespräch?

Ja, eine Impfpflicht bedeutet nicht weniger, sondern mehr Kommunikation. Es braucht Personen, die geschult sind im Gespräch, zum Beispiel Psychotherapeut:innen, um Sorgen und Widerstände in Ruhe zu besprechen. Und das mehrsprachig.

Sie sind Psychiaterin und Psychotherapeutin. Wie entstehen solche Sorgen und Widerstände?

Dahinter können biografische Gründe stecken, zum Beispiel eine Traumatisierung, Erlebnisse in einem autoritären Staat oder eine erfahrene Impfnebenwirkung bei sich oder nahen Menschen.

Waldprotest Dannenrod vor grünen Parteizentrale Berlin Diskussion mit Robert Habeck 28.10.2020 09.jpg

Wer hat die Protestierenden verraten? Es waren die Grüne welche es taten !

Das heißt, es geht bei vielen womöglich um ihre Selbstwirksamkeit, sich nicht ausgeliefert fühlen zu müssen?

Ja, und dieser Punkt ist mir sehr wichtig. Es darf heute zum Glück nur noch medizinische Eingriffe geben, wenn die Patientin oder der Patient eingewilligt hat. Dazu gehört auch eine Impfung. Immerhin überwindet eine Spritze die Hautschranke zwischen Außen und Innen. Ohne Einwilligung wäre das ein Impfzwang – den darf es nicht geben.

Also auch keine Sanktionen?

Doch, eine Impfpflicht wäre verbunden mit Bußgeldern, wenn ihr nicht nachgekommen wird.

Wären die Beratungsgespräche ergebnisoffen, so wie in der Schwangerschaftskonfliktberatung?

Nein, das ist eine andere Situation. Der Staat will, dass du dich impfen lässt und soll dich in den Stand versetzen, Sorgen, Ängste, Ambivalenzen zu überwinden.

Das ist doch keine Beratung, das ist Überreden.

Das Ziel ist es, den Menschen alle Informationen in einem geeigneten Rahmen zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um zu einer informierten Entscheidung zu kommen – im Sinne der Pandemiebekämpfung.

Aus Studien geht hervor, dass bei vielen die Ablehnung der Impfung nichts mit Ängsten vor Nebenwirkungen zu tun hat, sondern sie ihre Unzufriedenheit mit der Regierung an sich ausdrücken wollen. Da helfen keine psychotherapeutischen Gespräche.

Quelle       :          TAZ-online            >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Kirsten Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grüne) beim Bundestagsprojekt 2020

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Unten        —         Protestaktion an der Bundesgeschäftsstelle der Partei Bündnis 90/Die Grünen gegen den Bau der Autobahn 49 am 28. Oktober 2020. Bei der Aktion wurde ein Gespräch mit einer Person aus dem Parteivorstand gefordert. Der Bundesvorsitzende Robert Habeck kam daraufhin zu einem Gespräch.

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Es wird wieder geschehen

Erstellt von Redaktion am 8. Januar 2022

Ein Jahr nach dem Sturm aufs US-Kapitol

Wenn die Macht den Politiker-Innen das Hirn ausschaltet !

Von Bernd Pickert

Der 6. Januar 2021 ist nicht Geschichte. Die geistige Grundhaltung der Ka­pi­tol­stür­me­r*in­nen hat sich weltweit ausgebreitet – auch zu uns.

Manchmal verströmen Jahrestage wichtiger Ereignisse das angenehme Gefühl, eine Situation, die sich im Moment ihres Geschehens sehr bedrohlich angefühlt hat, gehöre nun wirklich der Vergangenheit an. His­to­ri­ke­r*in­nen können übernehmen, bei jünger zurückliegenden Ereignissen vielleicht noch Staats­anwaltschaften oder Untersuchungsausschüsse.

Doch der 6. Januar, an dem vor einem Jahr ein von Donald Trump aufgestachelter Mob das Kapitol in Washington stürmte, um die Bestätigung des Wahlsiegers Joe Biden als zukünftigem US-Präsidenten zu verhindern, ist noch nicht Geschichte. Im Gegenteil: Die geistige Grundhaltung der Ka­pi­tol­stür­me­r*in­nen hat sich weltweit ausgebreitet, auch zu uns. Es sind, auch in scheinbar gefestigten Demokratien, mehr Menschen denn je, die sich in oder kurz vor einem Endkampf gegen ein von dunklen Mächten kontrolliertes System wähnen.

Die USA sind dabei nur die Blaupause. Gerade einmal 60 Prozent der US-Amerikaner*innen sind der Meinung, dass Joe Biden rechtmäßig Präsident geworden sei. Das sind ein bisschen mehr, als ihn im November 2020 gewählt haben, immerhin. Und längst nicht alle 40 Prozent, die bis heute Donald Trumps Lügen glauben, er sei durch Betrug um den Wahlsieg gebracht worden, würden deshalb zu Gewalt greifen. Jedenfalls noch nicht.

Aber: Sie sind ernsthaft und tief überzeugt der Meinung, dass mit Joe Biden ein illegitimer Präsident im Weißen Haus sitzt. Das ist eine vollkommen andere Qualität der Abscheu gegenüber institutioneller Politik als das normale Gemecker über „die da oben“, das alle Demokratien als ärgerliches, aber wohl nicht abzustellendes Grundraunen begleitet. Mehr Misstrauen als die Überzeugung, jemand sei wirklich zu Unrecht an der Macht, geht nicht.

Ein in sich selbst geschlossenes Lügengewebe

Eine solche Überzeugung bringt auch das Gefühl mit sich, dazu legitimiert zu sein, ebendiese unrechtmäßige Situation zu überwinden, zur Not mit Gewalt. Und das nicht im Namen eines nationalistischen oder faschistischen Umsturzes, sondern zur Rettung der demokratischen Verfassung.

Dass diese Weltsicht in sich logisch erscheint, ist aber eben nur möglich, wenn ein tiefgehendes und in sich selbst geschlossenes Lügengewebe in hinreichend großen, sich gegenseitig bestätigenden Kreisen als unumstößliche Wahrheit akzeptiert wird.

Und ebendas eint die verschiedenen Bewegungen in verschiedenen Kontinenten und inhaltlichen Zusammenhängen. Trump hat die Wahl gewonnen, nachdem ihm vier Jahre lang ein geheim agierender „Deep State“ das Leben schwer gemacht hat; es gibt einen geheimen Plan zum Austausch der (weißen) Bevölkerung; der Chef des Weltwirtschaftsforums, Klaus Schwab, ist der Kopf eines Geheimbundes zur Errichtung einer Neuen Weltordnung; der Klimawandel hat mit CO2-Ausstoß nichts zu tun; die Corona-Impfungen dienen wahlweise zur Kontrolle oder Ausrottung der Menschheit oder bestensfalls zur Profitsteigerung der Pharmakonzerne, keinesfalls aber dem Schutz vor einer Pandemie, die vermutlich eine reine Erfindung ist; alle klassischen Medien sind regierungshörige Instrumente der Herrschaftssicherung, die Zehntausende von Impftoten verschweigen; die traditionelle Familie wird durch frühkindliche Queer-Indoktrination an den Schulen zerstört; ­Gendersternchen und Cancel Culture unterdrücken jede Dissidenz. Und so weiter.

Träume der Rechtsextremen

Trump hat den Aufbau solcher Lügengebäude nicht begonnen, die gab es schon vor ihm, aber er hat seine vier Jahre im Amt genutzt, um sie vom politischen Rand in die Mitte zu tragen. Und mit den Re­pu­bli­ka­ne­r*in­nen steht inzwischen eine von nur zwei großen Parteien recht geschlossen für derartigen Wahn. Im Ergebnis ist in den USA ein wirklich großer Teil der Bevölkerung für eine auf Fakten basierende Diskussion gesellschaftlicher Handlungs- und Entscheidungsoptionen nicht mehr zu erreichen – wird aber gleichzeitig ob der eigenen gefühlten Ohnmacht immer wütender.

Trump gegen CNN.jpg

Wenn die Politiker-Innen wüssten, wie klein sie vom Volk aus gesehen werden – würden sie ijre

Mit solch einer Konstellation gehen lang gehegte Träume rechtsextremer Parteien, Neonazi-Gruppen und ihrer Stra­te­g*in­nen in Erfüllung. Und natürlich haben sie an ihrer Entstehung kräftig mitgewirkt, idealerweise unsichtbar oder getarnt in der Anonymität des Netzes.

Noch vor einigen Jahren brummelten sie unter sich vom „Tag X“. In den USA stand das – etwa in der unter Pseudonym veröffentlichten Fiktion der „Turner Diaries“ des inzwischen verstorbenen US-Nazis William Pierce – für den Tag, an dem die multiethnische Gesellschaft zerschlagen, die Schwarzen an den Laternen aufgehängt und die weiße Vorherrschaft wiederhergestellt würde. In Deutschland ging es meist um eine Überwindung der mutmaßlich weiterbestehenden Besatzung, die Zerschlagung der „Marionettendemokratie“, die Wiederherstellung deutscher Souveränität und die ethnische Säuberung per Ausweisung aller als Aus­län­de­r*in­nen charakterisierten Nicht-Weißen.

Das waren Positionen, um die bis auf wenige Fa­na­ti­ke­r*in­nen eigentlich alle einen großen Bogen machten, selbst bei Teilsympathien für einzelne auch unter bürgerlichen Konservativen geteilte Aussagen. Die Suche nach Anschlussfähigkeit der extremen Rechten innerhalb der Demokratie ist so alt wie sie selbst, aber so richtig geklappt hat das bislang selten. Nicht umsonst begann schon Pierce seinen „Roman“ mit der Idee, das endgültige Zeichen der Regierungsübergriffigkeit mit dem Ziel der Knechtung sei es, „wenn sie anfangen, euch die Waffen wegzunehmen“ – das passt auf jeden Versuch, in den USA strengere Waffenkontrollgesetze einzuführen.

Quelle      :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben     —     Trump bei seiner Rede auf der Kundgebung

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Der Hass im Netz

Erstellt von Redaktion am 8. Januar 2022

Hakenkreuz an der Tür, tote Vögel im Briefkasten

Sūkurėlis.JPG

Wenn Politiker Hass säen – werden sie reichlich ernten !

Ein Essay von Margarete Stokowski

Wenn es nicht bei Beschimpfungen in sozialen Medien bleibt und die Wut in die analoge Welt schwappt, stehen Betroffene oft allein da. Weder Polizei noch Justiz sind ausreichend handlungsfähig. Was jetzt passieren muss.

Wenn man über die polarisierte Gesellschaft und den öffentlichen Diskurs redet, landet man immer wieder beim Thema »Hass im Netz« – aber was damit gemeint ist, ist oft eigenartig unklar. Alle wissen – oder scheinen zu wissen –, dass »Hass im Netz« schlimm ist und schlimmer wird, Debatten schädigt und zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt. Aber wenn es um die Details geht, ist die Kenntnislage bei Nichtbetroffenen oft eher dünn.

Ich habe das häufig bei Lesungen oder anderen Veranstaltungen erlebt, fast immer werde ich bei solchen Anlässen gefragt, wie ich als Autorin damit umgehe, dass ich von »Hass im Netz« betroffen bin. Die Fragen gehen dann meistens in die Richtung: »Wie ist das für Sie, was macht das mit Ihnen?« und »Was kann man dagegen tun?«

»Wird sie uns etwas über Nervenzusammenbrüche erzählen?«

Zwei Punkte dazu: Was »es« mit »mir« macht, halte ich erstens nicht für den zentralen Punkt der Debatte. Das Interesse daran ist verständlich, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass diese Frage von einer gewissen Sensationslust getragen ist: Na, hält sie das aus? Wird sie uns etwas über Nervenzusammenbrüche und schlaflose Nächte erzählen?

Wird sie nicht. Sie kommt schon klar.

Und das zweite Problem: Es geht nicht weg, wenn man wegguckt. Im Zweifel kann es sogar gefährlich werden, wenn man nicht mitbekommt, dass Leute einen Angriff ankündigen oder die Wohnadresse veröffentlichen. Sogenanntes Doxing ist längst ein zentraler Bestandteil von »Hass im Netz« geworden: die Veröffentlichung privater Daten einer Person, also etwa von Politiker:innen oder Journalist:innen, gegen deren Willen, zwecks Einschüchterung. Dabei kann es um die Wohnadresse gehen, aber auch um die Telefonnummer, Mailadresse, Auto und Autokennzeichen, die Namen der Kinder oder anderer Familienmitglieder, oder Orte, an denen die Person oder ihre Familienmitglieder sich häufig aufhalten.

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Grafikquellen     :

Oben          —      Sūkurėlis (svastika) Kulionyse, Molėtų raj.

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Legal – illegal – scheißegal

Erstellt von Redaktion am 8. Januar 2022

Ein- und Ausreise polnischer Pflegekräfte während der Pandemie

Von Wolfgang Erbe

Zur Frage der Ausbeutung ausländischer Pflegekräfte während der Pandemie

500 Euro die Woche, Kost und Logis frei, und ein freier Tag pro Woche. Was hätten wir nur ohne Milena und Aneta gemacht? In ein Heim wollte meine Mutter nicht, aber mit über 90 Jahren brauchte sie Hilfe, bei allem.

Die Damen aus Polen, beide Ende Fünfzig, ihre Kinder erwachsen und aus dem Haus, wechselten einander im Rhythmus von fünf oder sechs Wochen in der Betreuung ab.

Sie besorgten den Haushalt, kauften ein, bereiteten die Mahlzeiten –
Milena ist eine exzellente Köchin –
machten die Wäsche und halfen meiner Mutter beim Waschen, beim Anziehen und schoben sie im Rollstuhl auf Spazierfahrt. Und waren liebevolle, großartige Gesellschafterinnen.

Im Souterrain des Bungalow hatten sie ihr Zimmer und schliefen offenbar mit aufgerichtetem Ohr und waren zur Stelle, wenn ihre Patientin nachts zur Toilette tappte.

Und dann war Pandemie. Mitte März 2020 verkündete Innenminister Seehofer, die Grenze sei dicht. Wer weder Bundesbürger sei noch als Ausländer dauerhaft in Deutschland lebe, dürfe nur noch aus „triftigem Grund“ einreisen – etwa als Berufspendler.

Milena war in Polen und sollte Aneta in zwei Wochen ablösen. Was war zu tun?

Nach Schätzungen arbeiten 200.000 bis 300.000 Osteuropäerinnen in Deutschland als häusliche Pflegekräfte, vermutlich zu neunzig Prozent schwarz. Private Kleinbusse für einen Fahrer und acht Passagiere verkehren wöchentlich zwischen den wichtigsten Zentren beider Länder. Der Bus sammelt acht Fahrgäste in Polen ein und setzt sie an ihren jeweiligen Bestimmungsorten innerhalb eines bestimmten Umkreises in Deutschland ab. Wer zu-
letzt abgesetzt wird, ist dann schon mal acht, neun Stunden unterwegs. Der Fahrer übernachtet in seinem Bus und fährt am Morgen dieselben Stationen wieder an, um die heimkehrenden Kräfte aufzunehmen.

Auf Milena und Aneta wartete hinter der Grenze immer die Dame, die ihnen den Job vermittelt hatte, um 50 Euro für jede Woche abzufordern.

Würde man Milena einreisen lassen? Würde Polen sie überhaupt ausreisen lassen?

Auf der Site des Ministeriums fand ich den Vordruck der Bescheinigung für Berufspendler. Als Firmenadresse gab ich Namen und Wohnort meiner Mutter an, in das Feld für den Stempel des deutschen Unternehmens setzte ich meine Unterschrift und schickte Milena das Formblatt per Mail.

Sie kam. Und wir hatten zu viert einen sehr fröhlichen Abend. Die polnischen Grenzbeamten hatten weder sie noch die übrigen Mitreisenden kontrolliert. Der Bus wurde durchgewinkt. Und wurde auf deutsche Seite wieder durchgewinkt.

Anderntags, früh um sechs Uhr holte der Bus Aneta ab. Nachmittags rief sie von daheim in Polen an. Unmittelbar vor der Grenze seien die Passagiere ausgestiegen, Koffer und Tasche blieben im Bus. Zu acht gingen sie zu Fuß über die Grenze und wurden angewiesen, sich 14 Tage in häusliche Quarantäne zu begeben.

Der Busfahrer – mit acht Koffern und acht Taschen an Bord – gab an, nur Waren aufgenommen, ohne dabei persönliche Kontakte gehabt zu haben, weshalb er nicht in Quarantäne musste. Er durfte passieren und nahm anschließend seine Mitreisenden wieder auf. Ganz offen, ganz reibungslos, auch beim nächsten Schichtwechsel.

Im Mai 2020 wurden die Grenzkontrollen gelockert, im Juni aufgehoben.

In den Nachrichten wurde nicht berichtet, dass es während der knapp drei Monate beim Schichtwechsel Hunderttausender ausländischer Pflegekräfte Probleme gegeben habe. Ob die Grenzbeamten nur überfordert waren oder sich gar höheren Werten verpflichtet fühlten, ist nicht bekannt.

Lunapark 21

Gesunde Krankenhäuser in NRW – für ALLE! 

BADEN-WÜRTTEMBERG
Landesregierung hält an Rückforderungen von Corona-Soforthilfe fest

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Von Wolfgang Erbe

Das Land Baden-Württemberg hat im ersten Lockdown, der vom 17. März bis 4. Mai 2020 dauerte, insgesamt 2,1 Mrd. Euro als Soforthilfe an Selbstständige und Kleinbetriebe ausgezahlt, um diese vor dem Ruin zu bewahren.

Jetzt droht Insolvenz! und die Arbeitslosikeit der Beschäftigten!

https://www.rf-news.de/2022/kw01/landesregierung-haelt-an-rueckforderungen-unberechtigter-corona-soforthilfen-fest

Ab Januar soll das Kurzarbeitsgeld wieder auf 60% des Nettolohns reduziert werden. Das wäre eine Katastrophe für die Veranstaltungswirtschaft.

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Oben     —     Simulierte Pflegesituation

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Verstaubte Ahnengalerie

Erstellt von Redaktion am 8. Januar 2022

Bundespräsident Steinmeier zum Zweiten

Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Frank-Walter Steinmeier, inspiziert die Ehrengarde beim Festempfang im Rashtrapati Bhavan in Neu-Delhi am 24. März 2018.jpg

Der rote Teppich mit zwei Farbunterschiede (Mitte – Blutrot) für den Gruß-Onkel in Indien

Von Anna Lehmann

Auch die nächsten fünf Jahre wird mit Steinmeier ein Mann Bundespräsident sein. Doch wie glaubwürdig ist das Amt, wenn es nur von Männern ausgeübt wird?

Männlich. Weiß. Grauhaarig. Das sind die Attribute des Bundespräsidenten seit 1949. Und sie werden es auch in den nächsten fünf Jahren sein. Denn die drei Regierungsparteien und die Union als größte Oppositionsgruppe haben sich in dieser Woche hinter Frank-Walter Steinmeier gestellt. Damit geht der 66-Jährige als bislang einziger Kandidat in die Bundesversammlung am 13. Februar und ist praktisch schon wiedergewählt. Der Demokratie erweist Steinmeier, der deren Wahrung zum Herzensthema erkoren hat, damit keinen Dienst. Und dem höchsten Amt im Staat ebenfalls nicht.

Alternativen zu Steinmeier hätte es gegeben, wenn man rechtzeitig gesucht hätte

Drei Funktionen hat ein Bundespräsident: Repräsentation nach außen, Integration nach innen und Manager in Notlagen. Letzteres funktionierte bisher, aber die ersten beiden Aufgaben erfüllt Steinmeier, wie auch seine elf Vorgänger, nur bedingt. Wie auch: Ein Amt, das seit Gründung der Bundesrepublik ausnahmslos weiße Männer innehatten, repräsentiert mindestens 50 Prozent der Gesellschaft nicht. Frauen sind nur mitgemeint, wenn der Begriff Bundespräsident fällt. Auch für andere gesellschaftliche Gruppen – ob queer, mit Zuwanderungsgeschichte oder mit Behinderung – bieten sich keine Identifikationspunkte.

Die Porträtreihe der Herren, die seit 1949 in der Villa Hammerschmidt und im Schloss Bellevue residierten, wirkt im achten Jahrzehnt ihrer Geschichte so verstaubt wie eine Ahnengalerie aus dem Spätmittelalter. Die ersten Bundespräsidenten repräsentierten noch das Familienbild der 1950er – Mann macht Karriere, Frau gibt ihren Beruf auf und kümmert sich um Kinder und Karitatives.

Gegen Steinmeier als Person lässt sich inhaltlich nichts Gewichtiges ins Feld führen. Er hat die Regierungskrise nach dem Scheitern der Jamaika-Verhandlungen mit Bedacht moderiert und mitfühlende Worte für die Opfer der Anschläge von Hanau und Halle gefunden. Er hat keine Fehler gemacht, seinen Job solide erledigt. Er hätte guten Gewissens in den Ruhestand gehen können.

Er tat es nicht. Weil es keine Alternativen gibt? Die hätte es gegeben, wenn man rechtzeitig gesucht hätte. Dass ausgerechnet die Ampel als selbsternannte Fortschrittskoalition es versäumt hat, andere Personalien zu sondieren, um das Amt gesellschaftlich durchzulüften, ist schwach.

Wer es wird, ist Verhandlungsmasse im Postenpoker

Quelle           :           TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Der Präsident der Bundesrepublik Deutschland, Dr. Frank-Walter Steinmeier, inspiziert die Ehrengarde beim Festempfang im Rashtrapati Bhavan in Neu-Delhi am 24. März 2018.

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Die grüne Kühlanlage

Erstellt von Redaktion am 7. Januar 2022

Klimaschutz durch gesunde Böden

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Von Ute Schwab

Regenerative Landwirtschaft und Wiederaufforstung sind wichtig fürs Klima. Der neue grüne Agrarminister Özdemir sollte deren Förderung forcieren.

Alle reden von CO2, niemand von Wasser. Dabei legen neue Studien nahe: Wiederbegrünung, Aufforstung und regenerative Landwirtschaft könnten die Erderhitzung entscheidend abmildern, indem Städte und Land(wirt)schaften bodennah gekühlt werden.

Wasserknappheit erschien bislang im regenreichen Deutschland undenkbar. Doch die Dürresommer von 2018 bis 2020 ließen Böden so tief austrocknen, dass im Harz und anderswo der Wald stirbt. Me­teo­ro­lo­g:in­nen sagen, die früher beginnende Vegetationsperiode verbrauche das Wasser im Boden schneller, sodass es im Sommer fehlt. Aber Studien zeigen, dass auch Abholzung und Versiegelung enorm zu Dürren und Fluten beitragen. Regionen mit humusverarmten, agroindustriell bearbeiteten Böden sind besonders überflutungsgefährdet. Mit seinen vielen Poren speichert ein Prozent Humus pro Hektar 100 Tonnen CO2 in Form von Kohlenstoff und mindestens 50.000 Liter Wasser – die beste Prävention gegen Trockenheit und Überschwemmungen.

Scheint die Sonne auf eine begrünte Fläche, verwenden Pflanzen über 70 Prozent der Sonnenenergie für die Verdunstung. Sie nutzen Wasser als Transportmittel für Nährstoffe und geben es an die Umwelt ab. Die dafür aufgewendete Energie führt zur Kühlung der Umgebungsluft und steigt als „latente Wärme“ in höhere Schichten auf. Wenn der Boden aber nackt ist – was auf konventionellen Äckern oft monatelang passiert –, heizt er sich auf und strahlt deutlich mehr Wärmeenergie ab.

Trockenheit entsteht nicht durch Regenmangel, sondern es regnet nicht mehr, weil Grün und Humus verschwinden

Das kann eine Differenz von bis zu 21 Grad ausmachen – wie in Tschechien an einem Hitzetag gemessen. In einem Wald herrschten 28 Grad, daneben auf einem abgeernteten Feld 42 und über Asphalt sogar 49 Grad. Eine Untersuchung der ETH Zürich ergab ergänzend, dass Bäume Städte entscheidend kühlen können, deutlich besser als Grünflächen. Ein einzelner Baum transpiriert mehrere 100 Liter Wasser und kühlt seine Umgebung mit 70 Kilowattstunden pro 100 Liter, was zwei 24 Stunden lang laufenden Klimaanlagen entspricht. Pflanzen leisten also einen entscheidenden Beitrag zur Kühlung des Planeten.

Die Erde hat aber etwa die Hälfte ihrer Wälder verloren, weil Menschen Platz für Äcker, Städte und Straßen schafften. Das führte laut einer Studie in Nature Communications zur Abnahme lokaler Wolkenbedeckung und damit der Niederschläge. Global hat sich die Verdunstung von 1950 bis 2010 um etwa 5 Prozent reduziert, gleichzeitig stieg die Oberflächentemperatur im Schnitt um 0,3 Grad. Klingt wenig, macht aber ungefähr ein Viertel der bisher gemessenen Erderhitzung aus.

Große Wälder lassen zudem Bakterien, Pilzsporen und Pollen aufsteigen, diese dienen als Kondensations- und Eiskerne für Wolken und Niederschläge. In Nahost bis nach China herrscht aber immer öfter eine Feuchte in der Atmosphäre, die nicht mehr abregnet – aufgrund fehlender Biokerne sowie menschenverursachter Staub- und Schwefelpartikel, die die Regentropfenbildung verhindern.

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Wälder produzieren somit ihren Regen selbst. Millionen von Bäumen erzeugen in Form von Wolken riesige Wasserflüsse in der Luft, die „fliegenden Flüsse“, die in 8 bis 10 Tagen bis zu 5.000 Kilometer zurücklegen können. Auch Böden sind Regenmacher. Trockenheit entsteht nicht durch Regenmangel, sondern es regnet nicht mehr, weil Grün und Humus verschwinden.

Deshalb müssen Wälder, Vegetation und Wasserkreisläufe als globales „Kühlsystem des Planeten“ intakt gehalten werden. Das Abholzen sollte gestoppt und Wiederaufforstung gefördert werden. Große Waldökosysteme wie am Amazonas oder am Kongobecken sollten als Gemeingüter unter Schutz gestellt werden. Die besten Naturschützer sind dabei die indigenen Gemeinschaften, die dort leben.

Unser Ernährungssystem sollte konsequent auf regenerative Landwirtschaft umgestellt werden. Diese weist Überschneidungen mit „bio“ auf, ist aber nicht damit identisch, weil auch konventionelle Höfe Humus aufbauen, begrünen und Wasser zurückhalten können. Der Boden sollte nie nackt liegen, sondern gemulcht und mit Zwischenfrüchten und Untersaaten immer begrünt werden. Ausgeräumte Agrarlandschaften wie in östlichen Bundesländern sollte es nicht länger geben dürfen. Hecken  anzupflanzen transpiriert, um damit wieder zu Niederschlag umgewandelt werden kann.

Quelle         :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

Grafikquellen          :

Oben     —     Landschaftsschutzgebiet „Reutlinger und Uracher Alb“ (Schutzgebiets-Nr. 4.15.135, Steckbrief): Blick auf eine Streuobstwiese im Gewann „Löher“, Grabenstetten, charakteristisch für die Albhochfläche zwischen Grabenstetten, Hülben und Erkenbrechtsweiler. Ansicht von Westen in Mai. Teile dieser Streuobstwiese gehören außerdem zum Biotop „Gehölze im Gewann Platte“ (Biotop-Nr. 174224151201, Info).

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Schwerter zu Pflugscharen!

Erstellt von Redaktion am 7. Januar 2022

Kasernen zu Krankenhäuser!
und

Militärbudget zu Krankenetat  ——–  Soldaten zu Krankenpflegern! 

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Mit Waffen – verteidigen sich nicht einmal die Affen !

Vor Dr. Nikolaus Götz

Es ist eine Schande für die Bundesrepublik Deutschland, dass im 21. Jahrhundert die politische Führungsschicht in Land und Bund von SPD/FDP/Bündnis 90/DIE GRÜNEN sodann auch CDU wie AfD sich immer noch mit ’Militär’ umgibt. Und da eigentlich die Bundesrepublik Deutschland von Freunden umgeben ist und das sogenannte Land der „Dichter und Denker“ eine in die Europäische Union eingebettete friedliche Handelsnation ist, benötigt dieses Deutschland und spätestens seit dem Fall der Mauer von 1989 keine Streitkräfte mehr! „Nie wieder Krieg!“, war die Losung des Deutschen Volkes nach 1945 und auch der politische Wegbereiter der deutschen Wiedervereinigung, der Bundeskanzler und Friedensnobelpreisträger Willi Brandt meinte: „Von deutschen Boden soll nie wieder Krieg ausgehen!“ So gesehen ist die heutige Existenz einer ’Bundeswehr’, wie das deutsche Militär seit 1955 bezeichnet wird, komplett überflüssig. Forschung, Wissenschaft und internationale Hilfe: das sind die tragenden Säulen einer modernen friedliebenden republikanischen Nation!

Doch die Bundesrepublik Deutschland unterhält Militär. Nicht nur, dass der bestehende enorme Militärapparat und der zu seiner Unterstützung benötigte militärisch-industrielle Komplex immense Geldmittel in Milliardenhöhe an Volksressourcen korrumpiert, sondern, es verlieren dabei auch immer noch die jungen, naiven, willig dienenden ’Universal Soldier’ auf dem Altar der politischen Propaganda ihr kostbares Leben. Die verlogenen Bundestagsabgeordneten der Parteien von CDU/SPD/FDP/ Bündnis 90/DIE GRÜNEN wie die der AfD haben seit 2001 Jahr für Jahr gegen den ausdrücklichen Protest der Partei DIE LINKE und der Deutschen Friedenbewegung ihre Zustimmung für ’Kriege’ gegeben. Der bekannte Mehrheitswille des Deutschen Volkes wurde dabei stets ignoriert. Auch die deutschen Leitmedien und ihre stetige Kriegspropaganda für die NATO tragen Mitschuld an diesen politischen Fehlentwicklungen. Deutschland ist wieder wie 1939 eine Rüstungsschmiede! Seit 2020 montiert der Mainstream mit den politischen Kriegsparteien nun sogar das seit Jahrtausenden friedliebende ’China’ als neue europäische Bedrohung.

Die alten deutschen Regierungen tragen Mitschuld an offiziell 59 gefallenen deutschen Soldaten und an über 100 Mrd. Euro verpulverten Kriegskosten allein im Krieg um Afghanistan. Sie tragen Mitschuld am Flüchtlingselend, den dortigen Zerstörungen des Landes sowie dem Leid der Zivilbevölkerung. Deshalb gilt es endlich „das Übel“ an der Wurzel zu kurieren. Seit der sogenannten Corona-Pandemie „dienen“ deutsche Soldaten dem Volk. Sie wurden eigentlich „zweckentfremdet“ eingesetzt und arbeiten nun als ’saisonale Hilfssanitäter’ überall in der deutschen Republik. Der alte Traum aller Friedensbewegten, nämlich den der militärischen ’Konversion’ oder der ’Umwandelung’ von Militärs in sinnvolle, dem Volke dienenden, friedliche Berufe, so zeigt das Corona-Beispiel, ist doch und sofort möglich! Warum aber soll diese neue Funktion der Bundeswehr nicht bestehen bleiben?

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Die Deutschen Krisenfiguren  der Bendlerblock-Demokratie in Afghanistan

Alle Kasernen in der Bundesrepublik Deutschland sollten deshalb sofort in Krankenhäuser umgewandelt werden, wobei die intendierten 2% BIP im Staatsetat als Geldfonds zur Projektrealisierung genommen werden könnten. Die Benennung der Krankenhäuser soll mit Namen international anerkannter Ärzte erfolgen. Zusätzliche medizinische Schulungsprogramme sowie humanitäre Ausbildungskurse sollten die Modernisierungs- und Ausbaupläne ergänzen, wobei so weitere neue Arbeitsplätze geschaffen würden, die die deutsche Wirtschaft stärken und die internationale Reputation Deutschlands als Wissens- und Friedensmacht stärken würden. Die komplette Infrastruktur des deutschen Militärs sowie ihr komplettes Personal sollte mit dem bestehenden THW integriert werden, wobei an der Spitze des neuen „Medizinisch-Humanitären Hilfswerkes“ (MHHW) der deutsche Bundesminister für Gesundheit stehen sollte. So schaffen WIR eine neue, friedlich-humanitäre demokratische deutsche Gesellschaft!

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Oben     —     Sicherheit für unsere Freiheit Kräfteverhältnis in Mitteleuropa Warschauer Pakt NATO … Eine starke Verteidigung ist notwendig zum Schutz unserer Freiheit. … Aber Frieden und Freiheit sind bedroht. Die ständige Aufrüstung der Sowjetunion und des Ostblocks, …, verschiebt das Gleichgewicht immer mehr zu Ungunsten des Westens. … Deshalb: Ja zur allgemeinen Wehrpflicht CDU sicher sozial und frei Abbildung: Soldaten der Bundeswehr vor der Kaiserpflaz in Goslar (Foto) Plakatart: Motiv-/Textplakat Auftraggeber: CDU-Bundesgeschäftsstelle, Abt. Öffentlichkeitsarbeit, Konrad-Adenauer-Haus, Bonn Drucker_Druckart_Druckort: VVA Düsseldorf Objekt-Signatur: 10-025 : 105 Bestand: Wandzeitungen (10-025) GliederungBestand10-18: CDU-Bundesgeschäftsstelle Lizenz (Lizenz): KAS/ACDP 10-025 : 105 CC-BY-SA 3.0 DE

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Ukraine: Wer will den Krieg?

Erstellt von Redaktion am 7. Januar 2022

Immer wieder: Mehr Teutsche Verantwortung!

„Wollt ihr den totalen Krieg ?“

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Glaubt man der Berichterstattung der deutschen Presse, ist klar: Russland! Stellt sich nur die Frage, warum Putin überhaupt Angebote zur Entspannung macht.

Die NATO und die deutsche Außenministerin betonen ihre Gesprächsbereitschaft und erhöhen gleichzeitig die Alarmbereitschaft ihrer Truppen an Russlands Grenzen (WAZ, 23.12.21). Ehemalige Generäle der Bundeswehr und hochrangige Diplomaten im Ruhestand warnen – ungehört – vor einer Eskalation und fordern die eigene Regierung zur Deeskalation auf (https://www.global-review.info/2021/12/06/get-out-of-the-escalation-spiral-for-a-new-beginning-in-the-relation-with-russia-december-5th-2021-appeal).

Die FAZ (27.12.21) wiederum „warnt vor geopolitischem Revisionismus“ Russlands – als ob die NATO bloß am Staus quo interessierte wäre; außerdem lässt das Blatt einen ukrainischen Autor zu Wort kommen, der weiß: „Appeasement ist der falsche Weg“. Ist Putin also der neue Hitler, dem wir Antifaschisten Einhalt gebieten müssen? Was ist da los?

Die Fronten

In Fernsehen und Presse werden Bilder von Militärlagern gezeigt sowie eine deutsche Verteidigungsministerin, die vor einem Panzer posiert. Bilder sprechen für sich, heißt es im Volksmund, doch er irrt. Auf den Bildern, die durch die Medien gehen, ist nicht zu erkennen, was da für ein Heerlager oder Panzerparkplatz abgebildet worden ist und wo sie aufgenommen wurden. Auch das Foto mit der Ministerin kann ebenso in Hammelburg gemacht worden sein wie in Litauen.

Dennoch sollen allein schon die Bilder – bevor sie von Bellingcat oder sonstigen Geheimdienstspezis kommentiert werden – einiges demonstrieren. Die deutsche Ministerin spricht ganz ohne weitere Begründung von dem „Aggressor Russland“ (Bild am Sonntag, 19.12.21). Eine Redeweise, die von den Medien ungefiltert übernommen wird.

Ganz anders soll hingegen der Panzeraufmarsch der NATO in Litauen bewertet werden, dem die Ministerin ihre Aufwartung macht. Es soll sich dabei um eine reine Verteidigungsmaßnahme handeln, in deren Rahmen sich deutsche Truppen an die Grenze zu Russland bewegen. Eine Sprachregelung, die ebenfalls von den Medien übernommen wird.

Verantwortliche Journalisten geben eben ganz neutral die Äußerungen wieder, die allein deswegen bedeutsam sind, weil sie von – unseren! – Machthabern kommen. So betätigen sie sich als Sprachrohr derer, die an der Macht sind. Eine ungefilterte Wiedergabe von Putins Äußerungen z.B. war in der letzten Zeit gar nicht so einfach in den hiesigen Medien zu finden.

Betrachtet man die Lage einmal sachlich, dann demonstriert Russland genauso wie die NATO, dass es über einiges an Gewaltmitteln verfügt und in Stellung bringen kann. Beide Mächte bedrohen sich gegenseitig und zeigen die Bereitschaft, ihre Gewaltmittel auch einzusetzen. Dass sie dazu bereit sind, kann man ihnen getrost abnehmen, haben es doch beide Seiten in einer ganzen Reihe von Kriegen bewiesen. Auch Deutschland kann ja mittlerweile auf eine ganze Liste von Kriegseinsätzen seit dem Zweiten Weltkrieg zurückblicken. Erinnert sei nur an den Balkankrieg, an die Einsätze in Afghanistan, Syrien und Mali. Und in weiteren Konfliktherden ist die Bundeswehr – mal beratend, mal zur Ausbildung, mal zu wer weiß was – präsent.

Auch die Beteuerung beider Seiten ist ernst zu nehmen, dass sie einen Krieg möglichst vermeiden wollen. Dazu nennen beide ihre Bedingungen, die der andere jeweils erfüllen soll, wenn er denn eine kriegerische Auseinandersetzung wirklich vermeiden möchte. Insofern entpuppen sich beide Seiten als bedingte Kriegs- wie Friedensfreunde. Zur Klärung der gegenwärtigen Konfliktlage kommt es also umso mehr darauf an, welche Bedingungen für Friedfertigkeit die beiden formulieren.

Putins Vertragsangebote

Im Gespräch zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem amerikanischen Präsidenten Biden hat die russische Seite zwei Verträge ins Gespräch gebracht, einen mit den Vereinigten Staaten und einen mit der NATO. Das russische Fernsehen (https://www.anti-spiegel.ru/2021/das-russische-fernsehen-ueber-die-sicherheitsgarantien-ueber-die-mit-den-usa-verhandelt-wird/) fasst die beiden Vertragsangebote wie folgt zusammen:

„Amerika wird aufgefordert, das Territorium anderer Staaten nicht zur Vorbereitung eines Angriffs auf Russland zu nutzen. Moskau übernimmt seinerseits die gleichen Verpflichtungen. Gleichzeitig garantiert uns Amerika, dass es keine Länder in die Nato aufnehmen wird, die früher Teil der UdSSR waren. Es wird außerdem vorgeschlagen, die Annäherung von Atomwaffen an die Grenzen unserer Länder gegenseitig zu begrenzen.

Was die schriftlichen Vorschläge Russlands an die Nato betrifft, so lauten sie wie folgt: Die Nato soll ihre Sicherheit konzeptionell nicht auf Kosten der Sicherheit Russlands stärken. Es versteht sich von selbst, dass das auf Gegenseitigkeit beruht. Moskau schlägt der Nato außerdem vor, sich gegenseitig nicht mehr als Gegner zu betrachten. In der Praxis bedeutet das, dass Mittelstreckenraketen in Gebieten aufgegeben werden, von denen aus sie Ziele das Hoheitsgebiet der anderen Vertragsparteien erreichen können. Der wichtigste Punkt ist die Verweigerung der Aufnahme der Ukraine in die Nato und die Verweigerung jeglicher militärischer Aktivitäten in der Ukraine sowie in den anderen Ländern Osteuropas, des Kaukasus und Zentralasiens.“

Treffen von Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko 01 (13-07-2021).jpg

Russland sieht sich demnach von der NATO eingekreist, die zunehmend Staaten der früheren UdSSR die Aufnahme in ihr Bündnis in Aussicht stellt, Waffen und Militärs in Richtung der russischen Grenzen verlagert sowie mit einer Kette von Manövern in Osteuropa präsent ist. Putin führte dazu in seiner Fernsehansprache aus:

„Wenn irgendeine Art von Angriffssystem auf ukrainischem Territorium auftaucht, wird die Flugzeit nach Moskau sieben bis zehn Minuten betragen, und im Falle des Einsatzes von Hyperschallwaffen fünf Minuten. Stellen Sie sich das vor! Und was sollen wir tun? Dann müssen wir so etwas in Bezug auf diejenigen, die uns bedrohen, schaffen, können Sie sich das vorstellen? Aber wir können das jetzt schon tun, denn wir haben sie bereits erfolgreich getestet und werden ab Anfang des Jahres eine neue seegestützte Rakete mit Hyperschallgeschwindigkeit von Mach neun im Einsatz haben. Die Flugzeit für diejenigen, die den Befehl geben, beträgt ebenfalls fünf Minuten. Wohin gehen wir? Warum tun wir das alles?“.

Die Fragen, die Putin stellt, kann er sicher selbst rasch beantworten. Ihm geht es bei seinen Forderung an die Adresse der NATO und deren Führungsmacht um die Anerkennung Russlands als gleichwertiger Weltmacht, die ihre Interessen in der Welt berücksichtigt sehen will. Und die dafür auch bereit ist – wie bei Weltmächten üblich –, Krieg zu führen. Mit seinem militärischen Aufmarsch und seinen Vertragsangeboten signalisiert der Kreml, dass er den augenblicklichen Zustand an seinen Grenzen für nicht mehr hinnehmbar hält. Zwar ist die Ukraine kein Mitglied der NATO, aber sie wird zunehmend von der NATO ausgerüstet und die NATO-Staaten treten als ihre Schutzmacht auf.

Ein Anschlag auf die Selbstbestimmung der Völker

USA und Deutschland signalisieren als Reaktion auf die Vorschläge Russlands Gesprächsbereitschaft: „Auch die hochrangige US-Diplomatin Karin Donfried hatte am Dienstag erklärt, dass sie auf Gespräche im Januar hoffe… In Berlin erklärte Regierungssprecher Steffen Hebestreit, Deutschland sei zu allen Gesprächsformaten bereit, um zur Deeskalation beizutragen.“ (SZ, 23.12.21)

Gleichzeitig wird vermeldet, dass die NATO ihre Truppen in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hat und damit den Konflikt weiter anheizt. Gesprächsbereitschaft heißt also nicht, dass die Vorschläge der Gegenseite in irgendeiner Form akzeptiert würden. Als Grund für die erhöhte Alarmbereitschaft, wird der Aufmarsch der russischen Truppen an der Grenze zur Ukraine angeführt, wobei die angegebenen Zahlen ziemlich schwanken – von 100.000 bis zu 175.000 Soldaten ist die Rede.

Zweifel an der Qualität der NATO-Aufklärung sollen einem dabei nicht kommen. Es ist offenbar egal, was die Russen dort treiben, das Urteil der NATO steht in jedem Fall fest: Jeder Aufmarsch von Truppen in Russland in der Nähe der Ukraine wird so behandelt, als ob die Ukraine bereits ein Teil der NATO sei. Militärisch verteidigen will die NATO das Gebiet der Ukraine zwar nicht, aber Moskau werden massive wirtschaftliche Sanktionen angedroht:

„Jede weitere militärische Aggression werde ‚massive Konsequenzen und hohe Kosten‘ zur Folge haben. Die genannten Strafmaßnahmen werden nicht näher beschrieben: Erwogen werden Sanktionen gegen Staatsunternehmen und Oligarchen aus dem Umfeld von Präsident Wladimir Putin; zudem könnte Russland aus dem internationalen Zahlungsverkehrssystem Swift ausgeschlossen werden.“ (SZ, 18./19.12.21)

Der Ausschluss vom internationalen Zahlungsverkehrssystem wäre gleichbedeutend mit dem Ausschluss vom Welthandel überhaupt und würde nicht nur Russland schwer treffen, sondern auch seine Handelspartner wie z.B. Deutschland. Immerhin beträgt der Handel mit Russland 2 Prozent des deutschen Exports und deutsche Unternehmen sind mit 20 Milliarden Euro Direktinvestitionen auf dem russischen Markt präsent. (https://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Artikel/Aussenwirtschaft/laendervermerk-russische-foerderation.html).

Ganz unbeeindruckt von allen Drohungen und russischen Reaktionen wird die Ukraine mit Waffenlieferungen aufgerüstet. Dabei betrifft die erhöhte Alarmbereitschaft der NATO-Truppen nicht irgendeine Einheit, sondern die Militärteile, die unmittelbar für den Einsatz an Russlands Grenzen im Baltikum vorgesehen sind. Als Begründung für die Frontstellung der NATO gilt die Annexion der Krim durch Russland: „Das Jahr 2014, in dem Russland völkerrechtswidrig die Halbinsel Krim annektiert und die Separatisten im bis heute andauernden Krieg in der Ostukraine unterstützt hat, gilt in der Nato als Wendepunkt.“ (SZ, 23.12.21)

Was da als Grund referiert wird, könnte Zweifel hervorrufen (natürlich nicht bei verantwortungsbewussten Redakteuren aus München): Schließlich wurde nach der Auflösung der Sowjetunion und des Warschauer Paktes das „Verteidigungsbündnis“ NATO nicht aufgelöst, sondern schrittweise nach Osten hin erweitert. Das war natürlich keine Annexion, sondern nur eine Integration in eine Schicksalsgemeinschaft, der gelegentlich mit wirtschaftlichem und politischem Druck nachgeholfen werden musste.

Beschworen wird von den NATO-Staaten häufig die „Unverletzlichkeit der Grenzen“ in Europa (Scholz, SZ 23.12.21) – ein Prinzip, gegen das Russland mit der Annexion der Krim verstoßen haben soll, als es sich seinen Militärhafen auf der Krim sicherte. Zweifel an diesem beschworenen Prinzip kommen keinem Kommentator, obgleich es jetzt von Staaten bemüht wird, die seinerzeit die Grenzen auf dem Balkan mit der Zerstörung des Staates Jugoslawien grundlegend neu gezogen haben.

Dass die neuen Grenzen dort dem Wunsch nach Selbstbestimmung der Menschen geschuldet seien, gilt hierzulande als nicht zu bezweifelnde Tatsache. Da stört es auch nicht, dass zu ihrer Sicherung immer noch ein hoher Kommissar die Einhaltung des Grenzregimes überprüft und dafür die Präsenz der Bundeswehr auf dem Balkan braucht. Dass viele Völkerschaften damit gar nicht einverstanden sind – wie zuletzt wieder in Bosnien, wo das Ding auseinanderzufliegen droht –, fällt unter deren Unbelehrbarkeit: Hier bestimmen eben wirkliche Weltmächte, wann und wo Grenzen unverletzlich sind.

Die Forderung Russlands, keine weiteren Staaten und vor allem nicht die Ukraine in die NATO aufzunehmen, also die Frontlinie nicht näher an Russlands Grenzen zu verschieben, wird von der NATO zurückgewiesen:

„Dass Putins Forderung, die Nato solle erklären, die Ukraine sowie Georgien nie aufzunehmen, für deren 30 Mitglieder inakzeptabel ist, stellte Stoltenberg in der Pressekonferenz klar: ‚Wir werden keine Kompromisse machen, wenn es darum geht, dass jedes europäische Land über seinen Weg frei entscheiden kann. Das gilt auch für die Ukraine‘.“ (SZ, 23.12.21)

Was heißt hier „frei entscheiden“? Putin hat sich ja nicht an die Ukraine gewandt und dieser etwas verboten. Vielmehr hat er die USA und die NATO aufgefordert, einen eventuellen Aufnahmeantrag abzulehnen. Schließlich ist es ja nicht so, dass dieser Staatenbund einfach jedem Aufnahmeantrag statt geben würde, weil er gestellt wird. Und auch die EU behält sich vor, zu entscheiden, wen sie aufnimmt und wen nicht.

Im Fall der Ablehnung einer Aufnahme in die NATO will das Staatenbündnis nun plötzlich einen Verstoß gegen die Selbstbestimmung von Staaten entdecken. Ihm ist nämlich daran gelegen, sich die Option des Beitritts offen zu halten, und es ist bereit, den Konflikt mit Russland weiter zu eskalieren.

Deutsche Drangsale

Soweit zeigt der Westen klare Kante, wie von Kommentatoren immer gefordert, und das einheitlich. Mit seinen Vorschlägen für Verträge mit den USA und der NATO hat Putin aber Deutschland ins Abseits gestellt:

„Berlin droht die Führung über die Verhandlungen im Ukraine-Konflikt zu verlieren und steht damit vor einer neuen Niederlage im Einflusskampf gegen Washington. Hintergrund ist, dass US-Präsident Joe Biden in der vergangenen Woche angekündigt hat, Washington werde seinerseits Gespräche mit Moskau aufnehmen, um ‚die Temperatur an der östlichen Front zu senken‘. Dies hat zu wütenden Reaktionen geführt: Der Plan sei für Brüssel, das nicht eingebunden sei, ‚eine gewaltige Demütigung‘, gegen die die EU ‚in aller Härte ihren Gestaltungsanspruch deutlich machen‘ müsse, hieß es in einer führenden deutschen Tageszeitung.“ (https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8791/)

Mit dem sogenannten Normandie-Format, das Deutschland, Frankreich, Russland und die Ukraine umfasst, hatten sich die europäischen Staaten zu Aufsichtsmächten im Streit zwischen Russland und der Ukraine aufgeschwungen – und dabei die USA außen vor gelassen. Das Ergebnis war das Minsker-Abkommen (siehe Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Minsk_II). In ihm wurde geregelt, was die Ukraine und die abgespaltenen Regionen, Volksrepublik Luhansk und Volksrepublik Donezk, zu leisten haben.

Die Vereinbarung umfasst 13 Punkte, so die Vereinbarung über einen Waffenstillstand, den Abzug schwerer Waffen, die Amnestie der separatistischen Kämpfer, Autonomieregelungen für die Gebiete Luhansk und Donezk, eine entsprechende Verfassungsänderung der Ukraine und die Durchführung von Wahlen in den Autonomiegebieten. Was im Endeffekt heißt: Wiedererrichtung der Souveränität der Ukraine über ihre Außengrenzen.

Das Minsker Abkommen ist allerdings ein seltsames Gebilde: Formal sind die Ukraine und die Volksrepubliken Luhansk und Donezk die Vertragspartner. Die Volksrepubliken werden aber nicht von der Ukraine anerkannt, und sie waren beim Abschluss der Vereinbarung auch nicht präsent und sind nicht im Normandie-Format vertreten. Praktisch werden sie von Russland vertreten, das aber nicht Vertragspartner ist, sondern sich wie Deutschland und Frankreich als Aufsichtsmacht über das Abkommen versteht.

Auch der Inhalt des Abkommens verlangt den Vertragsparteien einiges ab. Nach einem Waffenstillstand und dem Rückzug von schweren Waffen soll die Ukraine mit den Separatisten Gespräche aufnehmen, sie quasi anerkennen. Dies kommt der Aufgabe eines Stückes ihrer Souveränität gleich. Die Gespräche sollen aber zu einer Autonomieregelung für die Regionen führen, was wiederum von den Volksrepubliken die Aufgabe ihres Souveränitätsanspruchs erfordern würde. Das soll im Ergebnis zu eine erneuten Eingliederung in die Ukraine führen, die so ihre Souveränität wiederhergestellt sähe, wobei sie mit dem Abkommen akzeptieren müsste, wie ihr Staatsgebilde in Zukunft aussehen soll.

Seit dem Abschluss der Minsker Vereinbarung gibt es einen Streit darüber, wer in welchem Umfang den Vertrag nicht einhält oder offensiv bricht. Verhandlungen über einen Autonomiestatus hat es bislang nicht gegeben, ebenso lehnt die Ukraine eine Verfassungsänderung und eine Amnestie für die Kämpfer der Separatisten ab, verweist vielmehr darauf, dass die Voraussetzungen – die Einhaltung des Waffenstillstandes und der Abzug schwerer Waffen – nicht erfüllt sind, wobei dasselbe auch auf Seiten der Ukraine feststellbar ist.

Während Deutschland und Frankreich immer wieder Russland dafür kritisieren, dass es nichts unternehme, um die Separatisten zur Einhaltung des Minsker Vertrages zu bewegen, vermisst Russland jede Initiative Deutschlands und Frankreichs, entsprechende Aktivitäten von der ukrainischen Regierung zu verlangen.

Bei der letzten Einladung zum Treffen im Normandie-Format kam es dann zum Eklat, weil Russland darauf bestand, dass das Treffen die Ukraine auffordern sollte, ihre Verpflichtungen aus dem Minsker Abkommen zu erfüllen. Dies wurde von Deutschland, Frankreich und der Ukraine abgelehnt – und damit das Abkommen aufgekündigt.

Schon wieder: mehr deutsche Verantwortung!

Wenn nun deutsche Politiker wie Außenministerin Baerbock oder Kanzler Scholz immer wieder ihre Bereitschaft betonen, den Ukraine Konflikt im Rahmen des Normandie-Format zu besprechen, dann hat dies einen doppelten Sinn. Zum einen verlangen sie damit, dass die bestehende Regelung hinfällig ist und Russland sich zu einer Neuverhandlung bereit erklären soll.

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Zum anderen wollen sie den Konflikt wieder in europäischer Regie regeln und die USA weiter außen vor halten, was aber von wenig Erfolg gekrönt sein dürfte. Schließlich haben die USA während der letzten Jahre die Regierung in der Ukraine in ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem Abkommen und in ihrer Gegnerschaft gegenüber Russland bestärkt und weiter aufgerüstet. Damit wurde das Abkommen konterkariert und für Russland das Festhalten am Normandie-Format eine Sache von nachrangiger Bedeutung. Deshalb die Initiative in Richtung USA und NATO, die Europa und damit Deutschland ins Abseits stellt.

Zufrieden geben sich deutsche Politiker damit nicht, sondern setzen alle Hebel in Bewegung, deutlich zu machen, dass sie in der Auseinandersetzung mit Russland eine wichtige Rolle spielen, was nicht heißt, dass sie damit zur Deeskalation beitragen:

„Für Litauen ist die Bundeswehr zuständig. Am Wochenende meldete der Spiegel, dass Oberbefehlshaber Wolters vorgeschlagen habe, ähnliche Verbände in Rumänien und Bulgarien aufzubauen. Zumindest Bulgarien lehnt dies ab.“ (SZ, 23.12.21)

So entdecken deutsche Militärs, die in der Regel nicht ohne politische Abstimmung handeln, Verteidigungsbedarf in Ländern, die davon gar nichts wissen wollen. Man muss eben Verantwortung übernehmen, um die Frontstellung gegen Russland weiter auszubauen. So geht Friedenspolitik der Ampel-Koalition.

Zuerst erschienen bei Telepolis

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben       —       Großkundgebung mit Hakenkreuzfahnen und dem Transparent „TOTALER KRIEG – KÜRZESTER KRIEG“ am 18. Februar 1943 im Berliner Sportpalast

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Debatte – Tschüss, Twitter!

Erstellt von Redaktion am 6. Januar 2022

Die Datenkraken Facebook, Google und Twitter

File:Fsa09, Datenkrake.jpg

Von Ulf Schleth

Nach Facebook und Google verabschiede ich mich jetzt auch von der Datenkrake Twitter. Gut so! Auch wenn mir manche Diskussion fehlen wird. Hartnäckig hält sich das Gerücht, Twitter sei im Gegensatz zu Facebook irgendwie okay.

Mein Twitter-Account macht es sich nach der überstandenen Jahresendfeierei gemütlich und wärmt seine Füße an den Hassposts rechter Troll Armeen. Was er nicht weiß: Nicht nur das Jahr neigt sich seinem Ende zu. Dies ist der dritte und letzte Teil des „Tschüss“-Artikeltriptychons, erst Facebook, dann Google, jetzt Twitter – gekrönt von der Löschung meines jeweiligen Social-Media-Accounts.

Was ist seitdem passiert? Nichts. Mir geht’s gut. Wie jemandem, der erfolgreich mit Rauchen oder Fleischessen aufgehört hat: Man vergisst irgendwann, warum es einmal so schwierig erschien. Ich bin nicht einsamer als vorher. Nicht mal „aufgehört“ habe ich, ich benutze soziale Medien nach wie vor, nur welche, die keiner meiner Freunde oder Bekannten nutzt.

Auch die sind geblieben – bei Facebook, Twitter oder Insta. Ein paar von ihnen haben mit mir gemeinsam Alternativen ausprobiert, aber als nicht sofort alle mitgezogen sind, waren sie in 24 Stunden wieder zurück in ihren Datenkraken. Vielleicht fühlen sie sich nicht existent, wenn die Dosis erhaltener Likes sinkt, oder für sie steht schlicht Bequemlichkeit über Datenschutz und informationeller Selbstbestimmung.

Dasselbe gilt für viele Institutionen wie die taz. Klar, für Reichweite tut man alles – aber deshalb Inhalte nur dort teilen, wo mit Benutzerdaten Schindluder getrieben wird? Ist es denn so aufwendig, parallel alternative Plattformen zu bespielen?

Die jedes Mal wiederkehrende Frage: „Warum empfiehlst du nicht Ello/MeWe/irgendein anderes soziales Medium?“, beruht auf einem Missverständnis. Nur weil etwas neu ist, ist es keine Alternative. Man sollte sich und seine Daten nicht Firmen mit unseriösen Geschäftsmodellen anvertrauen. Am Ende ist der vermeintliche Kunde selbst das Produkt und die Privatsphäre im Eimer. Richtige Alternativen sind Open Source, sie sind dezentral und erlauben der Benutzerin zu entscheiden, was sie mit ihren Daten machen möchte.

Dabei kann gerade Twitter Sinn und Spaß machen: Überfällige Diskussionen wie #MeToo, geistreiche Memes und rhetorische Perlen, manchen ersetzt Twitter die Dating-App, andere finden hier Jobs. Intellektuell privilegierte Journalistinnen streiten sich hier mit finanziell privilegierten Rechtskonservativen, mit Politikern und Lobyistinnen, mit Institutionen und Extremen aller Couleur. Twitter hat auch Macht; wer hier vorn mitmischt, wird in der Welt der Entscheider gehört.

Ich gebe es gern zu: Immer wenn ich eingeloggt war, war es eine Freude, in diesen Bull­shit hineinzutauchen. In die Tweets von Leuten, die sich in Originalität und Witzigkeit übertreffen. Die pubertären Zündet-alle-Männer-an-Provokationsposts und all die creepy Antworten von alten weißen Männern, die nicht auf die Uhr geguckt haben.

Demo Freiheit statt Angst (3916849270).jpg

Debatten, in denen es nicht darum geht, jemanden mitzunehmen, nur darum, den besseren Schnitt zu machen, um Anerkennung und Likes aus der eigenen Bubble und darum, im Gespräch zu bleiben. Brillanz in 280 Zeichen. Flat­earther oder Neurechte, die mit den Schriften der Autorin Ayn Rand ihre Ideologie untermauern und einen uneingeschränkten Kapitalismus fordern. Wie oft haben ihre Tweets mich so getriggert, dass ich eine mehr oder weniger geistreiche Entgegnung in die Tasten haute, nur um sie später, wenn es peinlich war, sich an diesem Zirkus beteiligt zu haben, wieder zu löschen.

Glaubt man ein paar verschlafenen Politikerinnen und Journalisten, ist nicht der Datenmissbrauch das Hauptproblem sozialer Medien, sondern die Hassposts. Soziale Medien wie Twitter und Facebook fördern und profitieren von Polarisierung und Blasenbildung und das ist ein Problem, aber sie schreiben diese Posts nicht. Die Politik fühlt sich, wie generell mit Sozialem, auch mit Social Media überfordert und versucht, die Verantwortung an die Betreiber der Portale abzuwälzen. Das ist doppelt falsch.

Zum einen können diese die Aufgabe gar nicht erledigen. Und schicken ihre Filter los, „Algorithmen“, die etwa so intelligent sind wie ein Glas Milch und alles Mögliche mitlöschen, das eher unter Meinungsfreiheit fällt und gar nicht gelöscht werden sollte. Zum anderen wird damit ein wichtiger Teil rechtsstaatlicher Verantwortung in die Hände international operierender Konzerne gelegt.

Quelle   :       TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen        :

Oben      —      Plastische Darstellung eines Datenkraken (Spannweite ca. 18 Meter) auf der Demonstration „Freiheit statt Angst“ 2009. Gebaut und koordiniert von dem Künstler Peter Ehrentraut für den FoeBuD e. V. V. (seit 2012: Digitalcourage e. V.

Verfasser Matthias Hornung
Quelle http://wiki.vorratsdatenspeicherung.de/images/Mho_-198-r.jpg

Diese Datei ist lizenziert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic Lizenz.

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Unten       —             Demo Freiheit statt Angst

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Eine verlogene Erklärung

Erstellt von Redaktion am 6. Januar 2022

Niemand hat die Absicht, atomare Waffen einzusetzen

Quelle      :        INFOsperber CH.

Andreas Zumach /   

Die fünf offiziellen Atomwaffenmächte sprechen sich für eine atomwaffenfreie Welt aus. Die Erklärung ist verlogen.

«Wir wollen mit allen Staaten zusammenarbeiten, um das endgültige Ziel einer Welt ohne Atomwaffen zu erreichen, und bekennen uns zu unserer Verpflichtung aus dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag (NPT), Verhandlungen über ein Ende des atomaren Rüstungswettlaufs und ein Abkommen zur vollständigen Abrüstung zu führen.» Das behaupten die fünf offiziellen Atomwaffenstaaten und ständigen Vetomächte des Uno-Sicherheitsrates – die USA, Russland, China, Frankreich und Grossbritannien (P5) – in einer gemeinsamen Erklärung, die am Montag  in New York veröffentlicht wurde.

(Am Dienstag hätte dort die 10. NPT-Überprüfungskonferenz beginnen sollen. Diese wurde aufgrund der Corona-Pandemie jedoch kurzfristig abgesagt und auf verschoben. Die Medien wurden über die Entscheidung überhaupt nicht oder zumindest nicht rechtzeitig informiert. Korrektur vom Mittwoch, 5. Januar.)

Irreführend und unwahr

Wie auch immer: Die zitierte Behauptung ist ebenso irreführend und unwahr wie das Bekenntnis der fünf Atomwaffenmächte zur «Stärkung von Stabilität und Vorhersehbarkeit». Und die an sich völlig richtige Feststellung, dass «ein Nuklearkrieg nicht gewinnbar ist und niemals geführt werden darf», erinnert aus dem Mund der P5 an Walter Ulbrichts Satz «Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen».

Denn tatsächlich verweigern und boykottieren die P5 bislang jegliche multilaterale Verhandlung zu atomarer Abrüstung. Stattdessen betreiben sie mit grossem Aufwand und unter Verschleuderung gigantischer Geldsummen die von allen Seiten stets als «Modernisisierung» verharmloste Aufrüstung ihrer atomaren Arsenale. Dabei werden immer mehr Waffensysteme entwickelt, die zerstörungsstärker, zielgenauer, schneller und flexibler einsetzbar sind als ihre Vorgänger – und damit gefährlicher und unberechenbarer für den Gegner. Das gilt für die geplanten Nachfolgesysteme der US-Atombomben in der Eifel, für deren Einsatz auch die neue Bundesregierung neue Kampfflugzeuge anschaffen will, ebenso wie für die von Russland entwickelte Hyperschallrakete Zirkion, die mit einer Geschwindigkeit von 10.000 Stundenkilometern dem anvisierten Gegner jede Vorwarnzeit und Abwehrchance nimmt.

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Destabilisierend

Derartige Waffen senken die Schwelle zum Einsatz und bewirken das Gegenteil der von den P5 angeblich angestrebten «Stabilität und Vorhersehbarkeit». Noch führen die USA und Russland den atomaren Aufrüstungswettlauf an. Doch China zieht inzwischen gewaltig nach. Die Erklärung der P5 dürfte kaum ausreichen, den wachsenden Unmut der 186 Vertragsstaaten des NPT, die auf atomare Waffen verzichtet haben, zu beruhigen. Daher wäre ein erneutes Scheitern der New Yorker Überprüfungskonferenz wie schon 2015 keine Überraschung. Zumal auch der Beschluss zur Durchführung einer Uno-Konferenz über eine massenvernichtungsfreie Zone im Nahen und Mittleren Osten, mit dem die NPT-Konferenz 2010 gerettet werde konnte, wegen des Widerstandes von Israel und der USA bis heute nicht umgesetzt wurde.

FREIE NUTZUNGSRECHTE

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Bei einer Online-Nutzung ist die Quellenangabe mit einem Link auf infosperber.ch zu versehen. Für das Verbreiten von gekürzten Texten ist das schriftliche Einverständnis der AutorInnen erforderlich.

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Grafikquellen        :

Oben      —    Explosion von Upshot-Knothole Badger 1953 auf der Nevada Test Site

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 6. Januar 2022

Die neue Lust an protestantischer Disziplin

Roter Faden Hannover rote Zusatzmarkierung.jpg

Durch die Woche führt Ulrich Gutmair

Drei rote Fäden haben sich durch das zu Ende gehende Jahr gezogen. Sie heißen Corona, Herrschaft des Mobs und rechter Populismus.

Auf einem der roten Fäden, die sich durch dieses nun zur Neige gehende Jahr gezogen haben, hängt ein Schildchen mit der Aufschrift „Corona“. Einer der Irrtümer bezüglich dieser Pandemie, der sich übers Jahr 2021 hinweg beharrlich hielt, war die Vorstellung, man müsse nur noch ein bisschen „durchhalten“, dann sei bald alles wieder wie früher. Erst langsam scheint sich die Erkenntnis Bahn zu brechen, dass wir uns mit dieser Krise noch ein, zwei, und – wenn’s dumm geht – noch drei oder vier Jahre werden auseinandersetzen müssen. „Long Covid“ hat auch eine soziale Bedeutung.

Ein weiterer Irrtum, von dem in letzter Zeit aber nur noch wenig zu hören war, trug den Namen „Zero Covid“. Damit war ein kommunistischer Super-Lockdown gemeint, für den das Kapital bezahlen sollte. Dummerweise dachte dieses in warmen Kreuzberger Stuben gefeierte Konzept nicht mit, dass das Einfrieren des gesellschaftlichen Lebens auf der ganzen Welt gleichzeitig stattfinden müsste, um zu funktionieren. Alternativ hätte man natürlich auch ein paar Jahre lang die Grenzen hermetisch abriegeln können, um im schönen Deutschland die Früchte von „Zero Covid“ genießen zu können.

Währenddessen entwickelte sich mit fortschreitender Pandemie in manchen Menschen ein unerbittlicher Stolz, der jenen eigen ist, die von sich wissen, dass sie – im Gegensatz zu den unmoralischen und dummen anderen – alles richtig machen. Keine Maßnahme war hart genug, um von ihnen nicht noch als zu lasch und unzureichend empfunden zu werden. Die leiseste Kritik am Pandemiemanagement der Regierung wurde mit dem Entsenden rhetorischer Kanonenboote beantwortet.

Die protestantische Lust an rigoroser Disziplinierung von sich und anderen braucht ein Publikum, und so feierte man mittels Selfie mit entblößtem Arm und Pflaster die eigene moralische Korrektheit. Das modische Äquivalent der neuen Geißelkultur sind ganz in Schwarz gekleidete Hipster, die ihre FFP2-Masken auch bei frischer Brise nachts um zwei tragen, wenn sie ihre Hunde ausführen.

COVID-19-Pandemie-Collage.jpg

Progressive Mob­be­r*in­nen

Es zieht sich noch ein roter Faden durch das Jahr, der mit „Herrschaft des Mobs“ charakterisiert werden könnte. Denn wer heute gut gelaunt polemisiert, hat schnell eine Meute am Hals, die all jene, welche die meist billig zu habende Meinung des Mobs nicht teilen, als Rechte und Reaktionäre outet und an den Pranger stellt. Unter den progressiven Mob­be­r*in­nen tummeln sich gern auch mal Leute, die man nie auf einer Demo sah und denen Arbeit an emanzipatorischer Praxis sowie das mühsame Formulieren von Kritik eher lästig zu sein scheint.

Ein dritter roter Jahresfaden führt uns last but not least zum Phänomen des rechten Populismus, dessen Siegeszug ins Stocken zu kommen scheint. In Chile gewann eben ein junger Linker die Wahl, der sich die Abwicklung des neoliberalen Projekts auf die Fahne geschrieben hat. Gleichzeitig war zu hören, dass sich die Briten mit ihrer populistischen Brexit-Politik wirtschaftlich tief ins eigene Fleisch geschnitten haben.

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Grafikquellen          :

Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten     —   Dies ist eine Collage, die ich basierend auf der Collage gemacht habe, die im spanischen Wikipedia-Artikel der Pandemie Pandemia de COVID-19 vorhanden ist, die Collage enthüllt mit einer Reihe von Bildern, wie die Pandemie die Welt beeinflusst hat. Von links nach rechts und von oben nach unten: Bestattung von Opfern von COVID-19 im Iran; Student in Mexiko, der eine Gesichtsmaske trägt, während er von zu Hause aus Online-Unterricht nimmt; Krankenschwester in Italien, die zeigt, dass ihr Gesicht aufgrund langer Stunden mit medizinischen Geräten als Helfer für Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind, verletzt ist; Krankenschwester, die einen Patienten mit COVID-19 auf einer Intensivstation an Bord der USNS Comfort, einem US-Hospitalschiff, behandelt.

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Mythos und Wissenschaft

Erstellt von Redaktion am 5. Januar 2022

Die Entzauberung der Welt

Berliner Gedenktafel Leibnizstr 21 (Charl) Max Weber.jpg

Ein Schlagloch von Georg Seeßlen

Es mischt sich vieles bei Verschwörungsphantasten, Impfgegnern und Querdenkern.

Im Jahr 1917 beschrieb Max Weber in seiner Schrift „Wissenschaft als Beruf“ die Entzauberung der Welt durch intellektuelle Rationalität und Wissenschaft: Die Wissenschaft führe nicht so sehr zu einem „allgemeinen Wissen“, sondern vielmehr zum „Wissen davon oder dem Glauben daran: dass man, wenn man nur wollte, es jederzeit erfahren könnte, dass es also prinzipiell keine geheimnisvollen unberechenbaren Mächte gebe, die da hineinspielen, dass man vielmehr alle Dinge – im Prinzip – durch Berechnen beherrschen könne.“

Man weiß es vielleicht nicht (zum Beispiel, was es mit Quantenphysik auf sich hat oder warum das Tauschverhältnis isolierter Warenproduzenten eine über ihnen stehende, fremde gesellschaftliche Macht erzeugt, die man „Entfremdung“ nennen muss, oder warum der Toast immer auf die gebutterte Seite fällt), aber es steckt eine Gewissheit des Wissens darin: Wie einstmals die Götter soll nun das Berechnen-Können die letzte Instanz der Herrschaft sein, die die unendlich suggestive und widersprüchliche Welt zusammenhält.

Dieser Glaube an das Wissen war untrennbar mit dem Aufstieg des Industriekapitalismus verbunden. In der entzauberten Welt zu leben fiel dessen Nutznießern leicht. Denn nur als entzauberte konnte die Welt in Besitz, Rohstoff, Arbeitsplatz und Vergnügungspark verwandelt werden. Aber diese Entzauberung war kein vollständiges, kein glückliches und schon gar kein demokratisches Projekt. Es blieb an den Profit, den Glauben an Fortschritt, an Wachstum und Wohlstand gebunden.

Bei jeder Krise rumorte es und verlangte nach der Rückkehr der alten Geister und der alten Bilder. Und am Ende kehrt sich sogar noch einmal alles um: Während die Entzauberung der Welt als Bestandteil ihrer Zerstörung erkannt wird, sind es gerade die Wissenschaftler*innen, die die Grenzen der Berechenbarkeit aufzeigen. Nicht nur der neue Populismus hält der Aufklärung entgegen: die Welt ist noch unberechenbarer und noch ungewisser geworden.

Grenzen der Berechenbarkeit

Damit sind gleich zwei Voraussetzungen für die anti-rationale Reaktion gegeben: Der Hass auf eine Wissenschaft, die nicht zur erhofften neuen Autorität von Schutz und Gewissheit geworden ist, und die Sehnsucht nach einem „alten Wissen“, das nicht aus Distanz und Abstraktion, sondern aus Verschmelzung mit der Welt gewonnen worden sein soll. Gewiss kann man an der Erzählung von der Entzauberung der Welt durch Wissenschaft und Intellektualität durchaus zweifeln.

Um Mythen akzeptieren zu können, muss man also weiter an Gott glauben
– so die Kritik von Segal.

Niemand ist so fasziniert vom Geheimnisvollen in der Natur wie Wissenschaftler*innen, die ziemlich genau wissen, dass sie jedes Rätsel nur lösen, indem sie dahinter noch viel größere Rätsel auftun; und die Intellektuellen, die man wegen ihrer spöttischen Kritik gegenüber allem Mystifizieren fürchtet, kommen ohnehin meist im Doppelpack mit Poeten, Malerinnen, Musikern und anderen semantischen Zauberkünstler*innen.

Von Max Webers Feststellung führt ein (vielleicht nicht ganz) direkter Weg zur „Dialektik der Aufklärung“, in der Adorno und Horkheimer den Glauben an das Wissenkönnen durchaus als „Wahn“ verstanden. Die Welt ins Reich der Tatsachen einzusperren war nie eine besonders gute Idee. Wer oder was aber wäre das Subjekt einer solchen Entzauberung? Und wem oder was dient die entsprechende Erzählung?

Dass die Welt nicht durch Wissenschaft und intellektuelle Kritik, sondern durch Kapital und Arbeit (und ihren verhängnisvollen Zusammenhang) entzaubert wird, könnte man glatt als linkes Klischee abtun. Als linksradikalromantisches jedenfalls, denn, nicht wahr, dem Staatssozialismus war die Entzauberung der Welt doch noch viel mehr Anliegen als dem bürgerlichen Liberalismus. Und da ging das Projekt der zur Staatsraison gewordenen Aufklärung noch gründlicher schief.

Ein neuer Zauber muss her

Quelle        :           TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquelle :

Oben      —     Berliner GedenktafelMax Weber, Leibnizstraße 21, Berlin-CharlottenburgDeutschland

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Eine progressive Türkei

Erstellt von Redaktion am 5. Januar 2022

D: Eine progressive Türkei
EN: A progressive Turkey / NL: Een progressief Turkije

Istanbul Collage 5j.jpg

Von Jimmy Bulanik

D: Die Menschen von demokratischer Gesinnung in der Türkei stehen vor enormen Herausforderungen. Die Parlamentswahlen als auch die Präsidentschaftswahlen stehen bevor. Von dem Ausgang dieser Wahlen wird die Zukunft der Menschen, Ökonomie als auch politische Ausrichtung im Inland und Ausland abhängig sein.

Laut der demoskopischen Institute wird der Türkei ein Kopf an Kopfrennen bevorstehen.

EN: The democratic people in Turkey face enormous challenges. The parliamentary and presidential elections are imminent. The future of the people, economy and political orientation at home and abroad will depend on the outcome of these elections.

According to the polls, Turkey will face a head to head race.

NL: Het democratische volk in Turkije staat voor enorme uitdagingen. De parlements- en presidentsverkiezingen staan voor de deur. De toekomst van het volk, de economie en de politieke oriëntatie in binnen- en buitenland zal afhangen van de uitkomst van deze verkiezingen.

Volgens de peilingen zal Turkije het hoofd moeten bieden aan een wedloop.

D: Quelle: EN: Source: NL: Bron:

politpro.eu/en/turkey

politpro.eu/de/tuerkei

D: Jede gesunde Demokratie auf dem Globus braucht einen zeitgemäßen Wechsel der Macht. Überall auf der Welt ist folgendes zu konstatieren. Je länger eine Partei die Regierung stellt, desto höher das Potential von Machtmissbrauch zum Nachteil der Menschen in der demokratischen Zivilgesellschaft.

EN: Every healthy democracy on the globe needs a contemporary change of power. All over the world the following can be stated. The longer a party is in government, the higher the potential for abuse of power to the detriment of people in democratic civil society.

NL: Elke gezonde democratie ter wereld heeft een eigentijdse machtswisseling nodig. Over de hele wereld kan het volgende worden gesteld. Hoe langer een partij in de regering zit, hoe groter de kans op machtsmisbruik ten nadele van mensen in de democratische civiele samenleving.

D: Deshalb ist es eine praktikable Option das die Mitgliedschaften, Wählerschaften der oppositionellen Parteien Halkların Demokratik Partisi (Sozialistische Partei), Yesil Sol Parti (Grüne Partei) die größte Oppositionspartei die Cumhuriyet Halk Partisi (Europafreundliche soziale Partei) bei den Wahlen zu Unterstützen. In Form von dem strategische Wahlunterstützung.

EN: Therefore, it is a viable option that the membership, electorate of the opposition parties Halkların Demokratik Partisi (Socialist Party), Yesil Sol Parti (Green Party) the largest opposition party, Cumhuriyet Halk Partisi (Europe-friendly Social Party), support in the elections. In the form of strategic election support.

NL: Daarom is het een haalbare optie dat het lidmaatschap, het electoraat van de oppositiepartijen Halkların Demokratik Partisi (Socialistische Partij), Yesil Sol Parti (Groene Partij), de grootste oppositiepartij, Cumhuriyet Halk Partisi (Europavriendelijke Sociale Partij), steun in de verkiezingen. In de vorm van strategische verkiezingsondersteuning.

D: Bedingt durch eine strategische Kartellbildung steigert dies die Chancen auf einen Regierungswechsel in der Wirklichkeit. Das Wahlergebnis muss eindeutig sein. Das sichert auch den Frieden im Inland und Ausland.

EN: Due to the formation of a strategic cartel, this increases the chances of a change of government in reality. The election result must be clear. This also ensures peace at home and abroad.

NL: Door de vorming van een strategisch kartel vergroot dit de kans op een regeringswisseling in de praktijk. De verkiezingsuitslag moet duidelijk zijn. Dit zorgt ook voor rust in binnen- en buitenland.

D: Durch eine progressive Regierung in der Türkei wird sich die Sachlage verändern. Mit ebensolchen Regierungshandlungen durch das demokratisch verfasste Ausland. Die Europäische Union kommt dahingehend in Betracht.

EN: A progressive government in Turkey will change the situation. With the same kind of government action by the democratically constituted foreign country. The European Union can be considered in this regard.

NL: Een progressieve regering in Turkije zal de situatie veranderen. Met hetzelfde soort overheidsoptreden door het democratisch gevormde buitenland. In dit opzicht kan de Europese Unie worden beschouwd.

D: Dies manifestiert die westlich orientierte Ausrichtung der Türkei, wie es der Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk vorherbestimmt hat. Die Erfolge dessen werden auch von anderen Ländern in denen arabisch, russisch oder chinesisch gesprochen wird konstatiert werden. Ein Mondscheineffekt mit Vorbildfunktion für Dritte.

EN: This manifests the western orientation of Turkey, as predicted by the state founder Mustafa Kemal Ataturk. The success of this will also be noted by other countries in which Arabic, Russian or Chinese are spoken. A moonlight effect with a role model function for third parties.

NL: Dit manifesteert de westerse oriëntatie van Turkije, zoals voorspeld door de staatsstichter Mustafa Kemal Ataturk. Het succes hiervan zal ook worden opgemerkt door andere landen waar Arabisch, Russisch of Chinees wordt gesproken. Een maanlichteffect met een rolmodelfunctie voor derden.

D: Die Zeit ist niemals statisch. Deshalb gibt es immer Entwicklungen. Damit verbunden eine gesteigerte Lebensqualität.

EN: The time is never static. That is why there are always developments. Associated with this is an increased quality of life.

NL: De tijd is nooit statisch. Daarom zijn er altijd ontwikkelingen. Hiermee samenhangend is een verhoogde levenskwaliteit.

D: Nützliche Links im Internet:

EN: Useful links on the internet:

NL: Handige referenties op de internet:

Ludwig van Beethoven 9th Symphony Ode to Joy / Ludwig van Beethoven 9. Symphonie Ode an die Freude

www.youtube.com/watch?v=GBaHPND2QJg

Een toepasselijk lied vanuit de Republiek van Suid-Afrika

Johnny Clegg en Savuka – When the system has fallen

www.youtube.com/watch?v=mX_csZhQDLk

Duman – Eyvallah / Bring it on with english lyrics

www.youtube.com/watch?v=IALDK63fhkw

Eine musikalische Symbiose bestehend aus Tradition und der Moderne

Ayna – Ceylan

www.youtube.com/watch?v=VX_fBmUNrVE

D: Jede gesunde Demokratie auf dem Globus braucht einen zeitgemäßen Wechsel der Macht. Überall auf der Welt ist folgendes zu konstatieren. Je länger eine Partei die Regierung stellt, desto höher das Potential von Machtmissbrauch zum Nachteil der Menschen in der demokratischen Zivilgesellschaft.

EN: Every healthy democracy on the globe needs a contemporary change of power. All over the world the following can be stated. The longer a party is in government, the higher the potential for abuse of power to the detriment of people in democratic civil society.

NL: Elke gezonde democratie ter wereld heeft een eigentijdse machtswisseling nodig. Over de hele wereld kan het volgende worden gesteld. Hoe langer een partij in de regering zit, hoe groter de kans op machtsmisbruik ten nadele van mensen in de democratische civiele samenleving.

D: Deshalb ist es eine praktikable Option das die Mitgliedschaften, Wählerschaften der oppositionellen Parteien Halkların Demokratik Partisi (Sozialistische Partei), Yesil Sol Parti (Grüne Partei) die größte Oppositionspartei die Cumhuriyet Halk Partisi (Europafreundliche soziale Partei) bei den Wahlen zu Unterstützen. In Form von dem strategische Wahlunterstützung.

EN: Therefore, it is a viable option that the membership, electorate of the opposition parties Halkların Demokratik Partisi (Socialist Party), Yesil Sol Parti (Green Party) the largest opposition party, Cumhuriyet Halk Partisi (Europe-friendly Social Party), support in the elections. In the form of strategic election support.

NL: Daarom is het een haalbare optie dat het lidmaatschap, het electoraat van de oppositiepartijen Halkların Demokratik Partisi (Socialistische Partij), Yesil Sol Parti (Groene Partij), de grootste oppositiepartij, Cumhuriyet Halk Partisi (Europavriendelijke Sociale Partij), steun in de verkiezingen. In de vorm van strategische verkiezingsondersteuning.

D: Bedingt durch eine strategische Kartellbildung steigert dies die Chancen auf einen Regierungswechsel in der Wirklichkeit. Das Wahlergebnis muss eindeutig sein. Das sichert auch den Frieden im Inland und Ausland.

EN: Due to the formation of a strategic cartel, this increases the chances of a change of government in reality. The election result must be clear. This also ensures peace at home and abroad.

NL: Door de vorming van een strategisch kartel vergroot dit de kans op een regeringswisseling in de praktijk. De verkiezingsuitslag moet duidelijk zijn. Dit zorgt ook voor rust in binnen- en buitenland.

D: Durch eine progressive Regierung in der Türkei wird sich die Sachlage verändern. Mit ebensolchen Regierungshandlungen durch das demokratisch verfasste Ausland. Die Europäische Union kommt dahingehend in Betracht.

EN: A progressive government in Turkey will change the situation. With the same kind of government action by the democratically constituted foreign country. The European Union can be considered in this regard.

NL: Een progressieve regering in Turkije zal de situatie veranderen. Met hetzelfde soort overheidsoptreden door het democratisch gevormde buitenland. In dit opzicht kan de Europese Unie worden beschouwd.

D: Dies manifestiert die westlich orientierte Ausrichtung der Türkei, wie es der Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk vorherbestimmt hat. Die Erfolge dessen werden auch von anderen Ländern in denen arabisch, russisch oder chinesisch gesprochen wird konstatiert werden. Ein Mondscheineffekt mit Vorbildfunktion für Dritte.

EN: This manifests the western orientation of Turkey, as predicted by the state founder Mustafa Kemal Ataturk. The success of this will also be noted by other countries in which Arabic, Russian or Chinese are spoken. A moonlight effect with a role model function for third parties.

NL: Dit manifesteert de westerse oriëntatie van Turkije, zoals voorspeld door de staatsstichter Mustafa Kemal Ataturk. Het succes hiervan zal ook worden opgemerkt door andere landen waar Arabisch, Russisch of Chinees wordt gesproken. Een maanlichteffect met een rolmodelfunctie voor derden.

D: Die Zeit ist niemals statisch. Deshalb gibt es immer Entwicklungen. Damit verbunden eine gesteigerte Lebensqualität.

EN: The time is never static. That is why there are always developments. Associated with this is an increased quality of life.

NL: De tijd is nooit statisch. Daarom zijn er altijd ontwikkelingen. Hiermee samenhangend is een verhoogde levenskwaliteit.

D: Nützliche Links im Internet:

EN: Useful links on the internet:

NL: Handige referenties op de internet:

Ludwig van Beethoven 9th Symphony Ode to Joy / Ludwig van Beethoven 9. Symphonie Ode an die Freude

www.youtube.com/watch?v=GBaHPND2QJg

Een toepasselijk lied vanuit de Republiek van Suid-Afrika

Johnny Clegg en Savuka – When the system has fallen

www.youtube.com/watch?v=mX_csZhQDLk

Duman – Eyvallah / Bring it on with english lyrics

www.youtube.com/watch?v=IALDK63fhkw

Eine musikalische Symbiose bestehend aus Tradition und der Moderne

Ayna – Ceylan

www.youtube.com/watch?v=VX_fBmUNrVE

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Grafikquelle :

Oben      —     Collage von Istanbul (verbesserte Version von Istanbul Collage 5g.jpg.)

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Liberty Marsch an der Saar

Erstellt von Redaktion am 5. Januar 2022

Ein erneuter Marsch für ’Liberté’, ’freedom’ oder ’Freiheit’:

Saarbrücken Langzeitbelichtung.jpg

Saarbrücken bei Dämmerung, Blick auf die Wilhelm-Heinrich Brücke und A620.

Vor Dr. Nikolaus Götz

Mindestens 18 000 Demonstranten laufen bei Sonnenschein friedlich durch die Landeshauptstadt Saarbrücken

Es war 10 Minuten vor 16 Uhr und die Demonstranten an der Spitze des Sonntagsspazierganges erreichten, die einsehbare Luisenbrücke füllend, gerade den Abschlusskundgebungsplatz an der Kongresshalle von Saarbrücken. Schritt für Schritt zog die riesige Menschenmenge in ungeordneten mindestens ’Zehnerreihen’ am Standplatz Wilhelm-Heinrich-Brücke vorbei, bis etwa gegen 16. 20 Uhr der Abschlusswagen der Polizei das Ende des Demozuges signalisierte. Die Saarbrücker Demo mit dem Motto „Wir sagen nein zur Impfpflicht. Wir wollen keine Zweiklassengesellschaft“ war damit mit gezählten über 18 000 Teilnehmern die größte im deutschsprachigen Südwesten, dank auch der zahlreichen französischen Bürger, die gut erkennbar an der Trikolore aus dem benachbarten Lothringen hinzugestoßen waren. Wen interessiert noch, was ARD, ZDF oder der SR an absichtlich „gefakten“ Teilnehmerzahlen berichten, zumal diese filmenden Maindreamer inzwischen eher „die Polizei“ um deren Kommentare zu Demo befragen als die Demoleitung (1).

„Mettez le masque!“ und „Setzen Sie die Maske auf!“ schallte es den teilnehmende französischen Freunden wie den vielen Deutschen gegen 15 Uhr entgegen, als sich erstmals die Demoleitung am Treffpunkt der ’Alten Feuerwache’ im Zentrum von Saarbrücken zu Wort meldete. „Wir dürfen, wir können, nämlich erst losgehen, wenn 80% der Anwesenden sich an die Demovorgaben halten“, erklärte die besorgte Demonstrationsleitung. Und so verrann die Zeit und der Platz an der Alten Feuerwehr füllte sich übermäßig bis endlich der Aufbruch der Saarbrücker Protestdemo begann, eine politische Demonstration, die ja nur eine von den vielen übrigen ’Sonntagsspaziergängen’ in der Bundesrepublik Deutschland war.

Absolut friedlich erreichte der Demonstrationszug mit den vielen Protestplakaten wie „My Body, My choice“ (freie Übersetzung: „Mein Körper gehört mir!“; siehe 2), „Impfpflicht-Denkpflicht“ oder einfach nur das Hauptanliegen der vielen Teilnehmer: „Keine Impfpflicht!“ sein Ziel. Mit Papa, Mama, Opa, Oma, Kind und Kegel und in Begleitung der vielen Althippies von 68 und Friedensmarschierer von 1982/83 ging es wieder frisch, fromm fröhlich frei zur dritten (3) Saarbrücker Latschdemo. „Wir sind frech, wir sind laut, weil Ihr uns die Freiheit klaut!“ skandierten nun auch die vielen ’Sundays for Lib’ (4), ein Spruch, den sie sich von den ’Freitags-Frei-Futurkindern’ (FFF) ausgeborgt hatten.

Und die neue politische Partei „die Basis“ nutzet die anwesende Volksmasse gleich, um Stimmen für ihre noch anstehende Wahlzulassung zu sammeln. „Wer Wind sät, wird Sturm ernten!“, diese alte Volksweisheit bläst dem aktuellen Ministerpräsidenten Hans (CDU) vielleicht neue Corona-Erkenntnisse ins Gesicht: „Die politische Macht ist nur vom Volk geliehen!“ An der Kongresshalle kamen dann nach der Demoleitung auch Pfleger und Pflegerinnen zu Wort, wobei deren etwas erregt und heißerer O-Ton des Volkes anders erklang als die üblichen Norm-Berichte des SR. Natürlich lag der Berichtakzent erneut gegen die Einführung einer Corona-Impflicht und legte Wert auf die Überwindung der medial-politisch erzeugten Spaltung der Gesellschaft, wobei viel Gesagtes beim Lärm der Zurufe, dem Schall von Musikbeiträgen oder einfach beim Beifall der Masse ungehört unterging. Dass die Demonstranten keine „DDR2.0.“ wollen und deshalb auf „ihre Freiheit“ achten, dieser aussagekräftige Satz wurde allseitig gehört und erneut kräftigst applaudiert.

Staatstheater Alte Feuerwache Saarbrücken.jpg

Theater Alte Feuerwache, Saarbrücken.

In jedem Fall aber wird auch in Saarbücken weiter demonstriert werden, bis sich ein Politikwandel abzeichnet. Diese erneute Botschaft der Demonstranten an die Herren und Damen im Bürgerschloss, im Landtag ebenso wie an den aktuellen Ministerpräsidenten des Saarlandes Tobias Hans im Palais an der Ludwigskirche sollte zur Kenntnis genommen werden. Dass spätestens bei den am 27. März 2022 geplanten Landtagswahlen sich starke politische Veränderungen anbahnen dürften, sollte bei der aktuellen Stimmungslage der saarländischen Bevölkerung allen noch Landtagsparteien zu denken geben. „Kuchen essen“, ist am kommenden Wahltag vom Volk dabei nicht vorgesehen.

Anmerkungen:

1 Das Vertrauen auf objektive Berichterstattung durch die öffentlichen Medien ist durch die vielen unsäglichen Verunglimpfungen der sogenannten „Querdenker“ längst verspielt. Da hilft nur Sender abschalten, auch wenn sich nun die ARD ’Chefin’ Patricia Schlesinger nach dem Abgang von Klaus Kleber mit „Selbstkritik“ zu entschuldigen anfängt (Siehe: www.gmx.net/magazine/ News/Coronavirus/ard-chefin-selbstkritisch-spaet-impfvorbehalte-eingegangen-36479566#. homepage.threeList_5_Recommendation.ARD-Chefin äußert sich selbstkritisch zu Corona-Berichterstattung des Senders.).

Bedauerlicher Weise wagten die heutigen Organisatoren der Demo nach kurzer Rücksprache es nicht, den vorgegeben Polizeizahlen groß zu widersprechen, weswegen sie nur bescheidene „7000“ Teilnehmer der Protestaktion angaben, wobei die Polizei auf 5500 reduzierte (Siehe: www.presseportal.de/blaulicht/pm/138303/5112055). Der SR konstatierte jedoch: „Durch die hohe Teilnehmerzahl blockierte der Demonstrationszug zeitweise Wilhelm-Heinrich- und Luisenbrücke gleichzeitig.“(Siehe: www.sr.de/sr/home/nachrichten/politik_wirtschaft/corona_ demonstration_saarbruecken_100.html. Polizei wie SR bringen offen unrichtige Zahlen, um die Bedeutung des aktuellen politischen Geschehens herunterzuspielen!

2 Der Spruch knüpft an die Forderung für die ersatzlose Streichung des §218 aus der Frauenbewegung der 1980 Jahre an, ein Schandparagraph, der erst 1991 gestrichen wurde. Die pointierte Forderung eignet sich 2021/22 gut zu Neuverwendung, um gegen die drohende Impfpflicht zu aktivieren.

3 Es stellt sich die Frage, wie viele Demos die sogenannte Querdenkerszene in Saarbücken ab wann, offiziell abgehalten hat. Auskunft geben kann hierzu wohl das Saarbrücker Ordnungsamt.

4 Englisch: Sundays for Lib(eration); dt. Übersetzung: Sonntags für die Freiheit. Nach den alten Montags-Demonstrationen in der ehemaligen DDR, den ’Freitagsdemos’ der FFF, den um ihre Zukunft betrogenen Ökoschulkindern, lädt die aktuelle ’Freiheitsbewegung’ gegen die drohenden Impfpflicht und den getätigten Abbau der durch das GG garantierten Freiheitsrechte nun bewusst auf den Sonntagnachmittag ein, auch um möglichst viele Menschen zu erreichen.

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Grafikquelle :

Oben      —    Saarbrücken bei Dämmerung, Blick auf die Wilhelm-Heinrich Brücke und A620.

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Vorwürfe ./. Bremer Polizei

Erstellt von Redaktion am 5. Januar 2022

„Der Fisch stinkt vom Kopf“

Blockupy 2013 Kessel.jpg

Aus Bremen von Sebastian Heidelberger

Bremer Po­li­zis­t-In­nen werfen ihrer Behörde Rassismus vor. Doch Ermittlungen könnten schwierig werden: Die Angst vor den Kol­le­g-In­nen ist groß.

Die Bremer Polizei sieht sich deutschlandweit in einer Vorreiterrolle, wenn es um Antidiskriminierung geht. Seit fast 15 Jahren gibt es einen Integrationsbeauftragten, seit Anfang 2021 zudem eine Referentin für Vielfalt und Antidiskriminierung. Sie soll ein Konzept entwickeln, wie Sensibilität für diese Themen bei der Bremer Polizei gefördert werden kann. Trotz dieser Bemühungen wird der Behörde Rassismus vorgeworfen – und das nicht von Menschen, die der Polizei ohnehin kritisch gegenüberstehen, sondern von Po­li­zis­t:in­nen selbst.

Einer von ihnen ist Jürgen G. Er will anonym bleiben und schätzt, dass 20 bis 30 Prozent seiner Kol­le­g:in­nen rassistische Einstellungen haben und Racial Profling betreiben, also Menschen nur aufgrund ihrer Hautfarbe kontrollieren. Solche Kontrollen sind verboten. In Bremen können kontrollierte Personen sich aber eine Quittung ausstellen lassen, auf der angegeben wird, durch was sie den Verdacht auf sich gezogen haben.

Jürgen G. sagt, dass einzelne Kol­le­g:in­nen auch noch weiter gehen. „Die gehen dann los und sagen: ‚Wir checken heute mal ein paar N****r ab.‘ Wenn die bei einem Einsatz bei einer deutschen Familie sind, dann läuft alles normal. Wenn sie aber bei einer Familie sind, die farbig ist oder einen Migrationshintergrund hat, dann verhalten die sich anders. Dann wird eine Widerstandshandlung provoziert. Dann wird dem Familienvater zum Beispiel ins Ohr geflüstert: ‚Ich ficke deine Frau.‘ Wenn der dann aggressiv wird, wird entsprechend hart eingegriffen.“

Es sind Aussagen, die sich nicht überprüfen lassen. Doch bundesweit werden immer wieder ähnliche Vorwürfe laut. Wie viele Po­li­zis­t:in­nen rassistische Einstellungen haben und welche Folgen das im Dienst hat, dazu gibt es in Deutschland kaum wissenschaftliche Forschung. Eine bundesweite „Rassismus-Studie“ bei der Polizei gibt es nicht.

Forscher: Verhalts weisen werden „kulturalisiert“

In Bremen zeigte man sich offen für eine solche Untersuchung. Doch der damalige Bundesinnenminister, Horst Seehofer (CSU), lehnte diese ab. „Es wird keine Studie geben, die sich mit Unterstellungen und Vorwürfen gegen die Polizei richtet“, erklärte Seehofer. Denn die überwältigende Mehrheit seiner Be­am­t:in­nen stehe auf dem Boden des Grundgesetzes. Geht es also nur um Einzelfälle?

Jürgen G. ist anderer Meinung. Er sieht ein strukturelles Problem beim Thema Rassismus in seiner Behörde. Viele seiner Kol­le­g:in­nen würden einen „tollen Job“ machen. Er will sie nicht alle pauschal verurteilen. Er hat aber festgestellt, dass es eine problematische Polizeikultur gibt: „Man fängt an, Menschen in Schubladen zu stecken.“ Es gebe Polizist:innen, die Menschen je nach Herkunft bestimmte Eigenschaften zusprechen.

Dies hat auch der Wissenschaftler Frank Müller beobachtet. Er arbeitet als Ethnologe an der Universität Bremen. Zwischen 2014 und 2018 hat er im Rahmen eines Forschungsprojekts Bremer Po­li­zis­t:in­nen immer wieder auf Streife begleitet. Offener Rassismus sei ihm dabei nicht begegnet, sagt er. Seine Forschung habe aber gezeigt, dass sich bei der Polizei Stereotype bilden würden. Verhaltensweisen von bestimmten Bevölkerungsgruppen würden „kulturalisiert“.

„Da sagt man dann, die Polen machen dies und das oder die Russen dieses und jenes“, erklärt Müller. „Und da wird dann eben ein Sprechen und ein Denkmuster bedient, die dann in bestimmten konkreten Situationen problematisch werden können.“

Beabsichtigte Eskalation

Müller sei auch aufgefallen, dass Bremer Po­li­zis­t:in­nen bestimmte Einsätze eskalieren lassen. Die Polizei sei nicht immer neutral, sagt er. Solche Situationen träten in der Regel bei jungen Männern aus einem schwierigen sozialen Milieu auf, „die in unserer Stadt sehr häufig Migrationshintergrund, teilweise dann eben auch keinen deutschen Pass haben“.

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Die Be­am­t:in­nen hätten ein Gespür dafür, wie sie Situationen eskalieren lassen können, sagt Müller. „Sie sind durch ihre Berufserfahrung durchaus in der Lage, Situationen zu steuern. Und in der ein oder anderen Situation ist mir klar geworden: Sie steuern es jetzt gerade in eine Richtung, wo es zur Eskalation kommt.“ Laut Müller seien dies aber Provokationen von beiden Seiten. Er habe bei seinen Beobachtungen auch einen fehlenden Respekt gegenüber der Polizei wahrgenommen. „Aber umgekehrt gibt es eben auch Situationen, in denen das zurückgespielt wird“, so Müller.

Polizist Jürgen G. kennt weitere rassistische Vorfälle bei der Polizei in Bremen. Einer davon sei in der Behörde ein offenes Geheimnis. Eine Gruppe von Po­li­zei­an­wär­te­r:in­nen habe vor einiger Zeit beim Laufen das Lied „10 kleine N****lein“ gesungen. Reaktionen von Seiten der Aus­bil­de­r:in­nen habe es daraufhin nicht gegeben.

Die Bremer Innenbehörde kennt den Vorfall, der sich bei der Bereitschaftspolizei abgespielt haben soll. Es gebe Ermittlungen – allerdings zunächst ohne ein Ergebnis. Denn trotz eines Aufrufs hätten sich keine Zeu­g:in­nen gemeldet.

Auch andere Po­li­zis­t-In­nen erheben anonym Vorwürfe

Jürgen G. ist nicht der einzige Polizist im Bundesland Bremen, der seiner Behörde Rassismus vorwirft. Das belegen interne Unterlagen der Polizei schon im Jahr 2018. Darin schildert ein Polizeianwärter, der als Person mit Migrationshintergrund beschrieben wird, einen Vorfall während seiner Ausbildung in Bremen. Er sei bei einer Verkehrskontrolle dafür verantwortlich gewesen, die Fahrzeuge auszuwählen. Der Praxisanleiter sei vor Beginn der Kontrolle zu ihm gekommen und habe ihm die Anweisung gegeben: „Du hältst jetzt genau die an, die so aussehen wie du!“

Quelle      :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben      —   Blockupy 2013: Spaltung und Einkesselung der Demonstration durch die Polizei. Die Gesichter von Demonstranten wurden durch den Fotografen unkenntlich gemacht.

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Ökonomische Monokultur

Erstellt von Redaktion am 4. Januar 2022

Wirtschaftsjournalismus ist stark von der Neoklassik geprägt.

Von Valentin Sagvosdkin

Wirtschaftspolitische Empfehlungen spiegeln immer bestimmte ökonomische Theorien wider. Für die demokratische Meinungsbildung ist das fatal – aber es regt sich Widerstand.

Medien berichten häufig über Wirtschaftspolitik. Dabei dominiert eine Strömung, die bei Öko­no­m:in­nen „Neoklassik“ heißt und meist Positionen nahelegt, die auch als „neoliberal“ bezeichnet werden. Es häufen sich Studien, die dieses neoliberale Grundmuster im Wirtschaftsjournalismus belegen.

So untersuchte der Würzburger Professor für Wirtschaftsjournalismus, Kim Otto, gemeinsam mit Kolleg:innen, wie deutsche Leitmedien über Arbeitsmarktpolitik berichten. Sie durchforsteten über 100.000 Artikel aus dem Zeitraum von 1997 bis 2017. Ergebnis: Es dominierten neoklassische Ansichten, vor allem während der Regierungszeit von Bundeskanzler Gerhard Schröder, also von 1998 bis 2005. Typische neoklassische Positionen sind etwa, dass die Steuern für Unternehmen zu senken seien und der Arbeitsmarkt „flexibel“ sein müsse. Was das heißt, haben Millionen Beschäftige und Arbeitssuchende zu spüren bekommen: mehr Zeitarbeit, mehr Werkverträge, Hartz IV.

Zu wirtschaftlichen Fragen wird die Expertise (meist männlicher) „Top-Ökonomen“ oder „Experten“ von ausgewählten Forschungsinstituten herangezogen. Sie werden zwar oftmals mit Namen und Institution zitiert – der theoretische Hintergrund ihrer Einschätzung wird aber kaum eingeordnet. Die typisch neoliberale Erzählung geht so: Der Staat ist in Wirtschaftsfragen eher inkompetent. Er sollte dem Markt zwar einen gewissen Rahmen setzen, aber im Sinne der „schwäbischen Hausfrau“ möglichst keine Schulden machen, da diese auf Kosten zukünftiger Generationen gehen würden. Mindestlöhne sollten möglichst niedrig sein, um die Unternehmen nicht zu belasten und Arbeitsplätze nicht zu gefährden. Klimaschutz funktioniert am besten, indem die Natur mit einem Preisschild versehen wird und wir auf technische Innovationen und Wachstum setzen. Kurz: „Der Markt“ regelt.

Beim Gebäudeeinsturz in Sabhar (bengalischসাভারSābhārenglischSavar) etwa 25 km nordwestlich der Hauptstadt Dhaka in Bangladesch am 24. April 2013 wurden 1135 Menschen getötet und 2438 verletzt.[1][2] Der Unfall ist der schwerste Fabrikunfall in der Geschichte des Landes.[3]

Öko­no­m:in­nen anderer Strömungen sehen das jedoch anders: So können die Ausgaben des Staates als Investitionen für die Zukunft betrachtet werden. Mindestlöhne gefährden keine Arbeitsplätze – schließlich werden die Löhne wieder ausgegeben und kommen den Unternehmen dann als Einnahmen zugute. Klimaschutz erfordert ein Umdenken: Statt von einem angeblich einheitlichen Markt zu reden, sollten besser nachhaltige Konzepte von zukunftsfähigen Unternehmungen gefördert werden. Viele Öko­no­m:in­nen gehen inzwischen davon aus, dass eine rechtzeitige Begrenzung der Erderhitzung unmöglich ist, wenn die Wirtschaft weiterhin auf Wachstum ausgerichtet ist. Sie haben neue Ansätze entwickelt, die Natur und Wohlstand nicht nur durch die ökonomische Brille des Geldes betrachten. Wirtschaftspolitische Empfehlungen spiegeln also immer bestimmte ökonomische Theorien wider. Im Gewand der ökonomischen Expertise werden wirtschaftspolitische Positionen transportiert, die alles andere als neutral sind. Die Dominanz einer spezifischen Sichtweise ist nicht nur für die demokratische Meinungsbildung fatal. Sie verschärft auch Fehlentwicklungen.

So wurde in der Finanzkrise 2007 medial noch Beruhigungsrhetorik erzeugt, während der Crash schon in vollem Gange war. Neoklassische Ökonomen hatten die Krise schlicht nicht kommen sehen. Mehr noch: Auch im Nachhinein wurde die Krise ganz im Sinne der neoklassischen Auffassung als plötzliches Ereignis von „außerhalb“ erklärt. In der Berichterstattung wurden blumige Umschreibungen wie „Tsunami“, „Erdbeben“ oder „Herzattacke“ verwendet, die nahelegen, dass die Krise Zufall gewesen sei, was zukünftige Regulierungen unnötig mache. Aktuell sieht es nicht besser aus: So zeigt eine Studie von Hendrik Theine und Andrea Grishold von der Wirtschaftsuniversität Wien, dass das Thema Vermögensteuer in deutschen Leitmedien kaum diskutiert wird. Wenn es überhaupt einmal behandelt wird, dürfen sich vor allem jene Ökonomen äußern, die derartige Reformen ablehnen – und dabei vermeintlich neutrale wissenschaftliche Argumente ins Feld führen.

Quelle     :      TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben      —     Graffiti „Destroy Capitalism!“ auf einer Fabrikmauer

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Neue Politik, neue Chance?

Erstellt von Redaktion am 4. Januar 2022

Was wir ab sofort wirklich brauchen

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Frei nach Heinrich Heine könnte man hoffnungsvoll reimen: Neues Jahr, neue Politik – neue Politik, neue Chance. Wäre da nicht die Bequemlichkeit alter Gewohnheiten, von denen man sich nur ungern trennt und die ja so geeignet sind, das Volk bei Laune zu halten.

Nun zeigt uns aber ein Viruswinzling in allen möglichen Varianten, dass unsere wohlstandswütige Politik nicht nur in einer Sackgasse feststeckt, sondern uns vor allem in eine brutale Spaltung unserer Welt in arm und reich geführt hat. Und unsere vielbeschworene Demokratie wird erschreckend brüchig durch viel schmutziges Geld, mit dem sie sich immer wieder bestechen läßt. Was der homo sapiens mit seinem Verstand nicht schafft, wird jetzt von einem Virus erzwungen.

Wir müssen wieder ehrlicher und respektvoller mit der Erde, unseren Mitmenschen und der Natur umgehen. Es ist einfach obszön, wenn das reichste Prozent mehr Vermögen als der gesamte Rest der Weltbevölkerung besitzt. Ein Grund für diese brutale, soziale Ungerechtigkeit ist die schamlose Politik der Superreichen und Konzerne, sich ihrer Verantwortung für die Gesellschaft durch Steuertricks und Steuervermeidung zu entziehen. Unsere Politiker schauen dabei nicht nur tatenlos zu, sondern übertünchen diese weltweit praktizierte Form der Ausbeutung jetzt auch noch mit dem hübschen aber völlig intransparenten Begriff der ‚regelbasierten Ordnung‘.

Diese ist aber längst als Tarnbegriff für die Durchsetzung westlicher Macht in Wirtschaft und Politik entzaubert. Mit der Charta der Vereinten Nationen haben wir bereits ein geregeltes Völkerrecht, das aber dem räuberischen Kapital wohl zu hinderlich ist. Hier muss die Politik unverzüglich im Sinne des Gemeinwohls der Weltvölker tätig werden, wenn Demokratie überhaupt noch einen Sinn haben und überleben will.

Conferentie traf Ass. Business Ltd. en Verbond Nederlandse Ondernemingen in RAI A, Bestanddeelnr 925-1740.jpg

Prof. J. K. Galbraith

Der andere große Problemkreis ist die nicht mehr zu übersehende, schamlose Ausbeute der Menschen durch das Kapital. Der US-Ökonom John Kenneth Galbraith hat diesen neoliberalen Wirtschaftswahn als „Kürzung der Sozialtransfers für Arme und Senkung der Steuern für Reiche“ charakterisiert, und genau dagegen muss eine die Zukunft gestalten wollende Politik angehen.

Mehr Geld für Bildung, eine menschenwürdige Arbeitslosen- und Alterssicherung, klassenlose Gesundheitssysteme, gerechter Lohn für ehrliche Arbeit und eben nicht zulassen, dass der Vorstandsvorsitzende eines der fünf größten Modekonzerne in nur vier Tagen so viel verdient wie eine Näherin in Bangladesch in ihrem ganzen Leben. Solche Relationen sind einfach nicht hinnehmbar, da unanständig. Appelle und Willenserklärungen der Industrie, die immer wieder umgangen werden, helfen da nicht. Hier muss die Politik klare Vorgaben mit Sanktionen machen, wenn sie glaubwürdig vor dem Wählervolk bestehen will.

Aber schlussendlich sind auch wir gefordert, unsere Lebensweise und unser Konsumverhalten so zu gestalten, dass dadurch unsere Mitmenschen und die Natur keinen Schaden nehmen. Mehr Demut, Respekt, Bescheidenheit und Achtsamkeit sind für den Fortbestand unserer Welt wichtiger als blinder, geldgeiler Fortschrittswahn und ein perverser Aufenthalt in einem Weltraum-Hotel.

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Oben       —     Protest von Fridays For Future und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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EU-Entwurf zur Taxonomie

Erstellt von Redaktion am 4. Januar 2022

Atomstrom als Religion à la Macron

Angela Merkel und Emmanuel Macron (2019.10.09).jpg

Nur im Gebet vereint – ein Küssen recht und links – das war es.

Von Christine Longin

Energiewende mal anders: Frankreichs Präsident setzt sich vehement für Meiler ein. Die Bevölkerung ist erstaunlicherweise dafür.

Die Frage, wann der Druckwasserreaktor EPR am Ärmelkanal endlich in Betrieb geht, wird in Frankreich kaum noch gestellt. Denn die Entwicklung auf der Dauerbaustelle im Nordwesten des Landes ist zweitrangig geworden, seit Präsident Emmanuel Macron klar gemacht hat, dass die EPR-Technologie trotz ihrer Pannenserie eine Zukunft hat. Er werde weitere solcher Reaktoren bauen, kündigte der Staatschef in einer Rede bereits im November an.

Dazu sollen neue Mini-Reaktoren kommen. „Wir brauchen diese Technologie auf alle Fälle“, versicherte der frühere Wirtschaftsminister, der aus seiner Begeisterung für die Atomkraft nie einen Hehl machte. Deshalb verhandelte Frankreich in den umstrittenen EU-Entwurf zur Taxonomie auch die Kernkraft als „nachhaltig“ hinein.

Die Mehrheit der Bevölkerung ist für Atomkraft. Nach Jahren des Zweifels erlebt „le nucléaire“ gerade einen zweiten Frühling. Laut einer Umfrage vom Oktober sind 53 Prozent der Französinnen und Franzosen der Ansicht, dass die Atomkraft eine „gute Sache“ für ihr Land ist. In den 1990er Jahren vertraten weniger als 30 Prozent diese Meinung. Mit einem Atomstromanteil von 70 Prozent ist Frankreich das Land mit der meisten Nuklearenergie in Europa.

Das Energiewendegesetz sieht vor, den Anteil der Kernenergie am Strommix bis 2035 auf 50 Prozent herunterzufahren, doch die dazu nötige Schließung eines Teils der 56 Reaktoren ist noch nicht beschlossen. Bisher gingen lediglich die beiden Reaktoren des ältesten Atomkraftwerkes im elsässischen Fessenheim unweit von Freiburg vom Netz. Ihre Abschaltung war zunächst an die Inbetriebnahme von Flamanville geknüpft. Doch der Pannenreaktor, der bereits 2012 Strom produzieren sollte, wird frühestens zum Jahresende fertig. Mit 19 Milliarden Euro ist er zudem sechs Mal so teuer wie einst geplant, da während der Bauarbeiten immer neue Schwächen auftraten.

Angesichts der Summen, die in die Atomkraft fließen, wirken Solarenergie und Windkraft wie Stiefkinder der Energiepolitik. Die Erneuerbaren lieferten 2020 gut 19 Prozent zum Energiemix zu. Laut dem französischen Umweltministerium wurden 2018, dem letzten erfassten Jahr, 8,6 Milliarden Euro in „alternative Energien“ investiert. Ein Klacks im Vergleich zu den 100 Milliarden Euro, die der ohnehin hoch verschuldete staatliche Stromkonzern EdF für die Renovierung des alternden Atomparks zahlen muss.

Quelle        :      TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

Atompolitik der EU: Streit gehört dazu

Kernkraftwerk Brokdorf 2006 (cropped).jpg

Kommentar von Gereon Asmuth

EU-Befürworter-Innen, die Atomkraft ablehnen, bringt die Idee einer klimafreundlichen Atomenergie in ein Dilemma. Der Kampf muss weitergehen.

Es ist ein echter Schuss vor den Bug von Grünen. Ausgerechnet die hierzulande größten Fans des europäischen Projekts müssen nun wegstecken, dass ihre geliebte Europäische Union der Atomkraft ein formidables Greenwashing verpasst. Die Welt soll vor der Klimaerwärmung gerettet werden, indem man sie dem Risiko einer Jahrtausende währenden Verstrahlung aussetzt. So einen ökologischen Unsinn von politischen Mit­strei­te­r:in­nen muss man erst mal verkraften.

Damit nicht genug, strahlen konservative Möchtegernrechthaber auch noch vor Schadenfreude. Jetzt werde man sehen, wie europäisch die Grünen sind, die sonst stets Polen und Ungarn kritisieren, höhnte etwa Ulf Poschardt von der Welt. Da kann man sich schon mal grün ärgern.

Aber sind die Grünen nun dazu verdonnert, den nuklearen Unsinn mitzutragen, wenn sie ihre transnationalen Ideale nicht verraten wollen? Im Gegenteil! Die EU lebt vom demokratischen Streit, vom Dissens, vom politischen Wettbewerb. Ganz ähnlich übrigens wie Deutschland, wo man über Jahrzehnte vehement die Atomkraft bekämpfen konnte, ohne gleich den demokratischen Staat in Gänze ablehnen zu müssen.

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Angela Merkel und Emmanuel Macron in Paris

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Die Außenpolitik der Ampel

Erstellt von Redaktion am 3. Januar 2022

Unsensibel gegenüber Afrika

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Von Dominic Johnson

Die Notwendigkeit von Veränderung im Umgang mit Afrika ist offensichtlich. Aber der Regierungswechsel in Deutschland bringt keinen Politikwechsel.

Welche Afrikapolitik erbt Deutschlands Ampelkoalition von Angela Merkel? Die unzähligen Gipfelreden der vergangenen Jahre finden sich auf Seite 156 des Koalitionsvertrags nahtlos fortgesetzt: es geht um Partnerschaft, Zusammenarbeit, Reformen, Europa. Das spricht für Kontinuität und zugleich für Bedeutungslosigkeit: Afrika ist nicht wichtig genug für Kontroversen.

Aber es ist wichtig genug für Geschäfte. 2021 war der größte Käufer deutscher Rüstungsgüter ein afrikanisches Land: Ägypten, das mit Rüstungsexportgenehmigungen in Höhe von 4,339 Milliarden Euro fast die Hälfte der Gesamtsumme des Jahres ausmacht. Ein Großteil der Genehmigungen erfolgte in den letzten Tagen der alten Bundesregierung – ohne Öffentlichkeit.

Ägypten ist nicht nur eine Diktatur mit einem brutalen, allmächtigen Militär, sondern auch Partei im Konflikt um den Nil zwischen zwei Schwergewichten Afrikas. Für Ägypten ist der Staudamm, den Äthiopien am Oberlauf des Blauen Nils gebaut hat, eine existenzielle Bedrohung seiner Wasserversorgung – für Äthiopien eine existenzielle Notwendigkeit seiner Energieversorgung.

Aus Ägypten sind kriegerische Töne gegen Äthiopien laut geworden, Äthiopien versinkt im Bürgerkrieg und im zwischen beiden Ländern liegenden Sudan wehrt sich eine mutige Demokratiebewegung gegen einen von Ägypten gestützten Militärapparat. Und was macht Deutschland? Verkauft Fregatten und Luftverteidigungssysteme an Ägypten. Das afrikanische Land, das sich 2021 am meisten über Deutschland aufregte, war derweil Marokko.

Deutsche Waffen für Algerien

Es befindet sich an der Schwelle zum Krieg gegen Algerien, in den Merkel-Jahren ein weiterer Großabnehmer deutscher Rüstungsgüter. Von Algerien aus und mit Algeriens Segen kämpft die Westsahara-„Befreiungsarmee“ Polisario, die 2020 den jahrzehntelangen Waffenstillstand mit Marokko aufkündigte. Marokko legte seine Beziehungen zu Deutschland auf Eis und ist heute ein militärischer Verbündeter Israels.

All das ergibt eine aus deutscher Sicht originelle Konfliktkonstellation. Aber sieht dies in Deutschland jemand? Von Berlin aus ist Nordafrika nicht Afrika, sondern Naher Osten. Man nimmt Afrika nicht als Ganzes wahr, man sieht keine Machtverhältnisse, keine Geopolitik, möglichst keine Akteure mit Eigeninteressen. Man verharrt in Entwicklungspolitik und humanitärer Hilfe, einem Afrika als unpolitischer Empfänger von Gaben und Reformprojekten.

Dass die zuständigen Ministerien jetzt allesamt die Partei wechseln – das Auswärtige Amt von der SPD zu den Grünen, das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit von der CSU zur SPD –, dürfte daran wenig ändern. Die Apparate und Vereinbarungen bleiben. Immerhin enden jetzt Kuriositäten wie die Existenz eines persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin, Günter Nooke, mit Sitz im BMZ.

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Berlin betrachtet Nordafrika als Nahen Osten

Ob Nookes Steckenpferde – etwa die Rehabilitation des deutschen Kolonialismus oder das Begehr, Kongos Energiequellen zum Export nach Deutschland statt zur Versorgung Afrikas zu nutzen – erhalten bleiben, dürfte einiges über das zukünftige Bild Deutschlands in Afrika aussagen. Mehr Sensibilität für Afrikas Wahrnehmung der eigenen Geschichte und für Afrikas Prioritäten bei der Verbesserung der eigenen Lebensumstände wären gute Fortschritte.

Dies gilt auch in der Migrations- und Flüchtlingspolitik, für viele afrikanische Staaten der wichtigste Bereich politischer Interaktion mit Deutschland. Interessengeleitete Außenpolitik ist hier längst Realität. Legale Möglichkeiten zur Einreise aus Afrika nach Europa gibt es nur noch für eine schmale Elite. Die Ausgrenzung von Milliarden Menschen wird schon gar nicht mehr hinterfragt, ebenso wenig ein Afrikabild, in dem jeder Afrikaner ein potenzieller Flüchtling oder Migrant ist.

Quelle      :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben       —   Afar-Hamed Ela

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Unten      —      Günter Nooke (Afrikabeauftragter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), Deutschland)

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„Vorsicht Mogelpackung!“

Erstellt von Redaktion am 3. Januar 2022

SPD-Kanzler Olaf Scholz ruft zu Zusammenhalt auf

2021-12-07 Unterzeichnung des Koalitionsvertrages der 20. Wahlperiode des Bundestages von Sandro Halank–110.jpg

Das ist mein Gebetbuch für die Zukunft – Meine Vergangenheit habe ich vergessen – Halleluja 

Von Wolfgang Gerecht,

Jetzt ist sie gelaufen die erste „Neujahrsansprache des Neukanzlers Olaf Scholz (SPD) in der Nationalfunkanstalt ZDF am 31.12.2021

Der glückliche Gewinner der „Auswahl“ unter den charakterlich und/oder fachlich am wenigsten geeigneten Bundeskanzler-Kandidaten / innen heißt, Olaf Scholz.

Er, der Chef des nun regierenden Dreierteams, ruft uns in diesen schweren Tagen „zum Zusammenhalt“ auf. Zu was denn sonst? Zum Böllern etwa?

Doch was ist der Unterschied zwischen dem Merkelschen „Für ein Deutschland in dem

wir gut und gerne leben“ von 2017 und dem Olafschen ’Zusammenhalt’ von 2021?

Begriffsklärung bringt der Blick in die jüngste Geschichte der BRD: Olaf, der ehemalige Hamburger Erste Bürgermeister – wurde auch bekannt durch seine Verstrickungen in die Cum-ex Affäre der Warburg Bank und durch seine erstaunliche Passivität als Finanzminister im Kabinett von Frau Merkel in einem der größten Skandale der deutschen Unternehmensgeschichte, des DAX-Unternehmens ’Wirecard’ (1).

Scholz bestreitet in seiner ersten Neujahrsansprache als Kanzler, dass die deutsche Gesellschaft infolge der Corona-Pandemie gespalten sei. Er behauptet: „Unser Land“, was immer und wer immer das auch sein mag, so sagt er, „steht zusammen!“. Gleichzeitig ruft Scholz zu ’Zusammenhalt’ der BürgerInnen auf.

Jeder objektive Betrachter der derzeitigen politischen Verhältnisse kann sehen und beurteilen, dass die Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland jedoch deutlich gespalten ist. Und diese Spaltung ist primär eine Folge der AGENDA 2010. Einer Politik von CDU-CSU-SPD. Es würde den Rahmen dieses Artikels sprengen, hier

all die Beweise aufzulisten, die eigentlich den aktiven Menschen tagtäglich erneut

vor Augen geführt werden.

Alles für das große Kapital, alles für die Reichen und die Super-Reichen!“,

das war und ist die Devise der Sozial-Demokratischen-Partei seit Exkanzler Schröder bis zum heutigen “Glücks-Kanzler“ der „Wahl-Lotterie“ der letzten Septembertage.

Olaf Scholz, zu Schröders Zeiten General-Sekretär der SPD und neben Kanzleramtsminister Steinmeier, hat als wichtiger Funktionsträger mit der

AGENDA 2010’ zur weitgehenden Zerschlagung des grundgesetzlich

vorgesehenen Sozialstaates beigetragen. Ebenfalls dabei waren damals

die DGB-Gewerkschaften und der Bund Deutscher Arbeitgeber (BDA).

Heute nach 17 Jahren Ausbeutungspraxis wollen sich SPDler wie Scholz und

der heutige General-Sekretär Klingbeil (damals Büroleiter von Schröder) mit dem Wahlversprechen von 12 Euro Mindestlohn pro Arbeitsstunde bei der riesigen Gruppe der „Niedriglöhner“ (2) beliebt machen.

Abgesehen von der angekündigten Prüfung des juristischen Widerstandes des Arbeitgeberverbandes gegen die 12 € / Std Mindestlohn, würde das Finanzministerium des Staatsapparates viele Millionen Euro an Zahlungen für die sogenannten „Aufstocker“ sparen. Dies müssten dann aber die Arbeitgeber zahlen, wogegen diese sich natürlich wehren.

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Die Drei von der zukünftigen Zankstelle – Folgend dem Motto Abstand statt Anstand ?

Ähnlich ist der Abbau der Rentenansprüche der hart arbeitenden Mehrheit der Bürger. Die Anzahl der Rentner Innen, die eine unter dem Sozialhilfe-Satz befindlichen Rente bekommen, steigt seit Jahren an. Diese Gruppe bekommt ihre Rente bis zum Sozialhilfe-Satz (Regelsatz und Kosten der Unterkunft) „aufgestockt“ (Systematik wie beim Niedriglohn). Geringfügige Beschäftigung in schweren und schlecht bezahlten Jobs im Rentenalter (Zeitungsaustragen u.s.w.) bis zum „Flaschen-Sammeln“ oder noch am geringen „Regelsatz“ (449 € ab Jan.2022) sparen, sind die Folgen (3). Der ZDFtext am Sa, 01.01.2022: Jedem dritten Beschäftigten droht nach 45 !!! Berufsjahren in Vollzeit eine Bruttorente von unter 1.300 Euro, nach Abzug von Kranken- u. Pflegeversicherung bleiben 1.160 Euro.

Ein weiteres „Wahlversprechen“ war die „Bekämpfung“ der Wohnungsnot, durch

den jährlich geplanten Neubau von 400.000 Wohnungen, davon 100.000 öffentlich geförderte Wohnungen, was immer das auch konkret heißen möge.

In der Bundeshauptstadt Berlin wird nach den Befürchtungen erheblicher Teile der

Partei DIE LINKE, das von über eine Million Menschen unterzeichnete Enteignungs-verfahren (mit „Entschädigung“) gegen große Immobilien-Konzerne mit der

SPD-GRÜNE-LINKE-Regierung über den verwaltungs- und juristischen Weg zu Grabe getragen. Federführend und Haupttriebkraft ist die SPD-Frau ohne Dr., Giffey. Aber,

mit dabei, ist die streng staatskonforme Mehrheit der Partei DIE LINKE! (4)

Mit den aktuellen Führungsrepräsentanten – Scholz (SPD) – Habeck/Baerbock (GRÜNE) – Lindner (FDP) hat die Verwaltung des – über der Regierung stehenden – dominanten Kapitals, sei es bundesdeutschen oder auch internationalen Ursprungs, eine „Traum-Besetzung“ für die Beherrschung der rund 80 Millionen Einwohner in der BRD durch die ach so demokratischen Wahlen bekommen. Schick! Aber über 23% der Wahlberechtigten hatten keine ’Aus-Wahl’ bei dieser Septemberwahl erkannt und votierten zu hause bleibend: ’Wahlaus’!

Es darf davon ausgegangen werden, dass diese SPD-GRÜNE-FDP-Regierung für etwa 30-40% der Wahlbevölkerung in den nächsten 4 Jahre nichts Gutes bedeutet.

Und für diese viele Millionen zählende Menschen gibt es keine politische Vertretung.

Anmerkungen:

1 Siehe: https://de.wikipedia.org/wiki/Wirecard oder vergleiche auch: www.finanzwende.de/themen/cumex/olaf-scholz-und-die-warburg-bank/

https://www.jungewelt.de/artikel/417594.finanzskandale-cum-ex-holt-scholz-ein.html

2 Schröder (SPD): Der größte Niedriglohn-Sektor in der Europäischen Union!

https://de.wikipedia.org/wiki/Mindestlohn#Allgemeiner_gesetzlicher_Mindestlohn

3 Siehe: www.bundesregierung.de/breg-de/suche/regelsaetze-steigen-1960152

4 Siehe: https://linke-erneuern.de/

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Grafikquellen      :

Oben       —       Unterzeichnung des Koalitionsvertrags für die 20. Bundestagswahl am 7. Dezember 2021

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Wann war es denn je anders

Erstellt von Redaktion am 2. Januar 2022

Realpolitik zählt, nicht Werte

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Wenn auf den größten Verbrecher, nach Ende des Krieg nur Lumpen folgen

Von Rüdiger Lüdeking

Der Westen empört sich moralisch über Russland. Das ist falsch. Stattdessen sollte man die Sicherheitsinteressen von Präsident Putin ernst nehmen.

Der Videogipfel zwischen dem russischen Präsidenten Putin und seinem US-Kollegen Biden hat die Fronten geklärt. Wie bei diesem Gespräch am 7. Dezember deutlich wurde, geht es Russland im Kern darum, ein weiteres Vordringen der Nato in den postsowjetischen Raum zu blockieren. Vor allem soll verhindert werden, dass die Ukraine der Nato beitritt. Und Biden hat – kaum überraschend – nicht näher definierte wirtschaftliche Konsequenzen angedroht, falls es zu einer russischen Militäraktion gegen die Ukraine kommen sollte.

Die Nato hat in einer Erklärung am 16. Dezember verdeutlicht, dass sie es als Russlands Aufgabe ansieht, den Konflikt zu deeskalieren. Sie vertritt den Standpunkt, dass die Frage eines Nato-Beitritts lediglich eine Angelegenheit zwischen der Ukraine und den 30 Nato-Mitgliedstaaten sei. Damit stellt sie die Existenz legitimer russischer Sicherheitsinteressen in Abrede und negiert letztlich eine „gemeinsame Sicherheit“ der Staaten Europas. Viele westliche Experten sprechen jetzt von unüberbrückbaren Differenzen, wollen an der gerade von den USA aggressiv forcierten Nato-Erweiterung festhalten und geben sich der Illusion hin, Russland durch verschärfte Sanktionen zum Einlenken bewegen zu können. Dabei sollte doch nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre klar sein, dass Russland sich durch – zumal öffentliche – Positionierungen des westlichen Bündnisses nicht demütigen lassen wird.

Die Ukraine-Krise bleibt brisant, und die Kriegsgefahren sind nicht gebannt. Dieser ernüchternde Befund steht in krassem Gegensatz zu den beiderseitigen Bemühungen zu Beginn der 1990er Jahre, den Kalten Krieg zu überwinden und einen Raum gemeinsamer und gleicher Sicherheit in Europa zu schaffen. Zu diesem Zweck waren die Nato-Staaten bereit, Konzessionen zu machen. So enthält schon der 2+4-Vertrag über Deutschland aus dem Jahr 1990 eine Obergrenze für die Bundeswehr; außerdem verbietet er die Stationierung von ausländischen Streitkräften sowie von Kernwaffenträgern auf dem Territorium der ehemaligen DDR. Und schließlich ist die Nato-Russland-Grundakte 1997 nicht nur von dem Bekenntnis zu unteilbarer Sicherheit und Zusammenarbeit getragen; in ihr hat die Nato auch dezidiert zugesagt, keine „substanziellen Kampftruppen“ und Kernwaffen in den Nato-Beitrittsstaaten zu stationieren.

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Die EU spielt Lehrer Lämpel – und macht sich selbst zum Hansel

Dies waren Schritte zu einem Interessenausgleich. Heute dagegen sind konfrontative Töne und ein unversöhnlicher Antagonismus vorherrschend. Auch unter dem Eindruck der zunehmend autoritären und repressiven Innenpolitik in Russland weigert sich die westliche Seite, von Putin verlangte Sicherheitsgarantien und die geforderte Wahrung eines Einflussbereiches als legitim anzuerkennen.

Die Außenpolitik der neuen Bundesregierung scheint im Wesentlichen durch moralische Entrüstung über das Regime Putin geprägt zu sein. Statt sich nachhaltig für eine Deeskalierung und Verhandlungen mit Russland einzusetzen, beschäftigt sie sich intern offenbar vornehmlich mit der Frage, ob unter den obwaltenden Umständen die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 überhaupt erfolgen darf. Am Rande sei erwähnt, dass mögliche russische Gegenmaßnahmen wie der Stopp von Energielieferungen völlig unbeachtet bleiben. Auch die realpolitische Erwägung, dass eine wirtschaftliche Schwächung Russlands sicherheitspolitische Instabilitäten zur Folge haben kann, scheint keine Rolle zu spielen.

Überhaupt: Außenpolitisch scheint man vor allem auf „Wertebasierung“ statt Realpolitik zu setzen. Dabei muss es doch darum gehen, eine kriegerische Auseinandersetzung in Europa zu verhindern. Deshalb ist es notwendig, Chancen für Dialog und Verhandlungen zu nutzen. Am 17. Dezember hat Russland Vorschläge vorgestellt, und sie bieten zumindest einen Ansatz für Gespräche, selbst wenn sie in zentralen Punkten völlig inakzeptabel sind. So kann die Nato beispielsweise den geforderten vertraglichen Verzicht auf eine Erweiterung keinesfalls akzeptieren. Die russischen Vorschläge für eine vertrauensbildende Rüstungskontrolle könnten hingegen eine Grundlage für ernst zu nehmende Verhandlungen bieten. Gleiches gilt für die russische Absicht, den Einsatz bestimmter Waffen zu beschränken. So ist es beispielsweise auch für den Westen von Interesse, über eine Nichtstationierung von Raketen mittlerer und kürzerer Reichweite zu verhandeln, nachdem der entsprechende INF-Vertrag 2019 weggefallen ist.

Quelle         :       TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Relief „Ludwigs Erbe“ von Peter Lenk, nähe Zollhaus und Tourist Information, Hafenstraße 5, Ludwigshafen am Bodensee, Bodman-Ludwigshafen in Deutschland: Rechter Teil des Triptychons, von links nach rechts: Hans Eichel, Gerhard Schröder, Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle

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Unten        —           Bushaltestelle Kremenholl/Paulstraße in Remscheid

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Das Drama an Polens Grenze

Erstellt von Redaktion am 2. Januar 2022

Europas Abschied vom Asylrecht

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„Schießt Frontex nieder“  – Wo die EU beginnt –  hört die Freiheit auf!

Von Maximilian Pichl

Im Jahr 2021 feierte die Staatengemeinschaft das 70jährige Jubiläum der Genfer Flüchtlingskonvention – das bis heute wichtigste internationale Dokument für den Flüchtlingsschutz. Die mittlerweile von 149 Staaten unterzeichnete Konvention entstand im Jahr 1951 in Reaktion auf die millionenfachen Fluchtbewegungen in Europa infolge des nationalsozialistischen Terrors, den fehlenden Willen der internationalen Staatengemeinschaft, den europäischen Jüdinnen und Juden Schutz zu gewähren, und die damit zusammenhängende Rechtlosigkeit von Geflüchteten.

Heute jedoch wird die Gültigkeit der Konvention ebenso wie ihre Umsetzung in europäisches Recht grundsätzlich infrage gestellt: An den europäischen Außengrenzen werden Schutzsuchende immer öfter brutal abgewiesen und ihnen wird ein individuelles Asylverfahren verwehrt. Die Eskalation der Situation an der polnisch-belarussischen Grenze im Oktober und November 2021 markiert eine besonders dramatische Episode dieser systematischen Politik der Entrechtung.

Schon im November waren dort laut Zählung der „taz“ insgesamt 13 Menschen gestorben.[1] Statt jedoch die humanitäre Notlage zu beenden, sprechen die EU-Mitgliedstaaten von einem „hybriden Krieg“, den der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko mittels der „Migranten“ führen würde. Zwar verfolgt dieser mit dem Durchwinken der Geflüchteten tatsächlich handfeste politische Interessen, nämlich das Ende der EU-Sanktionen gegen sein Land. Die EU wiederum ist angesichts der Tatsache, dass in der Vergangenheit alle Bemühungen einer innereuropäischen Umverteilung von Asylsuchenden gescheitert sind, in dieser Frage leicht erpressbar. Dennoch dient das Bedrohungsszenario von der hybriden Kriegsführung, das angesichts von einigen Tausend schutzsuchenden Geflüchteten an der Grenze gezeichnet wird, den EU-Regierungen vor allem als Rechtfertigung, um sich ihrer rechtsstaatlichen Verantwortung zu entledigen.

Rechtlich betrachtet ist die Situation an der polnisch-belarussischen Grenze eigentlich recht einfach zu bewerten: Pushbacks – also die Zurückweisung von schutzsuchenden Menschen an der Grenze ohne ein individuelles Verfahren – sind nach Europa- und Völkerrecht verboten. An dieser Rechtslage ändert auch das neue polnische Gesetz vom Oktober 2021 nichts, demzufolge die Grenzschutzkommandeure Geflüchtete umgehend des Landes verweisen dürfen. Denn Polen ist als EU-Mitgliedstaat an das höherrangige europäische Recht gebunden und kann diese Verpflichtungen nicht durch nationale Regelungen umgehen. Auch das höchst umstrittene Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Zurückweisungen an der spanisch-marokkanischen Grenze aus dem Februar 2020 bietet der polnischen Regierung keinen Freifahrtschein: Laut dem EGMR dürften Zurückweisungen nur erfolgen, wenn die betroffenen Personen die Grenze gewaltsam und in einer großen Gruppe überwinden wollen und sie zugleich legale Zugangswege meiden.[2] Aber Polen hat gerade keine Möglichkeit für Schutzsuchende geschaffen, legal an der Grenze einen Asylantrag zu stellen.

Für die Geflüchteten an der Grenze hat diese Rechtslage jedoch in der Praxis kaum einen Wert. Polen hat den Grenzraum militärisch abgesichert und die polnische Asylpraxis ist von enormer Willkür geprägt, wie die Rechtsanwältin Marta Górczynska berichtet.[3] Auch Journalisten und Menschenrechtsbeobachtern wird kein Zugang in die Grenzregion gestattet. Doch ohne eine Dokumentation der Vorfälle lassen sich Pushbacks vor Gericht nur schwer beweisen. Aufgrund der rigiden Kontrollen wird den Geflüchteten zugleich der Zugang zu Rechtsberatung und -vertretung verwehrt. Damit aber fehlt ihnen eine wichtige Voraussetzung, um ihre Rechte vor Gericht einklagen zu können.

Die Verantwortung der EU

Dass an der Grenze eine „Black Box“ errichtet wird, ist jedoch keine polnische Besonderheit: Die Innenminister der EU versuchen seit langem, die Anwendung des geltenden Rechts zu umgehen, sei es an der griechischen, der italienischen oder der spanischen Grenze.[4] Dahinter steht das Kalkül, die Durchsetzung des Rechts so schwer wie nur möglich zu gestalten. Dass die polnische Regierung für ihre Abriegelung der Grenze – geplant ist unter anderem eine 5,5 Meter hohe und 140 Kilometer lange Stahlbarriere – Beifall und Solidaritätsbekundungen aus vielen EU-Mitgliedstaaten und auch von führenden deutschen Politikern erhalten hat, trägt zur Unterstützung dieser Politik der Entrechtung bei.

Was an der polnischen Grenze passiert, liegt in mehrfacher Hinsicht in der Verantwortung der Europäischen Union. Die EU-Kommission und viele Mitgliedstaaten betrachten die visafreie Einreise von Geflüchteten über den Flughafen von Minsk als den Versuch, die EU zu erpressen. Doch wenn sich die EU in einer Lage befindet, in der sie durch autoritäre Machthaber auf diese Weise unter Druck gesetzt werden kann, so hat sie das selbst zu verantworten. Seit mehr als dreißig Jahren werden schrittweise alle legalen Fluchtwege in die EU, ob zu Land, per Flugzeug, über das Mittelmeer oder per direkter Aufnahme aus dem Ausland, versperrt. Schutzsuchende werden so regelrecht dazu gezwungen, illegale Wege zu beschreiten.

Verantwortungslos handelt die EU auch in ihrem Umgang mit der polnischen Regierung. Die EU-Kommission ist die „Hüterin der Verträge“ und müsste auch das in Artikel 18 der EU-Grundrechtecharta kodifizierte individuelle Asylrecht verteidigen. Vorrangig sicherte die Kommission der polnischen Regierung jedoch eine solidarische Unterstützung bei der Grenzabwehr zu. Auf einem Treffen Mitte November verständigten sich die EU-Außenminister zudem darauf, mit den Herkunftsländern der Geflüchteten Vereinbarungen zu ihrer Rückkehr zu treffen, ohne vorher ihre Asylgesuche anzuhören. Ein fundamentales Prinzip der Genfer Flüchtlingskonvention, das in Artikel 33 verankerte Prinzip der Nichtzurückweisung in eine Situation der unmenschlichen Behandlung, ist mit dieser Entscheidung faktisch umgangen worden.

Der ehemalige deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) verteidigte diese Linie nach dem Treffen der EU-Außenminister in den „Tagesthemen“: Den polnischen Zaunbau bezeichnete er darin zwar als nicht „schön“, aber man müsse schließlich Bedingungen für eine geordnete Migration schaffen. Den Hinweis der Moderation, dass jeder Mensch ein Recht darauf habe, einen Asylantrag zu stellen, wehrte er mit der angeblich fehlenden „Aufnahmebereitschaft“ in Europa ab und behauptete außerdem, bei den Menschen an der Grenze handele es sich nicht um „politische Flüchtlinge“.[5] Damit stellte der deutsche Außenminister das Prinzip des Rechtsstaates auf den Kopf: Denn ob jemand verfolgt ist, kann erst nach einem individuellen Verfahren festgestellt werden.

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Große Teile der EU dulden den Zaunbau und illegale Pushbacks oder unterstützen das gar aktiv, weil sie eine problematische Analyse teilen. Demnach könnten autoritäre Parteien wie die AfD oder der französische Rassemblement National aus der Aufnahme von Geflüchteten politisches Kapital schlagen. Eine harte Migrationspolitik hingegen würde zugleich die politischen Freiheiten, darunter die Binnenfreizügigkeit, innerhalb der EU verteidigen. Doch diese These ist angesichts der tatsächlichen Konsequenzen des brutalen Grenzregimes nicht haltbar.

Gerade die Lage an der polnisch-belarussischen Grenze demonstriert eindrücklich, dass der Abbau von Rechtsstaatlichkeit an den EU-Außengrenzen mit einem Abbau von Rechtsstaatlichkeit und der Beschneidung von Bürgerrechten im Innern einhergeht. Denn die Verweigerung einer unabhängigen Presseberichterstattung aus der Grenzregion verhindert nicht nur, dass Geflüchtete ihre Rechte wahrnehmen können, sondern berührt auch die Bürger- und Menschenrechte europäischer Journalisten. Ohnehin geht die polnische PiS-Regierung, die aktiv an einer Entmachtung der unabhängigen Justiz und einer Einschüchterung der Zivilgesellschaft arbeitet, gestärkt aus diesem „Grenzspektakel“[6] hervor. Noch Mitte des Jahres 2021 hatte die EU-Kommission den Mechanismus zur Einhaltung der Rechtsstaatlichkeit gegenüber Polen verschärft und der Europäische Gerichtshof Strafsanktionen verhängt. Nun aber sieht sich die rechtskonservative Regierung durch die Unterstützung bei der Grenzabschottung in ihrem repressiven Kurs bestätigt.

Ähnliches lässt sich in Ungarn beobachten: Seit 2015 hat die Regierung von Viktor Orbán systematisch die Arbeit von ungarischen Menschenrechts- und Anwaltsorganisationen erschwert und kriminalisiert. Obgleich der Europäische Gerichtshof im November 2021 das sogenannte Stop-Soros-Gesetzespaket für europarechtswidrig erklärte,[7] mit dem die Regierung Anwälten von Geflüchteten sogar mit Gefängnisstrafen drohte, lenkt Budapest nicht ein. Zugeständnisse in der Flüchtlingsfrage an nationalistische Kräfte tragen daher nicht zur Stabilisierung der europäischen Rechtsgemeinschaft bei, sondern erweitern stattdessen die Handlungsspielräume für autoritäre Politik.

Quelle        :          Blätter-online         >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Herunterfahren FRONTEX demonstration 2008 in Warschau

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Unten     —       יום כיף לילדי הפליטים המיועדים לגירוש

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Die Künstliche Intelligenz –

Erstellt von Redaktion am 2. Januar 2022

– imitiert Intelligenz nur. Trotzdem ist sie gefährlich

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Interview von Michael Wolf

Gaspard Koenig ging auf Weltreise, um zu erfahren, wie Technologie den freien Willen bedroht, wenn sie falsch eingesetzt wird. Er warnt: Wir Nutzer leisten dem Missbrauch durch unser Verhalten Vorschub.

Reisend erschließt sich Gaspard Koenig die Welt. Auf seiner Stute Destinada folgte er den Routen, die 1580/81 Montaigne von Bordeaux nach Rom geführt hatten; auf sein Buch Voyages d’un philosophe aux pays des libertés (dt. „Reise eines Philosophen ins Land der Freiheit“) folgt das nun auf Deutsch erschienene Werk Das Ende des Individuums. Reise eines Philosophen in die Welt der künstlichen Intelligenz.

Der französische Philosoph sprach hierfür mit mehr als 100 Forschern, Politikern, Aktivisten und Unternehmern über das Zeitalter der künstlichen Intelligenz.

der Freitag: Herr Koenig, Sie rufen in Ihrem Buch dazu auf, Alexa, Amazons Sprachassistentin, zu beschimpfen. Warum das?

Gaspard Koenig: Alexa verfügt über eine Funktion, die gutes Benehmen belohnt und Kinder dazu erzieht, höflich zu sein. Das Programm reagiert nur, wenn Sie „Bitte“ sagen. Auf diese Weise werden Roboter vermenschlicht. Im 19. Jahrhundert waren Maschinen einfach nur Objekte, heute wird die Vorstellung verbreitet, man könnte mit ihnen sprechen oder sie hätten Gefühle. Ich sehe darin einen zivilisatorischen Rückschritt in animistische Zeiten.

Aber intelligent ist die künstliche Intelligenz doch schon?

Die KI ist nicht mit der menschlichen Intelligenz vergleichbar, sie imitiert sie nur. Ein Beispiel: Man liest oft Schlagzeilen wie: „Algorithmus schlägt Ärzte bei der Krebserkennung“. Das ist aber nicht korrekt. Tatsächlich wird ein Programm wie dieses mit Hunderttausenden Bildern von Tumoren gefüttert, die zuvor von Medizinern kategorisiert wurden. Ärzte haben die Krebszellen entdeckt, die Maschine identifiziert nur Unterschiede zwischen Bildern. Wer behauptet, das Programm wäre einem Arzt überlegen, verwechselt Kausalität, die der menschlichen Intelligenz eigen ist, mit der Fähigkeit zur Korrelation.

Und trotzdem wird die KI vielen Menschen ihre Jobs wegnehmen.

Diese Gefahr wird überschätzt. Man kann das Risiko im Übrigen gut kalkulieren. Es hängt davon ab, wie viel Gemeinsinn eine Tätigkeit erfordert. Gemeinsinn bezeichnet die Fähigkeit des Menschen, etwas in seiner Gesamtheit wahrzunehmen. Die KI kann das nicht, sie fügt lediglich einzelne Sinnesdaten zusammen. Das ist etwas völlig anderes, so entsteht keine sinnvolle Wahrnehmung der Welt. Deshalb könnte eine KI zum Beispiel niemals kellnern, obwohl man für diesen Job keine besondere Expertise benötigt. Ein Kellner muss ständig wechselnde Situationen einschätzen und auf sie reagieren. Bei einem Gast mit ausländischem Akzent bietet er Hilfe mit der Karte an. Am Nebentisch bemerkt er, dass die Gäste ungeduldig werden und fragt in der Küche nach. Woanders bricht ein Streit aus, woraufhin er die Lage beruhigt. Eine KI könnte sich in dieser Umgebung niemals orientieren.

Worin liegt der größte Nutzen der KI?

Als Informationskatalysator kann sie in fast allen Feldern eingesetzt werden, Schreiben eingeschlossen. Sie verwirklicht damit Leibniz’ Traum vom universellen Rechnen. Wir sollten diese Technologien unbedingt nutzen und vorantreiben, solange sie nicht dazu dienen, das menschliche Verhalten zu manipulieren. Auf Waldspaziergängen nutze ich eine App, die Bäume nur anhand des Fotos von einem Blatt bestimmt. Das ist reine kollaborative KI in der ausgefeiltesten Form des Deep Learning. Millionen von Nutzern erhöhen mit den von ihnen vorgenommenen Bestimmungen die Genauigkeit der Ergebnisse. Ganz im Interesse des Wissens und der Biodiversität.

Sie sehen KI doch als Bedrohung?

Ich habe große Bedenken, was ihre kommerzielle Verwendung angeht. In den USA gilt in der Psychologie, der Verhaltensökonomie und der Neurowissenschaft als Konsens, dass es keinen freien Willen gibt, dass Menschen nicht fähig sind, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Und die Digitalkonzerne leiten daraus die Berechtigung ab, Menschen zu steuern und ihr Verhalten zu manipulieren. Die Leute wissen nicht, was sie wollen? Dann bestimmen wir einfach, was das Beste für sie ist. Die Nutzer selbst ermöglichen diese Bevormundung, indem sie ihre Daten abgeben. In China entscheiden Plattformen schon über ganze Existenzen, sie wählen Schulen und Studienfächer, Arbeitsplätze und Partner aus. Es ist sehr bequem, sich von diesem System leiten zu lassen. Doch man verliert dabei die Fähigkeit, für sich selbst zu entscheiden und ein vollwertiger Mensch zu sein.

Man könnte doch auch sagen, die KI unterstützt die Nutzer in der Entfaltung ihrer Persönlichkeit. Die Daten enthüllen Wünsche, die man selbst nie so klar formulieren könnte.

Nehmen wir an, jeder würde im Alter von 18 Jahren eine KI damit beauftragen, den perfekten Partner zu finden. Das wäre das genaue Gegenteil von dem, was wir unter romantischer Liebe verstehen. Dazu gehört eine Entwicklung. Man verliebt sich, es geht nicht gut aus, man trennt sich, man hat mehrere schlechte Beziehungen, bereut frühere Entscheidungen und geht künftige anders an. Diese Ereignisse formen einen Menschen zu einer reifen, einzigartigen und eigenständigen Persönlichkeit. Freier Wille bedeutet Entscheidungsgewalt. Er ist nicht einfach gegeben, sondern erfordert beständige Anstrengungen.

Wie kann man seine Individualität schützen?

Ich zum Beispiel nutze zwar Google Maps, gebe aber meine Standortdaten nicht frei. Ich folge also nicht dem blauen Punkt und lasse mir auch keine Route anzeigen, sondern suche sie mir selbst. Auf diese Weise bewahre ich meine Entscheidungsgewalt. Ein Wissenschaftler, den ich in Berkeley getroffen habe, besiegt so jeden Morgen Google.

Wie das?

Er kennt die Straßen sehr gut und versucht jeden Tag weniger Zeit für seinen Weg zu benötigen, als Google Maps für die vorgeschlagene Route kalkuliert. Denn die App zeigt Ihnen nicht die beste Route für Sie an, sondern die beste für die Gesamtheit der Nutzer. Sie könnten schneller ankommen, wenn Sie ein Stück über die Umgehungsstraße fahren. Aber wenn die Verkehrsdaten ergeben, dass so ein Stau entstehen könnte, was die Fahrtzeit aller anderen Fahrer verlängern würde, schlägt Ihnen die App einen Umweg vor. Genau so funktionieren auch Dating-Apps. Ein sehr großer Anteil der Männer wünscht sich eine 23-jährige Frau als Partnerin, nicht älter, nicht jünger. Wenn die Plattformen lediglich diese dezidierten Wünsche berücksichtigen würden, bräche das System sofort zusammen. Die Algorithmen geben ihren Nutzern nicht, was sie haben wollen, sondern das, was im Interesse der Allgemeinheit ist. Deshalb werden die Plattformen als utilitaristisch bezeichnet. Sie wollen das Glück der ganzen Gruppe heben, nicht aber das Glück des Einzelnen.

Sie sehen das Individuum gefährdet. Aber handelt es sich nicht vor allem um ein ästhetisches Problem? Weil die KI die Welt so öde und gleichförmig macht?

Quelle          :      Der Freitag-online           >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Gaspard Koenig lors d’un colloque sur le revenu de base au Sénat – 19 mai 2015

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Unten        —       Bordeaux

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Der CCC-Hier und Jetzt ?

Erstellt von Redaktion am 2. Januar 2022

CAOS – COMPUTER – CLUB
ALLES  ZWEIFELHAFTE  MUSS ANGEZWEIFELT WERDEN

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Von Johannes Drosdowski

Der rC3 tut der Zivilgesellschaft gut, auch weil er online stattfindet. Zentral diskutiert wird die Frage der Freiheit.

Der rC3 tut der Zivilgesellschaft gut – auch weil er nur online stattfindet und nicht wie bis zur Pandemie vor allem in riesigen Hallen, aus denen jedoch ebenfalls gestreamt wurde. Das verändert das Bild, das Nicht-Hacker*innen vom Kongress haben. Viele wussten bisher nicht vom Streaming-Angebot des Kongresses, dachten beim jährlichen Kongress des Chaos Computer Clubs (CCC) bisher an eine „Nerd-Veranstaltung“, auf der sich nur Ha­cke­r*in­nen treffen. Die Tickets waren begrenzt und die Angst, unter 17.000 Ha­cke­r*in­nen als einzige Person keine Ahnung von IT-Sicherheit zu haben, kann abschrecken. Auch im zweiten Online-Only-Jahr beweist der Kongress, dass er einladend sein kann.

Seit 1984 organisieren Ehrenamtliche den Chaos Communication Congress jedes Jahr. Früher traf sich die Szene Ende Dezember in Hamburg, Berlin und Leipzig, jetzt findet das Ganze wegen Corona zum zweiten Mal als Remote Chaos Experience (rC3) komplett im Internet statt. Der CCC, der sich in seiner Vereinssatzung als „galaktische Gemeinschaft von Lebewesen, unabhängig von Alter, Geschlecht und Abstammung sowie gesellschaftlicher Stellung“ bezeichnet, ist mit seinem Streaming-Angbot auch für Menschen, die einfach mal kurz reinschauen wollen. Ein vierzigminütiges Gespräch über Chinas Sozialkreditsystem? Kann man sich zwischen den Jahren ja mal ganz entspannt auf der Couch lungernd ansehen.

Dabei kommt die rC3 zum richtigen Zeitpunkt: Nach zwei Jahren Pandemie, Zuhausesitzen, steigt der Drang, wieder aktiv zu werden – auch politisch.

Unter dem Titel „Now/Here“ (Jetzt/Hier), nicht „Nowhere“ (Nirgendwo), setzt der Kongress ein Zeichen: Das Digitale muss und kann mitgedacht werden bei all den großen Themen der Zeit – und zwar global. Die rC3 blickt nach China, in die USA, nach Italien und in die Schweiz, zeigt Probleme und Erfolge der digitalen Zivilgesellschaften auf, die sich in vielen Ländern parallel entwickeln. Die Kernthemen des CCC, Überwachung, Datensicherheit und Informationsfreiheit spiegelt der Kongress dabei in Themenbereichen, die viele Menschen bewegen, insbesondere im Gesundheitssektor.

Wohin mit dem Tatendrang?

Während rechtsideologische, verschwörungsgläubige, teilweise gewaltbereite Corona­l­eug­ne­r*in­nen seit Monaten auf die Straße gehen, bleiben viele andere aus Vernunft zu Hause. Sie können ihren Protest gegen diese Gruppe, aber auch gegen einige politische Entwicklungen nicht in der analogen Öffentlichkeit ausleben. Hinzu kommen schockierende Datenlecks, sei es bei Schul-Software oder bei Coronatestzen­tren. Wohin aber mit all der Wut und dem Tatendrang?

Die rC3 präsentiert da ein paar Vorschläge, auch für Menschen, die (noch) nicht hacken. IT-Wissen wird ohne Expertenton vermittelt, in Talks wird erklärt, wie man Po­li­ti­ke­r*in­nen besonders gute Fragen stellt und welche Möglichkeiten es dafür eigentlich gibt. In anderen Veranstaltungen diskutieren „Panelistas“, wie man Sicherheitslücken am besten meldet, ohne dabei selbst juristisch angegriffen werden zu können, wie es 2021 leider einigen IT-Sicherheitsexpert*innen geschehen ist. Immer wieder betonen die Expert*innen: Ohne Menschen aus anderen Gebieten hätten sie diese Projekte nie umsetzen können.

Die rC3 liefert Themen, die momentan viele bewegen. Die CCC-Klassiker Überwachung und Sicherheitslücken finden 2021 vor allem im Gesundheitsbereich statt, aber auch im neuen Koalitionsvertrag, der Stück für Stück seziert und bewertet wird. Es geht um Umweltschutz und darum, was während Corona mit unser aller Daten und der Gesellschaft so angestellt wird, es geht um Utopien – und um Wut.

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Die zeigt IT-Sicherheitsexpertin Lilith Wittmann bereits im Eröffnungsbeitrag des Kongresses. Sie teilt ordentlich aus: Gegen den Hackerparagraf, der es ermöglicht, Menschen anzuzeigen, die durch mutmaßliches Hacking Sicherheitslücken entdecken und darauf aufmerksam machen. Responsible Disclosure heißt dieses Verfahren. Wittmann wurde 2021 deswegen von der CDU angezeigt, nachdem sie deren Wahlkampf-App untersucht und ein großes Datenleck gefunden hat. Inzwischen wurde das Verfahren eingestellt.

Doch die Enttäuschung bleibt. Auch darüber, wie der Staat mit Daten umgeht, für die Bür­ge­r*in­nen mit ihren Steuern gezahlt haben, etwa zu Wetterlagen aber auch Verkehrsaufkommen. Über offene Schnittstellen sind diese Daten frei abrufbar; und eigentlich ist der Staat verpflichtet, diese Schnittstellen zu protokollieren und nutzbar zu machen.

Quelle   :      TAZ-online         >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —        Chaos Communication Camp 2019 Pictures of the Chaos Communication Camp 2019

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Unten     —     30C3 Assemblies: „Neuland“

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Kampf der Weltbilder

Erstellt von Redaktion am 1. Januar 2022

Die Impfpflicht war schon im Kaiserreich ein stumpfes Schwert

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Das Foto könnte auch im Bundestag gemacht worden sein. Denn es sind so ziemlich alle Farben vertreten. Vielleicht lebten die auch schon in einer politischen Pandemie und wussten es nur nicht.

Von Malte Thießen

Beim Impfen ging es schon immer um gesellschaftliche Grundsatzfragen – eine kleine Problem Geschichte der Gegenwart. Die Impfpflicht war schon im Kaiserreich ein stumpfes Schwert.

Pandemien sind die politischsten aller Krankheiten. Das Prinzip Ansteckung macht das Verhalten des Einzelnen zum Problem aller. Schon die Konjunktur an Sündenböcken im Frühjahr 2020 beruhte auf dieser einfachen Erkenntnis. Die Ausgrenzung „chinesisch“ aussehender Menschen als „Infektions­treiber“ suggerierte eine Lokalisierung der unbekannten Bedrohung und schuf ein trügerisches Sicherheitsgefühl: Die Pandemie, das waren die anderen.

Mit steigenden Infektionszahlen erhielt die Pandemie ein demokratisches Antlitz. In ihrer berühmten Fernsehansprache warnte Angela Merkel im März 2020 vor dem Virus, von dem „unterschiedslos jeder von uns betroffen sein“ könne. Angesichts großer sozialer Unterschiede sowohl beim Infektionsrisiko als auch bei den sozialen Folgen der Eindämmungsmaßnahmen warfen solche Gleichheitsappelle zwar damals schon Fragen auf. Immerhin aber sensibilisierten sie unsere Bedrohungswahrnehmung. Nicht Viren sind das Problem, sondern unser Verhalten und unsere Verhältnisse. Die Ausbreitung der Pandemie hängt davon ab, wie wir arbeiten, leben und lieben. 2020 lernten wir eine wichtige Lektion: Die Pandemie, das sind wir.

Eine zweite Lektion erteilte uns Corona wenig später: Immunität ist relativ. Impfungen sind zwar das effektivste Mittel gegen Pandemien. Sie bieten einen hohen Schutz vor Infektionen und Erkrankungen. Ein absolutes Sicherheitsversprechen geben sie allerdings nicht. Die Beobachtung, dass mitunter auch Geimpfte ansteckend sein können, trübten die anfängliche Euphorie über die Erfolge des Impfprogramms.

Die aktuelle Enttäuschung über die vierte Welle ist ein Beleg, wie tief unser Sicherheitsgefühl erschüttert worden ist. Für die Deutschen gaben Impfungen seit Jahrzehnten ein Versprechen auf ein seuchenfreies Leben. Und tatsächlich spielten Infektionskrankheiten in unserem Alltag schon lange keine Rolle mehr. Unser Sicherheitsgefühl war also erfahrungsgesättigt. Pocken, Polio, Diphtherie, Masern, Mumps und Röteln gehörten dank Impfprogrammen seit den 1970er Jahren einer grauen Vorzeit an. Zwar war Immunität damals schon relativ – ein hoher Schutz, aber kein absolutes Sicherheitsversprechen. Der nur relative Schutz war wegen der hohen Herdenimmunität allerdings nur für Ex­per­t:in­nen von Belang, nicht für unseren Alltag.

Die plötzliche Sehnsucht nach der Impfpflicht ist auch eine Reaktion auf die Erschütterung unseres Sicherheitsgefühls. Die Hoffnung, mit der Pflicht die vierte Welle zu brechen, hegt zwar kaum noch jemand. Aber zumindest die fünfte oder sechste Welle könnte dank einer Impfpflicht leichter ausfallen oder vielleicht sogar ganz vermieden werden. Darüber hinaus senkt Immunität die Wahrscheinlichkeit von Mutationen. Je mehr Menschen geimpft sind, desto geringer ist das Risiko, dass das Virus in neuem Gewand zurückkommt und unseren Impfschutz umgeht. Immunität sollte in Zukunft also globaler gedacht werden, als globales Projekt.

Warum aber ist die Impfpflicht so umstritten? Was treibt eine relativ große Minderheit immer wieder auf die Barrikaden, wenn es um die Spritze geht? Eine erste Antwort lautet noch einmal: Politik. Nicht nur Pandemien sind politisch, ihre Prävention ist es auch. Impfungen eröffnen seit dem 19. Jahrhundert eine Arena, in der um Weltbilder gerungen wurde und wird. In Teilen Ostdeutschlands – aber nicht nur dort – lässt sich das gerade wie unter einem Brennglas studieren. Hier fungiert Impfkritik als Ventil für eine Unzufriedenheit, die tiefer liegt als die Coronakrise. Rechte und Populisten haben das Mobilisierungspotenzial des Impfens schon früh ausgeschöpft. Im Bundestag brachte sich die AfD bereits im Mai 2020 gegen eine Impfpflicht in Stellung, zu einer Zeit also, in der wir von Impfungen gerade mal zu träumen begannen; zu einer Zeit auch, als Bundesgesundheitsminister Jens Spahn eine Impfpflicht ebenso kontinuierlich wie kategorisch ablehnte.

Prävention war schon immer politisch, weil sie als Chiffre für andere Dinge herhält. So eröffnet das Impfen eine Projektionsfläche, auf der Vertrauen in staatliche Einrichtungen verhandelt wird. Rechte und Populisten brachten Impfungen als Symbol einer „Merkel-Diktatur“ oder für das Gefühl in Stellung, dass „die da oben“ an der Lebenswirklichkeit vorbeiregierten. Immunität diente als Ventil für den Frust, der sich seit Jahren angestaut hatte. Erst das Mobilisierungspotenzial in Zeiten der Pandemie macht die starke Impfkritik in Teilen Ostdeutschlands nachvollziehbar. Denn noch 2019 lag die Impfakzeptanz im Osten deutlich höher als im Westen.

Eine zweite Erklärung der Impfskepsis ist komplizierter, aber umso wichtiger. Die rechte Mobilisierung ist nur ein Teil des Problems. Impfprogramme öffnen weitere Spannungsfelder, auf denen um die Grundsätze der Gesellschaft gerungen wird. Zunächst einmal testen Impfungen die sozialen Bindekräfte. Immunität bietet ja nicht nur dem Einzelnen, sondern vielen weiteren Menschen Schutz. Alte und Vorerkrankte, die trotz Impfung ein höheres Infektionsrisiko tragen oder nicht geimpft werden können – sie alle sind sicherer, wenn die Quote steigt. Schon die Werbung für die Polioimpfung seit den 1960er Jahren trug diesem Phänomen Rechnung. Beim Impfen ging es damals nie nur um den Selbstschutz, sondern mehr noch um den Schutz der Allgemeinheit und die Sicherheit der Bedrohten.

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Die Akzeptanz von Impfungen hängt demnach von der Fähigkeit ab, das Impfen zu einer sozialen Frage zu machen – und überzeugende Antworten zu geben. Die soziale Frage zielt nicht zuletzt auf unseren Nahbereich, wo Risikogruppen als Mama oder Opa mit am Tisch sitzen, wo Skepsis oder Bequemlichkeit als Bedrohung spürbar wird. Im Zeitalter der Selbstoptimierung stellt sich die soziale Frage ganz besonders. Denn eine Pandemie verwandelt die Sorge um den eigenen Körper schnell in existenzielle Sorgen der ­Vulnerablen.

Seit dem 19. Jahrhundert gab es gegen solche Sorgen eine einfache Lösung: die Impfpflicht. Die erste deutsche Impfpflicht gegen die Pocken regelte das Verhältnis zwischen dem Individuum und der Allgemeinheit. Sorgen des Einzelnen vor Nebenwirkungen und „Impfschäden“ sollten zurückstehen gegenüber den Sorgen um die ­Gesellschaft.

Mit der Impfpflicht wurde der ­Vorsorgestaat geboren, der die Fürsorgepflicht für seine Bür­ge­r:in­nen übernahm und diese notfalls zu ihrem Glück zwingen durfte.

Die Impfpflicht erwies sich als stumpfes Schwert. Sie stachelte nicht nur Leugner an, die das Impfen als Teufelszeug abtaten oder als „jüdische“ Verschwörung gegen den „Volkskörper“. Sie mobilisierte ebenso Kritiker, die das Impfen befürworteten, aber staatliche Interventionen ablehnten. Schon im 19. Jahrhundert waren das nie nur rechte Schwurbler, sondern ebenso Vertreter des Liberalismus und des Katholizismus.

Quelle      :      TAZ-online     >>>>>       weiterlesen

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Oben     —      Die bunten Farben der Politik. Der Aufsichtsrat der IG Farben, Deutschland. Vorne (links) IG Farben Carl Bosch.

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WOHNEN FÜR ALLE

Erstellt von Redaktion am 31. Dezember 2021

Notenbanken machen Reiche zu Superreichen und enteignen Sparer

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Quelle      :        INFOsperber CH.

Urs P. Gasche /   

Es findet eine der grössten Umverteilungen der Geschichte statt, ohne dass Parlament oder Volk etwas zu sagen haben.

Sparen bringt seit Jahren keinen Zins mehr. Mit Negativzinsen und Gebühren wird das Gesparte kleiner Leute häppchenweise enteignet.

Gleichzeitig sind die Preise von Immobilien und Aktien in masslose Höhen geschossen. Die Besitzenden werden ohne eigene Leistung zu Multimillionären und Milliardären, während unzählige Mieter und Mieterinnen keine bezahlbaren Wohnungen mehr finden.

Diese Umverteilung von Vermögen wurde nicht demokratisch beschlossen. Sie ist das Resultat einer eigenmächtigen Politik der Notenbanken, namentlich der Europäischen Zentralbank EZB, der Bank of England, der US-Notenbank FED und der Schweizerischen Nationalbank SNB.

Umverteilung auch mit steigenden Preisen

Die gewaltige Umverteilung als Folge der Politik der Notenbanken ist noch nicht alles: In den USA und in EU-Staaten führen stark steigende Preise zu einer sinkenden Kaufkraft der Bevölkerung. Die Inflation enteignet Rentner, Lohnabhängige und Menschen, die von Erspartem leben. Infosperber geht in einem zweiten Teil auf die Folgen der Inflation ein.

Eigentlich wäre es Aufgabe der Notenbanken, den Wert und die Kaufkraft des Geldes dauerhaft zu sichern. Stattdessen finanzieren sie seit Jahren zusätzliche Schulden von eigentlich bereits zahlungsunfähigen Staaten. Und sie helfen schwachen Unternehmen und Banken, weiterhin Gewinne zu machen. Mit dieser abgestimmten Geldpolitik hebeln die Notenbanken den effizienten Wettbewerb aus, manipulieren selbstherrlich die Marktwirtschaft und nehmen das unwägbare Risiko eines gewaltigen Crashs in Kauf.

Die Marktwirtschaft werde «teilweise ausgehebelt», stellte NZZ-Wirtschaftsredaktor Michael Ferber am 7. Oktober 2021 fest.

Die von den Notenbanken verursachte Geldschwemme ist seit längerem so gross, dass Banken das viele Geld ihrer Kunden nicht mehr verzinsen. Noch schlimmer: Banken lehnen Bareinlagen auf ihren Konten sogar ab oder verlangen Strafzinsen und Zusatzgebühren.

Was die Notenbanken auf den Finanzmärkten anstellten und anstellen, ist auch wissenschaftlich in keiner Weise abgestützt:

  • Kein Standard-Lehrbuch der Wirtschafts- und Finanzwissenschaften geht davon aus, dass Notenbanken die Zinssätze auf null oder unter null drücken.
  • Kein Standard-Lehrbuch geht davon aus, dass Notenbanken die Zinssätze derart manipulieren, dass die Zinsen ihre Preisfunktion auf den Kapitalmärkten nicht mehr erfüllen.
  • Kein Standard-Lehrbuch geht davon aus, dass sich insolvente Staaten und Grossbanken mit Hilfe der Notenbanken fast beliebig weiter verschulden können.
  • Kein Standard-Lehrbuch beschreibt die enormen Risiken von spekulativen Derivat-Geschäften, welche 2008 zur Finanzkrise geführt haben.

Die Geprellten zeigen sich wenig alarmiert

Die Interventionen der Notenbanken sind so gigantisch, dass die Zahlen emotional nicht mehr erfassbar sind und die Öffentlichkeit deshalb nicht aufrütteln. Der weltweite Schuldenberg von Staaten, Unternehmen und Privaten erreichte Mitte 2021 den Wert von 296 Billionen Dollar. Zählt man noch die Verschuldung des Finanzsektors (Banken, Blackrock, Vanguard, Hedge Funds etc.) dazu, erreichte der Schuldenberg Mitte 2021 rund 365 Prozent sämtlicher geldwerten Güter und Dienstleistungen, die auf unserem Planeten innerhalb eines Jahres hergestellt werden (Quelle: Institute of International Finance IIF).

Allein die EZB kaufte an den Börsen Euro-Obligationen im Wert von fast 5 Billionen Euro. Darunter haufenweise Staatsanleihen überschuldeter Länder. Ohne die EZB-Käufe hätten diese Staatsobligationen risiko- und marktgerecht mit 5 bis 10 Prozent verzinst werden müssen. Doch solche Zinsen hätten überschuldete Staaten nicht zahlen können. Mit ihren Käufen von Staatsanleihen finanziert die EZB Staatsdefizite, was ihr eigentlich verboten ist.

Nur dank der EZB konnte beispielsweise Italien – obwohl bereits bis über den Hals verschuldet – dieses Jahr Staatsanleihen mit einer langen zehnjährigen Laufzeit zu einem lächerlichen Zins von jährlich 1 Prozent aufnehmen. Mit solchem Billiggeld ersetzte Italien nicht nur auslaufende Staatsobligationen, die zurückzuzahlen waren, sondern erhöhte die Staatsverschuldung auf rund 160 Prozent des jährlichen Bruttoinlandprodukts.

Wer sichere Staatsanleihen der wenig verschuldeten Schweiz im Depot hat, bekommt am Ende der Laufzeiten weniger Geld zurück, als er für sie bezahlte – Negativzins nennt sich das. Die Verschuldung wird für den Staat sogar zum Geschäft.

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Von der waghalsigen Tiefzins-Politik der eigenmächtigen Notenbanken profitieren kurzfristig die ausgabefreudigen Regierenden sowie alle Unternehmen, Banken, Vermögensverwaltungskonzerne und Privaten, die sich verschuldet haben. Die Notenbanken retten diese Überschuldeten, anstatt den Fokus auf den Werterhalt des Geldes zu legen. Allerdings gehen sie damit gewaltige Systemrisiken ein, ohne dafür demokratisch legitimiert zu sein.

Geprellt werden bereits seit Jahren

  • alle, die für ihre Wohnungen und Büros ständig steigende Mietzinsen zahlen müssen;
  • alle Sparer, die Geld auf Konten liegen haben;
  • alle Besitzlosen, die über keine Immobilien, keine Aktien und keine Edelmetalle verfügen.

Dem Vermögenszuwachs mit verschränkten Armen zusehen

Weil Geldanlagen keine Erträge mehr bringen, fliessen Milliarden in Materielles wie Immobilien und Aktien von Unternehmen, deren Werte steil gestiegen sind.

Konkret: Die Kosten von Wohneigentum und anderen Immobilien verdoppelten sich in den USA und in der Schweiz innerhalb von nur zwanzig Jahren. In grossen Städten stiegen ihre Preise sogar um 130 bis 200 Prozent. Die Besitzenden konnten mit verschränkten Armen zusehen, wie ihre Vermögen anschwollen.

Das Gleiche gilt für Besitzende von Aktienpaketen: Deren Preise – gemessen am Dow-Jones- und DAX-Index – haben sich seit dem Tief der Finanzkrise von 2009 sogar mehr als verdreifacht – ganz abgehoben von der realen wirtschaftlichen Entwicklung.

Zudem investierten viele Unternehmen das bei Banken erhältliche Gratisgeld sowie Gewinne nur zum kleineren Teil in die reale Wirtschaft. Vielmehr spekulierten sie damit an den Börsen. Sie kauften sogar Milliardenpakete eigener Aktien auf. Allein Konzerne, die an deutschen Börsen kotiert sind, kauften seit 2009 für weit über 50 Milliarden Euro eigene Aktien. Damit entzogen sie eigene Aktien dem Markt, was die Kurse der restlichen Aktien ihres Unternehmens zusätzlich in die Höhe trieb. Solche Aktienrückkäufe seien «zuweilen nichts anderes als legaler Betrug, weil sie den Aktienkurs pushen, die Vergütung des Managements treiben und keinen messbaren Beitrag zur Zukunft der Firma leisten», kommentierte Finanzjournalist Gabor Steingart in seinem «Morning Briefing».

Wenn die Menschen das Bank- und Geldsystem verstehen würden, gäbe es vermutlich eine Revolution noch vor morgen früh.

Das Zitat wird Henry Ford zugeschrieben

Wettgeschäfte in Höhe mehrerer Millionen Milliarden

Selbst Zinssätze, die nur mässig steigen, könnten noch eine andere, oft übersehene Spekulations- und Schuldenblase zum Platzen bringen: Bei der Spekulation mit Derivaten, die häufig auf Kredit erfolgt, geht es in der Schweiz um Kontraktwerte von mehreren Millionen Milliarden (Millionen Milliarden) Franken. Das meiste sind Wetten auf Schwankungen der Aktienkurse. Wenn eine Gegenpartei ihren Verpflichtungen nicht nachkommen kann, könnte «diese riesige Menge an Derivaten eine unkontrollierbare Kettenreaktion erzeugen», warnte Finanzprofessor Marc Chesney von der Universität Zürich.

Wettrisiken sind Systemrisiken

In der Schweiz wird wie andernorts mit Finanzprodukten gewettet. Nach Angaben von Finanzprofessor Marc Chesney erreichen diese sogenannten Derivate einen Nominalwert, der im Oktober 2020 nach Angaben der SIX-Gruppe dem rund 27’000-Fachen des Schweizer Bruttoinlandprodukts entsprach. Die Fluktuation ist enorm, aber der Nominalwert der Derivate lag kürzlich immer noch beim 4’000-Fachen des Schweizer BIP. Einem CS-Jahresbericht war zu entnehmen, dass bei dieser Bank nur 0,1 Prozent der Derivate nützliche Absicherungsgeschäfte sind. Bei den restlichen 99,9 Prozent der Derivate handelt es sich um reine Wettgeschäftebei denen auf Ausfälle und den Bankrott von Firmen und Staaten gewettet wird.

Die mit diesen Wetten eingegangenen Risiken umschreibt Chesney wie folgt: «Wenn wir heute eine Wette von 100 Franken darüber abschliessen, wie das Wetter morgen sein wird, besteht kein Systemrisiko. Wenn aber auf Ausfälle von Finanzinstituten gewettet wird, können Millionen Menschen ihre Arbeit und ihre Wohnung verlieren, wie der Bankrott von Lehman Brothers gezeigt hat.»

Billion um Billion

Das Resultat der Billigzins- und Geldschwemme-Politik der Notenbanken ist eine gigantische Umverteilung von Vermögen von unten nach oben. Gemäss dem Wirtschaftsmagazin «Forbes» nahm das Vermögen der rund 2600 Milliardäre auf dieser Erde im Jahr 2020 um 1,9 Billionen Dollar zu und im laufenden Jahr um weitere 1,6 Billionen Dollar. Auch Millionäre mit Immobilien- und Aktienbesitz konnten einer wundersamen Vermehrung ihrer Werte nur zusehen. Steuern zahlen viele am steuergünstigen oder pauschalbesteuerten Zweit- oder Drittwohnsitz. Im Todesfall geht das ganze Vermögen an die Erben. In der Schweiz gibt es für direkte Erben keine Erbschaftssteuer. Das allerdings hat das Volk in einer Abstimmung demokratisch so entschieden.

Politiker namentlich der Rechtsparteien, welche die soziale Umverteilung des Staates mittels Steuern und Sozialleistungen gerne kritisieren, müssten eigentlich die viel grössere Umverteilung anprangern, welche die Geldpolitik der Notenbanken verursacht. Doch Umverteilung ist nicht gleich Umverteilung. Von dieser Umverteilung profitieren diejenigen, die schon reich sind und die bevorzugt Parteien des rechten Spektrums wählen.

Im Falle eines Crashs kommen Reiche und Superreiche am besten weg

Ohne eine Umkehr der heutigen Finanz- und Wirtschaftspolitik wird das unberechenbare Risiko eingegangen, dass die gigantische Finanzblase eines Tages fürchterlich platzt. Den Crash werden Reiche und Superreiche am besten überleben, weil sie mit einem genügenden Puffer und genügend Besitz vorgesorgt haben. Das Elend wird die anderen treffen, die von Erwerbsarbeit und Renten abhängig sind.

Deshalb sind es diese sozial und wirtschaftlich Schwachen, die an einem zwar unbequemen, aber geordneten Ausstieg aus dem laufenden Hochrisikopoker, den die Notenbanken veranstalten, am meisten interessiert sein müssten.

Die Notenbanken, Regierungen und alle Profiteure der gegenwärtigen Umverteilung versuchen derweil, Warner als Pessimisten hinzustellen. Sie verweisen auf «moderne» Ökonomen, nach denen das Schuldenmachen dank dem fast zinslosen Geld noch lange problemlos möglich sei. Ein Vertreter dieser «Modern Monetary Theory» ist der zum extremen Keynesianer mutierten Professor und «New York Times»-Kolumnist Paul Krugman: Staaten müssten sich nicht gross um die Schulden kümmern, solange eine grössere Inflation nur kurze Zeit anhalte. Dies werde in den USA der Fall sein, weil kurzfristige Faktoren wie höhere Erdöl- und Erdgaspreise sowie Lieferengpässe an der Inflation schuld seien. Am 23. Dezember räumte Krugman erstmals ein, dass er vielleicht falsch liege: «Jeder Tag bringt Überraschungen», schrieb er in der «New York Times».

Für die neue Theorie sind Gewerkschaften und Linke anfällig, weil ein Ausstieg aus der Hochrisiko-Politik auch Arbeitsplätze gefährden würde. Nur mit dieser Angst ist es zu erklären, dass weder Gewerkschaften noch Sozialdemokraten gegen die schon seit Jahren anhaltende Umverteilung gewaltiger Vermögen von unten nach oben Sturm laufen.

Viele Ökonomen befürchten, dass die Wirtschaft desto stärker zusammenbricht, je länger die Notenbanken mit der Politik des billigen Geldes, der Finanzierung von Staatsdefiziten und der Rettung von beinahe bankrotten, hoch verschuldeten Banken und Unternehmen fortfahren.

Die Wirtschaftsgeschichte gibt diesen Warnern bisher recht: Extreme Geldentwertungen und megahohe Schuldenberge endeten stets mit verheerenden Wirtschafts- und Sozialkrisen.

Lauter Altlasten für kommende Generationen

Die heutige Generation in den hochentwickelten Ländern hat sich nicht etwa derart riskant verschuldet, um kommenden Generationen eine tolle Infrastruktur und einen aufgeräumten Planeten zu hinterlassen, auf dem es ausser den Schulden keine weiteren Altlasten gibt. Im Gegenteil: Es wird heisser auf der Erde, es gibt immer weniger Tier- und Pflanzenarten, die Weltmeere werden noch stärker geplündert und verschmutzt. Unersetzbare Urwälder werden weiter dezimiert. Den liegengelassenen hochradioaktiven Atommüll müssen künftige Generationen noch für Hundertausende von Jahren sicher lagern.

Traum vom ewigen Wirtschaftswachstum

Wie oben dargestellt, wären die Volkswirtschaften praktisch aller Industriestaaten der OECD bereits seit über zwanzig Jahren nicht mehr gewachsen, wenn sie sich nicht in ähnlichem Mass zusätzlich hätten verschulden können.

Bereits vor zehn Jahren stellte Hanspeter Guggenbühl fest: «Eine wachsende Wirtschaft, so würde man meinen, nutzt ihr Wachstum, um die Schulden zu senken. Doch die Realität ist umgekehrt. Die Staaten nehmen zunehmende Verschuldung in Kauf, um das Wachstum der Wirtschaft zu fördern … In den meisten Industriestaaten wuchsen die Staatsschulden prozentual – zum Teil sogar absolut – stärker als das Bruttoinlandprodukt. Mit anderen Worten: Das Wachstum basiert auf Pump, auf Verschuldung. Ohne die massive Staatsverschuldung würde die Wirtschaft in vielen Industriestaaten schon seit langem nicht mehr wachsen.»

Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort: Ohne neue Schulden gab und gibt es kein flächendeckendes Wirtschaftswachstum mehr. Eine neue Wirtschaftspolitik, die nicht mehr darauf angewiesen ist, dass das Bruttoinlandprodukt BIP weiterwächst, wurde trotz aller Krisen nicht eingeleitet. Allerdings werden Wege dazu an Universitäten auch nicht gelehrt.

Mit Defiziten und Schulden Krisen überwinden, aber …

Notenbanken und Regierungen haben mit bemerkenswertem kurzfristigem Erfolg versucht, die Krisen der jüngsten Jahrzehnte – von der Finanz-, Internetblasen- und Euro- bis zur Coronaviruskrise – mit gewaltigen Finanzspritzen zu überwinden. Die verursachten Defizite waren auch gemäss traditioneller Wirtschafts- und Finanztheorie zweckmässig.

Doch jetzt folgt das grosse Aber: Der Notfall wurde zum Dauerzustand. Notenbanken und Regierungen unterliessen es, die aufgetürmten Schulden jeweils wieder abzubauen. Ein neuer Schuldenberg vergrösserte jeweils den bereits angehäuften. Regierungen und Parlamente reden sich ein, dass nichts passieren könne.

Das hat seinen Grund: Ein Abbau von Schulden würde unpopuläre Massnahmen erfordern. Um sich vor solchen zu drücken, behaupten Notenbanken und Regierungen, dass die Verschuldungsquote automatisch wieder abnehmen werde, sobald die Wirtschaft wieder schneller wachse als die Schulden.

Was sie dabei stets unter den Tisch kehren: Seit über zwanzig Jahren ist das Bruttoinlandprodukt in keinem grossen Industriestaat mehr schneller gewachsen als der prozentuale Anstieg des staatlichen und privaten Schuldenberges.

Es drohen Arbeitslosigkeit und Elend

Auf dem Kapitalmarkt galt die Regel: Je höher die Schulden und je höher das Ausfallrisiko, desto höher sind die jährlichen Zinsen für diese Schulden. Doch mit ihrer Niedrigzinspolitik haben die Notenbanken diese Regel ausgehebelt: In den vergangenen Jahren konnte mit Milliarden in grosse unmessbare Risiken investiert werden, ohne als Risikoprämie höhere Zinsen dafür zahlen zu müssen. Besonders deutlich wird dies bei der EU, weil Krisenländer nicht den adäquaten Risikozins für ihre Schuldenlast tragen müssen.

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Sobald die Nationalbanken die Zinsen erhöhen, drohen Zahlungsausfälle und eine allgemeine Währungs-, Euro- und Wirtschaftskrise. Ein Crash würde zwar auch Reiche und Superreiche treffen. Aber den sozial und wirtschaftlich Schwächsten erginge es mit Abstand am schlechtesten: Es würde sie hohe Arbeitslosigkeit und Elend erwarten. Es käme zu unwägbaren sozialen und politischen Verwerfungen.

Aus diesen Gründen versuchen die Notenbanken, ihre Leitzinsen nur in homöopathischen Schritten zu erhöhen. Ob dies jedoch reicht, um den riskanten Schuldenberg ohne hohe Inflation abzubauen, ist äusserst zweifelhaft.

Ein Ausweg aus der Sackgasse wären geordnete und gestaffelte Schuldenschnitte und eine geordnete Abkehr von einer Wirtschaftspolitik, welche die Probleme der reichen Industriestaaten mit noch mehr Wirtschaftswachstum, also noch mehr Energie, Rohstoffen, Erwerbsarbeit, Konsum und Abfall zu lösen sucht – und auch mit noch mehr Schulden, falls es nötig ist.

Ein möglichst starkes BIP-Wachstum als oberstes Ziel der Wirtschaftspolitik gehört in die Mottenkiste des vergangenen Jahrhunderts.

Warnende Stimmen bleiben ungehört

Das Festhalten am Prinzip Hoffnung, also unbeirrtes Warten und Vertrösten auf ein Wachstum, das nicht mit Schulden zustandekommt, sowie ein weiteres Durchwursteln mit Billiggeld untergraben das Vertrauen in den Wert des Geldes und erhöhen das Systemrisiko. «Kommende Weltwirtschaftskrise wird schlimmer als die von 1929», prophezeit Finanzexperte und Buchautor Marc Friedrich. Das «reinigende Gewitter» erwartet er «spätestens 2023».

«Nur ein Narr kann glauben, dass die superexpansive Geldpolitik [der Notenbanken] endlos weitergeführt werden kann», schrieb Ernst Baltensperger, emeritierter Volkswirtschaftsprofessor an der Universität Bern, in der NZZ vom 1. Dezember 2021. Der Ökonom warnt davor, das Inflationsrisiko auf die leichte Schulter zu nehmen: «Fundamental ist die Situation heute sogar viel explosiver als damals [hohe Inflation nach dem Ölpreisschock von 1973]. Ein Ausstieg aus der superexpansiven Geldpolitik wird bei der enormen Verschuldung von Staat und Privatsektor politisch noch weit schwieriger sein.»

Davut Cöl, Autor des Buches «Verstehen Sie Geld? – Zusammenhänge verständlich erklärt», kam 2017 zum Schluss, das Wirtschaften auf Pump könne «die Stunde der Wahrheit nur hinauszögern». Die anhaltende Politik der Geldschwemme «übertüncht und vergrössert die Gefahr einer neuen grossen Finanzkrise».

Die EZB muss handeln, um einen Crash zu verhindern

Titel in der NZZ vom 19.11.2021

Schlagzeilen wie jene der NZZ vom 19. November 2021 können auch Politikerinnen und Politiker nicht mehr übersehen: «Die EZB muss handeln, um einen Crash zu verhindern.» Zehn Tage vorher las man in der NZZ: «Die US-Zentralbank FED warnt vor enormen Risiken an den Finanzmärkten.» Die NZZ ergänzte: «Das Feuer hat sie aber selber gelegt.» Mit dem Feuer war die herbeigeführte Geldschwemme gemeint. Deshalb würden heute in den USA «viele lieber auf steigende Vermögenspreise spekulieren statt einer normalen Arbeit nachgehen».

Welches der Auslöser des drohenden Kollapses sein wird, kann niemand voraussagen. Aber ohne einen geordneten Ausstieg aus der Geld- und Überschuldungskrise scheint ein Crash unvermeidlich.

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Oben      —     Mietenwahnsinn Demonstration durch Tiergarten und Schöneberg am 23. Mai 2021.

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Mit Militär gegen Corona ?

Erstellt von Redaktion am 31. Dezember 2021

Drei Fragen zur Rolle der Bundeswehr in der sog.
„Corona-Krise“

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Suchen Politiker nicht immer  nach Militär wenn sie Kriege führen wollen ?

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Dr. Wilma R. Albrecht

1) Welche Bedeutung besaß und besitzt die Streitkräftebasis und ihr Kommandeur Martin Schelleis und wessen Befehlsgewalt unterliegen beide?

Beim Abschluss des Kooperationsvertrages Bundeswehr-Bundespolizei im Juli 2019 forderte Schelleis eine effektere Aufstellung beider Organe angesichts dessen, was auf uns zukommt.

Seit Beginn der „Pandemie“ führte Martin Schelleis (*1959 Düren), Generalleutnant der Luftwaffe und Inspekteur der Streitkräftebasis und territorialer Befehlshaber von 27.500 Soldaten der Bundeswehr, den Einsatz bei der Corona-Operation (auch Einsatzleiter der Katastropheneinsätze Hochwasser). Seit Ende 2020 standen ihm dafür 12.000 Soldaten zur Unterstützung von Kliniken und Gesundheitsämtern zu Verfügung. Außerdem habe es 26 Impfzentren in Kasernen zur Lagerung von Impfstoffen und 26 mobile Impfteams gegeben. Ende 2021 nun rechneten die „Modellierer“ des Krisenstabes der Bundeswehr über Weihnachten mit vermehrten Einsätzen.

2) Wieso wurde ausgerechnet ein Militär, nämlich Dr. Hans-Ulrich Holtherm (*1964 Rheine), zum Leiter der am 1.3.2020 beim Bundes- Gesundheitsministerium unter Minister J. Spahn neu geschaffenen „Abteilung 6: Gesundheitssicherheit und Gesundheitsschutz“ ernannt?

Der hochspezialisierte Generalstabsarzt und Tropenmediziner hat nicht nur umfangreiche Auslandseinsätze vorzuweisen, sondern war auch an der „Sanitätsakademie“ der Bundeswehr in München tätig, nämlich 2017-2019 Direktor der Wehrmedizinischen Wissenschaft und Fähigkeitsentwicklung Sanitätsdienst. Die Sanitätsakademie besitzt 3 Institute: Radiologie, Mikrobiologie und Pharmakologie / Toxiologie. Im Institut für Mikrobiologie (IMB) soll es Ende Januar 2020 erstmals in Deutschland gelungen sein, den ersten Fall nCoV nachzuweisen, den Erreger zu isolieren und in einer Zellkultur anzuzüchten.

Wer würde solchen Typen schon unter die Mütze schauen wollen ?

In Kontext wehrmedizinische Forschung geht es auch um biologischen Waffen. Das IMB arbeitet mit einem deutsch-kasachischem (Kasachstan, Georgien, Ukraine) Netzwerk zur Diagnostik von Infektionskrankheiten zusammen und nutzt das ehemalige UdSSR- Forschungszentrum gegen Pest in Georgien. Darüber hinaus stehen die Forscher des IMB im engen Austausch mit denen der USA und EU-Ländern. In den USA geht es dabei u. a. um den sog. Kampf gegen „Bioterrorismus“.

3)Was veranlaßte Olaf Scholz (*1958 Osnabück, SPD) als Bundeskanzler, den Heeresoffizier Generalmajor Carsten Breuer (*1964 Iserlohn), Kommandeur des Kommandos Teritoriale Aufgaben der Bundeswehr (der Schnittstelle Zivil-Militär) zum 1. Leiter des „Bund-Länder-Krisenstabes im Bundeskanzleramt“ (?) zu ernennen ?

Dr. W. R. Albrecht

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Grafikquellen      :

Oben       —       U.S. Army Lt. Gen. Ben Hodges, left, Commanding General of U.S. Army Europe talks to German Army Maj. Gen. Carsten Breuer during Exercise Allied Spirit VII at the 7th Army Training Command’s Hohenfels Training Area, Germany, Nov. 14, 2017. Approximately 4,050 service members from 13 nations are participating in the exercise from Oct. 30 to Nov. 22, 2017. Allied Spirit is a U.S. Army Europe-directed, 7ATC-conducted multinational exercise series designed to develop and enhance NATO and key partner’s interoperability and readiness. (U.S. Army photo by Markus Rauchenberger)

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Die falschen Fragen ?

Erstellt von Redaktion am 31. Dezember 2021

„Was macht dass mit Ihnen ?“

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Von Doris Akrap

Werden Politiker als Menschen mit Gefühlsleben befragt, nimmt man sie aus ihrer Verantwortung.

Stellen Sie sich vor, Sie hören, wie eine hochseriöse Journalistin in einem hochseriösen Programm eines hochseriösen Radiosenders zu einer hochseriösen Sendezeit einem hochseriösen Politiker eine Frage stellt, die eine Pros­ti­tuier­te ihrem Freier stellen könnte: „Was macht das mit Ihnen?“

Dem Anlass entsprechend würde die Prostituierte der Frage vielleicht noch die Worte „Na, Baby“ voranstellen: „Na Baby, was macht das mit dir?“, würde sie dann lauten. Der auf diese Weise Befragte würde die Frage zwar sehr genau verstehen, könnte aber trotzdem nicht sonderlich präzise darauf antworten. Denn, wer kann schon so genau sagen, was es mit einem macht, wenn man gerade mit jemandem rummacht?

Der interviewte hochseriöse Politiker fand sich in genau dieser Lage wieder.

Wenn etwas frühmorgens im Deutschlandfunk behandelt wird, ist es allerdings todernst und kein lustiges Vergnügen mit ironischen Anspielungen. Politikerinnen und Auskenner (meist im Bereich Natur- oder Gesundheitskatastrophen) tätigen dort Aussagen zum Ernst der Lage, an denen sich alle anderen den Tag über abarbeiten können.

An besagtem Morgen (ein Oktobertag 2021) war es aber nicht der geladene Experte – es ging um EU-Zollfragen im Rahmen des Brexit –, der mir den Ernst der Lage erklärte. Es war die Inter­viewe­rin, die den Mann, der zu drohenden Vertragsverletzungsverfahren und einem Handelskrieg Auskunft geben sollte, allen Ernstes fragte: „Was macht das mit Ihnen?“

Was er ihr antwortete, weiß ich nicht mehr. Ich weiß nur noch, dass diese Frage mit mir etwas machte, das sich ungefähr so beschreiben lässt: „Uuaaaaaaaahhhh!!!!!!“

Talkmaster und Kamingesprächsführer im TV hatten diese „Was macht das mit?“-Frage kultiviert, mit der vorgetäuscht wurde, dass der Interviewer Politikern und VIPs so richtig auf die Pelle rücke, dass er so nah an sie rankomme wie sonst höchstens ihre Sexualpartner.

Mittlerweile trifft man diese Frage überall da, wo das Geschäft mit Fragen gemacht wird: „Impfgegner organisieren sich im Netz. Was macht das mit der Gesellschaft?“ (Das Erste) – „Weihnachten online – was macht das mit uns?“ (Der Tagesspiegel) – „Die Städter ziehen aufs Dorf. Aber was macht das mit dem Land?“ (FAZ) … Und auch die entsprechende Antwort wird inzwischen wie eine Nachricht behandelt: „Die taz-Fotografin Marily Stroux wurde 28 Jahre lang vom Hamburger Verfassungsschutz observiert. ‚Das macht was mit mir‘, sagt sie.“ (taz)

Sicher, man kann Politiker und andere so fra­gen, wie man Kassierer im Laden anspricht: „Was macht das?“ (Antwort: „3,50 Euro.“) Aber eigentlich nur dann, wenn man diese Menschen als Patienten oder Geschlechtspartner auf seiner Couch oder als Testpersonen für ein neues Schlafmittel befragt.

Politiker aber werden für das Preisgeben innerer Zustände weder gewählt noch bezahlt. Sondern dafür, dass sie ihren Job machen. Werden sie als Menschen mit Gefühlsleben befragt, nimmt man sie aus ihrer Verantwortung. Nicht, was etwas mit ihnen macht, sondern was sie selbst machen, ist das, was wir von ihnen wissen wollen sollten.

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Abstand – anstatt Anstand

Alles überbewertet? Es ist doch nur eine Frage? Sicher, auch die Sprache von Journalisten folgt nur ganz gewöhnlichen Trends, die inzwischen seltener von „der Straße“ als von Twitter kommen. („Was macht das mit euch?“ wird dort gern über skurrile Fotos von Jan Josef Liefers in glitzerblauen Pluderhosen oder von Grünkohl mit Pinkel gestellt.)

Auch an verwandten Trendfragen des Journalismus wie „Dürfen wir noch Discount-Ware kaufen?“ oder „Müssen wir jetzt alle Flugscham haben?“ lässt sich der gesellschaftliche oder teilgesellschaftliche Trend erkennen, der sich in der „Was macht das mit?“-Frage spiegelt: eine zunehmend seelsorgerisch ausgerichtete Betrachtung von Gesellschaft. Die Rede von „toxischen Beziehungen“, die Anzahl an neuen Sachbüchern, in denen es um Sinn, Selbstsorge und Seelenheil geht, geben davon Kunde.

Wenn nun seriöse Journalisten die „Was macht das mit?-“Frage stellen, können sie keine seriösen Antworten erwarten.

Es könnte natürlich sein, dass die Frage eine Verzweiflungstat ist, weil Politiker mittlerweile so durchgecoacht sind, dass sie auf so gut wie alle Fragen mit „Ach wissen Sie …“ antworten und dann irgendwas erzählen, was keine Antwort auf die Frage ist. Olaf Scholz beispielsweise könnte auf jede Frage antworten: „Ach wissen Sie, heute gab es in der Bundestagskantine Grünkohl mit Pinkel, das hat mir ganz gut geschmeckt.“ Und niemandem würde es auffallen, da er sowieso nie irgendwas Fundamentales zur Sache sagt.

Quelle        :         TAZ-online            >>>>>       weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Unten     —   Bundeskanzlerin Deutschland Bundeskanzler Deutschland

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Unter totaler Kontrolle

Erstellt von Redaktion am 30. Dezember 2021

Die Metamorphose des Olaf Scholz

Der Juso von 1984

Von Ingo Arend

Als Juso war er einst unberechenbar. Als Neukanzler zeigt er sich glatt geschliffen und floskelbewehrt.

Der Lockenschopf. Das war früher das Erkennungszeichen von Olaf Scholz. Wann immer der freche Juso aus Hamburg im Bundesvorstand der SPD-Jugendorganisation oder auf ihren hitzigen Bundesdelegiertenversammlungen auftauchte, war er schnell zu erkennen an seiner verwuschelten Haartracht. Die irgendwie auch ein Symbol für seine politische Unberechenbarkeit war. Und für die verschlungenen Wege, die er einschlug, um an sein politisches Ziel zu kommen.

Das wilde Leben, das hier statt­gefunden haben mag, ist nur noch durch eine Schicht er­kal­teter Sedimente zu erkennen

Kaum tauchte er auf, verbreitete sich nervöse Unruhe im Saal. Entweder wegen der Intrigen und Bündnisse, die dann geschmiedet wurden oder längst geschmiedet waren. Wegen der ironischen Bemerkungen, die er um sich herum verspritzte wie feinste Dosen unmerklich wirkenden Gifts. Oder wegen der Debatten, die er Backstage anzettelte, während sich vorne am Rednerpult die Gralsritter der Doppelstrategie noch dabei abwechselten, graues Recyclingpapier durch den Floskelkopierer zu schieben.

Dass Olaf Scholz keine Locken mehr hat, wird man ihm nicht vorwerfen können. Wenn das nicht einen aufschlussreichen Rollenwechsel signalisierte. Wo Ole von Beust, der flamboyant gelockte Großbürger und Scholz’ Vorvorgänger als Hamburger Bürgermeister, sich und seine konservativen Stammwähler so sehr öffnete, dass sie Schwarz-Grün feierten, versteinerte der libertäre Stamokapler Scholz zu einem Opfer des somatischen Disziplinarregimes, als das Politik eben auch immer wirkt: streng, glatt geschliffen, floskelbewehrt.

Auch dieses politische Urgestein schrumpfte nach vierzig finessenreichen Jahren auf das für den sozialistischen Nachwuchs vorgesehene Format: ein Kiesel im Mahlstrom der Demokratie.

Der berüchtigte Scholzomat eben. Was neben der rhetorischen Stanze auch meinte: ein Mann, der sich selbst unter totaler Kontrolle und alle juristischen Regularien sofort bei der Hand hat. Höchstens noch bei Hintergrundgesprächen ironisch gluckst. Ein Mann, für den Fantasie offenbar ein Fremdwort ist.

Sein Auftritt im Cum-Ex-Ausschuss demonstrierte, dass er es in Sachen Elefantenhaut und Pokerface mit dem US-Polit-Reptil Mitch McConnell aufnehmen kann. Sein Bekenntnis, „in Hamburg habe ich mich unsterblich in meine Frau verliebt“, steht in seltsamen Gegensatz zu der maskenhaften Starre, mit der man ihn im Fond seines Dienstwagens in die Kameras blicken sieht. Kurzum: ein Mann wie sein eigener Dienstwagen. Als Bundeskanzler fährt er jetzt passenderweise ein neues, besonders sicheres Exemplar, das schussfeste Reifen hat und widerstandsfähig gegen Sprengladungen ist.

Die Pathologie des Politischen

Dass Olaf Scholz nach den Hamburger Jahren im blauen Business-Panzer nun den obersten Knopf seines blütenweißen Hemdes aufgeknöpft hat, ist kein Zeichen der Öffnung. Warum er sich im Laufe seiner politischen Karriere immer mehr geschlossen hat, hat er uns nie anvertraut. Dabei wäre es wichtig, diesem politsomatischen Kipppunkt auf die Spur zu kommen. Schon, um Kevin Kühnert oder Annalena Baerbock vor einem ähnlichen Schicksal zu bewahren.

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Selbst aus einen im Schlaf geschorenen Schaf wird im Alter kein Tiger mehr erwachen. Aber es zeigt das  die Intelligenz eines kleinen Bürgermeister ausreicht, mit Hilfe des Clan einen Kanzler zu machen!

Aber die Pathologie des Politischen reicht tief, bleibt begraben im Geheimnis. Stumm schlägt sie sich im Körper nieder, im Habitus. Die fröhliche Angela Merkel der Wendezeit panzerte sich, wie der von ihr auf das Altenteil geschickte Helmut Kohl, mit Leibesfülle und undurchdringlichen Zügen. Nicht umsonst hat Franziska Giffey, die Weltmeisterin der scheinoffenen Fröhlichkeit, ihre 50er-Jahre-American-Suburb-Kostüme einmal ihre „Uniform“ genannt.

Das Gegenbeispiel wäre Claudia Roth. Die Goldparmäne des Unbotmäßigen ist aus einem ähnlich politischen Milieu nach oben gestiegen wie Scholz – ohne dabei etwas von ihrer subversiven Energie und ihrem eruptiven Temperament zu verlieren. Mag sie heute auch noch so elegant und bourgeoisiekompatibel auf dem Grünen Hügel in Bayreuth auftauchen.

Graumäusigkeit ästhetischer Wesenskern der Demokratie

Repräsentiert Roth gleichsam den stets ausbruchsbereiten Vesuv des progressiven Lagers, wirkt der oft versteinert daherkommende Scholz wie dessen Pompeji: Das wilde Leben, das hier einst stattgefunden haben mag, ist nur noch durch eine Schicht erkalteter Sedimente zu erkennen.

Quelle         :        TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Oben     —   Olaf Scholz auf dem Juso-Bundeskongress (1984)

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Triage in der C. – Pandemie

Erstellt von Redaktion am 30. Dezember 2021

Wir reden zu wenig über den Tod

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Eine Kolumne in einfacher Sprache von Sascha Lobo

Im schlimmsten Fall müssen Ärzte entscheiden, wer sterben muss. Sollten sie dann berücksichtigen, wer sich nicht impfen lassen wollte? Die Regierung muss sich anhören, was die Menschen dazu sagen.

Das Bundesverfassungsgericht hat beschlossen: Die Politik muss Regeln für die Triage festlegen. Das hört sich für manche Leute langweilig an. Andere sehen nicht, was überhaupt das Problem ist. Ich glaube, wir müssen mit so vielen Menschen wie möglich über die Triage diskutieren. Denn es ist ein Problem, das in der Coronapandemie alle angeht. Triage heißt die Entscheidung, wer stirbt und wer leben darf. Ärzte entscheiden das, wenn zwei Menschen beatmet werden müssen, um zu überleben – aber es ist nur noch ein Gerät da.

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Der Jahresrückblick 2021

Erstellt von Redaktion am 30. Dezember 2021

Wie geht es uns, Herr Küppersbusch?

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Jahresrückblick 2021 mit Friedrich Küppersbusch

Zwanzig Jahre kein Arsch in der Hose, Augen auf bei der Polizei und ein wiedergefundenes Herz. War 2021 das schlechteste Jahr so far – oder sind wir einfach nur verwöhnte Blagen? Was wir jedenfalls nicht zuletzt brauchen für 2022, ist: eine Idee für Julian Assange – und eine unserem eher kleinen Land angemessene Außenpolitik.

taz: Herr Küppersbusch, was war schlecht im vergangenen Jahr?

Friedrich Küppersbusch: Bundesregierung wie ihre eigene Schwangerschaftsvertretung.

Und was wird besser im nächsten?

Die neue ist da!

Mit dem 1. Januar 21 fällt für 90 Prozent der bisherigen Zahler der sogenannte Soli weg. Was haben Sie mit dem gesparten Geld angefangen?

Da war gerade die Mehrwertsteuer wieder erhöht worden und kurz drauf sprang die Inflation an: Nix! Ich hab’s nicht mal gemerkt. Empörenderweise gehöre ich nicht zu den 4 Prozent Topverdienern, die auch weiterhin Soli zahlen. Ursprünglich kassierte hier Kanzler Kohl für den „Zweiten Golfkrieg“, um statt Soldaten Geld schicken zu können. Das verkaufte man als irgendwie-solidarisch-mit-dem-Osten, seitdem ist der Begriff „solidarisch“ am solidarsch. Das Jahr endet mit einem Koalitionsvertrag, in dem Steuern trotz SPD nicht erhöht und trotz FDP nicht gesenkt werden. Das Wort „Solidaritätszuschlag“ kommt auf den 177 Seiten gar nicht vor. Von einer Kriegsabgabe über ein finanzielles Hütchenspiel zu einer Reichensteuer: Respekt!

Ende Februar werden vom Bundesinstitut für Arzneimittel die ersten Coronaschnelltests zugelassen. Wie viele haben Sie seitdem gemacht? Und welcher war der erleichterndste, welcher der überflüssigste?

Ich bin mehr so der Nasentyp, um die vulgäre Frage „schniefen oder kotzen?“ zu überspringen. Erschüttert hat mich, dass da, wo ich mein Gehirn vermutete, noch erhebliche Hohlräume auszuloten sind.

Am 24. März stellt das Paul-Ehrlich-Institut in seinem Sicherheitsbericht zu Nebenwirkungen von Corona-Impfstoffen fest: Bei nur 0,3 von 1.000 Impfdosen gab es einen Verdacht auf schwere Nebenwirkungen. Hat sich das genug herumgesprochen? Und hätten die Medien mehr über leichte und mittlere Beschwerden nach der Impfung berichten sollen – sozusagen zur Vertrauensbildung?

„Hallo Querfreunde! Die linksgrün versiffte ,taz‘ gibt hier verklausuliert zu, dass 30 von 100.000 Geimpften fast gestorben sind! Sauerei!“ Nein, es ist Mühle auf, Mühle zu, man erreicht manche nicht mehr. Und die false balance besteht gerade darin, aus einem zersplitterten Viertel der Gesellschaft eine schwer erziehbare Hälfte hochzujuxen. Die Medien sollen einfach ihren Job machen, „sagen, was ist“. Dass Journalismus, auch Satire und Comedy, tendenziell die Regierung unterstützen und Kritik von oben nach unten üben, ist auch damit kaum zu entschuldigen, dass sie ausnahmsweise recht haben.

Mit dem 21. April ziehen sich alle englischen Klubs offiziell von den Plänen zur geplanten European Super League (ESL) zurück. Also wird Bayern auch die nächsten 10 Jahre Meister in der Bundesliga?

Widerlich sind ja nicht nur die sehr erwartbaren Pläne, eine Liga aus europäischen Krösus­klubs aus eitel Fett zu modellieren. Widerlich ist, dass der FC Bayern noch mal so tun kann, als verteidige er Freund Leder gegen eine kranke Welt seelenloser Oligarchenklubs. Um am Ende doch mitzumachen.

Am 1. Mai beginnt der offizielle Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan. Hat es in der Geschichte schon mal einen erbärmlicheren Abzug gegeben?

„Die Truppe hat einen super Job gemacht; nur der Job war halt bescheuert“: Unter diesem Tagesbefehl stolpert die Bundeswehr heim. Bei Licht betrachtet eine niedliche Dolchstoßlegende – der Auftrag der verpeilten Politiker war halt militärisch nicht umsetzbar. „Bürger in Uniform“ hätten dies längs der „Inneren Führung“ früher lauter ansprechen müssen. Bevor 53 KameradInnen starben. So gesehen könnten sie jetzt auch „20 Jahre kein Arsch in der Hose“ feiern statt Zapfenstreich. Die „Ampel“ will alle Auslandseinsätze überprüfen. Die darin enthaltene Vermutung, das könne nötig sein, charmiert.

Am 10. Juni wird das Frankfurter SEK wegen „inakzeptablen Fehlverhaltens“ mehrerer Mitarbeiter aufgelöst. Wäre das ein Modell für die gesamte Polizei in Sachsen oder haben Sie da noch Hoffnung auf demokratische Besserung?

„Ein von übersteigertem Korpsgeist geprägtes Eigenleben“ ist eine hübsche Umschreibung für eine Nazi-Chatgruppe im Staatsdienst. Hessens CDU-Innenminister rettete mit dem Rauswurf seinen Job und darf beim nächsten Polizeiball nicht mehr mit Tombola-Hauptgewinnen rechnen. Zuvor waren in Sachsen Polizeischüler wegen Nazisprech von der Hochschule geflogen. Zwei Lehren: Innenminister, die früher hinschauen; Augen auf schon bei der Rekrutierung.

Vom 14. bis 17. Juli 2021 wird das Ahrtal schwer von Stark­regen und Hochwasser getroffen. In der Stadt Sinzig sterben zwölf Bewohner einer Behinderteneinrichtung. Sind diese und andere Katastrophen in Zusammenhang mit den Überschwemmungen adäquat aufgearbeitet worden?

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Friedrich Küppersbusch  –  Fernsehproduktion

Hambacher Forst, Rezo-Video, nun die Flutkatastrophe in der Eifel: Die CDU hat sich in die Paranoia hineingesteigert, vor jeder Wahl passiere etwas in Sachen Jugend und Klima, das ihr schade. Das Irre ist: Es stimmt. Das könnte mit ihrer unklaren Linie beim Thema zu tun haben – auf gut Laschet „man ändert wegen eines solchen Tages nicht seine Politik“. Den Tag möchte man nicht erleben, an dem es doch nötig würde.

Am 4. August fliegt die belarussische Olympia-Teilnehmerin Kristina Timanowskaja von Tokio aus ins Exil. Die Proteste gegen das autoritäre Regime in Minsk, das Drama an der polnischen EU-Außengrenze – sind wir schlicht überfordert von den Ereignissen oder ist die deutsche Zivilgesellschaft zu träge geworden?

Habeck wollte der Ukraine Drohnen geben, Baerbock Nord Stream 2, nunja, am stilllegendsten, und in der nunmehr Opposition holen befreite Unionspolitiker ihre Kalte-Kriegs-Textbausteine aus dem Keller. Da ist doch ordentlich was los in der Zivilgesellschaft. Die Kunst wird sein, knapp vor Rechthaben abzubiegen in Richtung Lösung. Also sozusagen: Außenpolitik, einem eher kleinen Land angemessen. Deutschland ist kaum moralische und kulturelle Instanz, es ist militärisch eher kompetent niedlich. Was bleibt, ist Wirtschaftsmacht.

Am 26. September wird ein neuer Bundestag gewählt – war am alten irgendwas besser?

Quelle        :         TAZ-online         >>>>>          weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Relief „Ludwigs Erbe“ von Peter Lenk, nähe Zollhaus und Tourist Information, Hafenstraße 5, Ludwigshafen am Bodensee, Bodman-Ludwigshafen in Deutschland: Rechter Teil des Triptychons, von links nach rechts: Hans Eichel, Gerhard Schröder, Angela Merkel, Edmund Stoiber und Guido Westerwelle

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Ein Fluchtbericht

Erstellt von Redaktion am 29. Dezember 2021

Corona dominiert und Afghanistan ist in den Hintergrund geraten

Ein Schlagloch von Jagoda Marinic

Das ist mein letztes Schlagloch für dieses Jahr. Es geht zu Ende, als hätte die Pandemie gestern begonnen. Täglich werden im Radio die neuen Inzidenzen durchgegeben, wird die Zahl der Toten gemeldet. Leben retten als Wert zivilisierter Länder.

Doch es gibt Leben, das bei uns geringen Nachrichtenwert hat. Angenommen, die „Tagesschau“ würde eine Woche lang jeden Tag die Zahl der Toten an Europas Grenzen melden. Jeden Tag ein Bericht über das Schicksal der Frauen in oder aus Afghanistan. Nach dem medialen Aufschrei im August kämpfen die meisten jetzt im Stillen. Ich möchte das Wort Frauen überlassen, die Frauen aus Afghanistan retten: Monika Hauser und Sybille Fezer von Medica Mondiale. Ich weiß, die taz ist nicht Pro7 und wir haben keine Reichweite wie Joko & Klaas, aber ich weiß, das Schlagloch hat Leser_innen, die das noch immer interessiert:

Maryam* blickt ins Dezembergrau, auf eine Tankstelle und einen Supermarkt. Müde Augen. Nach vielen zermürbenden Wochen der Flucht ist die 42-Jährige mit Mann und zwei Töchtern im Taunus gelandet. Noch vor einem halben Jahr hat sie als Anwältin eine 12-Jährige verteidigt, die wegen sogenannter moralischer Verbrechen im Gefängnis saß: Sie war vor der Zwangsverheiratung mit einem 60-Jährigen davongelaufen. Maryam erwirkt, dass es einen Prozess gibt. Dem Richter erklärt sie dabei die afghanische Gesetzgebung: Laut dem Gewaltschutzgesetz von 2008 ist die Verheiratung Minderjähriger verboten.

Jahrelang schulte Maryam Justizpersonal. Sie wollte nicht nur Gesetze verbessern, sondern auch das Bewusstsein ändern. Als feministische Anwältin hat sie es immer wieder geschafft, mithilfe des Gewaltschutzgesetzes, an dessen Formulierung sie mitgewirkt hatte, Frauen und Mädchen aus den Gefängnissen freizubekommen. Viele Täter wurden rechtskräftig verurteilt. Zwar war ihr klar, dass die Gelder der internationalen Geber vor allem eigenen neoliberalen Interessen dienten, aber so konnte sie dafür sorgen, dass Frauenrechte auch in ihrem Land endlich umgesetzt werden. Dabei lebte sie mit Anfeindungen und realen Bedrohungen. Sie lernte, mit diesen Widerständen umzugehen – ihr unbedingter Wille war es, eine Gesellschaft mit aufzubauen, in der Menschenrechte respektiert werden und Frauen vor Gewalt geschützt sind. Sehr klug nutzte sie dafür die neuen Gesetze – oder auch den Koran.

An den Trögen der Nation ging ein Platzwechsel vonstatten. Sie grunzen zwar alle gleich laut – aber doch irgendwie anders.

Der 15. August verändert alles, und Frauen wie sie werden zu den größten Staatsfeinden. Es folgen Monate in unterschiedlichen Verstecken und Unterkünften, Drohanrufe der Taliban, näher rückende Hausdurchsuchungen, die Sperrung ihres Bankkontos. Vor die Tür nur noch vollverschleiert und in Begleitung des Ehemanns. Wohnen auf engstem Raum. Die Mädchen verängstigt und oft wie erstarrt – zur Schule können sie nicht mehr.

Der erste Fluchtversuch, die Evakuierung über den Flughafen Ende August – an den Toren gescheitert: Stundenlanges Warten im Minibus, aufgeheizte Stimmung draußen, Schüsse. Die Listen, die dort ausliegen sollen, mit ihrem Namen, dem Ticket nach Deutschland, liegen nicht vor. Die Tore bleiben zu. Knapp entkommen: Später explodiert eine Bombe des IS vor dem Flughafen. Dann neue Fluchtwege und monatelanger Transit, ein Labyrinth aus immer neuen bürokratischen Hindernissen: Banges Warten auf die schriftliche Aufnahmezusage der Bundesregierung. Konsularische Vertretung Deutschlands nur in den Nachbarländern; ohne Pass und Visa keine Ausreise dorthin. Das heißt: Visa für alle besorgen, kaum sind sie da, ist der Pass der Tochter nicht mehr gültig. IS-Anschlag auf das Passbüro: wochenlang geschlossen. Evakuierungslisten, auf denen Maryam und ihre Familie stehen und wieder runtergenommen werden („Liste“ sollte das Unwort des Jahres sein, nicht Wellenbrecher!). Ein Versuch, über den Landweg nach Pakistan einzureisen, scheitert: wieder kein Durchkommen.

Quelle        :       TAZ-online           >>>>>      weiterlesen

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Grafikquellen      :

Oben          —    US-Soldaten und Flüchtlinge am 20. August am Flughafen-Tor

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Anonyme Reportage des SR

Erstellt von Redaktion am 29. Dezember 2021

Demos gegen Impfflicht im Saarland

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Vor Dr. Nikolaus Götz

Hallo Redaktions-Team vom Saarländischen Rundfunk,

mehr als schlecht und offen manipulierend ist Ihre Berichterstattung zum gestrigen „Grenzüberschreitender Lichter-Marsch“ in Saarbrücken erschienen am heutigen Tag unter der Meldung:

28. 12. 2021 online gestellt| 07:20 Uhr wobei selbst der „Polizeibericht zur Demo“ (Hinweis siehe Anmerkung 1) fast informativer ist!

Im Bewusstsein, den staatstragenden und vollgeboosterten ’anonymen Cheerleadern’ des SR während dieser wild tobenden Corona-Pandemie sowieso ’nichts’ mehr näher bringen zu können, seien dennoch folgende Kritikpunkte am veröffentlichten SR-Text gestattet:

Kritikpunkte:

1 Es fehlt ein verantwortlicher Textautor für die Berichterstattung.

2 Frage: Wie viele Teilnehmer: 3400 oder 3000 oder 5000??? Kann der SR sich festlegen? Normalerweise verwendet ein Reporter entweder die stets „nach unten“ geschätzten Zahlen der Polizei oder er orientiert sich nach den „nach oben“ korrigierten Angaben der Demoleitung. Selbst eine Eigenschätzung wäre möglich, wenn der Berichtende über Demo-Erfahrung und über ein Schätzungsvermögen versammelter Volksmassen verfügt. Also wieder einmal nur die Polizeizahlen….wie unprofessionell!

3 Warum ist der Demo Zug an die „Goldene Bremm“ gelaufen, sei gefragt? Es war ein „Grenzüberschreitender Lichtermarsch“. Kein SR-Hinweis auf die gestrige Deutsch-Französische Demo-Achse, mit der Abschlusskundgebung am symbolträchtigen D-F-Garten von Saarbücken.

4 Bewusst falsche Akzentuierung des Demonstrationsgrundes:

„Rund 3000 Menschen haben am Montagabend in Saarbrücken gegen die Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie demonstriert.“ So der SR und die Polizei berichtet: „Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer trafen sich um 17:30 Uhr zu der auf dem Schlossplatz stattfindenden Auftaktkundgebung, wo sie sich gegen eine drohende Impfpflicht und die Einschränkung der persönlichen Freiheit positionierten.“

SR flau, und negativ „gegen Maßnahmen????“; die Polizei ergänzt zwar auch ’gegen’ aber konkret ’Impfpflicht’ und ’Einschränkung der Freiheitsrechte’.

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Die Demo-Teilnehmer haben gegen die offen längst existierende „Einschränkung ihrer persönlichen Freiheitsrechte “ demonstriert!!! und sodann auch gegen die sich anbahnende ’Corona-Impfpflicht’ oder verbal richtiger, den offen drohenden „Impfzwang“. Die Verdrehung der SR Berichterstattung beginnt oder liegt auch in der gewählten Diktion! Die gestrigen Teilnehmer an der Demo haben auch demonstriert für besser ausgestattete und mehr Krankenhäuser in der Corona-Pandemie! Kein Wort in der SR-Meldung! Dafür aber Füll-Meldungen wie Kritikpunkt 5

5 Was soll ein Satz: „Wie die Stadtwerke Saarbrücken mitteilten, kam es wegen der Demo zeitweise zu Verspätungen und Behinderungen im Busverkehr.“ (Ein überflüssiger Satz zum Textfüllen). Doch die Möglichkeit von Verkehrsstaus dürfte für den SR neu gewesen sein und war deshalb für die inhaltliche Präsentation des Demovorganges wichtig! „Honi soi qui mal y pense!“

6 „Die Protestwelle gegen die undemokratische Corona-Politik dehnt sich auch im Saarland aus! Leider beschreibt der anonyme SR die politische Situation nicht so! Der SR meldet:

Große Zwischenüberschrift:

„Kleine Proteste in mehreren Städten“:

In der BRD???? Oder im Saarland? Ja, ja: Die Hauptüberschrift des Artikels … „im Saarland“ wurde nicht vergessen….oder wollte der SR von Trier, Hamburg oder Berlin berichten, die Demos gibt es bundesweit….in Deutschland, denn das wäre doch wichtig gewesen, dieser Blick des SR über den eigenen saarländischen Suppenteller, mit der Feststellung: „Deutschland hat Masern!“ Überall in der Deutschlandkarte „Rote Punkte“ für die vielen Demos, die der SR alle vergessen hat.

Originaltext des SR:

„Weitere rund 400 Demonstranten kamen bei kleineren Protesten in Saarlouis, Neunkirchen, Merzig und Lebach hinzu.“ Uff, vier weitere Städte im Saarland? Was so viele?: Jetzt ist es klar: der SR meint das Saarland!

Jetzt sind also laut SR auch Menschen zumindest in Saarlouis, Neunkirchen, Merzig und Lebach aktiv gegen den Impfzwang! Was ist aber mit Merzig, St. Wendel, Homburg, Blieskastel,….hat der SR im Stress der Zeit nicht nachgefragt?

7 Satzwiederholungen. Warum??? So wird der Darstellungsraum gefüllt!

Abschnitt 1: Satz 2: „Laut Polizei verliefen die Aktionen friedlich.“

Abschnitt2: Satz 4: Nach Angaben der Polizei verlief die angemeldete Veranstaltung friedlich.

Oder:

Abschnitt 2:

Die Teilnehmer hielten sich weitestgehend an die Corona-Maßnahmen.

Abschnitt 4

Auflagen wie Maskenpflicht seien größtenteils eingehalten worden.

8 Und endlich das Fazit der Medien-Manipulation des SR nach der Zwischenüberschrift:

„Kleine Proteste in mehreren Städten“ Finaltext des SR:

Während immer wieder Menschen auf die Straße gehen, um gegen eine mögliche Corona-Impfpflicht zu demonstrieren, bleibt die Impfbereitschaft im Saarland weiterhin hoch. Laut Robert-Koch-Institut haben 63.100 Menschen im Saarland in der vergangenen Woche eine Corona-Schutzimpfung erhalten.

85 Prozent davon waren Booster-Impfungen. Das Saarland bleibt mit einer Booster-Quote von 42,6 damit weiterhin bundesweit an der Spitze der Booster-Impfungen.

Solch ein Textschluss ist Manipulation pur!

Statt sachliche Information über eine „noch kleine Demo“ macht der SR-Autor im Schlussabschnitt, also dem ’Textfazit’ simple und offen erkennbare Propaganda für das „unreflektierte Impfen“, negiert die Befürchtung „eine mögliche Corona-Impfpflicht“ und stellt das Impfen als „sicheren Schutz“ gegen „Corona“ (Alpha, Beta-Virus oder Omi-kron?) dar (Siehe die Werbekampagne der Bundesregierung vom 13.Februar 2021 „Drei Impfstoffe, die zugelassen, wirksam und sicher sind“ (Zusammen gegen Corona, Das Bundesministerium für Gesundheit informiert: Impfstoffe für Deutschland, in: Der Wochenspiegel vom 13.Februar 2021), was es aber ebenso wenig ist, wie der festgestellte Impfrekord der Saarländer beim „Boostern!“. Interessante Ablenkungsstrategie vom eigentlichen Thema der Darstellung „Demos im Saarland“, sei angemerkt, aber jeder kann ja schreiben wie er will!

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Schaut mir in die Augen: „Können solche Augen töten, solch eine  Nase näseln, oder solche Zähne beißen?“

Selbst der neue deutsche ’Bundesminister für Krankheit der BRD’ Dr. Karl Lauterbach gesteht inzwischen: Boostern schützt nicht (absolut) gegen eine Viren-Erkrankung…. Der SR, so sei allen dortigen Anonymi gratuliert, steht voll hinter ’seiner’ (?) Regierungsimpfkulturleitlinie. Der alsbaldige „Endsiegbericht des SR“ (anonym) über das Virus, die Viren…folgt wohl alsbald nach Virograd… Im neusprachlichen Gymnasium hätte der anonyme Textautor seinen Kurzbericht über ’Demos im Saarland’ vom unterrichtenden Deutschlehrer bestimmt mit der Bemerkung zurückbekommen. „Leistung nicht erreicht!“

Ausdrücklich sei gegen solche undifferenzierte, offen manipulierende Berichterstattung durch den Saarländischen Rundfunk Protest eingelegt!

Mit kritisch freundlichen Grüßen

Dr. Nikolaus Götz, Literaturhistoriker und Politologe

Anmerkungen:

1 Siehe den Bericht zu Demo bei: www.presseportal.de/blaulicht/pm/138303/5108959; sowie den des Saarländischen Rundfunks:    Demos gegen Impfpflicht im Saarland

www.sr.de/sr/home/nachrichten/panorama/demo_gegen_ corona politik _ saarbruecken_100.html

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Grafikquellen      :

Oben     —         Bildinhalt: Gelände und Gebäude des Saarländischen Rundfunks auf dem Halberg Aufnahmeort: Saarbrücken, Deutschland

Unten        —     Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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Pandemie und Glaube

Erstellt von Redaktion am 29. Dezember 2021

Glauben zwischen Wirrungen und Unwägbarkeiten in der  Pandemie

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Haben sich diese Steckenpferd-Reiter ihre Schwerter von der STIKO ausgeliehen?

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

In einem Dialog ließ die Wochenzeitung Der Freitag die ehem. Landesbischöfin und Oberhaupt der Evangelischen Kirche in Deutschland, Margot Käßmann (MK), mit dem selbsternannten Philosophen und Vorstandssprecher der Giordano-Bruno-Stiftung, Michael Schmidt-Salomon (MSS), darüber diskutieren, welche Rolle Religion in einer Pandemie haben kann.

Es war eine unausgewogene Debatte zwischen weiblicher Einfühlsamkeit und männlicher Radikalität, zwischen Respekt und Rassismus. Während MSS auf seinem Dauer-Steckenpferd der strikten Neutralität des Staates gegenüber Religionen gerade auch im Falle einer Pandemie reitet, argumentiert MK dahingehend, dass Religion den Menschen in einer Krise helfen kann. Während MK den Menschen in seiner Hilflosigkeit und Suche nach Rat sieht, pervertiert MSS die von einem Viruswinzling ausgelöste, weltweite Pandemie und Krise in eine Strafe Gottes, ohne sich einzulassen, von welchem der tausenden von Göttern dieser Welt er da eigentlich spricht.

Es sei dahingestellt, ob Versammlung gleich Versammlung ist, aber Gläubige, die still und mit Abstand voneinander beten, sind mit einer tanzenden Gruppe in engem Körperkontakt sicher nicht vergleichbar. Insofern geht die Forderung von MSS nach strikter Gleichbehandlung/Schließung von Versammlungen grob an der Realität vorbei. Auch mit seiner Forderung, dass „der Staat im Wettbewerb der Religionen und Weltanschauungen als unparteiischer Schiedsrichter“ auftreten soll, um glaubwürdig zu sein, ist falsch gesprungen.

Bei unserer Gewaltenteilung ist nämlich streng unterschieden, wer die Regeln setzt und wer darüber richtet. Und dem verschwurbelten Wortgefecht von MSS über Religions- bzw. Weltanschauungsfreiheit setzt MK die eher nüchterne Bemerkung entgegen: „Religionsfreiheit heißt, mit oder ohne Religion zu leben.“ So einfach! Ja, und dann sind da ja noch – zwar etwas vom Thema weg – die religiösen Feiertage. Mit denen hat das Virus nämlich schon gar nichts am Hut.

Aber MSS will unbedingt am Karfreitag tanzen und begründet das mit seiner Vorstellung von „toleranter Gesellschaft“ und dem zynischen Hinweis, das er es ja auch ertragen müsse, „dass Christen die Hinrichtung eines Menschen als Erlösung feiern.“ Si tacuisses philosophus mansisses! (Hättest Du geschwiegen, wärst Du [vielleicht] ein Philosoph geblieben). Da hat MSS die Kerngeschichte der Christen wohl immer noch nicht richtig verstanden!? Diese „bewusste Provokation“ kontert MK souverän mit dem Hinweis, dass „tolerieren“ etwas anderes als nur erdulden [ist]. „Bei „tolerieren“ ist es wichtig, Respekt vor dem anderen zu haben. Nur so können wir in diesem Land zusammenleben.“

Margot Käßmann 2013-03-07.jpg

Eine eher verworrene Diskussion um evolutionären Humanismus und identitäre Bewegungen endet für MSS mit der brutal rassistischen Bemerkung: „Aber ein alter, weißer Mann kann auch mal im Recht sein und eine schwarze, behinderte Lesbe im Unrecht.“ Pfui Deifi! Dann doch lieber in einem moderaten Glauben als mit einem brutalen Humanismus leben. In den Wirrungen und Unwägbarkeiten dieser Pandemie strahlt Margot Käßmann Ruhe und Vertrauenswürdigkeit aus. Ganz im Gegensatz zu MSS, der die Pandemie (wieder einmal) zur Verteidigung seines humanistischen Bekenntnisses missbraucht, obwohl er mit Sicherheit kein geprüfter Humanist mit Zertifikat der Humanistischen Vereinigung ist.

Urheberrecht
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Grafikquellen      :

Oben       —    Els Cavallets (little horses) during the dance of the giants at 07.09.2008 (Great festival of Olot 2008 at the Placa Major)

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FDP sahnt kräftig ab

Erstellt von Redaktion am 29. Dezember 2021

Großspenden 2021 an die Parteien

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Von Pascal Beucker

Im Bundestagswahljahr wurde an keine Partei so viel Geld gespendet wie an die Lindner-Truppe. Aber auch die Grünen können sich nicht beklagen.

Die FDP ist die große Profiteurin des Bundestagswahljahrs 2021. Mit rund 4,4 Millionen Euro hat sie mit Abstand die meisten Großspenden eingenommen. Einem Wahlergebnis von 11,5 Prozent stehen Spendeneinahmen von 32,8 Prozent gegenüber. Damit ist es der geschäftstüchtigen Lindner-Truppe zum ersten Mal in der bundesrepublikanischen Geschichte gelungen, in der Gunst des Kapitals an der Union vorbeizuziehen.

Das geht aus einer aktuellen Aufstellung des Bundestages hervor. Danach beglückten Wirtschaftsunternehmen, Arbeitgeberverbände und vermögende Gön­ne­r:in­nen die deutschen Parteien in diesem Wahljahr mit insgesamt rund 13,5 Millionen Euro – weit mehr als noch bei der Bundestagswahl vor vier Jahren. Damals spendeten sie rund 7 Millionen Euro.

Hinter der FDP auf Platz 2 haben es sensationell die Grünen geschafft, die rund 3,4 Millionen Euro einnehmen konnten, womit sie bei den Großspenden mit einem Anteil von 25,5 Prozent ebenfalls besser abschnitten als an der Wahlurne. 2017 kamen sie noch auf verhältnismäßig spärliche 483.000 Euro. Zusammen verfügen FDP und Grüne jetzt beim Spendenkassieren über eine komfortable absolute Mehrheit.

Obwohl auch die CDU im Vergleich zu 2017 um mehr als eine halbe Million Euro zulegen konnte, landete sie mit rund 3,4 Millionen Euro nur auf Platz 3, gefolgt von der CSU mit rund 871.390 Euro. Zusammen kommen die Schwesterparteien damit auf 31,6 Prozent der gesamten Großspendeneinnahmen.

Ganz weit abgeschlagen dahinter rangiert die neue Kanzlerpartei SPD mit 225.001 Euro, vor vier Jahren waren es noch 410.000 Euro. Was auch schon nicht viel war. Die Linkspartei erhielt dieses Jahr eine Großspende in Höhe von 55.000 Euro. Die AfD ist – zumindest offiziell – leer ausgegangen.

Das Parteiengesetz verpflichtet die Parteien, Spenden über 50.000 Euro „unverzüglich“ unter Angabe des Spen­de­r:in­nen­na­mens der Bundestagspräsidentin zu melden. Sie werden dann zeitnah in einer Bundestagsdrucksache veröffentlicht. Zwar liegen die Zuwendungen insgesamt noch wesentlich höher. Das lässt sich aber erst durch die Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte der Parteien etwa eineinhalb Jahre später nachvollziehen. Da müssen alle Spen­de­r:in­nen ab 10.000 Euro öffentlich gemacht werden. Die zeitnah veröffentlichten Großspenden zeigen jedoch bereits eine starke Tendenz auf.

Lohnende Investition in die Klassenkampf-von-oben-Partei

Interessant ist nicht nur, wieviel eine Partei bekommen hat, sondern vor allem, von wem. So reüssierte die FDP in großem Stil bei Finanzdienstleistern, Kapital- und Beteiligungsgesellschaften, Immobilienunternehmen und der Start-Up-Szene wie auch bei Billigläden wie TEDI oder Woolworth. Insgesamt konnte sie 33 Großspenden vereinnahmen. Der schillerndste Spender dürfte der Finanzunternehmer Carsten Maschmeyer sein, der 200.000 Euro springen ließ.

Veronica Ferres und Carsten Maschmeyer Berlinale 2010.jpg

Mit 750.000 Euro kam die höchste Spende an die FDP von dem Medienmanager Georg Jakob Kofler. Gegenüber dem Handelsblatt begründete Kofler sein finanzielles Engagement damit, dass es ihm darum gehe, „eine Regierungsbeteiligung der Grünen zu verhindern“. Das hat nicht so ganz geklappt.

Aber mit dem vollständigen Verzicht der Ampelkoalition auf Steuererhöhungen für Wohlhabende und deren Unternehmen sowie der Ernennung von FDP-Chef Christian Lindner zum Bundesfinanzminister dürfte Kofler auch zufrieden sein. In jenen Kreisen, die viel haben, gilt die Klassenkampf-von-oben-Partei nicht zu Unrecht als Garant dafür, noch mehr zu bekommen und wenig geben zu müssen.

25 Großspenden gingen an die CDU. Das meiste Geld kam mit 500.000 Euro von dem Kölner Unternehmer Christoph Alexander Kahl, dem Besitzer von Jamestown Immobilien. Die Droege Group AG, ein Beratungs- und Investmentunternehmen, zahlte 300.000 Euro. Auch fehlt nicht der BMW-Clan: Wie in den Vorjahren erfreuten Stefan Quandt und Susanne Klatten die CDU mit zusammen 100.002 Euro. Anders als in der Vergangenheit hielt sich die Automobilindustrie ansonsten bemerkenswert zurück.

Großspenden nach dem Gießkannenprinzip

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Grafikquellen          :

Oben       —       Christian Lindner, Politiker (FDP), Wahlkampfveranstaltung in München (September 2021). Titel des Werks: „Christian Lindner im Wahlkampf 2021“

Unten      —       German actress Veronica Ferres and her partner Carsten Maschmeyer.

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Das Licht geht aus

Erstellt von Redaktion am 28. Dezember 2021

AKW – Brokdorf wird zum Jahresende abgeschaltet

Kernkraftwerk Brokdorf 2006 (cropped).jpg

Von Rainer Paul

425 Mahnwachen in 36 Jahren. Am Nikolaustag gab es die letzte. Die Demonstranten feierten, dass das AKW Brokdorf nun vom Netz genommen wird.

Dieselben Wiesen, dieselben Gräben, derselbe scharfe Wind. Als wir in Wewelsfleth aus dem Auto steigen, haben wir den Eindruck, dass sich hier in der Wilstermarsch (eine der vier holsteinischen Elbmarschen, nordöstlich der Elbe – Anm. d. Red.) in den vergangenen 45 Jahren gar nicht so viel verändert hat. Wir gehen noch einmal denselben Weg wie am 31. Oktober 1976, als wir das erste Mal in Brokdorf waren. Von Wewelsfleth Richtung Elbe, dann weiter auf dem Deich, insgesamt etwas mehr als fünf Kilometer.

Doch wo damals eine Baustelle war, von der Polizei zur Festung ausgebaut, steht jetzt das Atomkraftwerk. Hellgrau die Reaktorkuppel und der Abluftkamin, weiß das wuchtige Maschinenhaus. An einem Baum hat sich eine Fahne verfangen, dreckverschmiert ist die aufgedruckte lachende Sonne, das Symbol der Anti-Atom-Bewegung.

Die Flagge ist vermutlich ein Überbleibsel der Mahnwache vom Nikolaustag. Seit 36 Jahren haben sich an jedem 6. Tag eines Monats Umweltschützer am Haupttor des AKWs zum stillen Protest versammelt. Am 6. Dezember dieses Jahres fand die 425. und zugleich letzte Mahnwache statt. Außer Tee und Gebäck gab es auch Sekt. Die Demonstranten feierten, dass Brokdorf zum Jahresende für immer abgeschaltet wird.

Hans-Günter Werner gehört zu den Kirchenleuten, die die Mahnwache 1986 nach der Atomkatastrophe in Tschernobyl ins Leben riefen. „Wir haben damals versprochen, dass wir kommen, bis das AKW abgeschaltet wird“, sagt er. „Jetzt ist es endlich so weit.“ Werner hat kaum eine Mahnwache verpasst, sogar seine Urlaube plante er nach dem wiederkehrenden Datum.

In einer Nacht- und Nebelaktion

Mit Brokdorf gehen zeitgleich zwei weitere der sechs noch laufenden Atomkraftwerke dauerhaft vom Netz, Grohnde in Niedersachsen und Gundremmingen-C in Bayern. Deutschland, das gefühlt schon vor Jahrzehnten aus der Atomkraft ausgestiegen ist, verliert damit seinen Platz als zweitgrößter Atomstrom- und Atommüllproduzent in der Europäischen Union hinter Frankreich.

Deutschland verliert damit seinen Platz als zweitgrößter Atomstrom- und Atommüllproduzent in der Europäischen Union hinter Frankreich

Brokdorf ist das am heftigsten umkämpfte deutsche AKW. Schon gegen den in einer Nacht- und Nebelaktion erfolgten Baubeginn demonstrierten am 30. Oktober 1976 rund 8.000 Menschen, einige hundert besetzten das Baugelände. Im Morgengrauen trieben Polizisten die Besetzer mit Hunden, Knüppeln und Tränengas vom Platz. „Die Polizei ging mit unfassbarer Brutalität vor“, hieß es damals in den NDR-Nachrichten.

Auf dem Elbdeich protestierten einen Tag später 4.000 Menschen gegen die Polizeiübergriffe. Bei dieser Demo gelang dem Fotografen Günter Zint das berühmte Gegenlichtfoto von den Menschen auf dem Deich, das später immer wieder auf Plakaten und Flugblättern der Anti-AKW-Bewegung gedruckt wurde. Wir hatten die Räumung des Baugeländes am Vorabend in den Fernsehnachrichten gesehen und waren aus Neugier nach Brokdorf gefahren.

Obwohl die Polizei weiträumig Straßen absperrte, zogen zwei Wochen später, am 13. November, 40.000 durch die Wilstermarsch zum Bauplatz. Der Versuch einer erneuten Besetzung misslang. Polizisten und Grenzschützer verteidigten das Gelände, warfen Tränengaskartuschen aus tief fliegenden Hubschraubern in die Menge. Hunderte wurden verletzt.

Rebellion gegen das kapitalistische System

Waren die ersten großen Anti-AKW-Proteste im badischen Wyhl noch stark regional geprägt und zielten vorrangig auf den Schutz der eigenen Lebensumgebung ab, gelangte in Brokdorf die Auseinandersetzung um die Atomkraft auf eine grundsätzlichere Ebene: Sie entwickelte sich zu einer Rebellion gegen das kapitalistische System und gegen den „Atomstaat“. Weite Teile vor allem der städtischen und studentischen Bewegung verschmolzen die Ökologie- mit der Systemfrage.

Ende 1976 verfügte das Verwaltungsgericht Schleswig einen Baustopp für Brokdorf. „Richtersprüche machen Atomkraftwerke auch nicht sicherer“, hielt die Anti-Atom-Bewegung dagegen. Trotz beispielloser Hetze und dem Heraufbeschwören einer „Schlacht um Brokdorf“ in den Medien – die Bild fantasierte den von den „Chao­ten“ zu Propagandazwecken einkalkulierten Tod von Demonstranten herbei –, und trotz Versammlungsverbots fand am 19. Februar 1977 die bis dahin größte Demo gegen das AKW statt. 50.000 Menschen zogen Richtung Bauplatz – und kehrten nach einer Kundgebung an der ersten Polizeisperre wieder um. Die Massen folgten dem Kommunistischen Bund Westdeutschlands (KBW), der zum „Schleifen der Festung“ aufruft, nicht.

„Richtersprüche machen Atomkraftwerke auch nicht sicherer“, hielt die Anti-Atom-Bewegung dagegen

In den Kämpfen um Brokdorf entdeckten die damals starken „K-Gruppen“ ihre Liebe zur Anti-AKW-Bewegung. Sie sahen in den überall neu entstehenden und wachsenden Initiativen ein ideales Propaganda- und Rekrutierungsfeld. Manch hart gesottener K-Grüppler etwa aus dem KBW oder der Abspaltung „Gruppe Z“ des Kommunistischen Bunds (KB) hielt sich indes gar nicht lange in der Bewegung auf, sondern marschiert gleich weiter in die sich Ende der 1970er Jahre bildenden grünen und bunten Listen.

Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf (Kiel 68.546).jpg

Wer weiß – vielleicht sitzen heute einige der damaligen Verschwörungs-Theoretiker von der Grünen in der Regierung? 

Am 28. Februar 1981 protestierten 100.000 in der Wilstermarsch gegen das Auslaufen des Baustopps. Ein gewaltiges Polizeiheer mit Hubschraubern und Wasserwerfern empfing die Demonstranten. Es folgten stundenlange Auseinandersetzungen, es gab zahlreiche Verletzte und Verhaftete. Wenige Tage später veröffentlichte der Stern ein Foto: Es zeigte drei AKW-Gegner, die einen Polizisten verprügeln. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen versuchten Mordes, zwei Männer wurden verhaftet und zu Gefängnisstrafen verurteilt.

Radioaktive Wolke über halb Europa

Die juristische Auseinandersetzung um das Demo­verbot mündete im Mai 1985 im Brokdorf-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts. In seinem Urteil traf es weit reichende Aussagen zur Bedeutung der Versammlungsfreiheit, das Gericht erarbeitete Begriffe wie Eilversammlung und Spontanversammlung und betonte ausdrücklich, dass Bürokratie und Protest sich nicht gut vertragen und dass es „… seit jeher als Zeichen der Freiheit, Unabhängigkeit und Mündigkeit des selbstbewussten Bürgers galt, sich ungehindert und ohne besondere Erlaubnis mit anderen zu versammeln“.

Zehntausende machten sich am 7. Juni 1986 erneut auf dem Weg nach Brokdorf. Wenige Woche zuvor war Reaktor Nummer 4 im ukrainischen Atomkraftwerk Tschernobyl explodiert, eine radioaktive Wolke hatte sich über halb Europa ausgebreitet. Die Demo wurde von der Polizei zerschlagen. Den Hamburger Konvoi – acht Kilometer lang, mehr als 10.000 Leute – überfielen die Beamten schon auf dem Hinweg. Sie schlugen bei mehr als hundert Fahrzeugen die Scheiben ein, zerstachen die Reifen, brachen die Kofferräume auf oder schoben die Autos gleich ganz in den Graben. Die Straße bei Kleve glich einem Schrottplatz.

Quelle         :        TAZ-online        >>>>>         weiterlesen 

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Grafikquellen          :

Oben     —    Atomkraftwerk Brokdorf von der Elbe aus gesehen

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Unten        —   Demonstration gegen den Bau des Kernkraftwerks Brokdorf. Etwa 5.000 Menschen zogen durch die Innenstadt zum Landeshaus. Das Regierungsviertel ist von der Polizei abgeriegelt. Texte: „Baustopp in Brokdorf“, „Brokdorf kein KZ, Stoltenberg muss weg!“.

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Afrika, Kontinent als Beute

Erstellt von Redaktion am 28. Dezember 2021

Marokko: Ein Armenhaus von der EU produziert

Quelle     :     Untergrundblättle – CH 

Von Klaus Hecker

Marokko konnte seine Unabhängigkeit lange behaupten, verlor seine Souveränität aber 1912 im Vertrag von Fès.

Das Land, aus dem Klaus Hecker in seinem Podcast „Afrika, ein Kontinent als Beute“ berichtet, wurde von den Kolonialmächten Spanien und Frankreich aufgeteilt. Es entstanden die Protektorate Spanisch-Marokko und Französisch-Marokko.Der Erste Weltkrieg liess kurzzeitig den Nordwesten Afrikas aus dem Blickfeld verschwinden. Doch schon Anfang 1919 warb Abd al-Karim (1882 bis 1963), Anführer im Aufstand der Rifkabylen gegen die spanischen und französischen Kolonialtruppen in der Rif-Region Spanisch-Marokkos, für die Bildung eines antikolonialen Stammesbündnisses. Man wollte den Rückzug der Spanier nach Ceuta und Melilla (nordafrikanische Küste) durchsetzen. Der Rifkrieg begann 1921 mit einem militärischen Sieg der Rifkabylen in der Schlacht von Annual.

Massenvernichtung als Antwort

Spanien wechselte die Strategie. Chemische Waffen kamen zum Einsatz, unter anderem beschafft in Deutschland. Dennoch zog sich der Konflikt hin. 1923 proklamierte Abd al-Karim als Präsident der Rif-Republik in Nordmarokko die Unabhängigkeit von der spanischen Herrschaft. Ein Politikum, dass sich die Kolonialmächte nicht bieten lassen konnten.

Frankreich und Spanien bekämpften die Rifkabylen gemeinsam. Die geopolitischen Interessen der „zivilisierten“ Europäer wurden massgeblich mit der Massenvernichtungswaffe Senfgas durchgesetzt. Abd al-Karim ergab sich den Franzosen 1926.

Datei:Mangin enters Marrakesh (September 1912).jpg

Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss. 1956 erlangte Marokko die volle Unabhängigkeit und wurde Königreich. Heute befinden sich zwar nur noch die Enklaven Ceuta und Melilla in spanischem Besitz, aber geblieben ist die (vor allem) ökonomische Abhängigkeit. Und die wird vonseiten der Europäischen Union (EU) gehegt und gepflegt.

Freihandelsabkommen und neue Märkte

In der Altstadt von Essaouira herrscht reges Treiben. Unzählige kleine Marktstände locken mit Waren aller Art. Darunter zahlreiche landwirtschaftliche Produkte. Doch obgleich Marokko über eine beachtliche Landwirtschaft verfügt, werden auch Gemüsesorten und Früchte aus der Europäischen Union feilgeboten. Das ist zwar nicht weiter überraschend in einer globalisierten Welt, dennoch ist die flüchtige Beobachtung ein erster Fingerzeig.

Die EU hat den Mittelmeerraum bereits Mitte der 1990er-Jahre zum Gebiet von strategischer Bedeutung erhoben. Auf der sogenannten euro-mediterranen Konferenz der Aussenminister der EU und der Partnerländer, darunter Marokko, wurde 1995 in Barcelona die euro-mediterrane Partnerschaft begründet. Im März 2000 trat das sogenannte Europa-Mittelmeer-Abkommen in Kraft.

Wesentliche Elemente zur Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen der EU und den Nachbarländern im südlichen Mittelmeerraum sind Kooperationen, Handelsabkommen und langfristig eine Demokratisierung der gesamten Region. 2019 schloss die EU ein nicht unumstrittenes Freihandelsabkommen mit Marokko (1). Auf die Besonderheit und die Details des innerafrikanischen Konflikts mit der in der Westsahara aktiven Polisario wird an dieser Stelle verzichtet (2). Im Podcast bleibt der Freihandel im Fokus, der oberflächlich betrachtet dem wirtschaftlichen Fortkommen von Marokko nutzt, aber das Land schleichend in ein Armenhaus verwandelt.

Fussnoten:

(1) Verfassungsblock (2.12.2020): Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung – Zum notwendigen Kurswechsel der EU gegenüber Marokko und der Westsahara. Auf https://verfassungsblog.de/selbstbestimmung-statt-fremdbestimmung (abgerufen am 10.11.2021).

(2) Die Frente Polisario ist eine militärische und politische Organisation, die im Verlauf des Westsaharakonfliktes 1976 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausrief. Die Polisario steht im Konflikt mit Marokko; das Königreich erhebt Anspruch auf das gesamte Territorium. Das durch die Regierung der DARS verwaltete Gebiet ist durch einen von Marokko errichteten 2700 Kilometer langen, verminten Sandwall vom marokkanisch verwalteten Teil der Westsahara getrennt.

Grafikquellen          :

Oben     —    Casablanca

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Vor allem Gedächtnistheater

Erstellt von Redaktion am 28. Dezember 2021

Festjahr für 1700 Jahre jüdisches Leben

Besuch von Frank-Walter Steinmeier in Israel, Juli 2021 (KBCD17 1).jpg

Mein Gott, Onkel Walter — Politiker Ehre für kalte Steine

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Von Katja Sigutina

Derzeit läuft das Festjahr für 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. Doch unterstützt werden vor allem Projekte für nicht jüdisches Publikum.

In blauer Farbe prangte ein beträchtlicher Davidstern seit Oktober 2020 auf den Straßenbahnen in Köln, daneben stand in großen Lettern: Schalömchen Köln. „Die Bahn ist ein klares Bekenntnis zu unseren jüdischen Kölnerinnen und Kölnern“, zitierte die Jüdische Allgemeine Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker zur Einweihung der Stadtbahnen. Es waren Vorboten des freudigen Festjahres, das auf uns zurollen sollte: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland.

Gefeiert werden sollte das Jubiläum eines Dekretes, das Kaiser Konstantin im Jahr 321 erlassen hatte. Das Gesetz erlaubte Juden, städtische Ämter zu bekleiden, und gilt als historischer Beleg für die jahrhundertelange Existenz von Jüdinnen und Juden in Mitteleuropa. Heute dient die Schrift als Anlass, die Geschichte und Kontinuität jüdischen Lebens in Deutschland zu feiern.

Ich stand dem Festjahr von Anfang an eher skeptisch gegenüber. Relativ früh erfuhr ich von dem Verein „321–2021: 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland e. V.“ und damit der Möglichkeit, Projektanträge für Förderungen zu stellen. Der Fonds sei sehr hoch und stünde dezidiert für jüdische Themen zur Verfügung, hieß es. Zu dem Zeitpunkt war ich die erste Vorsitzende von TaMaR Germany e. V., dem ältesten progressiv-jüdischen Verein für junge Erwachsene in Deutschland.

So informierte ich mich über die Förderbedingungen und bekam dabei den Eindruck, dass eine Projektförderung nur mit einer gewissen Außenwirkung möglich war – also für Projekte, in denen jüdisches Leben oder Themen einem (nichtjüdischen) Publikum präsentiert werden. Für Projekte von TaMaR Germany, die darauf abzielen, jüdische Safe Spaces auf- und auszubauen und bei denen die Bedürfnisse der jüdischen Teilnehmenden priorisiert werden, waren die Förderungen offenbar nicht vorgesehen.

Wer feiert hier was?

Dies verstärkte meine Skepsis bezüglich des Festjahres. 1700 Jahre, was soll das eigentlich bedeuten? Kann es überhaupt wirklich etwas bedeuten, in einem Land, das vor weniger als 100 Jahren die Shoah zu verantworten hatte? Für wen hat diese abstrakte Zahl eine Bedeutung, und wer feiert hier was? Ist es eine Feier für jüdisches Leben auf „deutschem Boden“, eine Feier des Über- oder Belebens? Der Rückkehr?

Anfang 2021 wurden die dem Festjahr gewidmeten Förderprojekte veröffentlicht. Beim Durchscrollen der Webseite wurde mir schnell deutlich, dass das Programm in der Tat überwiegend an ein nichtjüdisches Publikum adressiert war: Jüdisches Leben wird erklärend vorgestellt, Videoclips mit Puppen informieren niedrigschwellig über jüdische Feiertage. Nach dieser Feststellung sank mein Interesse an diesem Festjahr gegen null, es hatte nichts mit meiner Lebensrealität zu tun und tangierte nicht die Fragen, die mich oder mein jüdisches Umfeld beschäftigen.

Sicherheitsgefühl gesunken

Einige Monate später, im Mai, eskalierte die Situation im Nahen Osten und sie eskalierte in Deutschland, zunächst im Internet und wenig später auf der Straße. In dem Jahr, in dem 1.700 Jahre jüdisches Leben gefeiert werden, sank mein Sicherheitsgefühl und das vieler anderer auf ein neues Minuslevel. Wir mussten erleben, wie massenhaft delegitimierende Inhalte gegen Israel verbreitet wurden und sich insbesondere über soziale Medien eine als „Israelkritik“ tarnende Hetzkampagne entfachte. Dass über Jahrhunderte kultivierte, internalisierte antisemitische Tropen und jüdische Feindbilder Hintergrund und Treibkraft des Ganzen sind, wird und wurde nur von Einzelnen reflektiert, und was bleibt, bis heute, ist ein anhaltendes Entsetzen und ein tiefsitzendes Unruhegefühl.

File:Berlin Holocaust memorial, 21 May 2005.jpg

Nur bei Politiker-Innen können kalte Steine Emotionen erwecken. Mit Denkmalen sollten die barbarischen Geschehnisse für  jeden Betrachter wieder Sichtbar werden.

Der von der Melde- und Dokumentationsstelle antisemitischer Vorfälle RIAS Berlin kürzlich veröffentlichte Bericht für die erste Hälfte des Jahres 2021 bestätigt diesen Eindruck mit ihren Daten: „Allein im Mai dokumentierte das Projekt 211 antisemitische Vorfälle – so viele wie in keinem anderen Monat seit Beginn der systematischen Dokumentation antisemitischer Vorfälle in Berlin seit 2015.“ In der Analyse wird ein klarer Zusammenhang zwischen der hohen Anzahl antisemitischer Vorfälle und der zeitgleichen Eskalation im Nahostkonflikt deutlich.

Hohe Bedeutung der „Querdenker“

Die Auswertung belegt auch die Bedeutung der „Querdenker“-Demonstrationen als einen weiteren Herd für verstärkte antisemitische und Shoah-revisionistische Äußerungen. Sie verweist darauf, dass fast 15 Prozent aller antisemitischen Vorfälle im ersten Halbjahr in Bezug zu sogenannten Anti-Corona-Protesten stehen. Die „Querdenker“-Bewegung und die damit einhergehende Debatte darüber, ob es vertretbar sei, mit offen rechtsradikalen Gruppen und Nazis gemeinsam zu demonstrieren, entspannten das bereits erwähnte nagende Unruhegefühl nicht.

Waren die bisher beschriebenen Ereignisse Zustände, die mir bereits bekannt vorkamen, so kam es im Sommer 2021 zu einer, zumindest in meiner Wahrnehmung, Premiere in deutschen Feuilletons. Der jüdische Status des Autors Max Czollek wurde flächendeckend diskutiert. Ungeachtet der Tatsache, dass die Frage nach jüdischer Zugehörigkeit gemäß der Halacha bereits seit Jahrzehnten in jüdischen Gemeinden und Kreisen debattiert wird, war es doch besonders unangenehm zu beobachten, wie sich diejenigen, die vermutlich gerade erst zum ersten Mal von der Halacha hörten, schon heute zu Ex­per­t*in­nen stilisierten. Besonders deutlich wurde dies in den Kommentarspalten und auf sozialen Medien, aber auch in einzelnen Meinungstexten.

Altbekanntes Dominanzverhalten

Das außerordentliche Interesse und die Aufmerksamkeit, die der innerjüdischen Uneinigkeit bezüglich dieses Themas zuteil wurde, hatte zunächst einen frischen Anstrich, da es sich um eine real existierende jüdische Debatte handelte, an der nichtjüdische Menschen ein gesteigertes Interesse zeigten. Und das, obwohl es sich dabei ausnahmsweise einmal nicht um Israel, die Shoah oder Antisemitismuserfahrung handelte. Schnell blätterte das Neue ab und zeigte ein altbekanntes Dominanzverhalten, in dem die Nichtbetroffenen, in diesem Falle also nicht-jüdische Menschen, ihr vermeintliches Ex­per­t*in­nen­tum präsentierten. Es ist schlicht und ergreifend unangenehm, wenn nichtjüdische Deutsche bestimmen wollen, wer legitim jüdisch sei. Es weckt negative Erinnerungen.

Quelle        :          TAZ-online         >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Der Bundespräsident besucht Israel. Der Präsident von IsraelReuven Rivlinund der Bundespräsident von DeutschlandFrank-Walter Steinmeier nahm an einer Kranzniederlegungszeremonie im Yizkor-Zelt in Yad Vashem teil und besuchte die Fotoausstellung „Flashes of Memory“ im neuen Sammlungsgebäude des Museums. Donnerstag, 1. Juli 2021. Bildnachweis: Kobi Gideon / GPO.

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2.) von Oben      —          Kippa from Israel tapestry crocheted with single crochet stitches, inserting the hook under both top loops.

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Unten      —     Berlin, Deutschland: Holocaust-Mahnmal

Quelle: von mir selbst aufgenommen am 21. Mai 2005

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Ein Versagen der Medien ?

Erstellt von Redaktion am 27. Dezember 2021

Corona spaltet die Gesellschaft. 

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Das Hauptversagen  kommt aus der Politik, wo viele Politiker-Innen, sei es aus Arroganz oder Einfältigkeit die einfachen Bürger mitzunehmen. Wo Politiker-Innen nur noch abgreifen und alles beschimpf was anderer Meinung ist, werden sie hohe Rechnungen zahlen müssen. Wer nicht liefert, sollte auch nicht fordern,

Von Maren Urner

Dies ließe sich verhindern, wenn die JournalistInnen ihre Perspektive ändern würden. Drei Vorschläge.

Ich habe keine Lust mehr!“ „Ich kann nicht mehr!“ „Diese Idioten!“ Müde, erschöpft, überfordert oder gar wütend. Das ist meine aktuelle und selbstverständlich subjektive Sammlung der Stimmungen im In- und auch dem ein oder anderen Ausland. Wobei ich das „aktuell“ nicht mehr wage zeitlich ein- oder abzugrenzen. Nach knapp zwei Jahren Pandemie scheinen Zeit und deren Wahrnehmung noch relativer geworden zu sein. Im privaten und gesellschaftlichen Diskurs reiht sich zudem eine Streitfrage nahtlos an die nächste. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit hier ein paar Beispiele des Staffelteams der Uneinigkeiten. Maske, Schulschließung, Sportveranstaltungen inklusive Olympia, Kontaktbeschränkungen, Testen, Lockdown, Shutdown, Quarantäne. Unangefochten auf dem ersten Platz der Staf­fel­läu­fe­r:in­nen steht aber ein Thema, das es geschafft hat, Familien, Freundschaften und Freiheit infrage zu stellen. Die Impfung. Ganz vorne dabei ist diejenige, auf deren Lauftrikot „mRNA“ steht.

Wie konnte es so weit kommen? Oder anders formuliert: Wer trägt die Schuld an der Impfmisere? Schließlich muss der ganze Frust über verpasste, verschobene und verrückte (Zoom-)Hochzeiten, (Digital-)Konzerte und (Team-)Konferenzen ja auf irgendwas, besser noch irgendwen, gerichtet werden.

Stopp! Dieser Artikel soll anders sein. Er soll nicht die x-te Schuldzuweisung verteilen, er will sich nicht an der Olympiade der Rechthaberei beteiligen und er will erst recht nicht zynisch daherkommen. Stattdessen möchte ich – fast frei von Wut und Frust – auf die Rolle der Medien bei dem aktuellen Impfunmut hinweisen.

Ja, ich bin davon überzeugt, dass die Berichterstattung der letzten Monate zu einem großen Anteil dafür verantwortlich ist, dass wir ziemlich genau ein Jahr nach der ersten Corona-Impfung im eigenen Land nun auf eine Bevölkerung schauen, in der Abschottung, Rechthaberei und ein Mix aus Verunsicherung und Misstrauen eine zu große Rolle spielen, um die wichtigste Frage zentral zu denken: Wie können wir diese Pandemie besiegen?

Statt mich nun aber an Negativbeispielen abzuarbeiten und den Rest des Artikels mit Belegen für meine These zu füllen, möchte ich versuchen, das zu praktizieren, was ich als Alternative für eine bessere Berichterstattung vorschlage und fordere. Ihr oberstes Ziel wäre es, den demokratischen Diskurs zu fördern. Gegen Abschottung, Rechthaberei und Misstrauen braucht es drei Zutaten beziehungsweise Fragen:

Zutat 1: Worum geht es wirklich? Oder: Neue Gruppen und Geschichten abbilden.

Frau versus Mann, jung versus alt, links versus rechts, Impfgegner versus Impfbefürworter: Sobald wir in einen zwischenmenschlichen Austausch treten, entscheidet unser Gehirn blitzschnell, ob jemand dazugehört oder nicht. Schließen wir andere Menschen in unsere Gruppe(n) ein, verhalten wir uns ihnen gegenüber hilfsbereiter und vertrauen ihnen stärker. Umgekehrt strecken wir Gegnern seltener die helfende Hand entgegen und suchen nach Gegenargumenten für deren Positionen. Hand aufs Hirn: Wie häufig geht es medial um Ab- und Ausgrenzung, liegt der Fokus darauf, was Menschen voneinander trennt und unterscheidet? Zu oft.

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Im Osten wurde die Distanz zur Macht noch weitaus stärker als früher  gefühlt ?

Um die argumentativen und emotionalen Gräben, die wir dadurch in den vergangenen Monaten fleißig verbreitert haben, wieder zuzuschütten oder gar zu überbrücken, benötigen wir einen medialen Diskurs, der Gruppen neu definiert. Das kann gelingen, indem bei sämtlichen Themen der kleinste gemeinsame Nenner und damit das Verbindende in den Fokus gerückt wird. Gepaart mit der offensichtlichen Antwort auf die Frage „Worum geht es wirklich?“ kann so ein nach vorn gerichteter Diskurs entstehen, der uns aus dem Verteidigungsmodus befreit. Denn klar ist: Wir alle wollen das Virus besiegen!

Zutat 2: Was, wenn wir es wirklich wollen? Oder: Bessere Fragen stellen.

Gegen Einschränkungen, gegen neue Regeln, gegen neue Pflichten. Ständig lesen, hören und sehen wir, wogegen andere sind, und stimmen gern ein in den Mix aus Abwehrhaltung und Rechthaberei. Vor allem lernen wir medial, dass wir gegen (vermeintliche) Freiheitsbeschränkungen zu sein haben, und werden dabei viel zu selten an den siamesischen Zwilling der Freiheit erinnert: die Verantwortung.

Quelle         :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —       Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Fußball-WM in Katar

Erstellt von Redaktion am 27. Dezember 2021

Für unseren Torjubel starben 15.000 Menschen

Visita ao estádio de futebol Al Janoub.jpg

Eine Kolumne von Samira El Ouassil

Wer Fußball liebt, darf über die toten Arbeitsmigranten in Katar nicht schweigen. Die dort ausgetragene WM findet symbolisch auf deren Gräbern statt.

Wir haben 15.000 Gründe, diese WM zu boykottieren. Im August 2021 veröffentlichte Amnesty International einen Bericht mit dem Titel »In der Blüte ihres Lebens«, in welchem es dem Tod etlicher Gastarbeiter in Katar nachging. Die darin zitierten Regierungsdaten zeigen, dass zwischen 2010 und 2019 15.021 Nichtkatarer aller Altersgruppen in dem Land gestorben sind – die Ursachen für diese Todesfälle jedoch nicht angemessen untersucht und die Familien im Unklaren gelassen werden.

»Was aber«, so lautet eine etwas verklärende Überlegung, »wenn der Fußball«, der von diesem System sehr gut profitiert, ich wollte es nur noch mal erwähnen, »durch seinen spielerisch-pazifistischen Wettkampfcharakter eben genau die Verbesserung bringt, deren Notwendigkeit wir ja erst dadurch erfahren haben, dass wir dort überhaupt ein Spiel abhalten wollen?«

Für mich klingt das nach nervöser Selbstaffirmation, um den eigenen wirtschaftsgetriebenen Opportunismus nicht zugeben zu müssen. Zwar argumentiert die Fifa, einen positiven sozialen Wandel herbeiführen zu können, »alle Welt blickt jetzt auf Katar!«, doch die Realität sieht nach zehn Jahren Bekundungen und einigen zarten, aber offensichtlich nicht eingehaltenen Arbeitsrechtsreformen immer noch desaströs aus. Diese argumentativ behauptete Liberalisierung ist, Stand jetzt, gescheitert. Und wir haben an dieser Stelle noch gar nicht von anderen Menschenrechtsverletzungen gesprochen, wie der anhaltenden Diskriminierung von Frauen und queeren Menschen, den Pressefreiheitseinschränkungen, sowie von dem astronomischen Umweltschaden, welchen die WM in Katar erzeugen wird. Die positiven Entwicklungen beruhen auf einer verschwindend geringen Zahl wohlmeinender Projekte und gehen über Sportwashing (und da Katar auch eine klimaneutrale WM behauptet, Greenwashing) nicht hinaus. Und vielleicht ist es auch nicht Aufgabe eines spektakelhaften Fußballspiels, oder, wenn wir es ehrlicher betrachten, einer gewinnorientierten Massenveranstaltung, einen sozialen Wandel herbeizuführen. Aber internationaler Profisport ist, auch historisch betrachtet, schon lange mehr als Geld und Gesellschaftsmoment. Er ist selbstverständlich auch politisch. Und dadurch auch korrumpierbar und korrumpiert.

Quelle        :        Spiegel-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —   Präsident der Republik, Jair Bolsonaro während des Besuchs im Fußballstadion von Al Janoub.

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Unten      —    Samira El Ouassil (2018)

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Amerikas Justizkrieg

Erstellt von Redaktion am 27. Dezember 2021

Kyle Rittenhouse hat es geschafft.

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von Tomasz Konicz

Wie die US-amerikanische Rechte mit Flankendeckung ihrer Justiz wieder in die Offensive gehen will.

Kyle Rittenhouse hat es geschafft. Er ist das neue Maskottchen, der aktuelle Posterboy der US-amerikanischen Rechten. Nachdem er in einem spektakulären Gerichtsverfahren vom Vorwurf des mehrfachen Mordes und versuchten Mordes freigesprochen wurde, obwohl er im August 2020 bei Protesten zwei Demonstranten erschoss und einen Weiteren schwer verletzte,1 ist der 18-jährige Schütze gern gesehener Gast bei rechten Medien und Politikern. Schon kurz nach dem Freispruch gab der Todesschütze dem Starpropagandisten des reaktionären Senders Fox-News, Tucker Carlson, ein ausführliches Interview, in dem er unter anderem behauptete, sich zurückzuziehen und ein ruhiges Leben führen zu wollen.

Danach folgte eine regelrechte Tournee:2 Expräsident Donald Trump gewährte Rittenhouse Ende November eine Audienz,3 um den „netten jungen Mann“ zu bescheinigen, in Selbstverteidigung gehandelt zu haben. Laut Trump habe Rittenhouse – der sich zuvor als Sympathisant der Black-Lives-Matter-Bewegung ausgab4 – ihn kontaktiert, sich als Fan geoutet und das Treffen angeregt. Es folgten Auftritte bei weiteren konservativen und rechten Medien und Kommentatoren, um schließlich in offen rechtsextremen, rassistischen Netzwerken zu landen.5 Die Republikaner wollen Rittenhouse, der Kontakte zu Mitgliedern der rechtsextremen Proud Boys unterhielt,6 gar Verdienstsmedaillen des US-Kongresses verleihen.7 Inzwischen organisieren rechtsextreme Gruppierungen offen Unterstützungskundgebungen für ihr schießfreudiges Idol.8

Zur Erinnerung: Rittenhouse fuhr, bewaffnet mit einem AR-15 Sturmgewehr, von Antioch, Illinois, in die Unruhestadt Kenosha im benachbarten Bundesstaat Wisconsin, wo Polizeigewalt tagelange Proteste ausgelöst hatte. Am 25. August 2020 erschoss der damals 17-Jährige nach einer Konfrontation zwei unbewaffnete Demonstranten und er verletzte einen bewaffneten Demonstrationsteilnehmer. Nicht nur wurde der Todesschütze von den Anklagepunkten des Mordes und versuchten Mordes freigesprochen, selbst die Anklage wegen illegalen Waffenbesitzes wurde fallengelassen. Obwohl Wisconsin Minderjährigen das Tragen „jeglicher Feuerwaffen“ verbietet, schloss sich der Richter der Argumentation der Verteidigung an, die behauptete, der Lauf des Sturmgewehrs, mit dem Rittenhouse um sich schoss, sei zu lang, um unter das Verbot zu fallen. Dabei berief sich der Anwalt auf eine Ausnahmeregelung für Jagdgewehre,9 die ja ebenfalls ein langes Waffenrohr aufweisen.

Der Richter verbot es, die von Rittenhouse erschossenen Demonstranten – allesamt Teil der breiten amerikanischen Unterschicht10 – während des Prozesses als „Opfer“ zu bezeichnen. Die Kontakte zu den gewaltbereiten, rechtsextremen Proud Boys, mit denen sich Rittenhouse zu einem Saufgelage traf, bei dem White-Power-Zeichen gezeigt und rechtsextreme Lieder gegrölt wurden,11nachdem er gegen zwei Millionen Dollar auf Kaution freigelassen wurde? Laut Richter Schroeder, der diese Informationen beim Prozess nicht zuließ, waren diese Vorgänge für die Urteilsfindung nicht relevant. Stattdessen durfte verbreitet werden, Rittenhouse sei am 25. August mit seinem Sturmgewehr unterwegs gewesen, um Medizin zu verteilen. Das Urteil würde die Privilegierung Weißer durch das Justizsystem auf eine „neue Stufe“ stellen,12 hieß es selbst in liberalen Kommentaren, die zudem ein „Zusammenzucken“ nicht verhehlen konnten angesichts eines Richters, der den Wahlkampfsong Trumps aus den Jahren 2016 und 2020 als Klingelton seines Smartphones nutzte.

Knast für Kommentare

Von einem eindeutigen Trump-Richter kann hingegen im Fall des Distriktrichters für das nördliche Florida, Allen C. Winsor, gesprochen werden.13 Winsor, im Juni 2019 von der Trump-Administration in sein Amt berufen und mit republikanischer Mehrheit im Senat bestätigt, ist Mitglied der stramm rechten, den Republikanern nahestehenden Federalist Society,14 die eine wortwörtliche Auslegung der US-Verfassung propagiert – und sich somit als einer Art reaktionärer Verfassungs-Taliban betätigt. Was solche Richter dann anrichten, sobald sie von der Leine gelassen werden, musste der linke Armeeveteran Daniel Baker am eigenen Leib erfahren.15 Richter Winsor verurteilte Baker zur einer Gefängnisstrafe von 44 Monaten, weil dieser angesichts des Sturms von Trump-Anhängern auf das Capitol anfang Januar 2021 im Internet dazu aufgerufen hat, die verfassungsmäßige Ordnung auch bewaffnet zu verteidigen.

Baker, der als Freiwilliger mit den linken Volksverteidigungseinheiten YPG gegen den Islamischen Staat in Nordsyrien kämpfte, hat seinen Worten keine Taten folgen lassen. Es reichte, den Aufruf ins Netz zu stellen, um für mehr als drei Jahre ins Gefängnis zu wandern in einer Zeit, in der rechte Hetze in sozialen Netzwerken allgegenwärtig ist – und rechtsextreme Gruppen bewaffnet den Freispruch für den mehrfachen Todesschützen Rittenhouse bejubeln.16

Graffiti de Trump a l'eixida del refugi del castell, Dénia.jpg

Die allgemeine Botschaft, die von dem Gerichtsurteil ausgehe, laute, dass bloße „Aufrufe zu militanter antifaschistischer Aktion“ härtere Straftaten nach sich zögen, als „tatsächlich militante Aktionen mit Faschisten“ zu unternehmen, kommentierte ein Jurist gegenüber dem Nachrichtenportal The Intercept.17 Baker selber erklärte in Mails aus dem Gefängnis – eine Kaution wurde ihm verweigert, er musste sieben Monate in Isolationshaft verbringen -, dass ihm während des Verfahrens seine Unterstützung der Black-Lives-Matter-Bewegung, die Propagierung direkter Demokratie und radikaler feministischer Theorien vorgeworfen worden seien.

Der „Justizkrieg“ der Republikaner

Die Verhältnisse im US-Justizsystem seien indes Ausdruck eines regelrechten „Justizkrieges“, den die Republikaner mit „rücksichtslosem Erfolg“ in den vergangenen Jahren geführt haben, klagten führende US-Medien schon Mitte 2021.18 2018 habe etwa der damalige republikanische Mehrheitsführer der Republikaner, Mitch McConnell, auf einer Gala der Federalist Society offen erklärt, „alles zu tun, was wir können“, um die Bundesrechtsprechung im Sinne der Rechten zu „transformieren“. McConnell habe während der Trump-Administration die Berufung konservativer Richter zu einem „Fokus“ seiner politischen Tätigkeit gemacht, hieß es weiter. Die Folge dieser rechten Justizoffensive: Der Oberste Gerichtshof der Vereinigten Staaten, dessen Richter lebenslänglich berufen werden, weise nun eine überwältigende konservative Mehrheit von 6 zu 3 auf.

Die Bemühungen der US-Rechten, systematisch Einfluss auf die Besetzung von Justizposten zu nehmen, gehen in die 60er-Jahre des 20. Jahrhunderts zurück. Der rechte Rollback war eine Reaktion auf die damaligen spektakulären Gerichtsentscheidungen in Streitfragen der Bürgerrechtsbewegung, die wegweisende Regelungen zur Antidiskriminierung, Schwangerschaftsabbrüchen und der Teilung von Staat und Religion durchsetzten. Doch unter Trump konnten diese graduellen Bemühungen der Republikaner und ihrer 60 000 Mitglieder zählenden Federalist Society aufgrund zeitweise gegebener Mehrheitsverhältnisse, die den Demokraten keine Vetomöglichkeiten im Senat ließen, massiv forciert werden. Hierdurch sei es möglich gewesen, auch „verrückte Rechte“ durch das Nominierungssystem „hindurchzurammen“ – die auf Lebensdauer ernannt werden.

McConnell und seine Verbündeten riefen kurz vor den Wahlen 2020 sogar ältere konservative Richter auf, in Pension zu gehen, um angesichts der drohenden Wahlniederlage Trumps ihre Posten noch schnell mir jungen rechten Kandidaten besetzen zu können. Die von den Republikanern durchgepeitschten Rechts-Richter weisen somit mit 47 Jahren ein um fünf Jahre niedrigeres Durchschnittsalter auf, als diejenigen Juristen, die unter Obama ernannt wurden. Selbst nachdem Trump abgewählt worden ist, hat der geschäftsführende Senat in der Zwischenzeit bis zum Amtsantritt der Biden-Administration noch 14 Trump-Richter ernannt.

Diese rechte Justizoffensive stelle das eigentliche Erbe der Trump-Administration dar, die insgesamt 224 Bundesrichter durchsetzen konnte. Hierunter fällt ein Drittel der Richter am Obersten Gerichtshof, 30 Prozent der Posten bei den 13 US-Kreisgerichten, deren Verantwortlichkeit sich auf mehrere Bundesstaaten erstreckt, sowie mehr als 25 Prozent der Stellen bei den 94 Distriktgerichten der USA. Mit den 54 durch Trump berufenen, erzkonservativen bis offen rechten Kreisrichtern, die zumeist die letzte Berufungsinstanz bilden, haben die Republikaner in vier Jahren fast genauso viele Juristen berufen, wie die Obama-Administration in zwei Legislaturperioden. Kein einziger dieser 54 Richter war schwarz.

Mitunter wurden dabei Trump-Vertraute direkt auf die Richterbänke gehievt, klagten liberale US-NGOs.19 Trumps Juristen, die für das Weiße Haus arbeiteten und unter anderem Rechtsgutachten verfassten, laut denen ihr Präsident von jeglicher Aufsicht seines des Kongresses entbunden sein sollte, sitzen nun auf höchsten Justizposten. Nicht zuletzt aufgrund der krisenbedingt zunehmenden Polarisierung in den USA, die in vielen Streitfragen zum Stillstand führte, ist ohnehin eine Tendenz zur „Verrechtlichung“ der politischen Prozesse wahrnehmbar: Politische Auseinandersetzungen werden immer öfter nicht mehr im Parlament, sondern vor den Gerichten entscheiden, sodass eine „Expansion“ der Exekutivgewalt zulasten der Legislative zu konstatieren sei, so der britische The Guardian.20 Dieser „schleichende und beständige“ Anstieg der Machtfülle des Justizapparates, wie es der Guardian formulierte, bildet ohnehin eine Konstante der neoliberalen Geschichtsperiode des Kapitalismus, der sich mit dessen zunehmender Krisenanfälligkeit beschleunigte.

Ein politisch höchst umstrittenes Vorhaben der Republikaner, das oft genug vor Gericht entschieden wird, bilden die sich in einer Fülle von Gesetzesverstößen manifestierenden Einschränkungen des Wahlrechts, mit denen die ohnehin gegebenen Tendenzen zum Ausschluss und zur Unterdrückung missliebiger, da nicht zuverlässig republikanisch wählender Bevölkerungsschichten ins Extrem getrieben werden.21 Inzwischen geht es nicht nur darum, Wahlbezirke neu zu bestimmen, um so republikanische Mehrheiten zu sichern. Solche manipulativen Regelungen, die als Gerrymandering bezeichnet werden,22 treffen zumeist verarmte, von nicht-weißen Bevölkerungsmehrheiten geprägte Regionen, deren Einfluss auf das Wahlergebnis zugunsten wohlhabender, republikanischer Wahlbezirke vermindert wird.

Hinzu kommen derzeit Hunderte von Gesetzesinitiativen, die auf die Kontrolle des Auszählungsprozesses abzielen – frei nach dem stalinistischen Motto, dass es letztendlich darauf ankomme, wer die Stimmen bei einem Urnengang zähle. In republikanisch dominierten Bundesstaaten zielen diese Vorstöße darauf ab, dass der Auszählungsprozess nicht mehr von unabhängigen Institutionen vorgenommen und überwacht wird, sondern durch Funktionäre, die von der jeweiligen Legislative bestimmt werden. Zumeist werden diese Imitativen von Kräften vom rechten Rand der Republikaner getragen, die schon nach der Wahlniederlage Trump an der Legende strickten, seine Wiederwahl sei durch angebliche Manipulation „gestohlen“ worden. Von 262 Gesetzesvorstößen, die darauf abzielten, den „Wahlprozess zu kapern“, seien 32 in 17 Bundesstaaten erfolgreich gewesen, warnten NGOs.23

Rechtsextreme „Hilfsscherifs“

Dabei bildet die reaktionäre Transformation und „Politisierung“ des US-Justizapparates letztlich auch ein Mittel zu dem militanten politischen Zweck, die Macht auch auf den Straßen zu übernehmen. Der landesweite Aufstand des Jahres 2020, getragen von vielfältigen linken Zusammenhängen und der Black-Lives-Matter-Bewegung, hat der US-Rechten einen schweren Schock versetzt, der zur Stärkung der extremen Elemente führte. Inzwischen werden von Republikanern entsprechende Gesetzesinitiativen auf den Weg gebracht, die als eine repressive und zugleich militante Antwort auf diese Protestwelle verstanden werden müssen.

Der Boston Globe24 berichtete etwa von legislativen Bemühungen, Autofahrern, die in Demonstrationszüge rasen und Demonstranten überfahren, künftig ein „gewisses Ausmaß an Immunität“ zu gewähren. In drei Bundesstaaten sind solche Gesetze in kraft getreten, in 13 weiteren US-Staaten wurden sie auf den parlamentarischen Weg gebracht. Der Hintergrund dieser legislativen Ermunterung zum Bleifuß-Amok ist offensichtlich: Während der antirassistischen Protestwelle 2020, bei der Demonstranten sich auch in der Protestform der Straßenblockade übten, ereigneten sich zwischen Mai und September insgesamt 139 Vorfälle, bei denen Autos als Waffe benutzt wurden und in Kundgebungen, Blockaden oder Demonstrationen fuhren. Rund 100 Menschen wurden dabei verletzt, drei Protestteilnehmer sind hierbei zu Tode gekommen.

Somit handelt es sich bei solchen Gesetzesvorhaben nicht mehr um „Verschärfungen“ in dem Sinn, dass die Repressionsbefugnisse des Staatsapparates erweitert werden. Es sind eher verdeckte Freifahrtscheine, die für politisch motivierte Gewalt ausgestellt werden. Linke US-Medien sprechen von einer Strategie der faktischen Ernennung der extremen Rechten zu inoffiziellen „Hilfssheriffs“ bei den krisenbedingt zunehmenden gesellschaftlichen Auseinandersetzungen (wörtlich: „deputizing the far-Right“),25 indem gerade ein entsprechend lockerer Gesetzesrahmen geschaffen wird, der solche Pkw-Anschläge ermöglicht, wie sich etwa 2017 – zu Beginn der Trump-Präsidentschaft – in Charlottesville26 ereignet haben. Damals raste ein Rechtsextremer mit seinem Dodge in eine antifaschistische Demonstration, eine 32-Jährige Antifaschistin kam ums Leben, 19 Menschen wurden verletzt, fünf von ihnen schwer. Solche Täter könnten somit künftig überall dort auf mindernde Umstände hoffen, wo die Gesetzesinitiativen der Rechten erfolgreich sind.

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Und genau vor diesem Hintergrund ist der spektakuläre, von der US-Rechten umjubelte Freispruch für Rittenhouse so brandgefährlich – er kann als eine Aufforderung zur Selbstjustiz gegen politische Gegner, letztendlich als Freifahrtschein für den Paramilitarismus verstanden werden. Und genau dies passiert gerade innerhalb der extremen Rechten der Vereinigten Staaten, wie Ausblicke auf deren „beängstigende Zukunft“ nahelegen.27 Laut der NGO Anti-Defamation League (ADL) hätten rechtsextreme Gruppierungen und Milizen den Freispruch sofort als Ermunterung zur Ausübung politischer Gewalt bei künftigen Protesten und Unruhen interpretiert.28 Hiermit sei ein Präzedenzfall für „gewalttätige Antworten“ geschaffen worden, der es ermögliche, in „angespannten Situationen“ ohne Angst for rechtlichen Konsequenzen zu handeln – dies sei laut ADL die vorherrschende Einschätzung des Urteils in rechtsextremen Medien und sozialen Netzwerken gewesen.

Entscheidend sei aber, dass es in der Frage der politischen Gewalt zu einer Überschneidung der Ansichten zwischen dem „Mainstream“ der Republikaner, die den Todesschützen bejubelten, und den rechtsextremen Milizen kam, die nun mobil machen. Es greif ein Extremismus der Mitte um sich, der vor einem allgegenwärtigen Verschwörungsdenken genährt wird, das Amerika in den Fängen einer linken oder liberalen Weltverschwörung wähnt, sodass die Schritte zur Milizbildung der extremen Rechten, wie zur Aushöhlung der Reste bürgerlicher Demokratie durch den „Mainstream“ der Republikaner als Akte der Notwehr gegen diese halluzinierte „unamerikanische“ Verschwörung und Bedrohung legitimiert werden.

Was sich in dieser Ideologie verzerrt an realem sozialen Gehalt spiegelt, sind einerseits die demografischen Verschiebungen der letzten Jahrzehnte in den USA, die den Anteil der nicht-weißen Bevölkerung ansteigen lassen, worauf der weiße Rassismus mit zunehmender Militanz und antidemokratischen Bestrebungen reagiert. Andrerseits ist die Apokalyptik der Neuen Rechten – wie ihr Fiebertraum vom kommenden großen Bürgerkrieg und das Verschwörungsbild des „Großen Reset“ – ein ideologischer Ausfluss der zunehmenden Krisenintensität, der zunehmenden sozialen wie ökologischen Krisenanfälligkeit des spätkapitalistischen Weltsystems.

Die rechtsextremen Gruppierungen, die inzwischen selbst die New York Times29 als Paramilitärs bezeichnet werden, während sie für den kommenden, molekularen Bürgerkrieg mobilisieren, haben diese ideologisch zum Verschwörungswahn verzerrte Ahnung der Systemkrise des Kapitals den neoliberalen Kräften voraus, die mit der Biden-Administration ihren letzten Tanz auf dem Vulkan absolvieren.30 Was die Republikaner somit mit ihrem Justizkrieg – der auch bundesstaatliche Interventionsmöglichkeiten sabotiert – forcieren, sind somit Tendenzen zur Staatserosion, zur Entstaatlichung, wie sie sich in vielen Regionen in der Peripherie des Weltsystems in Gestalt von Failed States längst voll entfaltet haben.

1 https://en.wikipedia.org/wiki/Kenosha_unrest_shooting

2 https://www.newsweek.com/kyle-rittenhouse-post-acquittal-tour-donald-trump-fox-conservative-media-beach-1657704

3 https://thehill.com/homenews/administration/582937-trump-says-rittenhouse-met-with-him-in-florida

4 https://www.theguardian.com/us-news/2021/nov/22/kyle-rittenhouse-fox-news-tucker-carlson-interview

5 https://newsone.com/4261298/kyle-rittenhouse-republican-thug-culture/

6 https://www.wpr.org/jury-wont-hear-evidence-kyle-rittenhouses-proud-boys-connections

7 https://www.wlox.com/2021/11/28/new-legislation-could-award-kyle-rittenhouse-congressional-gold-medal/

8 https://www.fox13now.com/news/local-news/proud-boys-to-hold-kyle-rittenhouse-appreciation-rally-in-slc-on-saturday

9 https://abcnews.go.com/US/wireStory/explainer-judge-drop-rittenhouse-gun-charge-81285031

10 https://www.npr.org/2021/11/20/1057571558/what-we-know-3-men-kyle-rittenhouse-victims-rosenbaum-huber-grosskreutz

11 https://www.nbcnews.com/news/us-news/kyle-rittenhouse-out-bail-flashed-white-power-signs-bar-prosecutors-n1254250

12 https://www.yahoo.com/news/rittenhouse-verdict-sets-legal-precedent-184324203.html

13 https://www.senate.gov/legislative/LIS/roll_call_lists/roll_call_vote_cfm.cfm?congress=116&session=1&vote=00173

14 https://en.wikipedia.org/wiki/Federalist_Society

15 https://eu.tallahassee.com/story/news/local/fbi/2021/10/12/daniel-baker-sentenced-federal-prison-florida-capitol-threat-case/8424086002/

16 https://www.npr.org/2021/11/19/1057478725/far-right-groups-rittenhouse-acquittal-celebration-violence

17 https://theintercept.com/2021/10/16/daniel-baker-anarchist-capitol-riot/

18 https://time.com/6074707/republicans-courts-congress-mcconnell/

19 https://www.americanprogress.org/article/trumps-politicization-justice-system/

20 https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/oct/25/trump-judges-supreme-court-justices-judiciary

21 https://www.theguardian.com/us-news/2021/dec/23/voter-suppression-election-interference-republicans

22 https://www.nytimes.com/2021/11/21/us/redistricting-gerrymandering-republicans.html

23 https://www.theguardian.com/us-news/2021/dec/23/voter-suppression-election-interference-republicans

24 https://apps.bostonglobe.com/news/nation/2021/10/vehicle-rammings-against-protesters/legislation/

25 https://twitter.com/IGD_News/status/1455343513537683459

26 https://itsgoingdown.org/a-statement-from-charlottesville-anti-fascists-in-the-wake-of-sines-v-kessler/

27 https://www.vox.com/policy-and-politics/22792136/kyle-rittenhouse-verdict-militia-violence-self-defense

28 https://www.adl.org/blog/right-wing-extremists-cheer-rittenhouse-verdict-in-predictable-fashion

29 https://www.nytimes.com/2021/10/26/magazine/kyle-rittenhouse-kenosha-wisconsin.html

30 https://telegraph.cc/letzter-neoliberaler-tanz-auf-dem-vulkan/

http://www.konicz.info/?p=4657

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Grafikquellen      :

Oben       —   Protesters marched from The Collective barbershop in Kenosha to the county’s courthouse.

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Unten    —       Die USA und ihre Verbündeten proben mit willkürlichen Raketenangriffen den Weltuntergang

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Hier spricht Moskau

Erstellt von Redaktion am 26. Dezember 2021

Nachwirkungen der Sowjetunion

Moskauer Kreml und Bolschoi-Kamenny-Brücke am späten Abend 01.JPG

Von Tigran Petrosyan

30 Jahre nach dem Zerfall der UdSSR ist Russlands Einfluss noch weithin spürbar. In Russland selbst wirkt das sowjetische Erbe bis in die Gegenwart.

Ob in Kiew, Tiflis oder Jerewan: Millionen Bür­ge­r*in­nen der Sowjetunion klebten so erwartungsvoll wie ängstlich an ihren Radiogeräten, wenn es hieß: „Wnimanie, govorit Moskwa!“ – „Achtung, hier spricht Moskau!“ Wenn diese getragene pathetische Ankündigung erklang, gab es stets Bedeutendes zu vermelden: sei es ein Erfolg der Roten Armee im Großen Vaterländischen Krieg, die Übererfüllung des Plans bei der Kartoffelernte im Kolchosbetrieb „Roter Oktober“ oder Juri Gagarins weltweit erster Ausflug ins All.

Eine Generation von neuen Po­li­ti­ke­r*in­nen ist nicht in Sicht

Wnimanie, govorit Moskwa!“, das war die Stimme des Kreml schon zu Zeiten von Josef Stalin bis hin zur Ära von Michail Gorbatschow. Die Stimme des Machtzentrums eines Riesenreichs, das für ewig währen sollte. Doch dann kam alles anders – das, was Russlands Präsident Wladimir Putin Jahre später als „größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts“ bezeichnen sollte.

Am 25. Dezember 1991 hielt Michail Gorbatschow, der vielen seiner Landsleute als Totengräber der UdSSR gilt, seine letzte Fernsehansprache als Staatsoberhaupt. „Aufgrund der sich verkomplizierenden Situation beende ich meine Tätigkeit als Präsident der UdSSR“, sagte er. Wenige Stunden später wurde die rote Fahne eingeholt und die russische Trikolore auf dem Kreml gehisst. Fortan war die Sowjetunion Geschichte. „Wnimanie, govorit Moskwa?“

Die Stimme Russlands wurde leiser, aber sie verstummte nicht. An die Stelle der Sowjetunion traten 15 neue Staaten. Russland, Belarus und die Ukraine gründeten die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS), die auch anderen ehemaligen Unionsrepubliken offenstehen sollte. Doch die Freude über die Unabhängigkeit und eine vermeintlich gewonnene Freiheit währte nicht lange. Die Wirtschaft kollabierte, Zigtausende Betriebe wurden stillgelegt.

Der Rubel stürzte ab

Der sowjetische Rubel, der in neue nationale Währungen umgetauscht werden musste, stürzte ins Bodenlose. Die Menschen verfeuerten ganze Geldbündel in ihren Öfen oder überließen die Banknoten ihren Kindern als Spielzeug. Millionen verloren ihre Ersparnisse. Es gab keine Heizung, Strom und Wasser nur wenige Stunden am Tag. Eine Badewanne diente als Wasserspeicher, in jeder Familie mutierte jemand über Nacht zu einem Meister für die Herstellung von Kerzen.

Brot war nur gegen Vorlage einer Lebensmittelkarte erhältlich, die die Behörden pro Person ausgaben. Die wirtschaftliche Misere ging einher mit einem erwachenden Nationalbewusstsein: Dazu gehörte eine Rückbesinnung auf ihre Landessprache, die die Menschen nicht mehr dem vielfach als aufgezwungen empfundenen Russischen unterordnen wollten. Auch Kultur, Traditionen sowie die Religion wurden als Teil der eigenen Identität wiederentdeckt. Vorher hatte es nur einen Glauben gegeben – den an den Kommunismus.

Das war auch ein Grund dafür, dass sich die viel gepriesene Brüderlichkeit und Freundschaft in Hass verwandelten. Und letztendlich zu Kriegen zwischen Völkern führten, die doch „unter einer Sonne“ gelebt hatten, wie es im Volksmund so schön hieß. Schon Anfang der 90er Jahre kam es in der ­Republik Moldau zu ersten militärischen Aus­einandersetzungen um die abtrünnige Region Trans­nistrien.

Brüderlichkeit wurde zu Hass

Ähnliche Szenarien wiederholten sich im Südkaukasus, im ersten Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um Berg­karabach sowie in Georgien. Dort versuchte Tiflis die ­Absetzbewegungen von Südossetien und Abchasien mit Waffengewalt zu stoppen. Und heute, 30 Jahre danach? „Wnimanie, govorit Moskwa!“, tönt es, und zwar lauter und entschlossener denn je. Keiner dieser territorialen Konflikte ist gelöst. In Transnistrien, das der Kontrolle Moldaus entzogen ist, sind immer noch russische Truppen stationiert.

Dasselbe gilt für Südossetien, das im August 2008 zum Schauplatz eines fünftägigen Krieges zwischen Russland und Georgien wurde. Auch hier hat Russland de facto das Kommando. Die Erbfeindschaft zwischen Armenien und Aserbaidschan entlud sich im vergangenen Jahr wieder mit voller Wucht. Der 44-tägige Krieg kostete insgesamt über 6.000 Menschenleben und machte Zehntausende zu Flüchtlingen.

Den für Armenien demütigenden Waffenstillstand mit großen Gebietsverlusten handelte Moskau aus, 2.000 russische Soldaten sollen ihn durchsetzen. Hinzugekommen ist eine maßgeblich von Moskau ausgelöste Dauerkrise in der Ukraine. 2014 annektierte Russland im Handstreich die Halbinsel Krim. Kurz darauf begann in der Ostukraine ein Krieg zwischen prorussischen Separatisten und der ukrainischen Armee, der über 13.000 Tote gefordert hat und bis heute andauert.

Новогодняя ярмарка на Красной площади. Фото 2.jpg

Krippenspiel auf den Roten Platz ?

Derzeit stehen über 100.000 russische Soldaten an der Grenze zum Nachbarland, und es nicht ausgeschlossen, dass sie in die Ukraine einmarschieren. Dieses Katz-und-Maus-Spiel oder, anders gesagt, die Aufrechterhaltung des konfliktären Status quo dient der Führung in Moskau dazu, weiter Einfluss auf die früheren Satelliten zu nehmen beziehungsweise ihn zurückzugewinnen mit dem vorrangigen Ziel, deren Hinwendung zum Westen zu verhindern.

Putin findet Verbündete

Denn der Kreml, dessen Rhetorik zusehends aggressiver wird, nimmt für sich in Anspruch, ein Zugriffsrecht auf die Ex-Sowjetrepubliken zu haben und historische Entwicklungen, wenn möglich, zu revidieren. Die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts …? Eben. Zumindest, was die politischen Führungen im „nahen Ausland“ angeht, findet Wladimir Putin bei seinen Bemühungen so einige Brüder und Schwestern im Geiste. Der KGB lässt grüßen.

In Belarus ist der Geheimdienst, der immer noch so heißt, mindestens so mächtig wie zu Sowjetzeiten: bespitzeln, Angst schüren, manipulieren, erpressen, Jagd auf vermeintliche „Staatsfeinde“ machen – das ganze Programm. Nicht zuletzt diese Handlanger sind es auch, dank deren sich Präsident Alexander Lukaschenko nach 27 Jahren immer noch an der Macht hält.

Auch Armeniens Regierungschef Nikol Paschinjan, im Zuge der Samtenen Revolution 2018 zum Symbol für demokratische Veränderungen und ein Ende des Polizeistaates stilisiert, nutzt die ortsansässigen „Schlapphüte“ gnadenlos für den eigenen Machterhalt. Innerhalb von nur zweieinhalb Jahren wechselte er fünfmal den Chef des Nationalen Geheimdienstes aus. Loyalität geht eben über alles.

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Demokratie am Kipppunkt:

Erstellt von Redaktion am 26. Dezember 2021

Die Ampel im Krisenjahrzehnt

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

von Albrecht von Lucke

n der wohl größten Krise in der Geschichte der Republik hat am 8. Dezember 2021 die vielleicht labilste und jedenfalls unerfahrenste Koalition die Regierungsgeschäfte übernommen. Alles andere als gute Voraussetzungen für den versprochenen historischen Aufbruch. Kaum im Amt, ist die neue Bundesregierung mit der Coronakrise jedenfalls bereits mit einer immensen Bewährungsprobe konfrontiert. Ja mehr noch: mit einer Bewährungsprobe für die Demokratie insgesamt. Derweil der neue Bundeskanzler Olaf Scholz schon von einem „sozialdemokratischen Jahrzehnt“ schwärmt, geht es im Kern um etwas weit Fundamentaleres: nämlich um die Frage, ob die demokratische Politik als solche sich in dieser nicht nur klimapolitisch so entscheidenden Dekade als handlungs-, führungs- und damit letztlich als überlebensfähig erweisen wird.

Das kardinale Demokratieproblem der vergangenen 16 Jahre bestand darin, dass es keine überzeugende politische Alternative zur Dominanz des entpolitisierenden Merkelschen „Sie kennen mich“ gab. Das sorgte für gewaltige Frustration und die Gründung einer inzwischen in weiten Teilen rechtsradikalen „Alternative“ für Deutschland. Jetzt aber könnte die Desillusionierung eine noch größere sein, und zwar vor allem unter den dezidiert demokratischen Kräften, wenn sich nämlich herausstellen sollte, dass nun eine Alternative zur Vorherrschaft der Union zwar gewählt wurde, diese aber gar nicht über die erforderliche Handlungsmacht verfügt, um tatsächlich etwas Grundlegendes zu ändern – angesichts der Größe der Probleme und der Schwäche der politischen Akteure. Das gilt für die sich immer größer auftürmende Klimakrise und, höchst akut, für die aktuelle Corona-Lage. Angesichts steigender Infektionszahlen bei fast stagnierenden Neu-Impfungen kommt es daher für die neue Regierung vor allem darauf an, sofort politische Handlungsfähigkeit zu beweisen. Worum es aber letztlich geht, ist die Rückeroberung des Primats des Politischen. Andernfalls droht aus einem anfänglichen Politikerversagen, das inzwischen längst zu einem Politikversagen in Gänze geworden ist, am Ende ein Systemversagen der Demokratie zu werden.

Während der Coronakrise hat die Politik eine Menge Vertrauen in ihre Kompetenz verspielt. Es begann, nach einem gerade in Deutschland eigentlich verheißungsvollen Start, im Winter des ersten Corona-Jahres mit dem Versagen führender Politiker bei der Bestellung der erforderlichen Impfdosen für die Bundesrepublik und die EU; und es setzte sich fort mit den skandalösen Maskendeals der Union.

Doch im vergangenen Sommer des zweiten Corona-Jahres wurde aus dem Politikerversagen ein Politikversagen. Über Monate wurde die realexistierende Chance verspielt, das zu erreichen, was den Nachbarländern gelungen ist, nämlich deutlich höhere Impfquoten. So wurde aus einem Scheitern einzelner Politiker, insbesondere des Gesundheitsministers Jens Spahn, das Scheitern der Politik als solcher. Dadurch hat diese erheblich an Gestaltungsmacht eingebüßt. Beispielhaft dafür stehen zwei zentrale Aussagen der damaligen Kanzlerin. Am Anfang der Krise, in Angela Merkels historischer Fernsehansprache vom 18. März 2020, stand die eindringliche Bitte: „Die Lage ist ernst. Nehmen Sie sie auch ernst.“ Dies führte zu erheblicher Folgebereitschaft, nämlich zu leeren Straßen und einer vorsichtigen Bevölkerung. Ein knappes Jahr später, Anfang Februar 2021, legte die Kanzlerin nach, mit dem von ihr immer wiederholten Satz, die Regierung wolle bis zum 21. September 2021 – also bis unmittelbar vor der Wahl – „jedem Bürger ein Impfangebot machen können“.

Mit diesem Satz aber setzte sie den völlig falschen Ton. Stets war nur von Angeboten und nicht von irgendwie gearteten verstärkten Anstrengungen die Rede, geschweige denn von Druck auf die Corona-Leugner. Im Gegenteil: Die Politik duckte sich weg unter dem permanenten Protest der Maßnahmengegner wie ihrer medialen Verstärker, insbesondere der „Bild“-Zeitung.

Auf diese Weise gab die Politik das Heft des Handelns bereitwillig aus der Hand – auch deshalb, weil insbesondere die beiden Parteien der großen Koalition während des Wahlkampf keinerlei Interesse daran hatten, ihre Fehler in der Coronakrise zu thematisieren. Die Konsequenz: Über die gesamten Sommer- und Herbstmonate erhöhte sich die Impfquote nur marginal. Faktisch wurde damit die Chance vertan, durch forcierte Aufklärung und echte materielle Anreize weit mehr Menschen zu einer Impfung zu motivieren,[1] zumal inzwischen viel weniger Krankenhausbetten zur Verfügung stehen.

Diese enorme Hypothek eines fundamentalen Scheiterns der großen Koalition erbt nun das neu konstituierte Ampelbündnis. Wobei nicht nur die SPD als Partei des bisherigen Vizekanzlers Olaf Scholz, sondern auch die anderen Parteien als Angehörige diverser Landesregierungen an diesem Politikversagen erheblichen Anteil hatten.

Das fatale Erbe der großen Koalition

Damit befindet sich die neue Koalition in der fatalen Lage, dass sie mit den bisherigen Maßnahmen nicht vorwärtskommt, die Pandemie aber weiter eskaliert, und sie deshalb einer fünften Welle des Virus mit dem Griff zur maximalen Maßnahme Einhalt zu gebieten versucht, nämlich durch die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht. Nachdem die Politik also mit dem harmlosen Zuckerbrot des bloßen Impfangebots radikal versagt hat – und dieses dann noch viel zu sehr abbaute –, versucht sie es nun mit der Peitsche.

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Wo hohle Köpfe alles verpennen,  da müssen die Bürger-Innen Farbe bekennen

Das allerdings beinhaltet die Gefahr maximaler Polarisierung in einer ohnehin massiv gespaltenen Gesellschaft. Und zugleich ändert es nichts an der Tatsache, dass der Erfolg des staatlichen Handelns weiterhin vom Goodwill der Bevölkerung abhängt, also von ihrer Bereitschaft zur Mitarbeit, sprich zur Impfung. Denn während eines in jedem Fall ausgeschlossen sein soll, nämlich der mit physischer Gewalt durchgesetzte Impfzwang, ist noch gar nicht ausgemacht, wie eine solche Impfpflicht faktisch umgesetzt werden kann – zumal schon jetzt diejenigen, die geimpft und geboostert werden möchten, nicht hinreichend bedient werden können

Hier zeigt sich: Der Aggregatzustand des Politischen, das Machtverhältnis zwischen Staat und Gesellschaft, hat sich in den zurückliegenden Jahrzehnten radikal verändert. Während in den 1970er Jahren der konservative Staatsrechtler Ernst Forsthoff von der „Staatsbedürftigkeit der Gesellschaft“ sprach, weil die Gesellschaft, um zu funktionieren, längst auf ihre vor allem wohlfahrtsstaatlichen Institutionen strukturell angewiesen sei, hat die Coronakrise gezeigt, dass auch das Gegenteil der Fall ist: Es gibt nämlich eine existenzielle Gesellschaftsbedürftigkeit des Staates. Ohne das Mittun der Bevölkerung bei der Bekämpfung der Pandemie ist die Politik völlig aufgeschmissen.

Während ironischerweise gerade die neuesten Staatsfeinde, nämlich Corona-Leugner, Reichsbürger und Verschwörungstheoretiker, die Allmacht des Staates behaupten – „hinter Corona steckt eine Macht, die alles steuert“ –, ist der Staat in der Coronakrise von echtem Durchregieren maximal entfernt. Faktisch haben sich die Machtverhältnisse also radikal verkehrt. Um, notgedrungen, das Unwort von Carl Schmitt zu bemühen: Souverän sind heute die Ungeimpften, denn sie entscheiden über den Ausnahmezustand in den Krankenhäusern. Und der Staat hechelt ihrem Unwillen zur Impfung hilflos hinterher, indem er nur noch die Verlegung der Kranken mit Bundeswehr-Hubschraubern und -Flugzeugen in die letzten freien Betten zu organisieren versucht.

Quelle        :          Blätter-online          >>>>>         weiterlesen

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Oben     —       Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Streit über EU-Taxonomie

Erstellt von Redaktion am 25. Dezember 2021

Kernkraft ist nachhaltig – nachhaltig unversicherbar

Kernkraftwerk Cruas

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Frankreich und diverse Staaten Osteuropas wollen Atomenergie für »nachhaltig« erklären lassen, Deutschland soll dafür womöglich ein Klimasiegel für Erdgas bekommen. Was soll das?

Man kann Atomkraft aus sehr unterschiedlichen Blickwinkeln betrachten und dabei ergeben sich auch verblüffend unterschiedliche Bilder. Mal ist sie völlig sicher und harmlos. Und mal sind die Risiken so groß, dass es absolut unverantwortlich wäre, weiter Kernkraftwerke zu betreiben.

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Treiber des Wandels

Erstellt von Redaktion am 25. Dezember 2021

Protestbewegungen unter Druck

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Sind und waren Politiker-Innen oder Religionsmitglieder nicht schon immer die größeren Realitätsverweigerer-Innen? Sind nicht die sich selbst als Freiheitlich-Propagierenden Staaten vielleicht die Gefährlichsten? 

Von Christian Jakob, Dominik Johnson, Barbara Oertel, Bernd Pickert und Sven Hansen

Je freier die Zivilgesellschaft agieren kann, desto fortschrittlicher die Gesellschaft. Doch wie steht es um die Freiheit des „Civic Space“ weltweit?

 

Mal landet eine Droh-E-Mail im Postfach, mal kommen nachts Bewaffnete ins Haus. Mal werden Demonstrierende vor laufenden Kameras zusammengeschlagen, mal geschieht dies im Verborgenen. Es trifft weltberühmte Künstler genauso wie Kleinbauern, die außerhalb ihres Dorfs niemand kennt. Es passiert in Staaten, in denen nie ernsthaft eine Wahlurne aufgestellt wird, aber auch in Brüssel, Rom und Budapest. Manche der Opfer lesen in der Zeitung, sie seien „ausländische Agenten“, bei anderen bleibt die Bankkarte im Automaten stecken, weil ihr Konto gesperrt wird. Wieder andere werden angeklagt, am Handy bedroht oder verschwinden und tauchen nie wieder auf.

Repression ist so vielfältig wie uferlos. Sie kann tödlich sein, auch wenn Menschen Selbstverständliches einfordern: Den Rücktritt korrupter Politiker, Klimaschutz, Wahlen. Oder das Land, auf dem eine Familie lebt, nicht für eine zerstörerische Pipeline hergeben zu müssen.

Wie die Wet’suwet’en-Indigenen in Kanada: Durch deren Territorium soll die Coastal GasLink-Pipeline führen, um Erdgas nach Asien zu exportieren. Als die Indigenen sich weigerten, dafür eine ihrer Siedlungen zu räumen, rückten am 26. November Sondereinheiten mit Kettensäge und Automatikgewehr an, um sie aus ihren Hütten zu holen und ins Gefängnis zu bringen.

„Aktivisten zum Schweigen zu bringen ist eine Taktik der Regierenden, um Maßnahmen gegen den Klimawandel zu umgehen“, sagt Marianna Barreto von der NGO Civicus. Die dokumentiert, wie es um die Freiheit der globalen Zivilgesellschaft bestellt ist. Klimabezogene Proteste sind demnach zu einem der wichtigsten Ziele von Repression geworden. Das kommt nicht von ungefähr. „Die Zivilgesellschaft ist der einzige verlässliche Motor, der die Institutionen dazu bringt, sich im erforderlichen Tempo zu verändern“, schrieb schon 2018 der UN-Weltklimarat.

Hierzulande gehen „Querdenker“ auf die Straße, getrieben vom Hass auf eine halluzinierte „Corona-Diktatur“. Echte Diktaturen wissen Corona derweil für sich zu nutzen. Als in Niger ein gigantischer Korruptionsskandal beim Militär ruchbar wurde, verbot die Regierung Proteste mit Verweis auf Corona – während das übrige öffentliche Leben ungehindert weiterlief. Als dennoch demonstriert wurde, griff das Militär ein, vier Menschen starben. „Durch die Pandemie haben repressive Regierungen einen weiteren Vorwand gefunden, um ihre Angriffe auf die Zivilgesellschaft fortzusetzen“, sagt Theresa Bergmann von Amnesty International.

Schon vor der Pandemie hatten soziale Bewegungen es auch deshalb schwer, weil nationalistische, autoritäre Regierungen auf dem Vormarsch waren. Ob dies anhält, ist offen. In Südamerika deutet sich nicht erst seit der Wahl in Chile ein Linksschwenk an. In Afrika haben Massenproteste den Wunsch nach demokratischer Veränderung immer deutlicher gemacht, in Europa ist der Kampf zwischen Populisten und liberaleren Akteuren weiter unentschieden. Wie wird es 2022 weitergehen? Welche Formen werden Repression und Überwachung annehmen, wenn sich die sozialen Folgen der Pandemie noch schärfer zeigen und die Konflikte um die Bewältigung der Klimakrise zunehmen?

Im neuen Ampel-Koalitionsvertrag sind Menschenrechte als Orientierung für ihre Innen- und Außenpolitik festgeschrieben. Rüstungsexporte sollen konsequenter kontrolliert, der Export von Überwachungssoftware an „repressive Regime“ gestoppt werden. Es wäre kein schlechtes Signal.

Denn dass autoritäre Regime sich oft halten können, liegt auch am höchst disparaten Verhalten des Westens. „Würde ich nur mit Demokraten reden, wäre meine Arbeitswoche immer schon Dienstag zu Ende“, sagte Ex-EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker einmal. Die Frage ist, was man den Übrigen im Rest der Woche sagt – und wie die Ampel dies in Zukunft halten wird.

331 ermordete Aktivisten

Unter dem bisherigen SPD-Außenminister Heiko Maas variierte Deutschlands Linie – ebenso wie jene der EU – stark, je nach Interessenlage. Die Diktatur in Belarus etwa wird sanktioniert, Russland nach der Annektion der Krim ebenso. Die Türkei hingegen bekommt Waffen für ihren Feldzug gegen die Kurden, Saudi-Arabien darf Journalisten im Konsulat ohne jede Spur von Konsequenzen zersägen. In Togo regiert die älteste Diktatur Afrikas. Als die Herrscherfamilie 2020 monatelange Protesten aussaß und sich weigerte, die Macht nach 53 (!) Jahren abzugeben, gratulierten Staaten wie Deutschland und Frankreich zur „Wiederwahl“ – und verwiesen auf „Stabilität“.

All das hat Folgen für die Zivilgesellschaft vor Ort. Wo internationaler Druck fehlt, geht es ihr umso schneller an den Kragen.

2020 registrierte die NGO Frontline Defenders weltweit mindestens 331 ermordete Menschenrechts-Aktivisten – rund 70 Prozent waren im Bereich Ökologie und Landrechte aktiv. Neben Staaten sind auch Unternehmen, mafiöse Banden oder islamistische Gruppen für diese Morde verantwortlich – die wiederum umso eher mit dem Staat verwoben sind, je geschwächter Justiz, Medien und soziale Bewegungen sind.

Für den Raum, in dem all dies sich abspielt, hat sich ein Begriff etabliert: Civic Space, der „Raum der Zivilgesellschaft“. Zu dieser zählt alles, was weder dem Staat, wirtschaftlichen Unternehmen noch dem Privaten zuzurechnen ist. Der Civic Space ist ein Raum politischer Freiheit. Und so amorph die globale Zivilgesellschaft ist: Sie ist der Treiber politischen Wandels. Schrumpft ihre Handlungsfreiheit, erstarrt die Gesellschaft, Mächtige werden nicht zur Verantwortung gezogen. Dann bleiben oder werden Regierungen korrupt, autoritär, dysfunktional, mafiös.

„Der Ruf nach Veränderung bringt soziale Bewegungen weltweit in die Schusslinie“, sagt Lysa John, die Generalsekretärin von Civicus. Die NGO klassifiziert die Staaten der Welt laufend nach dem Grad politischer Freiheit. Insgesamt lebten 2021 demnach nur etwa 250 Millionen Menschen in 40 Staaten, die uneingeschränkte Freiheiten gewähren, darunter Deutschland oder Portugal. 6 von 10 Menschen leben in Ländern, die staatsbürgerliche Freiheiten teils stark einschränken – darunter Polen und Ungarn. Vollständig „geschlossen“ ist der Civic Space für 2,1 Milliarden Menschen in 25 Staaten, in denen zivilgesellschaftliches Handeln fast komplett unterbunden wird – darunter China, Syrien oder Ägypten, wo Protestierende mit langer Haft oder Ermordung rechnen müssen.

Diktaturen kennzeichnet, den Civic Space zu schließen. Semiautoritäre Staaten lassen manches laufen und zerschlagen nur, was der Regierung nicht passt. Demokratien hingegen begreifen Zivilgesellschaft als Teil ihrer selbst und fördern sie. So die Theorie. Doch die Civicus-Daten zeigen auch: In 16 der 27 EU-Staaten werden die Freiheitsrechte eingeschränkt – etwa in Italien, das gegen Seenotretter vorgeht oder in Polen, das die Justiz zum Erfüllungsgehilfen einer Partei degradiert. 13 Staaten rutschten 2021 im Civicus-Ranking stark ab, darunter Polen, die USA, Belarus, Hongkong und Südafrika. In dem Land starben im Sommer über 350 Menschen, als das Militär Massenproteste auflöste.

Wo die zivilgesellschaftliche Freiheit erodiert, wachsen Armut und Ungleichheit. Kämpfe um gerechte Löhne, Arbeitsrechte, gegen Korruption, und für funktionierende staatliche Dienstleistungen sind umso wirksamer, je freier die Zivilgesellschaft ist. Das ist messbar: Wo der Civic Space „offen“ ist, liegt der Human Development Index – ein statistisches Maß für die soziale Entwicklung – im Schnitt bei 0,82. In Staaten mit „unterdrückter“ Zivilgesellschaft fällt er meist Richtung 0,5. Ebenso verhält es sich mit der Einkommensverteilung: Je mehr politische Freiheit, desto gleichmäßiger ist das Einkommen innerhalb einer Gesellschaft verteilt.

Auch die härteste Repression hat den Wandel immer nur herausgezögert

536 Meldungen über Angriffe auf die Zivilgesellschaft hat Civicus zuletzt ausgewertet. Sie sind nicht repräsentativ, zeigen aber klare Muster der Repression. Besonders verbreitet ist demnach die staatliche Zensur von Medien – einschließlich der Kontrolle des Internets und der sozialen Medien.

2021 wurden laut Reporter ohne Grenzen 44 Journalisten, deren Mitarbeiter und Blogger getötet, 489 sitzen in Haft. Donald Trumps „Kommunikationsmodell, Journalisten als ‚Staatsfeinde‘ zu betrachten, wurde durch den Aufstieg des Populismus in Europa neu belebt“, schreibt die serbische Kommunikationswissenschaftlerin Milica Kulić. Kürzlich wurde bekannt, dass die „Pegasus“ genannte Spionagesoftware des israelischen Unternehmens NSO Group an viele Staaten verkauft wurde, um Journalisten auszuforschen. Auch das BKA und der BND setzen sie ein.

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Wann findet der erste Impf-Dart Wettbewerb statt ?

Front Line Defenders berichtete jüngst wie Aktivisten, die gegen ein Wasserkraftwerksprojekt in Chile protestieren, überwacht werden. Der Kraftwerksbetreiber beauftragte eine „Sicherheitsfirma“, WhatsApp- und Facebook-Chats zu infiltrieren. Sie rechtfertigte dies damit, dass die Aktivisten „Öko-Terroristen“ seien. „Den Terrorismusbegriff missbrauchen Regierungen und Konzerne um jene zu diffamieren, die Sozialabbau und Umweltzerstörung nicht hinnehmen wolle“, schreibt Civicus. Der Begriff „Öko-Terrorist“ bringe Klimaaktivisten monatelang für Dinge in Haft, die sonst mit einem Bußgeld erledigt wären, schreibt die kanadische Klimastreik-Organisatorin Alienor Rougeot. Der Umgang mit den Pipeline-Protesten der Wet’suwet’en-Indigenen etwa sei ein „Lehrbuchbeispiel für Kriminalisierung“ nach dem Muster: Diffamierung – Kriminalisierung – Entrechtung.

Werden solche Strategien die globalen Kämpfe um Demokratie, Ökologie, soziale und Geschlechtergerechtigkeit am Ende niederschlagen? Kaum. Die historische Erfahrung zeigt, dass auch die härteste Repression Wandel immer nur herausgezögert hat. Die italienische Arbeiterbewegung der 1970er Jahre hatte dafür eine einleuchtende Erklärung: Die Handlungen des Kapitals seien nur als Reaktionen auf den Kampf der Arbeiter zu begreifen, nicht umgekehrt. Soziale Kämpfe sind demnach naturgemäß in der Offensive. Ein ermutigender Gedanke. Christian Jakob

Belarus: Auf dem Weg zum „Anschluss“

Quelle     :        TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —   Protest von Verschwörungsgläubigen gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes während der Abstimmung im Bundestag am 21. März 2021. Die Kundegebung wurde wegen Missachtung der Hygieneregeln aufgelöst, woraufhin versucht wurde an das Brandenburg Tor zu gelangen und den Tiergarten zu besetzen.

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In der Grauzone

Erstellt von Redaktion am 24. Dezember 2021

Immer da, aber unsichtbar

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Von Vera Rossow

24-Stunden-Pflege zu Hause: Eine rechtliche Regulierung muss eine Sensibilität für Rechte und Pflichten auf allen Seiten herstellen.

Derzeit kommt Bewegung in die Frage, wie zukünftig rechtlich mit der sogenannten 24-Stunden-Pflege umzugehen ist. Hierbei handelt es sich um Betreuungsarbeiten in Privathaushalten älterer und hochaltriger Menschen, die durch zumeist Frauen aus den osteuropäischen Mitgliedstaaten erbracht werden.

Weil in dieser Form der häuslichen Betreuung in der Regel Höchstarbeitsgrenzen überschritten werden und eine explizite rechtliche Regelung fehlt, ist sie sehr umstritten. Die öffentliche Debatte war allerdings in den letzten Jahren vor allem von Empörung gezeichnet – weniger von Gestaltungsoptionen. Eine politische Regulierung verspricht nun erstmalig und schwarz auf weiß der Koalitionsvertrag der Ampel-Parteien.

Es ist eine schwierige Balance: Einerseits fürchten manche, dass zu stark in diesen Wohlfahrtsmarkt eingegriffen wird (die Beteiligten könnten wieder auf den Schwarzmarkt abwandern). Andererseits muss Rechtssicherheit für statusrechtliche Verbesserungen geschaffen werden. Welche rechtliche Antwort auch gefunden wird, sie sollte bedenken, dass geschaffenes Recht nicht immer eins zu eins von den Betroffenen umgesetzt wird.

Bisher sieht die Realität in den Haushalten oftmals so aus, dass die pflegebedürftigen Personen beziehungsweise deren Familien von einer durchgängigen Einsatzbereitschaft der Betreuungskraft ausgehen und eher selten bewusst Arbeitsunterbrechungen schaffen. Vielmehr betonen sie, dass der Alltag im Pflegesetting an sich schon viel Freizeit böte – herangezogen werden dann „gemeinsame Fernsehabende“ oder das „Rumsitzen“.

Letztlich also Kategorien, die das Arbeitsrecht nicht kennt. Oft scheint es sogar so, als würde jegliches bekannte Wissen über das Arbeitsrecht an der Türschwelle abgelegt und würden im Privathaushalt andere Maßstäbe angewandt – und verteidigt (Ausnahmen bestätigen die Regel). Wird dann doch mal über notwendige Pausenzeiten verhandelt, wird dies nicht selten mit eigenen Erfahrungen der Angehörigen begründet (im Sinne von: „Ja, mir wäre das auch zu viel“) oder als Kurzurlaub idealisiert („Dann kann die Dame mal mit dem Rad an den See fahren“).

Ähnlich sieht es mit den Erwartungshaltungen in den Haushalten aus: Viele Pflegebedürftige oder deren Angehörige gehen davon aus, die Betreuungskraft allein hätte sich anzupassen. Sicher stimmt dies in der Tendenz, denn die abhängige pflegebedürftige Person braucht für ihre Lebensführung externe Hilfe. Aber ob die Anpassung gänzlich einseitig sein muss?

In einem Beispiel meiner Forschung äußert ein pflegender Angehöriger, dass die Betreuungskräfte gut acht Wochen bräuchten, bis diese sich in das Know-how ihres persönlichen Alltags eingearbeitet hätten, denn das Niveau des „polnischen Dorfhaushaltes“ reiche nicht aus. Hier wird die Betreuungskraft und deren Herkunft pauschal abgewertet. Es sind solche und zahllose weitere Annahmen, die dazu führen, dass den Betreuungskräften das Leben in den Privathaushalten oft sehr schwer gemacht wird.

Sympathie und Dank ersetzen weder Rechtssicherheit und geregelte Arbeitszeiten noch gute Löhne

Hier kann auch eine rechtliche Regulierung kaum korrigieren, solange die Betroffenen selbst davon ausgehen, nichts zu einem gelingenden, gegenseitig wertschätzenden Arbeitsverhältnis beitragen zu müssen. Zwar kann per Gesetz die Prekarität der Live-in-Arbeit behoben, nicht aber zwingend auch auf die Sichtweise der Einzelpersonen eingewirkt werden.

Diese ist aber für die alltäglichen Interaktionen in den Haushalten, die zwischenmenschliche Ebene, enorm wichtig. Es existieren auch positive Gegenbeispiele: Familien, die einen Achtstundentag strikt umsetzen, die selbst viel vor Ort sind und sehr wertschätzend mit den Arbeitskräften umgehen. Gegen diese individuellen Erfolgsgeschichten ist gar nichts einzuwenden; bis auf den Umstand, dass Sympathie und Dank weder Rechtssicherheit und geregelte Arbeitszeiten noch gute Löhne ersetzen können.

Und auch um legales Handeln bemühte Familien scheitern an der derzeitigen Rechtslage, denn oftmals unterliegen die komplexen Vertragswerke europäischen Regelungen. Beispielhaft im Falle der komplexen Arbeitnehmerentsendung: Ist eine Betreuungskraft entsandt, verbleiben der Arbeitgeber und das Weisungsrecht formal im Heimatland.

Quelle        :        TAZ-online          >>>>>          weiterlesen

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Oben          —     Rotes Kreuz historisch

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Wo endet Europa?

Erstellt von Redaktion am 24. Dezember 2021

 Rechter Antikolonialismus und universalisierender Postkolonialismus

Demonstration der Ungarischen Zweischwanzhundepartei, 2017-04-22-2.jpg

Quelle        :     Berliner Gazette

Von     

Mit einer scharfen Analyse der Gender-Debatten in Ungarn versucht die Politikwissenschaftlerin Eszter Kováts, einen kritischen Raum für Ostmitteleuropa zu schaffen – zwischen rechtem Antikolonialismus und universalisierendem Postkolonialismus. Eine Bestandsaufnahme.

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Die Regierung Orbán und ihre Ideologen und Organisationen bedienen sich routinemäßig antikolonialer Argumente, wenn es um ihren sogenannten Freiheitskampf gegen „Brüssel“, die liberale Elite und die Oppositionsparteien geht, die angeblich nationale Interessen „verraten“. In ihrem Narrativ werden die „ungarische Kultur und Werte“ sowie „unser“ Demokratieverständnis nicht respektiert. Einer der Ideologen des Regimes zitiert sogar dekoloniale Gelehrte aus Ungarn und anderen Ländern, darunter Frantz Fanon, um seine Argumente darüber zu untermauern, wie Ideen, die der „ungarischen Kultur“ fremd sind, durch Machtmechanismen von supranationalen Einrichtungen durchgesetzt werden.

Wie heuchlerisch diese Freiheitskämpfer-Rhetorik ist, lässt sich am besten an den weithin dokumentierten Verstrickungen der ungarischen herrschenden politischen Klasse mit deutschen Automobilkonzernen und transnationalen Unternehmen im Allgemeinen verdeutlichen – mit weitreichenderen Folgen für die Souveränität Ungarns als jede Erklärung des Europäischen Parlaments oder der Kommission zur Verletzung der Menschenrechte es sein kann.

Allerdings kann man ihre Behauptungen über die Machtdynamik, die für die Beziehungen innerhalb der EU charakteristisch ist, nicht so einfach beiseite schieben. Im Folgenden werde ich argumentieren, dass diese Behauptungen ernsthaft betrachtet werden müssen, um besser zu verstehen, warum sie bei Teilen ihrer Wählerschaft auf Resonanz stoßen könnten, und außerdem, warum eine Universalisierung des Postkolonialismus nicht der richtige Weg ist, um diese Probleme anzugehen.

Der Anti-Gender-Diskurs als rechter Widerstand gegen den West-Eurozentrismus

Gender-Debatten sind ein gutes Beispiel für die vermeintlich antikoloniale Rhetorik der Rechten. Die Anti-Gender-Politik ist seit Anfang der 2010er Jahre ein globales Phänomen. Reproduktive Rechte, Gewalt gegen Frauen, Sexualerziehung, LGBT-Themen, Gender Mainstreaming und Gender Studies werden von sozialen Bewegungen und rechten (populistischen) Parteien ins Visier genommen. Was sie verbindet, ist, dass sie nun als Vertreter der „Gender-Ideologie“ und einer globalen Verschwörung zur Zerstörung der „menschlichen Zivilisation“ angegriffen werden.

Obwohl weder der Aufstieg der Anti-Gender-Bewegung noch der illiberalen Kräfte per se ein ostmitteleuropäisches Phänomen ist, darf die Relevanz der geopolitischen Einbettung der Gleichstellungspolitik, der Gender Studies und der feministischen sowie der LGBT-Politik in dieser Region nicht unterschätzt werden. Um dies beurteilen zu können, müssen wir über die Analyse des Diskurses der rechten Akteure hinausgehen. Die bestehenden materiellen und symbolischen Ost-West-Ungleichheiten sind die Anker, die die illiberalen rechten Kräfte für ihre politischen Ziele nutzen, und diese erklären teilweise die besonderen ostmitteleuropäischen Treiber der Anti-Gender-Mobilisierung.

Zunächst einmal ist Ungarn ein Nachzügler. Während es seit 2009 vereinzelte Anti-Gender-Vorfälle gab, begannen Anti-Gender-Kampagnen erst 2017 im Zusammenhang mit der Istanbul-Konvention und der De-Akkreditierung von Gender Studies MA-Studiengängen im Oktober 2018. Seit dem Frühjahr 2020 setzten sie sich im Zusammenhang mit LGBT-Themen fort und gipfelten im sogenannten „Kinderschutzgesetz“ im Juni 2021, das Pädophilie und die Verbreitung von Informationen über Homosexualität und Transgender unter Minderjährigen diskursiv miteinander verbindet.

Das späte Aufkommen lässt sich dadurch erklären, dass die seit 2010 amtierende Fidesz-KDNP-Regierung keine Gesetze erlassen hat, die einen Anti-Gender-Protest auslösen. Im Gegenteil, der Diskurs verstärkte sich, als er für die polarisierenden Ziele der Regierung selbst von Nutzen war. Der Hauptakteur in Ungarn ist also die Regierung selbst und ihre Handlanger: gefakte Denkfabriken, Propagandamedien und NGOs, die ihre Ideologie teilen.

Ihre „zentrale diskursive Strategie“ gegen die „Gender-Ideologie“ (wie in den anderen Visegrád-Ländern) dreht sich um die Behauptung, dass das, womit „wir“ es zu tun haben, eine „ideologische Kolonisierung“ ist. Angesichts der wirtschaftlichen und symbolischen Asymmetrien innerhalb der EU (und der EU-Gender-Politik), innerhalb der Sozialwissenschaften (und insbesondere der Gender Studies) und innerhalb des progressiven politischen Aktivismus (einschließlich der feministischen und LGBT-Politik, die von ausländischen Geldgeber*innen abhängig ist), ist diese Behauptung nicht weit hergeholt und kann und sollte aus einer kritischen Perspektive analysiert und angegangen werden.

Im Juni gab es in Deutschland Proteste gegen das „Kinderschutzgesetz“ der ungarischen Regierungskoalition, die sich zu einem pseudopolitischen Kampf entwickelten, der in der Forderung gipfelte, das Münchner Stadion am Tag des Fußballspiels Deutschland-Ungarn in Regenbogenfarben zu beleuchten – eine Form des Homoliberalismus. Wie kritische Wissenschaftler wie Koen Slootmaeckers und Robert Kulpa ausführlich dargelegt haben, wurde das Eintreten für die Rechte von Schwulen und Lesben zu einem Kennzeichen der europäischen Identität. Darüber hinaus diente sie als Mechanismus des Andersseins, mit dem westeuropäische Akteurinnen und Akteure aus Politik und Aktivismus die internen Grenzen innerhalb der EU neu ziehen konnten, indem sie das Narrativ verstärkten, dass die osteuropäischen Mitgliedstaaten „nicht europäisch genug“ und „nur Mitgliedsstaaten der zweiten Reihe“ seien.

Offensichtlich sind nicht nur Diskurse über das Anderssein, sondern auch materielle Realitäten von Bedeutung. Daher müssen wir in der Lage sein, Orte zu benennen, an denen beispielsweise die Rechte von Schwulen/Lesben besser oder schlechter gewährleistet sind. Wir müssen uns jedoch überlegen, wie wir Indikatoren für die Gewährleistung von Rechten festlegen und zwischen realen Maßnahmen zur Verbesserung der Situation der Betroffenen und symbolischen Gesten unterscheiden, die tatsächlich nur dazu dienen, moralisch überlegene von unterlegenen Akteuren zu differenzieren.

Diese Verbindung von LGBT-Rechten mit der „europäischen Identität“, die als Abgrenzung zu den „nicht so aufgeklärten Menschen aus dem Osten, die zivilisatorisch noch Nachholbedarf haben“, diente, löste Widerstand aus – sie wurde von den rechten Anti-Gender-Akteurinnen und -Akteure in einer polarisierenden Sprache politisch artikuliert.

Martijn Mos stellt anhand einer Analyse der Reden des ungarischen Premierministers Orbán fest, dass die Grundwerte der EU „mehrdeutig und nicht einklagbar“ sind, weshalb Orbán sie nach Belieben auslegen kann. Anstatt die Werte der EU zu verletzen, könnte er sich zum Beispiel als derjenige präsentieren, der sie wirklich vertritt. Man kann noch einen Schritt weiter gehen: Orbán macht sich nicht nur diese Unterdefinition der Werte zunutze, sondern auch den Raum, den die radikale Version des Poststrukturalismus geschaffen hat: dass es keine objektiven Tatsachen mehr gibt und keine wahren oder falschen Lesarten, sondern nur noch Interpretationen aus verschiedenen Subjektpositionen.

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Die Grundwerte der EU sind jedoch nicht nur unzureichend definiert und mehrdeutig und daher von autoritären Führern in einer „strategischen Form der interpretativen Politik“, wie Mos es formuliert, leicht zu ihrem Vorteil formbar. Darüber hinaus ist eine Doppelmoral zu beobachten: Diese Werte werden strategisch hochgehalten oder strategisch vernachlässigt, je nachdem, was der Stärkung der imperialen Ambitionen der EU in den Peripherien besser dient. Man denke beispielsweise an die Debatten in Deutschland über die Beziehungen zu Russland und die Gaspipeline Nord Stream 2. Die mangelnde Durchsetzbarkeit der fraglichen Werte resultiert also nicht in erster Linie aus einem Mangel an klaren Definitionen und institutionellen Mechanismen, sondern aus einem Mangel an politischem Willen – Ein Mangel, der sowohl mit politischen als auch mit wirtschaftlichen Vorteilen verbunden ist.

Dorothee Bohle und Béla Greskovits formulieren es so: „Obwohl sich die EU als normative Macht geriert hat, geht sie in der Praxis anders vor. Und genau das, die Selbststilisierung der EU als normative Macht, die angeblich das tut, was sie behauptet zu tun, hat Auswirkungen auf die politischen Akteure in Osteuropa; die Selbststilisierung der EU als normative Macht trägt auch zur Verstärkung des Ost-West-Gegensatzes bei.“

Um es zusammenzufassen: Wenn wir Fragen der Gleichberechtigung von Frauen und LGBT und den Widerstand der Rechten in zivilisatorischen Begriffen von Fortschritt/Rückschlag formulieren, übersehen wir die sehr wichtigen Machtverhältnisse, in die sie eingebettet sind. Wir brauchen Instrumente, um sie wahrnehmen und beschreiben zu können, denn sie nähren Anti-Gender- und EU-feindliche Stimmungen an den Rändern der EU, aus denen die Rechte Kapital schlagen kann. Auch wenn diese Asymmetrien nicht nur für Geschlechterfragen charakteristisch sind, so sind sie doch auch für Geschlechterfragen charakteristischDaher sind sie geeignete Träger für den Freiheitskampf-Diskurs der ungarischen Regierung. Was kann der Postkolonialismus ausrichten, um dieser Situation zu begegnen?

Universalisierung des Postkolonialismus?

Ein großer Teil der aktuellen postkolonialen und dekolonialen Forschung befasst sich nur mit Fragen des Diskurses und der Repräsentation („Othering“), was, wie ich zu zeigen versucht habe, die Problematik nicht vollständig erfasst. Außerdem werden diese Theorien im Kontext Ostmitteleuropas oft dekontextualisiert und Copy-Paste-mäßig angewendet. Die unkritische Anwendung von Analyseinstrumenten, die sich gut mit den Erfahrungen der USA mit Sklaverei und Rassismus befassen, reicht beispielsweise nicht aus, um einige europäische Phänomene zu analysieren, z. B. die gegenwärtigen Formen des Anti-Roma-Rassismus in den MOE-Ländern oder antislawische (und anti-osteuropäische) Stimmungen und wirtschaftliche Ausbeutung in Westeuropa. Schauen Sie sich nur die Landwirtschaft, die Altenpflege oder die Fleischindustrie an, um nur die krassesten Beispiele aus der COVID-19-Zeit zu nennen.

Auch wenn es um eine postkoloniale Kritik an Europa geht, ist eine Kritik an der kolonialen Vergangenheit einiger westeuropäischer Länder und an der Überlegenheit des Westens im Sinne des universalistischen Denkens der Aufklärung gemeint – in der die Länder Ostmitteleuropas eine unbedeutende oder keine Rolle gespielt haben. Der kritische Begriff des Eurozentrismus schließt also Ostmitteleuropa im Sinne des Kolonialismus, wie ihn József Böröcz formuliert hat, fälschlicherweise mit ein. Daher scheint der Begriff West-Eurozentrismus die Erfahrung Ostmitteleuropas besser zu erfassen: Die Beziehung zum Westen ist eine Frage der „Rückkehr nach Europa“, der Konditionalitäten des EU-Beitritts und der anhaltenden asymmetrischen Beziehungen innerhalb der EU.

Paradoxerweise scheint auch die queere und postkoloniale Kritik an der Art von Wissenschaft, die vorgibt, objektiv zu sein, in Wirklichkeit aber in Machtverhältnisse verstrickt ist und zur Reproduktion von Hierarchien beiträgt, zu einem neuen Universalismus geworden zu sein: Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die aus anderen wissenschaftlichen Traditionen kommen (wie z. B. der politischen Ökonomie oder dem weichen Konstruktivismus), werden tendenziell als „rückständig“ und „essentialistisch“ abgestempelt. Obwohl der Poststrukturalismus und der Dekonstruktivismus wie alle anderen sozialen Theorien Produkte der materiellen und geopolitischen Umstände sind, in denen sie entstanden sind, wurden sie zu Markern des Fortschritts in der Geschlechterforschung.

Diese Richtung scheint in der westlichen Geschlechterforschung eine hegemoniale Stellung eingenommen zu haben, während sie in Ostmitteleuropa eher eine Errungenschaft der letzten Jahre ist. Das späte oder zögerliche Bekenntnis zu diesem theoretischen Ansatz wird manchmal als „Essentialismus“ oder „Rückständigkeit“ interpretiert. Ähnliche Tendenzen sind im Postkolonialismus zu beobachten, wenn z.B. westeuropäische Erfahrungen und Selbstreflexionen mit der eigenen kolonialen oder faschistischen Vergangenheit universalisiert werden und die Wissenschaft über Ostmitteleuropa und ihre in den eigenen historischen Erfahrungen wurzelnden Theorien nicht nach den aktuellen westlichen Maßstäben gesehen oder beurteilt werden.

Protest Kombinierte HUN- und EU-Flaggen 20170415 175746.jpg

Deshalb müssen queere und postkoloniale Ansätze meines Erachtens sehr vorsichtig sein, um nicht die Machtverhältnisse innerhalb der kritischen Wissenschaft mit genau den Mitteln zu reproduzieren, mit denen sie eigentlich beabsichtigt hatten, (West-)Europa zu provinzialisieren und auf positioniertes Wissen aufmerksam zu machen. Aber auch hier gilt, dass die Bedeutung von positioniertem Wissen nicht verabsolutiert werden sollte. Andernfalls geraten wir in das Dilemma, das Martha Nussbaum bereits vor mehr als zwanzig Jahren formuliert hat: Wenn nicht aufgrund universeller moralischer Kriterien, woher wissen wir dann, dass die rechten Interpretationen und positionierten Kenntnisse schlechter sind als unsere?

Vor diesem Hintergrund möchte ich mit den folgenden Gedanken schließen: Der antikoloniale Diskurs der Rechten könnte als eine Sprache betrachtet werden, die den West-Eurozentrismus zum Ausdruck bringt: reale Ungleichheiten innerhalb der Europäischen Union. Um sie anzusprechen, brauchen wir in der Wissenschaft weniger Tabuisierung (in Form von Vorwürfen der Ähnlichkeit mit den Argumenten der Rechten) und mehr kritische Auseinandersetzung mit den Ungleichheiten, die der von der Rechten geschickt geschürten gesellschaftlichen Forderung zugrunde liegen. Und politisch brauchen wir anstelle von „Widerstand“ gegen ihren polarisierenden und stigmatisierenden Diskurs eine wirksame Organisation, die sich mit den eigentlichen Ursachen, den realen wirtschaftlichen und symbolischen Ungleichheiten auseinandersetzt.

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Oben          —       Demonstration der Ungarischen Zweischwanzhundepartei in Budapest

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COVID-Impfnebenwirkungen

Erstellt von Redaktion am 24. Dezember 2021

COVID-19 Impfnebenwirkungen – eine Kleinstadt ausgelöscht – Entschädigungsfond für Impfopfer

COVID-19-Pandemie-Collage.jpg

Niemand kann in einem halben Jahr einen sicheren Impfstoffe entwickeln, wenn es sonst 10 Jahre dauert. Das sagt schon der gesunde Menschenverstand. Jedem mit einigermaßen Lebenserfahrung sollte das klar sein, auch den Ärzten.

Das bestätigt sich durch die horrenden Zahlen zu den schwerwiegenden Impfnebenwirkungen (mit teilweise bleibenden Schäden) und den Todesfällen, auf die ich hier hinweisen möchte. Es ist in der nahen Zukunft mit einer Vielzahl von Strafverfahren wg. gemeinschaftlich begangenen Totschlags in einem besonders schweren Fall gegen die führenden Köpfe und Rädelsführer des Impfterrors sowie deren Mittäter und Helfershelfer zu rechnen. Jedes Leben hat eben einen Wert.

Eine Zusammenfassung zu den Nebenwirkungen mit periodischen Aktualisierungen findet man unter,

Die viele der Original-Daten können auch über die Web-Anwendung der EudraVigilance Datenbank abgerufen werden,

Aufgeführt unter Buchstabe „C“:

COVID-19 MRNA VACCINE PFIZER-BIONTECH (TOZINAMERAN)

COVID-19 VACCINE ASTRAZENECA (CHADOX1 NCOV-19)

COVID-19 MRNA VACCINE MODERNA (CX-024414)

COVID-19 VACCINE JANSSEN (AD26.COV2.S)

Navigation für schwerwiegende Nebenwirkungen:

Number of Individual Cases by Reaction Group >> By Seriousness >> (Click auf Graphik) Switch to table

Nur schwerwiegende Nebenwirkungen (Stand 18.12.2021):

Pfizer/Biontech:                              245.583

Astra Zeneca:                                   209.968

Moderna:                                            79.995

Johnson & Johnson (Janssen):        14.601

550.147

Navigation für Tote:

Number of Individual Cases for a selected Reaction >> Number of individual cases by Age Group & Sex, Reporter Group and Outcome >> Outcome >> (Click auf Graphik) Switch to table

In der Web-Anwendung und der Darstellung zum Outcome sind die Daten leider gruppiert (not recovered/not resolved), so dass man mehr als nur die Toten sieht. Wie immer, wenn jedes Leben zählt, gibt es Probleme mit der IT (siehe auch Hamburg) oder der Datenqualität.

Nur fatal/not recovered/not resolved (Stand 18.12.2021):

Pfizer/Biontech

Fatal                                                                     226

Not Recovered/Not Resolved                    14.550

AstraZeneca

Fatal                                                                     255

Not Recovered/Not Resolved                      4.926

Moderna

Fatal                                                                     106

Not Recovered/Not Resolved                      3.403

Johnson & Johnson (Janssen)

Fatal                                                                       44

Not Recovered/Not Resolved                         417

23.927

Über 8.000 Tote (gemäß impfnebenwirkungen.net) und 550.000 schwerwiegende Nebenwirkungen mit teilweise bleibenden Schäden im Europäischen Wirtschaftsraum, über 18.000 Tote durch COVID-19 Impfungen in der EudraVigilance-Datenbank insgesamt. Selbst wenn die Daten um 1.000 Tote falsch wären, so ist es dennoch eine unglaubliche Katastrophe.

Tote und schwer Geschädigte in vergleichbarer Zahl findet man in der VAERS Datenbank der USA, mit 20.244 Toten durch eine COVID-19 Impfung (Stand 10.12.2021), vgl.

Ähnliche Zahlen waren auch einem Entschließungsantrag an das europäischen Parlaments zur Einrichtung eines europäischen Entschädigungsfonds für Opfer der COVID-19 Impfungen zu entnehmen,

Natürlich wollen die Impf-Dogmatiker keinen Entschädigungsfond einrichten, um diese medizinische Katastrophe nicht zugeben zu müssen. Der Antrag wurde nach Angaben im Netz nicht weiter verfolgt,

Scrooge-Romney.jpg

In den USA hat man seine Hausaufgaben gemacht und einen solchen Fond eingerichtet. Dort gibt es aber auch unabhängige Gerichte.

Ebenso in Südafrika,

Auch in UK gibt es einen Entschädigungsfond für Impfopfer, der nach unseren Informationen auch für Schäden durch die COVID-19 Impfungen gilt,

Entsprechende Anträge liegen dort vor, z.B. von der Rechtsanwaltskanzlei Leigh Day,

Konkret werden dort 3 Fälle benannt, der eines 32 Jahre alten Arztes, der nach einer AstraZeneca Impfung starb und 2 kleine Kinder hinterläßt, der Fall einer zweifache Mutter im Alter von 46 Jahren, die nach einer AstraZeneca Injektion eine Sinusvenenthrombose erlitt und jetzt im Rollstuhl sitzt, und der 33 Jahre alte, zweifache Vater Joseph Robinson, der nach einer Impfung eine impfinduzierte thrombotische Thrombozytopenie erlitt.

Man sollte mit Erwartungen an einen deutschen Entschädigungsfond für COVID-19 Impfopfer aber vorsichtig sein, selbst, wenn ein solcher Fond eingerichtet würde. Die gutachterliche Bewertung eines Impfschadens liegt bei denselben Funktionären, die die Impfstoffe als „sicher“ erklärt haben.

Weitere Berichte zu dem Impf-Massaker aus Deutschland, zumeist nur in regionalen Zeitschriften erschienen, findet man unter,

Viele ungeklärte Todesfälle im Zusammenhang mit einer Impfung, besonders bei jungen Menschen, findet man auf,

Wenn diese Zahlen von offizieller Seite angezweifelt werden, so hätte man es im ablaufenden Jahr selbst in der Hand gehabt durch ausreichende Obduktionen Klarheit zu schaffen. Wenn es diesen Damen und Herren tatsächlich um die Rettung von Leben ginge, dann hätte man es nicht bei Beschwichtigungen belassen. Sinusvenenthrombosen bei jungen Menschen als die neue Volkskrankheit?

Es wurde das Äquivalent einer Kleinstadt ausgelöscht und das einer Großstadt schwer geschädigt, jeweils in Europa und in den USA. Für was?

Der Krankenstand war in 2020 insgesamt gesunken, also vor jeder Impfung,

„Krankenstand insgesamt gesunken – Insgesamt betrachtet, liefert der Gesundheitsreport jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Verschlechterung der Gesundheit von Erwerbspersonen durch die Coronapandemie. Mit einem Krankenstand von 4,14 Prozent lag das Jahr 2020 sogar unter den Werten der Vorjahre (2019 4,22 Prozent; 2018 4,25 Prozent).“

Auch ohne Impfung war die Krankenhausauslastung in 2020  unter der von 2019,

„Im gesamten Jahr 2020 wurden insgesamt 13,8% weniger Patienten im Krankenhaus behandelt als 2019. In den ersten 26 Kalenderwochen des Jahres 2021 blieb die Fallzahl 20,1% hinter dem Vergleichszeitraum 2019 zurück. Auch die Gesamtzahl der SARI-Fälle, Intensivfälle und Beatmungsfälle blieb im Untersuchungszeitraum unter den Zahlen aus 2019.“

Schafherde mit Schäfer.jpg

So ließen sich die Deutschen immer in Kriege treiben !

Und es sterben weiter Menschen an den Impfungen. In Österreich demnächst auf staatliche Anordnung. Das ist nicht „übergriffig“, das ist Faschismus. Das einzelne Leben zählt nicht mehr.

Inzwischen sollte es auch der Letzte begriffen haben. Diese Virusfanatiker mit den langen Titeln sind getrieben von dem Wahn, sie würden die Welt retten. Dabei gehen sie über Leichen.

HIV+ gemessene Menschen starben, nachdem man angefangen hatte, sie der antiretroviralen „Therapie“ zu unterziehen. Deshalb erfanden diese Herrschaften, in der Mehrzahl „Ärzte“, das „Immunrekonstitutionssyndrom“ (IRIS, immune reconstitution inflammatory syndrome). Dieser frei erfundene Effekt besagt, dass die „Therapie“ so erfolgreich sei, dass die angeblich immungeschwächten „Patienten“ aufgrund der eigenen, wiedereinsetzenden Immunantwort starben. Vgl.

“This phenomenon is known as a multitude of names including “immune reconstitution inflammatory syndrome (IRIS)”, “immune reconstitution or restoration disease” (IRD) or immune reconstitution syndrome” and includes various forms of a clinical deterioration as a consequence of a rapid and dysregulated restoration of antigen specific immune responses causing an exuberant inflammatory reaction and a cytokines storm. This was first noted following the introduction of zidovudine monotherapy in the early 1990s, […]

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Grafikquelle :

Oben      —       Dies ist eine Collage, die ich basierend auf der Collage gemacht habe, die im spanischen Wikipedia-Artikel der Pandemie Pandemia de COVID-19 vorhanden ist, die Collage enthüllt mit einer Reihe von Bildern, wie die Pandemie die Welt beeinflusst hat. Von links nach rechts und von oben nach unten: Bestattung von Opfern von COVID-19 im Iran; Student in Mexiko, der eine Gesichtsmaske trägt, während er von zu Hause aus Online-Unterricht nimmt; Krankenschwester in Italien, die zeigt, dass ihr Gesicht aufgrund langer Stunden mit medizinischen Geräten als Helfer für Menschen, die mit COVID-19 infiziert sind, verletzt ist; Krankenschwester, die einen Patienten mit COVID-19 auf einer Intensivstation an Bord der USNS Comfort, einem US-Hospitalschiff, behandelt.

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KOLUMNE * ERNSTHAFT?

Erstellt von Redaktion am 24. Dezember 2021

Die Dämonen abschütteln

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Kolumne von Ulrike Winkelmann

Zu den Dingen, an die Leute um mich herum glauben, gehört: dass ein Sternbild etwas über den Charakter aussagt; dass ein Bernsteinkettchen dem Baby beim Zahnen hilft; dass Halbedelsteine je nach Sternzeichen Glück bringen; dass Mikrowellengeräte das Essen vergiften; dass Bachblütentropfen innere Kräfte ins Gleichgewicht bringen.

Wissen Sie noch, damals, als all dies zu den Schrullen gehörte, die wir aneinander dulden oder sogar irgendwie mögen konnten – nach dem Motto: Schließlich hat hier jeder sein Päckchen zu tragen? Anderswo stehen seit vielen Jahrhunderten Männer vor Altären und erzählen, eine Jungfrau habe ein Kind geboren.

Es gibt in Berlin ein Museum für surrealistische Kunst. Die Sammlung Scharf-Gerstenberg ist nicht besonders bekannt, und um die vielen feinen Kohlezeichnungen wirklich gut zu erkennen, muss man sich manchmal so weit vorbeugen, dass der Alarm lospiept und der Wärter mahnend um die Ecke schaut. Zu sehen sind Bilder von Abgründen, Dämonen, Albträumen; das ganze Museum ist eine große Anrufung des „Es könnte alles ganz anders sein, und zwar düsterer, als du denkst“. Wer sich die unwirklichen Kerker, die verzerrten Gesichter, die wüsten Landschaften angeschaut hat, fühlt sich vielleicht wirklich besser, wenn er danach sein Magnetarmband berührt. Andere testen lieber den Blaubeerkuchen im Museumscafé.

Es hätte so alles weiterhin seine wunderbarste magische Ordnung haben können, wenn nicht die Impffrage plötzlich dazwischengekracht wäre. Die Möglichkeit, uns mit Biontech, Moderna et al. vor Covid zu schützen, hat das Gewebe des Einverständnisses darüber, was Vernunft ist und wo sie hingehört, zerstört. Es ist eine Art pandemische Gretchenfrage – „Nun sag, wie hast du’s mit der Impfung?“ –, die seit Monaten auch Teile meines sozialen Umfelds durchpflügt.

Ulrike Winkelmann - Zukunft des Öffentlich-rechtlichen Rundfunks (34715387826).jpg

Die Dialoge sind Schwerstarbeit. Dinge, die uns sonst zusammenhielten, tragen auf einmal zur Trennung bei. Das unter Freundinnen sonst geteilte Gut Feminismus etwa wird aufs Äußerste, sagen wir: strapaziert. Gemäß der fatalen Idee, dass Medizin auch nur eine Ausformung des Patriarchats sei, lassen sich viele Frauen lieber von Menschen ohne medizinische Ausbildung etwas über ihre Gesundheit erzählen als von Menschen mit medizinischer Ausbildung. Im Ergebnis fallen dann Sätze wie: „Ich kenne meinen Körper, der braucht/verträgt keine Impfung.“

Quelle      :        TAZ-online           >>>>>           weiterlesen

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Oben     —     Biblische Darstellung Buch change me! Kapitel 5

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Die Erbschaftsteuer :

Erstellt von Redaktion am 23. Dezember 2021

Wie von Oligarchen bestellt

Man sollte annehmen, dass das Grundgesetz über den Interessen einiger weniger Schwerreicher steht. Doch weit gefehlt: Bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer ist seit mehr als 15 Jahren eine verfassungswidrige Regelung in Kraft – trotz zweimaliger Reformversuche. Umso dringlicher aber ist es, dass die kommende Regierung endlich eine verfassungskonforme Lösung herbeiführt und damit zugleich für mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft sorgt.

Personen, die viel erben, zählen in der Geburtenlotterie zu den klaren Gewinnern. Ihr Erbe erhalten sie in der Regel, ohne dafür etwas geleistet zu haben. Eine Besteuerung von Erben und Schenkungen kann daher die unterschiedlichen Chancen von Menschen in Deutschland angleichen. Hohe Erbschaften sollten folglich auch höher besteuert werden als kleinere.

Doch in der Realität zeigt sich ein gänzlich anderes Bild. Die größten Vermögen werden oftmals niedriger besteuert als kleinere, obwohl das gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz unseres Grundgesetzes verstößt. Denn weitreichende Ausnahmen sorgen dafür, dass hochprofitable und milliardenschwere Familienunternehmen nahezu steuerfrei weitergegeben werden können – ganz im Gegensatz zu privaten Erbschaften, auf die – je nach Verwandtschaftsgrad – bis zu 50 Prozent Erbschaftsteuer entfallen. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 wurden die 127 größten Schenkungen mit einem Volumen von insgesamt zwölf Mrd. Euro mit weniger als einem Prozent besteuert.

Diese hochgradig ungerechte Belastung bei der Erbschaftsteuer ist keinesfalls ein Zufall, sondern vielmehr politisch gewollt und historisch gewachsen.

Historisch gewachsene Ungleichheit

Die preußische Erbschaftsteuer aus dem Jahr 1873 und das darauf aufbauende Reichserbschaftsteuergesetz von 1906 sahen noch keine Abgaben für Ehegatten und Kinder vor. Erst die Erzbergersche Steuerreform aus dem Jahr 1919 änderte dies: Sie setzte Steuersätze von bis zu 90 Prozent bei großen Vermögen und vermögenden Erben fest. Und auch wenn die Steuersätze und Freibeträge in den darauffolgenden Jahrzehnten mehrmals angepasst wurden, unterlagen auch Betriebsvermögen damals der üblichen Besteuerung.

Das änderte sich erst vor knapp dreißig Jahren, als Bundestag und Bundesrat im Februar 1992 das „Gesetz zur Entlastung der Familien und zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze“ verabschiedeten. Das Gesetz entlastete die Betriebsvermögen über einen Trick: Diese wurden fortan nicht mehr zum jeweils aktuellen, sondern stattdessen zum historischen Wert versteuert. Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt“ kam dann ein gutes Jahr später noch ein Freibetrag in Höhe von 500 000 DM für Betriebsvermögen hinzu. Vier Jahre darauf, 1997, führte das Jahressteuergesetz dann weitere Vergünstigungen ein, so dass nach und nach die rechtliche Ausgangslage dafür geschaffen wurde, dass vererbte Betriebsvermögen in den Folgejahren kaum oder gar nicht mehr besteuert wurden.

Bewusste Verfassungsbrüche

Erst am 7. November 2006 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass das Erbschaftsteuergesetz in dieser Form gleichheits- und damit verfassungswidrig war. Und zwar vor allem aufgrund der vom jeweils aktuellen Wert abweichenden Bewertung der Betriebsvermögen.

Daraufhin reformierten Bundestag und Bundesrat zwei Jahre später, 2008, das Erbschaftsteuergesetz. Nun sollte Betriebsvermögen wieder nach dem aktuellen Wert bemessen werden, allerdings wurde der Freibetrag durch einen unbegrenzten „Verschonungsabschlag“ ersetzt. Dieser sorgte nun dafür, dass Betriebsvermögen komplett steuerfrei blieben, wenn die Summe der ausgezahlten Löhne in den folgenden sieben Jahren weitgehend konstant gehalten wurde.

Wie nicht anders zu erwarten war, entkräftete diese Reform keineswegs die verfassungsrechtlichen Einwände. Im September 2012 stellte der Bundesfinanzhof fest, dass die „Steuervergünstigungen nicht durch ausreichende Sach- und Gemeinwohlgründe gerechtfertigt sind und einen verfassungswidrigen Begünstigungsüberhang aufweisen“. Er berief sich dabei unter anderem auf den Wissenschaftlichen Beirat beim Bundesministerium der Finanzen. Dieser kommt zu dem Schluss, dass es weder empirische Belege dafür gebe, dass die Erbschaftsteuer den Fortbestand von Unternehmen gefährdet, noch dafür, dass die Begünstigungen Arbeitsplätze sichern.[1] Darauf folgte weitere zwei Jahre nichts, erst am 17. Dezember 2014 schloss sich das Bundesverfassungsgericht dieser Argumentation des Bundesfinanzhofes an und erklärte die Ausnahmen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig.

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Gerhard Schick

Ende 2016 reformierte die damalige große Koalition daraufhin ein weiteres Mal die Erbschaftsteuer und führte zwar eine Obergrenze von 90 Mio. Euro für steuerliche Begünstigungen ein, schuf aber zugleich mehrere Ausnahmen und Erleichterungen – darunter eine Ausnahme von dieser Obergrenze für Erben oder Beschenkte, die die Steuer nicht aus ihrem verfügbaren Vermögen bezahlen können.

Diese Privilegien für Superreiche sind so offensichtlich verfassungswidrig, dass man von bewussten Verletzungen unseres Grundgesetzes sprechen muss. Denn sie erlauben es den Reichen und Superreichen in diesem Land, immense Vermögen weiterzugeben: So erbten Minderjährige allein in den Jahren 2011 bis 2014 rund 37 Mrd. Euro. Ein Großteil davon – insgesamt 29,4 Mrd. Euro – erhielten dabei 90 Kinder im Alter von unter 14 Jahren. Dies entspricht im Schnitt 327 Mio. Euro pro Kind.[2] Eine groteske Summe, die unbedingt einer gerechten Erbschaftsteuer unterliegen sollte.

Diese Einschätzung unterstrich einmal mehr auch der Bundesfinanzhof, als er am 24. November 2017 die Regelungen bei der Erbschaftsteuer erneut für verfassungswidrig erklärte. Dieses Mal verwies er insbesondere auf eine Entscheidung der Finanzämter, den Besitz von Wohnimmobilien ab einem Bestand von 300 Wohnungen pauschal als Betriebsvermögen zu klassifizieren und damit so gut wie nicht zu besteuern und legte dieser Vorgehensweise enge Grenzen auf.

Quelle         :           Blätter-online           >>>>>          weiterlesen

Grafikquellen          :

Oben      —     Graffiti „Destroy Capitalism!“ auf einer Fabrikmauer

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Unten    —       Foto: Stephan Röhl

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Lockdown 2.0 – COVID-19

Erstellt von Redaktion am 23. Dezember 2021

„Expertenrat“ von Gottes Gnaden – Geheimwissenschaften und vertrauliche Modellrechnungen

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Der neue Zwangsverwalter: – Schaut mir in die Augen: „Können solche Augen töten, solch eine  Nase näseln, oder solche Zähne beißen?“

Von Johannes Kreis

Zu den kürzlich veröffentlichten Empfehlungen des sogenannten „Expertenrates“ der Bundesregierung möchte ich darauf hinweisen, dass weitere Details, u.a. zu den Modellrechnungen zur Ausbreitung von Omikron, vertraulich sind.

„Die Bundesregierung sagt nicht, welche Modellrechnungen den neu eingesetzten Corona-Expertenrat zu seinen Empfehlungen vom Sonntag gebracht haben.“

„Begründet hat der Expertenrat seine Empfehlung mit „nationalen und internationalen Modellierungen der Infektionsdynamik“. Welche das sind, sagt die Regierung auf Anfrage unserer Zeitung nicht. „Die Beratungen des Expertengremiums der Bundesregierung zu Covid-19 sind vertraulich. Die Vertraulichkeit umfasst auch die den Beratungen zugrunde liegenden Unterlagen“, schreibt ein Regierungssprecher.“

Nach den letzten Meldungen hat die Bundesregierung die Absicht, den Empfehlungen auf Basis geheimer Modellannahmen zu folgen.

Vgl. dazu auch das dünne 3-seitige Pamphlet der „Experten“. Dieses Dokument, das Horrorszenarien an die Wand malt und der Bundesregierung Kontaktbeschränkungen zum Schutz kritischer Infrastruktur empfiehlt, kommt ohne eine einzige Referenz oder Graphik aus.

„Laut  der  mathematischen  Modelle  kann  eine Überlastung des Gesundheitssystems und die Einschränkung der kritischen Infrastruktur nur zusammen mit starken Kontaktreduktionen eingedämmt werden.“

Was das für Modelle sind oder welche Parameter verwendet wurden, darf der Bürger nicht mehr erfahren. Das hat mit Wissenschaft nichts mehr zu tun und auch nicht mehr mit demokratischer Kontrolle. Demnächst wird man wohl jegliche Kritik an den Verkündigungen der „Experten“ unter Strafe stellen.

Nach 2 Jahren Krise ist der Panikduktus des Pamphlets alleine schon lächerlich. Dass weitere Details vertraulich sein sollen, spottet jeder Beschreibung.

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Grafikquellen      :

Oben          —     Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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Pläne der Ampelkoalition

Erstellt von Redaktion am 23. Dezember 2021

Die neue Digital-Begeisterung

2018-09-02 - Glasfaser Hauptverteiler Klein Waabs.jpg

Von Svenja Bergt

Für die neue Ampelkoalition ist es einfach, mit Digitalthemen zu punkten. Aber in manchen Stellen im Koalitionsvertrag steckt Gruseliges.

Die Digitalpolitik der vergangenen Bundesregierungen hinterließ mitunter den Eindruck, dass es besser gewesen wäre, sie hätten nichts getan. Nicht ein x-tes Mal die Vorratsdatenspeicherung einbringen, obwohl der Europäische Gerichtshof ganz klar gesagt hat, dass damit die Grundrechte von Bür­ge­r:in­nen verletzt werden. Nicht eine Steigerung von 1,8 Prozentpunkten bei der Versorgung von Haushalten mit mittelschnellem Internet als Erfolg verkaufen. Kein Pilotprojekt für Flugtaxis starten – und fördern.

Und nicht auf europäischer Ebene dafür sorgen, dass die in Arbeit befindliche E-Privacy-Verordnung, die unter anderem die digitale Kommunikation besser schützen soll, verwässert wird, weil irgendwelche Branchen in Deutschland der Ansicht sind, die zur Debatte stehenden Regeln könnten ihre Geschäftsmodelle bedrohen. Einfach mal nichts tun.

Das Problem ist natürlich: Wer nichts tut, verbockt zwar (im besten Falle) auch nichts, kümmert sich aber auch nicht um das Notwendigste. Zum Beispiel darum, dass endlich alle Menschen in Deutschland Zugang zu einem Glasfaser-Internetanschluss haben. Und ja, auch alle Schulen. Inklusive der notwendigen Endgeräte.

Dass Bundes- und Landesbehörden und andere staatliche oder öffentliche Stellen und Unternehmen nicht mit Software-Produkten von US-amerikanischen Herstellern mit Überwachungstendenzen arbeiten. Dass internetfähige Geräte regelmäßige Updates bekommen und nicht teilweise schon beim Kauf völlig veraltet sind.

In den Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP haben es Sätze geschafft, die klingen, als hätte die Ampel das mit der Digitalisierung verstanden. Als hätte sie die Fallstricke und Dissonanzen dabei genauso durchdacht wie die Auswirkungen auf die Individuen und die gesamte Gesellschaft.

Zu komplex? Ein Beispiel: „Wir stärken digitale Bürgerrechte und IT-Sicherheit. Sie zu gewährleisten ist staatliche Pflicht.“ Diesen Satz hat die neue Koalition sich in ihr Programm geschrieben und man möchte nicht nur rufen: Ja, endlich hat es mal jemand in (von damals aus gesehen baldiger) Regierungsverantwortung erkannt!

Sondern man möchte auch noch überlegen, was in diesen zwei kurzen Sätzen eigentlich alles drinsteckt: Zum Beispiel, dass das Ausnutzen von Sicherheitslücken durch staatliche Stellen zu Überwachungs- oder Spionagezwecken nicht geht. Denn es schwächt die IT-Sicherheit.

Dass sämtliche Überwachungspläne von Vorratsdatenspeicherung bis zur Überwachung verschlüsselter Messenger-Kommunikation, wie sie auf EU-Ebene vorangetrieben wird, eingestellt werden müssen. Dass Behörden oder öffentliche Einrichtungen wie Schulen softwaremäßig ganz anders aufgestellt werden müssen, denn was dort passiert, hat mit IT-Sicherheit teilweise wenig zu tun. Dass es eine detaillierte Update-Pflicht für vernetzte Geräte geben muss, damit Ver­brau­che­r:in­nen nicht Smartphones, vernetzte Küchenmaschinen oder Staubsaugerroboter verwenden, die dank völlig veralteter Software angreifbar sind.

Nicht nur der Sommerabend am See

Oder ein anderer Satz: „Für öffentliche IT-Projekte schreiben wir offene Standards fest. Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht.“ Hier wird eine alte Forderung von Ak­teu­r:in­nen aufgenommen, die sich mit digitalem Verbraucherschutz auskennen: Public Money, Public Code.

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Wenn der Staat Software in Auftrag gibt, dann soll diese bitte auch quelloffen sein. Damit Interessierte, Gelangweilte oder Neugierige reinschauen können, was eigentlich drin steckt, zum Beispiel in der Corona-Warn-App. Die war nämlich einer der extrem raren Fälle, in denen der Code tatsächlich unter einer Open-Source-Lizenz erstellt wurde.

Man könnte noch eine Weile weitermachen mit schönen und richtigen Sätzen, etwa zum Thema Recht auf Verschlüsselung (soll kommen), biometrische Überwachung im öffentlichen Raum (geht nicht) oder Bundestransparenzgesetz (geplant). Aber der Koalitionsvertrag ist eben nicht nur der Sommerabend am See, an dem alles möglich erscheint – sondern auch die Fahrt durch das Gewitter nach Hause.

Quelle      :         TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Hier zusehen ist der Hauptverteiler der Schleswiger Stadtwerke in Klein Waabs in offenem Zustand. Links an der Seite sind Servicesteckdosen hochkant verbaut. Dahinter sind die Sicherungen und hinter der Tür steht die Säule der lokales Energieversorgers. Unter der gesamten Sockelverkleidung des Kastens befinden sich Akkus zum Puffern der Versorgung. Die beiden grauen Leisten über den 19 Zollfeldern sind LED-Beleuchtungen. Ganz rechts sind die einzelnen Fasern der Kunden aus den Straßenverzweigern in Spleißkassetten aufgelegt und mit den Buchsen in der Mitte unten verbunden. Von dort wird dann auf den Switch gepatcht. Bei Kunden nur mit Internet wird das Kabel blau, Kunden mit TV-Signal werden zuerst auf einen Zuspeiser gesteckt (Mitte oben gelbe Kabel, Einspeisesignal selbst ist ganz links das einzelne.) und dann nach dem Zuspeisen des extra „Farbspekturms“ zum Kunden gepatcht. Unten Links ist noch ein Normaler Switch für Monitoring zu erkennen. Da drüber die typischen Netzteile und USV. Die eigentliche Anbindung zum nächsten Kasten in Richtung Internet ist mit über 100 Paaren und aktuell 10 GBit versorgt (nur SFP+ Slots) und kann durch das Leerrohr oder Hardwarewechsel noch um einiges erweitert werden.

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Unten     —       Camionnettes CityPlay Amiens

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Politikum – Erschöpfung

Erstellt von Redaktion am 22. Dezember 2021

Was fehlt, ist Empathie, Nähe, Zuwendung – Anstand – statt Abstand

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Das alles begreifen Politiker-Innen nie- sie wollen nur Geld und Macht

Ein Schlagkoch von Georg Diez

In Zeiten der Pandemie macht sich Einsamkeit breit. Die psychischen Folgen sind ein soziales Phänomen, für das es entsprechende Lösungen braucht.

Erschöpfung ist politisch. Auch – und gerade – weil dieser Umstand nicht so benannt wird. Die Erzählung ist eine andere, die Zeiten sind andere: Du bist müde, heißt es. Du schaffst es nicht. Aber du kannst es schaffen. Wenn du dich nur anstrengst. Wenn du dich nur zusammenreißt. Es liegt an dir. Wir anderen schauen zu. Uns geht es ja gut. Es ist deine Entscheidung.

Diese Erzählung ist Gegenwartsmythologie, sie erschafft Realität. Einzelne verhalten sich danach, die Gesellschaft orientiert sich daran. Das hat Folgen: Im Persönlichen bedeutet es, dass sich Fragen nach Druck, Veränderung, Leere, Perspektivlosigkeit als Makel erweisen, als eigenes Verschulden. Im Sozialen bedeutet es, dass die Organisation des Leidens, das gegenseitige Helfen, die Wärme und Würde skeptisch gesehen werden.

Es fehlen vielen die Vorstellungen, wie ein besseres Miteinander gestaltet werden könnte. Die Orte des Sozialen sind geschrumpft, Vereine, Gewerkschaften, Kirchengemeinde. Gemeinsamkeit wird in den Konsum ausgelagert, die Shoppingmall als Kirche. Es fehlen die Institutionen, wie empathisch, offen, nah andere gesellschaftliche Zusammenhänge hergestellt werden können, wie Hilfe geht.

Psychische Gesundheit, hat Geoff Mulgan gesagt, der lange die britische, staatlich gegründete und finanzierte Innovations-Agentur Nesta geleitet hat und heute unter anderem Fellow an The New Institute ist, psychische Gesundheit ist im 21. Jahrhundert ein Thema wie soziale Ungleichheit oder Teilhabe es im 19. und 20. Jahrhundert waren und bleiben – in Problemen der psychischen Gesundheit bündelt sich gesellschaftliche Unwucht.

Erschöpfung also als soziales Phänomen – in Zeiten von Corona am Ende dieses Jahres eine verbreitete Erfahrung – wird damit zu einer politischen Frage, einer Frage von Macht und Interessen, einer Frage von Verantwortung und Veränderung. Es geht darum, psychische Gesundheit insofern zu politisieren, als sie eben keine individuelle Herausforderung ist, sondern zu einer Herausforderung für den gesellschaftlichen und damit demokratischen Zusammenhalt geworden ist.

Was das konkret bedeuten kann, zeigt ein Beispiel aus Großbritannien, aus der Stadt Frome. Es geht dabei um eine andere gesamtgesellschaftliche Erkrankung, denn Erschöpfung ist nur ein Symptom – es geht um Einsamkeit, ein „globales Gebrechen“, wie es die New York Times nennt, die auch über die Lösungen berichtet, die in Frome entwickelt wurden und die Modellcharakter haben von Hongkong bis Kolumbien, von Australien bis nach Dänemark.

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Ein Kerngedanke dabei ist, dass Einsamkeit erst einmal als medizinisches Problem gesehen wird und damit als solches angegangen wird – angefangen mit dem lokalen Krankenhaus, der Frome Medical Practice, die sich um das emotionale Wohlergehen der Pa­ti­en­t*in­nen kümmert, indem Verbindungen zu lokalen Freiwilligen- oder Selbsthilfegruppen hergestellt werden, wobei es um so banale wie essenzielle Dinge geht wie Kochen, das Leben mit der Digitalisierung, gemeinsames Gegenwartserlernen, gerade für Ältere.

In Frome hat sich darüber hinaus eine lokale informelle Infrastruktur entwickelt, die den Polis-Charakter der Politik betont, also die Frage danach, wie wir in einem städtischen Kontext zusammenleben – konkret sind das Ideen wie der „Gemeinschaftskühlschrank“, wo man sich Essen abholen kann, der Frome Coat Rack, wo es Mäntel und andere Kleidungsstücke umsonst gibt, und die Talking Bench, wo jeden Mittwochmorgen Freiwillige warten und mit jedem reden, der oder die das braucht.

Allein dieses Bedürfnis schon, das Formulieren dieser Notwendigkeit, das Benennen dieses Mangels, bedeutet eine entscheidende Veränderung in der mentalen Infrastruktur der kleinen Stadt – in der Beschreibung durch die New York Times wird eine wache Zärtlichkeit deutlich, wie sie entsteht, wenn Menschen aufeinander achten und die gegenseitige Schwäche wahrnehmen, anerkennen, aussprechen. Es ist ein anderes Verständnis von Politik und Gemeinsamkeit jenseits von Parteipolitik oder Interessen, sehr praktisch und menschenfreundlich.

Quelle        :           TAZ-online          >>>>>           weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Charleroi (Belgique) – Station Janson du métro légerLes Psy.

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„KEIN 10. OPFER !“ im NSU

Erstellt von Redaktion am 22. Dezember 2021

Der NRW Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA)

Kalte Steine, kaltes Eisen – zeigen wie Politiker-Innen weinen

Von Jimmy Bulanik

Der NRW Parlamentarische Untersuchungsausschuss (PUA) zum benannten Nationalsozialistischem Untergrund (NSU) hat im Januar 2016 mit den Vernehmungen zum Mord an Mehmet Kubasik begonnen. Noch immer tragen die Obleute im Landtagsausschuss eine eminente Verantwortung. Sie sollen aufklären, so lautet der Untersuchungsauftrag des NRW Landtages in Düsseldorf.

Am 04. April 2006 wurde in der Mallinckrodtstrasse 190 in Dortmund Mehmet Kubasik ermordet. Gleich zwei Tage später, am 06. April 2006 wurde Halit Yozgat in seinem Internet – Cafe in der Holländische Straße 82 in Kassel erschossen. Mehmet Kubasik wurde lediglich 39 Jahre alt. Halit Yozgat war im April 2006 21 Jahre jung. Beide Mordopfer wurden wurden durch Kapitalverbrecher des neonazistischen NSU Netzwerkes erschossen. Sowohl im Mai als auch im Juni 2006 organisierten Familienangehörige der ermordeten NSU Mordopfer Kubasik und Yozgat im Mai und Juni 2006 in Dortmund und Kassel Schweigemärsche. Ismail Yozgat, Halit Yozgats Vater, forderte das Innenministerium und seine Ermittlungs- und Sicherheitsbehörden damals eindringlich auf, dafür Sorge zu tragen, das keine weiteren Morde dieser Mordserie passieren, das es „KEIN 10. OPFER !“geben darf: „Es sollen keine hinterhältigen Schüsse mehr fallen ! Sorgen Sie dafür !

Acht Jahre später hat der NRW PUA NSU seine Arbeit zu den Ermittlungen aufgenommen, die den Morden und Anschlägen des Nationalsozialistischen Untergrundes folgten. Mehr als ein Jahr später hat der NRW PUA NSU begonnen, nach den Ermittlungssachverhalten zum Mord an Mehmet Kubasik zu fragen. Im Dezember 2015 waren zuletzt die Vernehmungen von Zeuginnen und Zeugen zum „Tatkomplex Keupstrasse in Köln – Mülheim“ vorerst beendet worden. Zu dem Nagelbombenanschlages, durch den am 09. Juni 2004 in der Köln – Mülheimer Geschäftsstraße mehrere dutzend Menschen zum Teil schwer verletzt wurden, hatten die polizeilichen Ermittlungen seinerzeit keine Erkenntnisse zu der Täterschaft ergeben. Erst nach der öffentlichen Enttarnung des harten Kern des NSU Netzwerk am 04. November 2011 wird der deutschen Sicherheitsarchitektur bundesweit begreiflich geworden sein, dass sie zu ihrer Arbeit in allen ihren Ermittlungsschritten kapitale Fehler und Versäumnisse einzuräumen haben. Von Anfang an war es der Anwohnerschaft und Kaufleuten der Keupstraße selbst, denen die Kölner Staatsanwaltschaft (StA) und Polizei negativ voreingenommen die größte Aufmerksamkeit widmeten.

Aufrichtige Anerkenntnis ?

Im NRW PUA NSU hatten im Oktober 2015 Geschädigte des Nagelbombenattentat der Kölner Keupstraße in ihrer Eigenschaft als Zeugen ausgesagt. In ihrer übereinstimmenden Erinnerung war es die Kölner Polizeibeamten die ein Klima der Belastungstendenzen schuf, da sie in ihren Ermittlungen die Hypothese präferierten, dass eine Bombendetonation in der Köln – Mülheimer Keupstraße Wahlweise lediglich ein Anschlag seitens der organisierten Kriminalität (OK), ein Verbrechen im Spannungsfeld der Politisch motivierten Kriminalität (PMK) wie Beispielsweise der kurdischen PKK, der türkischen Hezbollah in Deutschland operierend gewesen sein könne. Die Wahrnehmungen und Einschätzungen der Opfer des rechtsterroristischen NSU Netzwerkes, das die am Fahrrad versteckte Nagelbombe von deutschen Rassisten detoniert wurde, galt den Ermittlungsorganen als nicht gewichtig. Sekundärrassistische Ermittlungsrichtungen schienen der Kölner Staatsanwaltschaft, Polizeibeamten aus Köln, dem Landeskriminalamt (LKA) NRW, Bundeskriminalamt (BKA) im südhessischen Wiesbaden genehm und bequem zu sein. Eine gravierende Fehleinschätzung, welche heute öffentlich anerkannt ist. Das die Strafverfolgungsbehörden und Verantwortlichen von der Leitung der kriminalpolizeilichen Ermittlungsgruppen, Besondere Aufbauorganisation des Bundeskriminalamt (BAO) bis hin zu Fritz Behrens (SPD), Staatsminister (NRW Justizminister, NRW Innenminister) a.D. Fehler gemacht zu haben, wurde im NRW PUA NSU in Düsseldorf evident. Deutliche Positionierungen in Form von Zeugenaussagen dafür, dass die Geschädigten des NSU Netzwerkes selbst über viele Jahre hinweg als Tatverdächtige behandelt wurden, dass es staatlich institutioneller, struktureller (Sekundärer) Rassismus und mitnichten eine intersubjektive Innenrevision von Ermittlungshypothesen waren, die von vielen bis heute akut leidenden Geschädigten der rechtsextremistischen Terrororganisation NSU als einen „Anschlag nach dem Anschlag“ tituliert worden sind, empfanden die Zeugen der Staatsanwaltschaft und Polizeibeamte im Untersuchungsausschuss aber niemand. Weder die damals Verantwortlichen und Ermittelnden, die im NRW NSU Untersuchungsausschuss bisher ausgesagt haben, noch die Obleute der NRW Landtagsfraktionen, welche sich immer wieder über Stunden hinweg die monotonen Floskeln des „Das entzieht sich meiner Kenntnis…“, „Wir haben in alle Richtungen ermittelt, aber… oder „für eine rechtsmotivierte Tat fehlten uns hinreichende Erkenntnisse“ angehört haben.

Mit Zeichen für Trauer konnte Politik noch nie Geld verdienen

„Die haben alles kaputt gemacht“

Nur wenige Tage, nachdem am 13. Januar 2016 die Beweisaufnahme zum „Tatkomplex Dortmund“, zum NSU – Mord an dem deutschen Staatsangehörigen Mehmet Kubasik, begonnen hatte, machte der öffentliche Auftritt des NRW NSU Untersuchungsausschussvorsitzenden MdL Sven Wolf (SPD) für den Wahlkreis Remscheid bei einer Veranstaltung im Rahmen der Theaterproduktion „Die Lücke“ am Schauspielhaus Köln (Mülheim), Schanzenstrasse 6 – 20 verstörend darauf aufmerksam, wie wenig zugehört, wie wenig verstanden er hatte: strukturellen oder staatlich institutionellem Rassismus der seinerzeit ermittelnden Behörden und beteiligten Instanzen vermochte dieser nicht zu erkennen. Auch wollte der SPD MdL Sven Wolf es nicht stehen lassen, wenn im NRW PUA NSU die Positionierung entsteht, das staatlich institutioneller Sekundarrassismus die damaligen Ermittlungen und Behandlung mit den NSU Geschädigten in typischer Täter – Geschädigten – Umkehr maßgeblich beeinflusst habe. NRW SPD MdL Sven Wolf kenne persönlich einzelne Polizeibeamten, welche keine Rassisten sein. Dem NRW PUA NSU Vorsitzenden Sven Wolf ist vermeintlich zuzustimmen. Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer, so ein bekanntes Sprichwort. Im NRW PUA NSU sprach niemand vom Scheitern oder der politisch wie menschlich kritikwürdigen Geisteshaltung Einzelner. Vielmehr ging und geht es seit über zwölf Monate darum, dass bei Justiz, Polizei und Inlandsgeheimdienst das Augenlicht des politisch rechtem Auge getrübt sein soll. Dies haben die Sachverständigen wie beispielsweise die bundesweit anerkannte Diplom Politologin, Buchautorin sowie unabhängige Journalistin Andrea Röpke zu Beginn der NRW PUA NSU Arbeit herauskristallisiert. Dies haben die Aussagen von Zeugen des NRW PUA NSU der deutschen Sicherheitsbehörden und Verantwortungsebenen zu erkennen gegeben. Der ehemalige NRW Justiz- und Innenminister Fritz Behrens hatte die Köln – Mülheimer Keupstraße seinerzeit nach dem rassistischen Terroranschlag am 09. Juni 2004 nicht besichtigt, weil der Tatort an sich bereits dazu angetan gewesen sei, dass ein falsches Signal gesetzt werden könnte, wenn es sich doch um ein Verbrechen aus dem Umfeld der organisierten Kriminalität gehandelt hätte. „Wegen dieser Unsicherheit wollte man sich vor Ort nicht verwickeln lassen“, so die Aussage des Zeugen Fritz Behrens im NRW PUA NSU.

Die Lücke

Das Schauspielstück „Die Lücke“, das die Geschichte der vorurteilsbehafteten mutmasslichen Unterstellungen, Verdächtigungen, behördlichen Verdunkelungen und insbesondere dem institutionellem Rassismus der Minister- Justiz und Polizeibeamten bei der Aufklärung zum rechtsterroristischem Nagelbombenattentat auf der Keupstaße in Köln – Mülheim thematisiert, dürfte dem SPD MdL Sven Wolf bei all seiner verniedlichenden Haltung zum strukturellem Rassismus in der Ermittlungstätigkeit der beteiligten Behörden nicht gefallen haben. Vor allem erschreckte die Einlassung des Sven Wolf vor der Aufführung, die Anwesenheit des NRW PUA NSU Vorsitzenden Sven Wolf durchaus als kalkulierte Öffentlichkeitsmassnahme bewertet werden darf, besonders deshalb, weil Sven Wolf drei Tage zuvor sehr viel verständnisvoller, aufmerksamer und emphatischer aufgetreten ist. Am Mittwoch, 13. Januar 2016 waren mit der Dortmunder Witwe und Mutter Elif Kubasik und deren Tochter Gamze Kubasik zur Zeugenaussage in den parlamentarischen Untersuchungsausschuss geladen worden. Beeindruckend berichteten Elif und Gamze Kubasik davon, dass Mehmet Kubasik am 04. April 2006 ermordet wurde. Einen Tag darauf, am 05. April 2006 die Witwe Elif Kubasik und die Tochter Gamze Kubasik für die Polizei Dortmund zu dem Kreis der Tatverdächtigen gewertet worden sind. Das ein geliebter Familienangehöriger, den sie gerade durch einen Mord verloren hatten, gar selbst verdächtigt wurden. Mehmet Kubasik war deutscher Staatsbürger von türkisch – alawitischer Abstammung. Organisierte Kriminalität ? PKK ? Zu all jenen Motiven hat die Polizei Dortmund im Wohnumfeld ermittelt, habe Nachbarschaft und Freundeskreis befragt, ob sie ein Foto Mehmet Kubasik zeigend diesen Mann kennen und etwas dazu sagen könnten, ob er etwa in der organisierten Kriminalität (wie Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz, eine Verbindung wie Mitgliedschaft einer terroristischen Organisation wie der PKK) verwickelt sei. Das öffentlich bekannte Stigma lastete fortan auf der Familie Kubasik. Menschen welche bis zum Mord an Mehmet Kubasik der Familie Kubasik wohlwollend gewesen sind, wandten sich durch Ungewissheit von der Familie Kubasik ab. Abwertende Blicke, Drohungen und Beschimpfungen konfrontierten die Angehörigen tagtäglich damit, dass die Polizei aus dem Mordopfer einen Verdächtigten gemacht hatte. Gamze Kubasik fasste im parlamentarischen Untersuchungsausschuss ihre Empfindungen von damals sowie der Gegenwart zusammen: „Ich muss sagen, es ist ja schon schlimm, wenn man einen Vater verliert. Aber die haben uns auch noch den Stolz weggenommen. Wir haben Freunde und Bekannte. Und Menschen, die uns gemocht haben. Die meinen Vater gemocht haben. Das haben die alles kaputt gemacht. Jahrelang hat man uns verdächtigt. Die Polizei ist dafür verantwortlich, dass man uns jahrelang das Leben weggenommen hat. Vielleicht konnte ich verarbeiten: ja mein Vater ist nicht mehr da, und das Leben geht weiter. Aber die Polizei hat das unmöglich gemacht.“ In Anbetracht der eindrucksvollen Schilderungen Elif und Gamze Kubasik äußerten die Obleute interfraktionell ihr tiefes Entsetzen im Bezug auf die Modalität, wie mit den Familienangehörigen umgegangen worden war. Seitens der Obleute bestand Einigkeit, dass derlei Amtsmissbrauch niemals mehr wieder stattfinden werden. Dass Beamte, welche in ihrer Ermittlungsarbeit mit Geschädigten umgingen, hierfür speziell ausgebildet sein werden. Das erlittene Leid, welches den Betroffenen wie den Opfern, Angehörigen durch belastend tendenziöse Ermittlungen angetan worden ist, um so vieles gravierender sei in einer Vergleichbarkeit der Wut, die der Kölner SPD – Obmann Andreas Kossiski (ein Polizeibeamter in den Bundesländern Schleswig – Holstein und Nordrhein – Westfalen) nun, nach der Aussage der Zeugen Kubasik, über die Ermittlungsfehler empfinde. Der Vorsitzende Sven Wolf wünschte den beiden Zeugen, dass die einschneidenden emotionale Wunden heilen mögen. Pietätvolle Äusserungen, welche die Anwesenden des NRW PUA NSU durchaus glaubwürdig empfanden konnten. In dieser spezifischen Situation. MdL Sven Wolf, der drei Tage später in einer ganz anderen Situation, vor einer anderen Öffentlichkeit, vor der Aufführung der „Lücke“ davon sprechen sollte, dass er den Eindruck eines staatlichen Rassismus in den zu den Morden des rechtsterroristischem Netzwerk NSU damals ermittelnden Behörden nicht für richtig erachte, hat -das muss Sven Wolf sich wohl sagen lassen – indessen wenig Fingerspitzengefühl dafür, wie viel Verantwortung er und sein Kollegium im NRW PUA NSU inne haben. Die Obleute der Fraktionen sind es, welche mittels Fragen sowie Eruieren sollen, welche behördlichen Verfehlungen begangen worden sind, im Zusammenhang der kapitalen Verbrechen des rechtsterroristischem Netzwerk NSU. Die Obleute sollen zum Beispiel einen leitenden Kriminalbeamten fragen, immer wieder, weshalb diese/r der Spur, es könnte ebenfalls eine rechtsterroristisches Kapitalverbrechen in Form eines Mordes gewesen sein, zu jener Zeit nicht nachgegangen worden ist. Der Kriminalbeamte Michael Schenk, seinerzeit Leiter der polizeilichen Ermittlungen zum Mord an dem Kaufmann Mehmet Kubasik, der für den 21. Januar 2016 zur Zeugenvernehmung im NRW PUA NSU erschien, versuchte sich präzise zu dem Sachverhalt, mehr als augenscheinlich um eine sinnige Antwort verlegen, aus der Affäre zu ziehen: Weshalb die Aussage der Dortmunder Zeugin Jelica Dzinc vom 14. Januar 2016, einer Passantin und Anwohnerin der Mallinckrodtstrasse in Dortmund zum Zeitpunkt unmittelbar vor dem Mord an Mehmet Kubasik damals zwei Männer am Tatort gesehen hatte, die wie „Junkies oder Nazis“ ausgesehen haben, nicht weiter verfolgt worden sei, konnte der Zeuge Michael Schenk den Mitgliedern des NRW PUA NSU nicht plausibel erklären. Der damals zuständige Dortmunder Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper, welcher am 15. Januar 2016 vor dem NRW PUA NSU als Zeuge aussagte, konnte sich nicht entsinnen, wo die Ermittlungen zu dem Mord an Mehmet Kubasik suboptimal verlaufen sein mochten. Die StA Dortmund hätte einen Mordfall aufzuklären gehabt und hätten demzufolge alle Ermittlungsrichtungen verfolgt.

Nie wieder ! „Sorgen Sie dafür !“

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Mit Ende des Prozess begann die politische Vertuschung ?

Elif Kubasik hatte zuvor am Mittwoch, 13. Januar 20016 zwei Tage zuvor auf dem selben Stuhl als Zeugin des nordrhein westfälischen parlamentarischen Untersuchungsausschuss Nationalsozialistischer Untergrund im Landtag von Düsseldorf Platz genommen, auf dem am 21. Januar 2016 der Zeuge, Staatsanwalt Dr. Heiko Artkämper so wenig einer kritischen Reflektion bezüglich der damalige Ermittlungstätigkeiten beitragen konnte unmissverständliche Äusserungen gewählt. Frau Elif Kubasik hatte davon gesprochen, dass „wir ja sehen, dass der Staat bisher nicht hat aufklären können.“ Protektionismus oder Unterstützung brauche sie nicht – heute: nicht mehr. Sie sei stark. Gleichwohl, so Elif Kubasik, „ich möchte das es Aufklärung gibt, ich möchte nicht, dass andere Kinder ohne Väter aufwachsen.“ Erneut haben die Geschädigten des Netzwerkes NSU selbst, die mit dem Mord an ihrem geliebten Ehemann und fürsorglichen Familienvater, der Trauer, emotional aufgewühlt bis heute leben, uns allen in wirkungsmächtigen Worten verdeutlicht, welch starke Persönlichkeiten sie sind. Dieser Charaktereigenschaften von Stärke, menschlicher Größe zu begegnen, diese zu ertragen, sie ernst zu nehmen, ist der öffentliche Untersuchungsauftrag, welchen die Obleute der Landtagsfraktionen im NRW PUA NSU zu erfüllen haben. Ungeachtet dessen, ob ihr Wirken zu „Behördenversagen“ („Staatsversagen“ nannte der FDP Obmann Joachim Stamp für den Wahlkreis Bonn – Duisdorf während der öffentlichen Sitzung des NRW PUA NSU im Landtag von Düsseldorf mit den Zeuginnen Kubasik den behördlichen Umgang mit den NSU Kapitalverbrechen in Form von Mord und Anschlägen selbst mit Sprengmittel) oder zu „Ermittlungspannen der Inlandsgeimdienst Apparaten oder dem Scheitern oder der bewussten, gezielten Verdunkelung Einzelner kristallisiert – eines ist klar, das wird bei jeder öffentlichen Untersuchungsausschusssitzung stets evidenter: die strukturelle Verwobenheit rassistischer Geisteshaltungen sowie arbeitstechnische Modalitäten, welcher einer vorurteilsbehafteten Konnotation der PMK Rechtsextremismus Geschädigten und ihrem persönlichem Umfeld ausgingen, in der Arbeit der ermittelnden Institutionen ist unverkennbar. Staatsanwaltschaften, Polizei, Inlandsgeimdienste: Sie alle trugen zum Sekundarrassismus in der Erscheinungsform von Täter – Geschädigten – Umkehr bei, welche für die betroffenen geschädigten Familienangehörige so bitter in präsenter Erinnerung ist obendrein bis heute schmerzlich begleitet. Das zu konstatieren, insbesondere -aufrichtig- zu würdigen und daraus die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, ist der öffentlich beauftragte Verantwortungsbereich der Mitglieder des Landtages in Nordrhein – Westfalen. Ismail Yogats bedeutsamen Worten zum Trauermarsch für seinen verblichenen Sohn Halit Yozgat gelten auch an dieser Stelle aktuell und dringend: Es soll sich etwas verändern. Solche Ermittlungen dürfen nie wieder oder so ähnlich stattfinden. Dazu muss der institutionelle Rassismus in Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörden wahrgenommen und intersubjektiv konstatiert werden. Wir nehmen Sie, die Mitglieder des NRW parlamentarischen Untersuchungsausschuss NSU, die Sie allesamt gemeinsam am Ende ihrer Untersuchungsausschuss – Tätigkeit einen öffentlichen Bericht und eindeutig verbindliche Handlungsaufträge zu verfassen haben, hier bei ihren anteilnehmenden Worten in die öffentlich überprüfbare Pflicht. Hören Sie den betroffenen Geschädigten des rechtsterroristischem Netzwerk Nationalsozialistischer Untergrund aufmerksam zu und ziehen Sie alle notwendigen Entscheidungen: „Sorgen Sie dafür !“

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Grafikquellen          :

Oben     —         Tatort der Erschießung Mehmet Kubaşıks in Dortmund, mit Gedenkstätte

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Der Verfassungsschutz

Erstellt von Redaktion am 21. Dezember 2021

Bayerisches Verfassungsschutzgesetz

Dienstgebäude in Milbertshofen-Am Hart im Münchner Norden

Quelle    :     FF – Gesellschaft für Freiheitsrechte

GFF-Klage gegen uferlose Befugnisse des Bayerischen Inlandsgeheimdienstes wird jetzt beim Bundesverfassungsgericht mündlich verhandelt

Die von der Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) über die letzten vier Jahre koordinierte Klage gegen eine Vielzahl von Regelungen des neuen Bayerischen Verfassungsschutzgesetzes (BayVSG) wurde am am 14. Dezember 2021 endlich in Karlsruhe mündlich verhandelt. Die Verhandlung zeigt: Die Verfassungsrichter*innen sehen die aktuellen Befugnisse des Bayrischen Verfassungsschutzes kritisch. Besonders das Verschwimmen der Zuständigkeiten von Polizei und Geheimdiensten warf einige Fragen auf. Finanziell unterstützt wird das Vorgehen der GFF in diesem Verfahren durch die Stiftung Erneuerbare Freiheit.

  • Einen detaillierten Bericht der Verhandlung in Karlsruhe finden Sie hier
  • Das in der Verhandlung gehaltene Eingangsstatement unseres Vorsitzenden Ulf Buermeyer finden Sie hier

Die am 1. August 2016 in Kraft getretene Novelle des BayVSG gibt dem bayerischen Inlandsgeheimdienst erweiterte Überwachungsbefugnisse, die im Dienste der „Inneren Sicherheit“ noch breiter und tiefer in die Grundrechte der Bevölkerung eingreifen, als dies in den übrigen Verfassungsschutzgesetzen der Länder und des Bundes der Fall ist.

Engagement für die Freiheit braucht einen langen Atem: Unterstützen Sie die GFF mit Ihrer Fördermitgliedschaft!

Wer klagt?

Die Beschwerdeführer sind mehrere Personen, die als Funktionsträger bzw. Mitglieder von im Bayerischen Verfassungsschutzbericht erwähnten Organisationen glaubhaft machen können, Gegenstand der geheimdienstlichen Überwachung zu sein. Zu diesen Organisationen gehört insbesondere der Landesverband Bayern der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten (VVN-BdA).

Einer der Beschwerdeführer ist der Augsburger Oberarzt Dr. Harald Munding, Landessprecher der VVN-BdA. Gegenüber der Süddeutschen Zeitung bezeichnete er sein langjährige Beobachtung durch den Bayerischen VS als “Stigmatisierung” und die Erwähnung einer Organisation im Verfassungsschutzbericht als “Einschüchterungspolitik, die wirkt”.

Die Verfassungsbeschwerde wurde verfasst von Prof. Dr. Matthias Bäcker (Johannes Gutenberg-Universität Mainz) und ist seit Ende Juli 2017 beim Ersten Senat des Bundesverfassungsgerichts anhängig (Aktenzeichen: 1 BvR 1619/17). Der Experte im Informationsrecht und Datenschutzrecht arbeitet bereits im “G 10”-Verfahren als Prozessvertreter mit der GFF zusammen.

Wogegen wendet sich die Verfassungsbeschwerde?

Zu den Befugnissen im Bayrischen Verfassungsschutzgesetz (BayVSG), die aus Sicht der GFF unverhältnismäßig und damit verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen sind, gehören:

Diese und weitere Maßnahmen greifen unzulässig in mehrere Grundrechte ein, insbesondere in die Menschenwürdegarantie, das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, das Grundrecht auf Gewährleistung der Integrität und Vertraulichkeit informationstechnischer Systeme (das sogenannte “Computer-Grundrecht”), das Fernmeldegeheimnis, die Unverletzlichkeit der Wohnung und das Recht auf effektiven Rechtsschutz.

Unterstützen Sie die Arbeit der GFF zum Schutz der Grund- und Menschenrechten!

Verfassungsrechtliche Angriffspunkte

Aus Sicht der GFF sind die angegriffenen gesetzlichen Befugnisnormen aus mehreren Gründen verfassungsrechtlich unhaltbar. Der in Deutschland präzedenzlose Zugriff eines Geheimdienstes auf die bei den Providern gespeicherten Telekommunikations-Vorratsdaten verstößt bereits gegen Bundesrecht. Denn nach § 113c Abs. 1 Nr. 2 Telekommunikationsgesetz (TKG) dürfen die „Vorratsdaten“ nur an eine „Gefahrenabwehrbehörde“ eines Landes übermittelt werden. Ein Inlandsgeheimdienst ist aber gerade getrennt von der Polizei und eben keine Gefahrenabwehrbehörde. Die strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten ist eine Lehre aus dem Nationalsozialismus.

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Hinzu kommt, dass etwa beim „Großen Lauschangriff“ eine automatisierte Dauerüberwachung ermöglicht wird. Das Bundesverfassungsgericht fordert hier aber eine hinreichende Sicherung zum Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung – diese fehlt hier völlig. Auch die verfassungsrechtlich gebotenen Schutzregeln zugunsten von Berufsgeheimnisträgern wie Ärztinnen oder Rechtsanwälten fehlen im BayVSG für die meisten Überwachungsmaßnahmen. Teils unterscheiden sie unzulässig zwischen Strafverteidigern und sonstigen Rechtsanwälten und Rechtswanwältinnen.Das Gesetz stellt außerdem vielfach keine Voraussetzungen für den Datenzugriff auf. Damit fehlt es an einer Garantie dafür,  dass die Überwachungsmaßnahmen nicht schon aus viel zu geringem Anlass selbst gegen selbst unbeteiligte Kontaktpersonen eingesetzt werden. Das Bundesverfassungsgericht verlangt für personengerichtete Überwachungsbefugnisse, dass die gesetzliche Grundlage einen hinreichend gewichtigen Anlass für die jeweilige Maßnahme klar regelt  und dass die betroffene Zielperson in einem hinreichenden Näheverhältnis zu dem Anlass der Maßnahme steht. Verfassungsrechtlich unzulässig sind damit geheimdienstliche Überwachungsmaßnahmen, die schon vor jeder konkretisierten Gefahrenlage und / oder gegenüber Nichtverantwortlichen tief in Freiheitsrechte eingreifen. Diesen Anforderungen genügen viele der neuen Befugnisse im BayVSG nicht: Sie ermöglichen stattdessen schon bei diffusen Bedrohungslage eine breit gestreute Überwachung, die auch völlig Unverdächtige betrifft.

Bei verdeckten Überwachungsmaßnahmen wie dem Einsatz von V-Leuten sieht das BayVSG keine Vorabkontrolle durch eine unabhängige Stelle vor. Auch werden die von der geheimdienstlichen Überwachung betroffenen Personen nachträglich nicht ausreichend benachrichtigt, ihr eigener Auskunftsanspruch ist übermäßig stark beschränkt. Ohne Transparenz wird aber ein effektiver gerichtlicher Rechtsschutz unmöglich gemacht; damit können Grundrechte im Einzelfall nicht wirksam durchgesetzt werden. Viel zu weit geht schließlich die Befugnis des Bayerischen Verfassungsschutzes, erhobene Daten an in- und ausländische öffentliche Stellen oder an nicht-öffentliche Stellen weiterzugeben.

Konsequenzen des Verfahrens

Dieses Verfahren um das BayVSG hat aus Sicht der GFF Signalwirkung: Zum Schutz der Grundrechte gilt zu verhindern, dass sich die übrigen Verfassungsschutzämter ein Beispiel am „Vorreiter“ Bayern nehmen.

Auch über den geheimdienstlichen Bereich hinaus ist es der GFF wichtig, gegen verfassungsrechtliche zweifelhafte Freiheitseingriffe nicht nur auf Bundesebene, sondern auch in den Ländern vorzugehen.

Spenden und Fördermitgliedschaften für die GFF ermöglichen unsere Unterstützung und Beratung bei diesem Verfahren. Unsere Arbeitet kostet Geld. Freiheit und Gerechtigkeit brauchen viele Freundinnen und Freunde – unterstützen Sie die GFF!

Hier finden Sie die Beschwerdeschrift der GFF.

Photo credit: “Kopfhörer” by JouWatch auf Flickr (CC BY-SA 2.0

Pressemitteilungen

Weitere Informationen

Medienberichte (ausgewählt):

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Zukunft der Linkspartei

Erstellt von Redaktion am 20. Dezember 2021

Linkspartei am Kipppunkt

2020-07-02 Klaus Ernst LINKE MdB von OlafKosinsky 1972.jpg

Für so einen unscheinbaren Gewerkschaffts-Fuzzi gleicht der Porsche einer Rakete ?

Von Anna Lehman

Eine Fraktion, die gegen die Partei agiert. Ein Klimapolitiker, der Autos liebt. Eine enttäuschte Basis. Kann die Linke die Spaltung überleben?

Hitzerekord in der Arktis! 38 Grad wurden in diesem Sommer gemessen, meldet die UN-Klimabehörde am 14. Dezember. Am Tag danach ist Maximilian Becker immer noch frustriert und wütend. „Ich weiß momentan nicht, wie ich Leute in meinem Bekanntenkreis davon überzeugen soll, in die Linke einzutreten.“ Becker kommt aus Leipzig, er ist aktiv in der örtlichen Klimabewegung Ende Gelände und seit Februar auch im Bundesvorstand der Linkspartei.

Am Tag, an dem die Dynamik des Klimawandels erneut deutlich wird, wählt die Bundestagsfraktion der Linken den Abgeordneten Klaus Ernst zum Vorsitzenden das Bundestagsausschusses für Klima und Energie. Ausgerechnet „Porsche-Klaus“! Der schnelle Autos liebt, sich für die Gaspipeline Nordstream2 ins Zeug legt und vor einer Anbiederung an die Klimabewegung warnte. Für die Partei ist Klimapolitik mittlerweile ein Kernthema, hereingetragen vor allem durch jüngere Mitglieder wie Becker, der 2016 in die Linke eintrat. „Der Einsatz für Klimagerechtigkeit ist eines unserer zentralen Politikfelder“, heißt es in einem Beschluss des Vorstands vom Oktober. Becker hat auf diese Formulierung gedrängt.

Nicht nur er ist über die Wahl von Ernst an die Spitze dieses wichtigen und einzigen Ausschusses für die Linksfraktion frustriert und wütend. Eine ehemalige Landesvorsitzende tritt nach 27 Jahren aus der Partei aus, der langjährige abrüstungspolitische Sprecher Jan van Aken zieht sich aus Ärger über die Fraktion aus dem Parteivorstand zurück und verwendet in seinem Austrittsschreiben Begriffe, wie sie sonst im Zusammenhang mit korrupten Regimen fallen.

Vor allem aber sind es jüngere Mitglieder und Aktivist:innen, die ihre Wut und Enttäuschung in den sozialen Medien verbreiten. Tausende haben einen einige Tage vor der Wahl initiierten offenen Brief unterschrieben und die Linksfraktion aufgefordert, den Ausschussvorsitz anders zu besetzen. Umsonst.

Die Seenotrettungskapitänin Carola Rackete, für viele Linke eine Gallionsfigur, twittert: „Die Linke ist mit der Wahl von Klaus Ernst als Vorsitzenden des Klimaausschusses scheinbar weiter im Selbstzerstörungsmodus, indem sie genau die sozialen Bewegungen abschreckt deren Inhalte sie eigentlich im Programm vertritt.“ Rackete hat mehr Follower als die Linkspartei Mitglieder.

39 gegen 60.000

Die Linkspartei, die es im September nur ganz knapp ins Parlament geschafft hat, bewegt sich auf einen Kipppunkt zu. Wird sie in Zukunft noch gebraucht, oder erledigt sie sich von selbst? Zumal sich nun der Eindruck verfestigt, dass ein Grüppchen von 39 Abgeordneten über Richtung und Themensetzung einer 60.000-Mitglieder-Partei entscheiden kann. Ein Grüppchen, das Kritik negiert, Beschlüsse ignoriert und Kommunikationskanäle dicht macht.

Die morgendlichen Telefonate zwischen Partei- und Fraktionsführung, wie sie im Wahlkampf üblich waren, sind längst wieder eingestellt. Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow spricht von einer Entfremdung zwischen Partei und Fraktion. Wie konnte es so weit kommen?

Zum einen hat das magere Wahlergebnis dafür gesorgt, dass es vorwiegend verdiente Parteikader, die auf vorderen Listenplätzen abgesichert waren, in den Bundestag schafften, während Nach­wuchs­po­li­ti­ke­r:in­nen das Nachsehen hatte. Die Linke stellt nun die zweitälteste Fraktion, und ihre Abgeordneten ticken oft traditioneller als die Parteibasis. Die hat sich in den letzten Jahren erheblich verjüngt, ein Fünftel der Mitglieder kam neu hinzu, zwei Drittel davon sind jünger als 35.

Die arrivierte Zusammensetzung der Fraktion stärkt aber auch das fraktionsinterne Machtbündnis aus, grob gesagt, ostdeutschen Prag­ma­ti­ke­r:in­nen und westdeutschen Orthodoxen. Die Mehrheiten sind klar verteilt: Zwei Drittel der Abgeordneten gehören zum sogenannten Hufeisen, der Rest muss sich hinten anstellen. Auch die beiden Parteivorsitzenden Janine Wissler und Hennig-Wellsow, die beide neu im Bundestag sind. Posten werden nach Loyalität und Machtinteressen vergeben, Inhalte spielen kaum eine Rolle.

Im Zentrum dieses Zweckbündnisses: Fraktionschef Dietmar Bartsch, gebürtiger Stralsunder, seit 44 Jahren Parteimitglied. Einer, dessen Karriere in der SED begann, der sich später in PDS und Linkspartei über verschiedene Ämter vom Schatzmeister, Bundesgeschäftsführer bis zum Fraktionschef und Spitzenkandidaten für die Bundestagwahl hochgedient hat. Ein vollendeter Funktionär, dessen Machtinstinkte verlässlich funktionieren. Dessen politische Landkarte sich aber auf Mecklenburg-Vorpommern beschränke, wie Ge­nos­s:in­nen lästern.

Bloß nicht grüner als die Grünen

Bartsch und Ernst seien sich menschlich nie besonders nah gewesen, berichtet ein Genosse, der beide lange kennt. Bartsch zündelte gegen Ernst als dieser Parteichef war, Ernst hielt sich umgekehrt nie mit öffentlicher Kritik zurück, wenn es um den Führungsstil von Bartsch und dessen damaliger Ko-Fraktionsvorsitzenden Sahra Wagenknecht ging.

2018-06-09 Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig von Sandro Halank–137.jpg

Sind das nicht die Preise der Politik? Wo bei Bürger-Innen das Rückgrat endet ist bei den Politiker-Innen meistens schon alles im Arsch ?

Dass Bartsch ihn jetzt als Ausschussvorsitzenden durchgedrückt hat, mag zum einen daran liegen, dass er die Renitenz des Bayern fürchtet. Bei der Vergabe der Arbeitskreise war Ernst auf der Fraktionsklausur im Oktober leer ausgegangen. Es liegt aber auch am politischen Kurs, den Ernst verfolgt und den Bartsch teilt.

Die Linkspartei dürfe nicht „grüner werden als die Grünen“, betonen beide immer wieder. Statt immer ehrgeizigere Klimaziele zu formulieren, müsse sich die Linke auf ihren Markenkern konzentrieren, nämlich die soziale Frage. Auch wenn Ernst nach seiner Wahl in einem Video der Fraktion betont, er wolle die Interessen von abhängig Beschäftigten und sehr jungen Leuten in der Klimabewegung zusammenbringen, nutzt er doch auch die Gelegenheit, erneut für die Energiepartnerschaft mit Russland und für Nordstream2 zu werben. Es wäre blanker Unsinn, so eine Rieseninvestition im Meer zu versenken.

Quelle        :          TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —      Klaus Ernst während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2020 in Berlin.

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Unten      —   Bundesparteitag Die Linke 2018 in Leipzig

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Politiker unterm Mikroskop

Erstellt von Redaktion am 20. Dezember 2021

Sollen sie doch Flugtaxi fliegen, mir egal

Eine Kolumne von Margarete Stokowski

Die neue Regierung ist kaum eine Woche im Amt, schon wird über Karl Lauterbachs Zähne und Robert Habecks Frühstück geredet. Das ist nicht schlimm, aber zielführend wären ganz andere Dinge.

Wenn man sich für Politik interessiert, dann kommt man nicht umhin, ab und zu in den Graubereich zwischen seriösem Journalismus und Klatschpresse zu geraten. Deswegen weiß ich, dass Friedrich Merz angeblich Hosen bügeln und Spaghetti kochen kann (okay… wer nicht?), dass Anton Hofreiter gern Blumen malt, und welche Hausschuhe Gerhard Schröder trägt, wenn er für seine fünfte Frau versucht, Klavier zu spielen. Das sind die Kollateralschäden, die man einpreisen muss, wenn man umfassend informiert sein will, und das ist so weit auch in Ordnung.

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Blendwerk COVID E-Rat

Erstellt von Redaktion am 19. Dezember 2021

Blendwerk COVID-19-Expertenrat – überfällige Verbesserungen im Gewässerschutz

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Es ist noch Suppe da

Von Johannes Kreis

BetreffZolgensma – die nächsten Versuchskaninchen (im Bereich 4 – 15 kg Körpergewicht) – Blendwerk COVID-19-Expertenrat 

a) zu dem teuersten Medikament der Welt, Zolgensma, möchten ich darauf hinweisen, dass der gemeinsame Bundesausschuß derzeit keinen Zusatznutzen sieht.

oder

Das Thema scheint den meisten Pharmafreunden in den Altmedien entgangen zu sein. Wenn darüber berichtet wird, dann mit eigentümlichem Fokus,

Die Gentherapie der spinalen Muskelatrophie mit Onasemnogen-Abeparvovec (Zolgensma) scheint sich im klinischen Alltag zu bewähren.“

„Die Patienten waren bei der Gentherapie im Durchschnitt 16,8 Monate alt (Bereich 0,8 bis 59 Monate) und durchschnittlich 9,1 kg schwer (Bereich 4,0 bis 15,0 kg).“

Erst weiter unten liest man dann,

„Erst kürzlich war Zolgensma bei der Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) durchgefallen. Die Gentherapie erhielt keinen Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie. Grundlage seien die vorhandene Studienlage und die vom Hersteller übermittelten Daten.“

Es ist immer dasselbe Muster, man macht sich die Ängste der Angehörige, hier die zumeist jungen Eltern, für das Pharmamarketing zunutze und spielt medienwirksam mit deren Hoffnungen. Mit Hilfe von kranken Kleinkindern baut die moderne Medizin an ihrem Lebensretter-Image. Tragische Einzelfälle werden medial maßlos aufgebauscht.

Hat irgendjemand den leisesten Zweifel, dass man nach weiterer „Prüfung“ und mit Hilfe der europäischen Arzneimittel-Lobby-Agentur EMA einen Zusatznutzen finden wird? Mit einem Big-Pharma-Minister Karl Lauterbach ist alles möglich. Die Krankenkassen werden weiterhin im Selbstbedienungsmodus betrieben werden. Zur Not erscheint Zolgensma unter einem anderen Namen neu. Jeder kann sich nehmen, was er will. Wer dagegen etwas unternimmt, gefährdet Menschenleben.

Warten wir ab, wer sich in 2 – 3 Jahren noch eine Krankenversicherung wird leisten können. Die Beiträge in Deutschland sind schon jetzt exorbitant. Glaubt jemand, dass sich mit Karl Lauterbach daran etwas ändern wird?

Zu dem in den zitierten Beiträgen angesprochenen Thema „Gentherapie“ muß sich niemand Sorgen machen, hier wacht Alena Buyx, die Teflon-Ethikerin, die seit neuestem auch die WHO in Fragen zur Ethik der Gentherapie berät. Das heißt so viel wie, dass ethisch alles erlaubt ist, was Big Pharma will.

COVID-19-Pandemie-Collage.jpg

b) Natürlich darf Frau Buyx im “Expertenrat” von Olaf Scholz, dem (Auch)-Kanzler der Ungeimpften, nicht fehlen.

Diese Ansammlung von Altkadern der Coronoiker und Panikmacher als unabhängiges Expertengremium zu bezeichnen, ist lächerlich.

Trotz der Erfolge im Ausland, wie in JapanSchwedenFlorida oder Texas, bleibt es in Deutschland bei dem bekannten Dutzend handverlesene „Experten“, mit Drosten, Wieler, Brinkmann und Priesemann. Die eine Hälfte in diesem Expertenrat sind Funktionäre, die andere Hälfte ist vor COVID-19 nie durch besondere Expertise aufgefallen, sogenanntes COVID-19 Fallobst. Es sind die üblichen Dauergäste im öffentlich-rechtlichen Fernsehen, deren Schein-Expertise sich aus der medialen Darstellung und den Preisen, mit denen man sie überhäuft hat, speist.

Der Expertenrat ist ein medialer Schachzug, damit sich diese Damen und Herren den Titel „offizieller Experte der Bundesregierung“ umhängen können und die Altmedien darüber berichten. Nach dem Titel „Held der Arbeit“ ist das jetzt die neue, höchste Auszeichnung in Deutschland.

Mit Blick auf den tatsächlich normalen Krankenstand und die niedrige Krankenhausauslastung in Deutschland, siehe unten, scheint eine allgemeine Statistikschwäche das wesentliche Auswahlkriterium für eine Mitgliedschaft in diesem Rat gewesen zu sein. Entweder Deutschland hat keine anderen „Experten“ oder Deutschland will keine anderen „Experten“. Es zeigt, wo die Reise hingeht. Hier eine Auswahl aus den 19 Experten, geordnet nach den bisherigen Beiträgen,

Verursacher der Panikdemie und maßgebliche Treiber der Wissenschaftsfälschung

  • Lothar Wieler, Präsident des Robert Koch-Instituts
  • Christian Drosten, Chefvirologe der Berliner Charité (der mit den Preisen, dieser Mann atmet Wissenschaft!)
  • Heyo Kroemer, Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Ziehvater von Christian Drosten

Teflon-Ethiker

  • Alena Buyx, Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, WHO Ethics Council on Genome Editing

No-Covid-Träumer und Panik-Modellierer

  • Melanie Brinkmann, Virologin am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung
  • Viola Priesemann, Max-Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation
  • Michael Meyer-Hermann, Leiter der Abteilung System-Immunologie am Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung

Intensiv-Schwurbler

  • Christian Karagiannidis, Leiter des DIVI-Intensivregisters

Impf-Dogmatiker

  • Christine Falk, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Immunologie
  • Leif Erik Sander, Leiter der Forschungsgruppe Infektionsimmunologie und Impfforschung der Charité
  • Johannes Nießen, Chef des Kölner Gesundheitsamts
  • Cornelia Betsch, Betsch ist Psychologin und Professorin für Gesundheitskommunikation an der Universität Erfurt
  • Lars Kaderali, Bioinformatiker am Institut für Bioinformatik an der Universitätsmedizin Greifswald
  • Jörg Dötsch, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin

Selbsternannte Fake-News Profis

  • Ralph Hertwig,  Direktor des Forschungsbereichs Adaptive Rationalität am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung.

Das sind die Herrschaften, die mit absoluten Weisheiten und Wahrheiten aufwarten können und mit denen sie in Deutschland durchregieren. Niemand sollte von diesen Damen und Herren erwarten, dass sie den bekannten Datenstand zur Kenntnis nehmen. Bis heute zeigen die Krankenstatistiken der Krankenkassen keinen erhöhten Krankenstand, außer im Panikmonat März 2020. In Summe hätten alle Interventionen sogar dazu geführt, dass die Krankenkurve exakt(!) dem jahreszeitlichen Verlauf folgt. Wer soll das glauben? Diese „Experten“ sicherlich.

Der Krankenstand war in 2020 insgesamt gesunken,

„Krankenstand insgesamt gesunken – Insgesamt betrachtet, liefert der Gesundheitsreport jedoch keine Hinweise auf eine grundsätzliche Verschlechterung der Gesundheit von Erwerbspersonen durch die Coronapandemie. Mit einem Krankenstand von 4,14 Prozent lag das Jahr 2020 sogar unter den Werten der Vorjahre (2019 4,22 Prozent; 2018 4,25 Prozent).“

Auch ohne Impfung war die Krankenhausauslastung in 2020  unter der von 2019,

„Im gesamten Jahr 2020 wurden insgesamt 13,8% weniger Patienten im Krankenhaus behandelt als 2019. In den ersten 26 Kalenderwochen des Jahres 2021 blieb die Fallzahl 20,1% hinter dem Vergleichszeitraum 2019 zurück. Auch die Gesamtzahl der SARI-Fälle, Intensivfälle und Beatmungsfälle blieb im Untersuchungszeitraum unter den Zahlen aus 2019.“

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Sind auch alle Narren das Expertenrat an Bord ?

Es sei daran erinnert, dass Deutschland nach Daten der OECD über mehr als 3x so viele Intensivbetten pro Einwohner verfügt wie Spanien, Italien, Schweden oder Dänemark. Warum es in Deutschland trotzdem nicht reichen soll, werden wir von diesen Herrschaften nicht erfahren.

In conclusion, some countries (e.g., Germany) are particularly well positioned to manage a swiftly increased need for intensive care, whereas others (e.g., Denmark, Italy or Sweden) have lower numbers of intensive care beds that are also spatially more concentrated, and thus localized shortages are possible during a locally increased need for intensive care.”

Die Anzahl der Atemwegerkrankungen war in 2020 niedriger als normal und liegt für 2021 im Durchschnitt, tendenziell darunter,

[Abb. 1: Vergleich der für die Bevölkerung in Deutschland geschätzten ARE-Raten (in Prozent) in den Saisons 2017/18 bis 2021/22, bis zur 49.KW 2021]

Nach den Erfolgen in Japan, Schweden, Weißrussland, Florida oder Texas, ganz ohne Masken-,

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Grafikquelle :

Oben      —    Delta delivers COVID-19 vaccine shipments

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„Lebenslange Abstrafung“

Erstellt von Redaktion am 19. Dezember 2021

Stand die SPD nicht für viele Verrücktheiten dieses Landes bereit ?

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Kathrin Hedke

Der Radikalenerlass von 1972 hat linke Lehrkräfte aus dem Beruf gedrängt. Zum 50. Jahrestag rücken die Betroffenen ihre Forderung nach Rehabilitierung in den Fokus.

Obwohl sein Berufsverbot lange zurückliegt, trifft es den Pädagogen jetzt im Ruhestand noch einmal mit voller Wucht. „Insgesamt durfte ich zwölf Jahre nicht als Lehrer arbeiten“, berichtet Matthias Wietzer aus Hannover. „Das wirkt sich stark auf mein Ruhegehalt aus: Ich bekomme mehrere hundert Euro weniger im Monat.“ Dabei hat er sich nie etwas zuschulden kommen lassen. Nach dem zweiten Staatsexamen in den 1970er-Jahren wusste der junge Lehrer schon, an welche Schule er kommen sollte und plante bereits die Klassenfahrt. Doch statt einer Einladung zur Vereidigung erhielt er eine Vorladung zur Anhörung. Der Vorwurf: Als Student habe er 20 D-Mark an die DKP-Zeitung gespendet, an fünf Versammlungen teilgenommen und Wahlplakate „an einer genehmigten Werbefläche“ aufgehängt.

Über drei Stunden lang wurde der Pädagoge im niedersächsischen Innenministerium verhört. „Es kam mir vor wie aus einem Roman von George Orwell“, sagt Wietzer. Seine Berufspläne wurden jäh zerstört: Statt als Klassenlehrer zu arbeiten, war er fünf Jahre arbeitslos, putzte Fenster, betreute Kinder in einer Kirchengemeinde und fuhr Taxi. Zwar wurde er später noch zum Beamten auf Lebenszeit ernannt und arbeitete viele Jahre an einer Grund- und Hauptschule in Langenhagen. Das Land Niedersachsen verlieh ihm zum Abschied „für die langjährigen treuen Dienste“ eine Dankesurkunde. Doch die Lücke im Lebenslauf zeigt sich jeden Monat auf dem Konto. Um besser über die Runden zu kommen, jobbte der 70-Jährige zunächst in einem Baumarkt, aktuell erteilt er Nachhilfe in einer Schule.

Aus dem Schuldienst gedrängt

Dramatisch sind die Folgen vor allem für jene, die damals komplett aus dem Schuldienst gedrängt wurden. „Viele leben in bitterer Armut“, sagt der Sprecher der Initiative „Weg mit den Berufsverboten“, Klaus Lipps. Zum 50. Jahrestag des sogenannten Radikalenerlasses von 1972 rückt die Initiative ihre Forderung nach Rehabilitierung und Entschädigung wieder in den Fokus, unter anderem mit einer Petition. Außerdem ist am 28. Januar 2022 eine große Veranstaltung in Berlin geplant. „Uns wurde so viel Leid zugefügt“, betont Lipps. „Da ist eine Entschuldigung bei uns und unseren Familien nicht zu viel verlangt.“ Zudem sei eine finanzielle Wiedergutmachung dringend geboten.

Darum geht es Matthias Wietzer jetzt in erster Linie. „Durch unsere Aktionen haben wir schon gute Erfolge erzielt“, meint der ehemalige Personalratsvorsitzende. So habe sich unter anderem der Landtag in Niedersachsen für das Unrecht entschuldigt. Auch in Berlin habe das Abgeordnetenhaus kürzlich eine Resolution mit ein paar Worten des Bedauerns verabschiedet. „Aber das war’s dann auch und alle kehren zur Tagesordnung zurück“, klagt Wietzer. „An eine Wiedergutmachung will niemand ran.“ Seine Nachteile bei der Altersversorgung empfindet der Lehrer als „lebenslange Abstrafung“.

Eine Ausnahme ist Dorothea Vogt: Die Lehrerin arbeitete in den 1970er-Jahren an einem Gymnasium in Jever in Friesland, war Mitglied der DKP, aktiv in der Bewegung gegen Neofaschismus und in der Friedensbewegung. Als Beamtin auf Lebenszeit habe sie sich relativ sicher gefühlt, berichtet die 71-Jährige, zumal sie aus ihrer politischen Überzeugung nie ein Geheimnis machte. Doch 1980 wurde gegen sie wegen des Verdachts eines Dienstvergehens ermittelt, was zu ihrer Suspendierung führte. „Das war durch das Grundgesetz überhaupt nicht gedeckt“, kritisiert Dorothea Vogt. „Mir ist weder in den zahlreichen Anhörungen, den Gerichtsverhandlungen noch in den Urteilen jemals ein Fehlverhalten innerhalb oder außerhalb der Schule vorgeworfen worden, es ging ausschließlich um meine politische Haltung.“ Die Suspendierung wollte die Lehrerin nicht auf sich sitzen lassen – und klagte sich durch alle Instanzen.

Nach zwei Niederlagen vor Gericht reichte sie Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, jedoch ohne Erfolg. Da der Rechtsweg in Deutschland damit zu Ende war, rief Vogt den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) an. Als Gerhard Schröder (SPD)1990 Ministerpräsident von Niedersachsen wurde, durfte die Lehrerin zwar nach viereinhalb Jahren in den Schuldienst zurückkehren. „Jedoch ohne, dass die Gerichtsurteile zurückgenommen wurden“, fügt Vogt hinzu, die später als Leiterin der Internationalen Deutschen Schule Paris und Direktorin eines Gymnasiums in Garbsen arbeitete. „Jeder konnte mich weiterhin eine Verfassungsfeindin nennen und diskriminieren.“

1995 stellte der EGMR in Straßburg fest, dass das Land Niedersachsen mit dem Berufsverbot gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstoßen habe. Vogt musste in „Amt und Würden“ wieder eingestellt werden und bekam die einbehaltenen Dienstbezüge inklusive Pensionsansprüchen nachgezahlt.

Neue Berufsverbotspläne

Auch Wietzer führte fünf Prozesse vor Gericht, bevor er nach dem Regierungswechsel in Niedersachsen ebenfalls „relativ geräuschlos durch die Hintertür“ wieder als Lehrer eingestellt wurde. „Ich verfüge über ein dickes Fell“, meint er. Aber einige Betroffene hätten ihr Berufsverbot nicht unbeschadet überstanden, „bis hin zu psychischen Problemen“. Ihm selbst habe die große Solidarität sehr geholfen.

Die Betroffenen haben den Neuen Heinrich-Heine-Fonds eingerichtet, um Spenden für „dringende Notfälle“ zu sammeln. Initiativensprecher Lipps berichtet, dass einige Menschen regelmäßig mit bis zu 200 Euro pro Monat unterstützt würden. „Das hört sich wenig an, ist für diese Menschen aber lebenswichtig.“

Mit Sorge verfolgt die Initiative, dass in einigen Bundesländern wieder über mögliche Berufsverbote diskutiert wird. So gibt es etwa in Brandenburg Pläne, alle Beamtinnen und Beamten auf ihre Verfassungstreue zu überprüfen. Offiziell sollen damit Neonazis aus dem öffentlichen Dienst ferngehalten werden. Aber Lipps sagt: „Das hatten wir schon einmal!“ Damals hätten sich die Berufsverbote gegen „eine Handvoll rechter Funktionäre“ gerichtet – und gegen Tausende Linke. „So etwas wollen wir nicht nochmal“, betont der Sprecher. Sollte sich ein rechtsextremer Beamter im Dienst etwas zuschulden kommen lassen, reichten die Beamtengesetze vollkommen aus.

Die Berufsverbote hätten dazu beigetragen, so Vogt, dass die Menschen sich aus Angst nicht mehr engagierten. Sie seien eingeschüchtert und mundtot gemacht worden. „Wir sehen heute an vielen Ecken in Deutschland, wo so etwas hinführt.“ Das Maskottchen der Initiative gegen Berufsverbote ist deshalb die Duckmaus. Für Dorothea Vogt steht fest: „Es ist Gift für die Demokratie, wenn sich niemand mehr einmischt und den Mund aufmacht.“

Radikalenerlass

In der Zeit des Kalten Krieges beschlossen die Ministerpräsidenten der Länder gemeinsam mit Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) am 28. Januar 1972 den sogenannten Radikalenerlass, auch Extremistenbeschluss genannt. Erklärtes Ziel war, vermeintliche Verfassungsfeinde aus dem öffentlichen Dienst fernzuhalten. Daraufhin überprüfte der Verfassungsschutz die politische Gesinnung von 3,5 Millionen Menschen. Die Folge: 11.000 Berufsverbotsverfahren, 2.200 Disziplinarverfahren, 1.250 Ablehnungen von Einstellungen und 265 Entlassungen. Betroffen waren vor allem Lehrkräfte, die sich in der Friedensbewegung oder linken Gruppen bzw. Parteien wie der DKP engagierten.

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Oben      —     Demonstration gegen Berufsverbote am 28. Januar 1977 in Berlin

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Die deutsche Impfskepsis

Erstellt von Redaktion am 19. Dezember 2021

Eine deutsche Besonderheit

Samuel Hahnemann, Organon der rationellen Heilkunde, Erstausgabe 1810, Einleitung

Von Christian Jakob

In den deutschsprachigen Ländernherrscht eine vergleichsweise große Impfskepsis. Das ist auf die Romantik zurückzuführen – aber auch auf Politikversagen.

Ende November schrieb der Verschwörungstheoretiker und AfD-Unterstützer Oliver Ja­nich, was die Notwehr angesichts der drohenden Impfpflicht seiner Meinung nach gebiete: „Jeder Mensch hat das Recht, einen Polizisten über den Haufen zu schießen, der einen zur Zwangsimpfung schleppt.“ Dazu postete er das Foto einer Pistole. Schließlich gehe es hier „um den größten Massenmord in der Geschichte der Menschheit“.

Janichs Telegram-Nachrichten abonnieren 160.000 Menschen, die Coronaproteste haben die Followerzahlen von Hetzern wie ihm explodieren lassen. Trotz der teils enormen Reichweite sind Menschen wie Janich auch unter den „Querdenkern“ eine Minderheit. Doch der Resonanzraum für Impf­angst, die zu befeuern sie sich zum Geschäftsmodell machen, ist groß. Und in deutschsprachigen Ländern ist dieser Raum größer als anderswo.

Beim Impfen stehen diese Länder weit hinten. Unter den 17 westeuropäischen Staaten waren Deutschland, Österreich und die Schweiz am 9. Dezember bei den zweitgeimpften Volljährigen auf den Plätzen 13, 16 und 17. Das Virus breitete sich hier zuletzt aus wie in nur wenigen anderen Regionen der Welt.

Woran liegt das? Gibt es etwas spezifisch Deutsches, das die Angst vor der Spritze erklärt? Als sich im November zeigte, dass die niedrige Impfrate mit einer besonders heftigen vierten Welle einhergeht, schrieb der Spiegel-Journalist Mathieu von Rohr, dies seien die „Spätfolgen der deutschen Romantik: Anthroposophie, Homöopathie, Impfgegnertum“. Eine Hochburg der Schwurbelei also, wo Spitzenforschung und Antirationalismus eng beieinander sind? Oder sind die Gründe banaler? Hat schlechtes politisches Handwerk der Impfkampagne den mageren Erfolg beschert?

Mit dem Falter in Wien und der WOZ in Zürich ist die taz der Frage nachgegangen, ob die Impfskepsis eine Folge der deutschen Geistesgeschichte ist. Die Antworten von Fachleuten aus Geschichtswissenschaft, Soziologie, Gesundheitspsychologie und Demoskopie zeigen: Den einen Grund für Impfskepsis gibt es nicht – ebenso wenig, wie es eine homogene Gruppe von Skep­ti­ke­rn gibt. Nicht alle Anthroposophen sind gegen die Impfung, nicht alle Impfgegner sind Esoteriker oder Rechts­ex­tre­me – auch wenn diese Gruppen die Proteste maßgeblich organisieren. Und: Neben historisch-kulturellen Faktoren sind auch ganz handfeste Gründe für die Impfmisere verantwortlich.

Der Journalist Andreas Speit, der auch für die taz schreibt, hat jüngst das Buch „Verqueres Denken – Gefährliche Weltbilder in alternativen Milieus“ herausgebracht. Es trifft einen Nerv: „Ich halte gerade ungefähr einen Vortrag pro Tag.“ Speit pflichtet von Rohrs These bei. Es gebe im deutschsprachigen Raum eine „klare geistesgeschichtliche Linie zwischen der Romantik und der Impfskepsis heute“, sagt er. In der romantischen Literatur sei „das Natürliche unglaublich verklärt und verabsolutiert“ worden. Bei Schiller etwa heißt es: „Selig muß ich ihn preisen, der in der Stille der ländlichen Flur, fern von des Lebens verworrenen Kreisen, kindlich liegt an der Brust der Natur.“ Der Dichter Novalis schrieb: „Der Poet versteht die Natur besser wie der wissenschaftliche Kopf.“

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Novalis , Heinrich von Ofterdingen, 1802, zweites Kapitel – „Ich weiß nicht, aber mich dünkt, ich sähe zwei Wege um zur Wissenschaft der menschlichen Geschichte zu gelangen. Der eine, mühsam und unabsehlich, mit unzähligen Krümmungen, der Weg der Erfahrung; der andere, fast ein Sprung nur, der Weg der inneren Betrachtung.“

Das sind harmlose Sätze, keine Frage. Doch die Romantik habe – anders als in anderen Ländern – im deutschsprachigen Raum politischen Einfluss bekommen, sagt Speit. Sie beförderte eine Mystifizierung der Natur und Respiritualisierung des Denkens, die eine Distanz zur vermeintlich kalten Wissenschaft und sogenannten schulischen Medizin bewirken kann. Diese Position spitzte sich in der modernisierungskritischen Lebensreformbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts zu. Einer ihrer bekanntesten Vertreter: der österreichische Begründer der Anthroposophie und der Waldorf-Pädagogik, Rudolf Steiner.

Die Lebensreformer sehnten sich nach der Wiederherstellung eines Einklangs mit der Natur. Diese antimoderne Bewegung habe laut Speit „zu Recht die Moderne in ihren Auswüchsen kritisiert. Denn die wirkte sich damals ja tatsächlich dramatisch aus, etwa in Form des Börsencrashs und der Umweltzerstörung“. Doch eine Folge war eine „radikale Abkehr von der Aufklärung“.

Ein Antimodernismus also, für den die Entzweiung von Mensch und Natur nur als Werk eines äußeren Feindes vorstellbar ist. Bis heute werde das Versprechen der Moderne, mit Rationalität und Logik eine bessere Welt aufzubauen, deshalb „von der Rechten bekämpft“, sagt Speit. Sie halte gleichsam an der Vorstellung einer zu verteidigenden ursprünglichen Einheit von Volk und Natur fest.

Wie aber konnten Ideen aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart überdauern? Und sind sie mitverantwortlich dafür, dass in Thüringen heute „Gib Gates keine Chance“-Schilder an der Straße stehen, als wollten die Anwohner böse Geister vertreiben?

JUTTA DITFURTH, SOZIOLOGIN  –       „Die Aufklärung hatte große Mühe in Deutschland“

Die ehemalige Grünen-Politikerin und Soziologin Jutta Ditfurth erforscht die deutschen Esoteriker seit Jahrzehnten. Dass die Romantik hier politisch wirksam werden konnte, habe mit der Abwehr der aus Frankreich kommenden Aufklärung zu tun, sagt sie: „Die Aufklärung kam aus Frankreich und hatte große Mühe in Deutschland.“ Im 19. Jahrhundert sei das Land rückschrittlich und durch die Agrarwirtschaft geprägt gewesen. „Es ist heute schwer vorstellbar, wie sehr deutsche Eliten im ländlichen Raum die Aufklärung und die französische Revolution hassten.“

Zu diesen Eliten zählt auch Ditfurths eigene Verwandtschaft – großgrundbesitzender Adel aus Preußen. „Wenn ich Briefe meiner Verwandten aus dem 19. und frühen 20. Jahrhundert lese, dann war ihr Schreckgespenst eine Revolution wie die französische, der Albtraum, als herrschende Klasse zu stürzen“, sagt Ditfurth. Diese Eliten hätten Deutschlands intellektuelle Entwicklung lange aufgehalten, auch wegen ihres Antisemitismus. So sei ein geistiges Klima entstanden, das auch die Wandervogel- und Lebensreformbewegung erfasst habe mit Wissenschaftsfeindlichkeit, Eugenik, Naturreligiosität, völkischem Denken. Ditfurth sagt, dass Mystizismus, Irrationalismus und Antisemitismus als reaktionären Anteile alternativen Denkens bis heute fortwirken. „Auch so kommt es zur Weitergabe von antisemitischen Bildern, die man tief im Mittelalter vergraben glaubte.“

Auch Speit verweist darauf, dass die Kritiker der Moderne diese schon sehr früh als „jüdisch“ begriffen und sich deshalb auch gegen die moderne, angeblich „jüdische“ Schulmedizin stellten. Der österreichische Publizist Christian Kreil führt den Begriff auf Samuel Hah­ne­mann, den Begründer der Homöopathie, zurück.

Die Nazis hatten in der Tat großes, auch wirtschaftlich bedingtes Interesse an Alternativmedizin. Reichsärzteführer Gerhard Wagner betonte 1933 die „Überlegenheit“ der Alternativmedizin gegenüber der „verjudeten Schulmedizin“. Um dieser die Homöopathie entgegenzusetzen, gründeten die Nazis 1935 die „Reichsarbeitsgemeinschaft Neue Deutsche Heilkunde“. Deren Mitglieder waren unter anderem der „Deutsche Zentralverein homöopathischer Ärzte“, der „Reichsverband der Naturärzte“ und die „Vereinigung anthroposophischer Ärzte“. 1933 zeigt das NS-Propagandablatt Der Stürmer die Karikatur einer blonden Mutter mit Baby im Arm. Daneben steht ein „naturferner und verirrter Mediziner“ mit einer Spritze in der Hand. Mit der Hakennase des Arztes erfüllt die Karikatur klar antisemitische Klischees. Skeptisch blickt die Mutter auf den Mediziner: „Es ist mir sonderbar zumut, denn Gift und Jud’tut selten gut.“

Im Zusammenhang mit Impfungen habe der Antisemitismus eine lange Geschichte, sagt der Medizinhistoriker Malte Thießen, der am Institut für Regionalgeschichte Münster und an der Universität Oldenburg forscht. Das Impfen werde teils als „Verschwörung einer Elite“ begriffen, die in den Körper eingreift.

Die bis heute anhaltende Ablehnung der „Schulmedizin“ sei „eine deutsche Besonderheit, die klar auf die Romantik zurückzuführen ist“, sagt An­dreas Speit. Man sehe dies etwa daran, dass es Heilpraktiker als staatlich geregeltes Berufsbild nur in Deutschland (NS-Heilpraktikergesetz von 1939) und Teilen der Schweiz gibt. Die alte Bundesregierung erwog die Abschaffung des Berufs, die Querdenker-Partei „Die Basis“ behauptet, die einzige Partei zu sein, die sich gegen die Abschaffung einsetze. „Die Menschen möchten frei entscheiden, welchen Therapeuten sie aufsuchen. Sie wünschen sich ein Miteinander von traditionellen und konventionellen, schulmedizinischen Therapien“, heißt es auf ihrer Website.

Jutta Ditfurth schrieb 1996 in ihrem Buch „Entspannt in die Barbarei“, die Esoteriker würden „ein Teil der Massenbasis künftiger faschistischer Bewegungen sein“. Damals hätten ihr alle gesagt: „ ‚Übertreib nicht.‘ “ Heute zeige sich die geistige Nähe. Waldorf-Pädagogen treten als Redner auf Querdenker-Demos auf. Der ehemalige Waldorf-Ausbilder Christoph Hueck etwa gilt als Vordenker der Szene. Der Bund der Freien Waldorfschulen allerdings distanziert sich ausdrücklich von ihm. Der Ulmer Waldorf-Lehrer Wilfried Kessler verglich als Demo-Redner Querdenker mit NS-Widerständlern. Anthroposophen seien heute eine „tragende Größe in der Corona-Querfront“, sagt Ditfurth.

Ist also eine jahrhundertealte ideologisch abgedriftete Liebe der Deutschen zum Wald daran schuld, dass heute Mil­lio­nen lieber eine lebensgefährliche Covid-19-Erkrankung riskieren, als sich impfen zu lassen? So einfach sei es natürlich nicht, sagt der Medizinhistoriker Thießen. „Man neigt dazu, in Schwarz-Weiß-Muster zu fallen: Impf­skeptiker werden schnell als rechte Aluhut-Spinner abgetan.“ Es gebe aber noch andere Motive.

Thießen unterscheidet elf Arten von Impfskepsis. Bei Weitem nicht alle ließen sich auf die Romantik zurückführen. Eine Rolle spiele etwa auch die starke liberale Tradition in Deutschland, wegen der in Preußen bis 1874 eine Impfpflicht abgelehnt wurde. „Es geht da auch um die Frage, in welcher Gesellschaft wir leben wollen: Wer bestimmt über den Körper?“, sagt Thießen.

Die Soziologin Nadine Frei von der Universität Basel hat mit ihrem Kollegen Oliver Nachtwey die Coronaproteste für die Böll-Stiftung untersucht. Frei spricht – ähnlich wie Thießen – von einem „libertären Freiheitsverständnis“ der Impf­geg­ne­rn. Dieses hätten solche mit einem anthroposophischen Hintergrund ebenso wie ein bildungsbürgerliches Milieu, in dem Eigenverantwortung und Selbstbestimmung „fast schon absolut gesetzt“ werde.

Friedrich Schiller, Wallensteins Tod, 1799. 3. Akt. 9. Auftritt  –  “ Wo die Natur aus ihren Grenzen wanket, da irret alle Wissenschaft.“

An Waldorfschulen würde häufig gar nicht anthroposophisch argumentiert. Stattdessen heiße es: „Der Staat hat hier nichts zu suchen, das ist der Ort, den ich hier gestalte“, sagt Frei. „Das ist auch eine Motivation von Eltern, die ihre Kinder auf Waldorfschulen schicken: die selbstbestimmte Struktur.“ Die dominierende Einstellung, „der Staat habe einem nichts zu sagen“, könne sich vor allem die Mittelschicht leisten: „Wenn ich schön in meinem Homeoffice sitze und keinem erhöhten Infektionsrisiko ausgesetzt bin, ist es schön und gut, wenn ich sage, ich kann mich einfach gesund ernähren und Corona macht mir nichts aus.“ Frei kommt zu dem Schluss, dass die Coronademos in Westdeutschland ein „akademischer Mittelschichtsprotest“ seien – getragen von „anthroposophisch-esoterischer Ablehnung von Impfungen“. Eine „monokausale“ Erklärung gebe es aber nicht.

Zu den Protesten in Ostdeutschland gebe es grundlegende Unterschiede, heißt es in ihrer Studie. Dort seien die Proteste „stärker von der extremen Rechten geprägt und tragen deutlich weniger esoterische und anthroposophische Züge“.

Die AfD habe im Osten die mitunter starke Entfremdung vom politischen System erfolgreich mit einer Impfskepsis verbinden können. „Somit hat sich aus unterschiedlichen soziokulturellen Quellen in Baden-Württemberg und den neuen Bundesländern eine ähnliche Dissidenz gegenüber der Pandemiepolitik herausgebildet.“

Quelle      :         TAZ-online         >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —        (Dr.Christian Friedrich Samuel Hahnemann (Gemeinfrei, gemeinfrei) {{Bild-GFDL}})

de:Benutzer_Diskussion:Hansele Diskussion) . .

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2.) von Oben      —     zeitgenössisches Gemälde von Novalis (1772-1801), eigentlich Georg Friedrich Philipp Freiherr von Hardenberg, war ein deutscher Schriftsteller der Frühromantik, Philosoph und Bergbauingenieur. Maler unbekannt (?)

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Orbáns Pfauentanz

Erstellt von Redaktion am 18. Dezember 2021

Ungarn hetzt und kooperiert mit der EU

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VON  –  ZSUZSANNA SZELÉNYI

Während sich internationale Regierende auf der COP26 trafen, feuerte der nicht an der Konferenz teilnehmende Viktor Orbán eine weitere Breitseite gegen die EU ab. Er bezeichnete die grünen Vorschläge der EU als „utopische Fantasie“, die die Energiekosten in die Höhe treiben werde. Für den EU-Gipfel kommende Woche prophezeite er ein diplomatisches Gerangel.

Ein Polexit oder ein Huxit würde einen dramatischen Bedeutungsverlust der EU in der Welt markieren

Orbáns feindselige Stimmungslage mag aus der Einsicht resultieren, dass Europas Führungskräfte angesichts seiner illiberalen Politik langsam die Geduld verlieren. Die Kommission hat ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Ungarn eingeleitet, nachdem die Regierung Anfang des Jahres ein homophobes „Pädophilengesetz“ verabschiedet hat.

Zugleich forderte die Kommission strengere Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung, bevor sie Ungarns Auszahlungen aus dem Wiederaufbaufonds genehmigt. Auch an anderen Stellen fährt die EU eine härtere Gangart. So verhängte der EuGH gegen Polen unlängst eine Geldstrafe von einer Million Euro pro Tag, weil die Regierung in Warschau ein EU-Urteil ignoriert, das zum Schutz der polnischen Richter die Neubesetzung der Disziplinarkammer verlangte.

Es scheint heute riskanter als noch vor einigen Jahren zu sein, die EU offen zu provozieren. Als Reaktion auf die strenger werdende EU haben einige prominente Köpfe in der ungarischen Regierung angeregt, über einen Austritt des Landes nachzudenken. Einige von Orbáns Kabinettsministern haben die Idee in den Raum gestellt, die Mitgliedschaft in ein paar Jahren zu überdenken, wenn das Wirtschaftswachstum in Ungarn weniger von EU-Geldern abhängig ist. Hier zeichnet sich ein alarmierendes Muster ab:

UngarInnen mehrheitlich gegen Huxit

Ob gewollt oder als Folge von Fehlentscheidungen: Ungarn steuert immer stärker auf einen EU-Austritt zu. Erst vor sechs Monaten verließ Orbáns Fidesz-Partei das Europäische Parlament, bevor sie nach wiederholten Verstößen gegen europäisches Recht aus dem Mitte-rechts-Block der EVP gedrängt werden konnte. Doch jenseits der Rhetorik – will Orbán tatsächlich die EU verlassen? Vordergründig deutet wenig darauf hin, dass er ernsthaft einen „Huxit“ anstrebt.

85 Prozent der ungarischen Bevölkerung befürworten die EU-Mitgliedschaft, unter ihnen 77 Prozent der Fidesz-Wähler. Wahrscheinlicher ist, dass er sich auf die Parlamentswahlen im Frühjahr nächstes Jahr vorbereitet, bei denen die Fidesz durchaus eine Niederlage erleiden könnte. Orbán versucht, das Erfolgsrezept von 2018 zu wiederholen, als die Fidesz ihre dritte Amtszeit in Folge mit einer radikalen Antimigrationspolitik und EU-feindlichen Haltung gewann.

Könnte sich dies auf lange Sicht ändern? Orbán heizt seine Anhänger unerbittlich mit EU-feindlicher Propaganda an. Man darf nicht unterschätzen, welch gewaltige Infrastruktur die Regierungspartei für ihre Kampagnen aufgebaut hat und wie geschickt sie die öffentliche Meinung zu manipulieren versteht. Wenn Orbán die Wahlen im nächsten Frühjahr gewinnt, könnte dieses Bollwerk die EU-freundliche Mehrheit aushöhlen.

Auch wenn einige europäische Regierungen über einen Austritt Orbáns mehr als glücklich wären, so würde ein Polexit oder Huxit doch einen dramatischen Bedeutungsverlust der EU in der Welt markieren. Nach dem Schock und den Turbulenzen des Brexits würde das niemand wollen. Orbán ist ein geschickter Taktiker. Während er einerseits die EU provoziert, zeigt er sich andererseits in für die Gemeinschaft wichtigen Bereichen kooperativ.

Bis zur Pandemie verfolgte Orbán eine disziplinierte Finanzpolitik, bei der er mit Deutschland und den sparsamen Ländern eine partnerschaftliche Beziehung pflegte. Nach dem Brexit blieb er kooperativ und blieb selbst in außenpolitischen Fragen und wichtigen Entscheidungen, wie den Sanktionen gegen Russland, auf gleicher Linie mit der EU. Nur bei weniger wichtigen Belangen schaltete er erneut auf Gegenwind.

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Oben      —       Regierungsfeindliche Demonstranten, die sich durch Bajcsy-Zsilinszky út in Budapest versammeln.

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Regierungsformen im Blick

Erstellt von Redaktion am 18. Dezember 2021

Demokratie und regelbasierte internationale Ordnung

Weltkarte über die Regierungssysteme

Weltkarte über die Regierungssysteme

Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Unter der Fahne der regelbasierten internationalen Ordnung (RiO) versuchen die USA, ihren bröckelnden gloable Führungsanspruch wieder aufzupolieren. Und unsere Politiker folgen blindlings und tumb. Unsere frühere Verteidigungsministerin schickte am Parlament vorbei ein Kriegsschiff in das Chinesische Meer, und unsere neue Aussenministerin erhebt „die Demokratie“ zur Bedingung für RiO. Beide haben offenbar eine verquere Vor- und Einstellung von und zur Demokratie. Das kann bei der derzeit übertakelten Diskussion um und über Russland und China direkt in eine Sackgasse und/oder dem von den USA ganz offen diskutierten Krieg mit China zum Ausbruch verhelfen. Nicht nur unsere Aussenministerin, sondern im Wesentlichen alle westlichen Länder werfen mit ihrer Demokratie, allen voran die USA, wild um sich und halten sie für die beste und einzig mögliche Staatsordnung. Dabei liefern sie z.B. schamlos Kriegsgerät an anerkannt nicht demokratisch regierte Länder, befahren die Weltmeer nach eigenem Gutdünken und bemächtigen sich Militärstützpunkte in fremden Ländern wie es ihnen gerade passt. Erst kürzlich hielt der US-Präsident ein „Gipfeltreffen für Demokratie“ ab, das prompt wegen viel Blabla und wenig Konkretem verrissen wurde. Bezeichnend ist das „fact sheet„, das Biden vorab vorlegte und die brutalen Schwächen der US-Demokratie aufzeichnet. Aber insbesondere China werfen sie mangelnde Demokratie und Verletzung der Menschenrechte vor. Dabei würde nur ein Blick in die Chinesische Verfassung das Verständnis für die Staatsform der Volksrepublik China (VRC) erleichtern.

In der Verfassung von 1982 wird erstaunlich offen beschrieben, wie China seine Staatsform sieht. Dabei kommen die Begriffe Sozialismus und Demokratie häufig vor. Diese Verfassung wurde letztmalig 2018 auf den neuesten Stand gebracht und enthält seit 2004 auch die Wahrung und Förderung der Menschenrechte. Art. 1 der Verfassung lautet: „Die Volksrepublik China ist ein sozialistischer Staat unter der demokratischen Diktatur des Volkes, der von der Arbeiterklasse geführt wird und auf dem Bündnis der Arbeiter und Bauern beruht.“ Diese holprig und widersprüchlich erscheinende Formulierung ist aber nichts anderes als unsere Ansicht, dass das Volk der Souverän ist. Durch die ganze Verfassung hindurch wird das demokratische Handeln erläutert und festgelegt. Daraus schließt man messerscharf, dass sehr wohl sein kann, was nach westlicher Ansicht nicht sein darf. China hat sehr wohl eine Vorstellung von Demokratie, aber eben eine andere als wir. Mit Russland ist das ähnlich. Demnach ist Russland „ein demokratischer föderativer Rechtsstaat mit republikanischer Regierungsform“. Wer hätte das gedacht!? Die USA sind hingegen eine präsidiale Bundesrepublik und gelten als „unvollständige Demokratie“. Deutschland ist eine föderale Parteiendemokratie, in der nach einer Wahl der Wille des Volkes sehr wohl in der konkreten Politik verloren gehen kann. Gleichwohl versuchen die USA, mit ihrer Aussenpolitik und America-First-Ideologie die Welt weiter an der Nase zu führen. Die beispielhaften Verständnisse und Umsetzungen von Demokratie zeigen, dass es „die Demokratie“ als Bedingung der RiO nicht gibt. Insofern befindet sich unsere Aussenministerin mit ihren Vorstellungen auf dem Holzweg und kommt auf keinen grünen Zweig. Neben politischen Demokratievorstellungen zählen auch Kultur, Geschichte und Politikerfahrung.

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KOLUMNE FINANZCASINO

Erstellt von Redaktion am 17. Dezember 2021

FDP-Finanzprojekte und ihre Profiteure – – Die gelben Tricks

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Es kann nicht oft genug gesagt werden: Menschen welche etwas gelernt haben, verkaufen sich eher nicht an die Parteien – Clans. Es gibt keinen Gott – das Volk wählt sich seine Götter selber!

Von Ulrike Herrmann

Die Liberalen haben für die Vermögenden Milliarden herausgeschlagen. Gefährlich ist ein Projekt, das harmlos klingt: die Abschreibung auf Neubauten.

Der Ampelvertrag wird gern als „Gelbe Seiten“ verspottet, weil sich nur die FDP durchgesetzt habe. Das ist übertrieben. Trotzdem ist beachtlich, was die Liberalen herausgeschlagen haben. Im Finanzbereich stechen drei Projekte heraus, die technisch klingen, aber nicht harmlos sind: die „Superabschreibung“, die 3-prozentige Abschreibung auf Immobilien und die Kapitaldeckung in der gesetzlichen Rente.

Um bei der Rente anzufangen: Nächstes Jahr werden dort einmalig 10 Milliarden Euro eingezahlt und „global“ auf den Finanzmärkten angelegt. Die FDP ist nämlich überzeugt, dass Aktien mehr bringen als normale Renten und dass die weite Welt lukrativer ist als Deutschland.

Das Konzept hat viele Schwächen, aber vor allem werden Betriebs- und Volkswirtschaft verwechselt. Die FDP tut so, als wäre der Gesamtstaat das Gleiche wie ein Einzelanleger. Wenn ein Investor Aktien kaufen will, ist das kein Problem. Er findet bestimmt jemanden, der Aktien besitzt und loswerden möchte.

Wenn aber der Staat auftritt und Milliarden in die Finanzmärkte pumpt, dann reichen die Aktien bald nicht mehr. Denn die Unternehmen geben ja keine neuen Papiere aus, nur weil die Regierung Aktien kaufen will. Also werden die Papiere knapp, was die Kurse treibt – so dass der Staat eine Finanzblase erzeugt.

Dies ist keine abstrakte Überlegung, sondern tägliche Beobachtung. Viele Länder, vorweg die USA, setzen bereits auf Pensionsfonds, die riesige Kapitalmengen auf den Finanzmärkten anlegen. Das Ergebnis sind ständig steigende Ak­tien­kurse, die mit den Erträgen der Unternehmen nichts mehr zu tun haben.

Die FDP tut so, als würden kleine Angestellte profitieren, wenn Rentenkassen auf den Finanzmärkten anlegen. Nach dem Motto: Endlich besitzen Arbeiter ein paar Aktien! In Wahrheit profitieren vor allem Vermögende. Die meisten Papiere ballen sich in wenigen Händen, und wenn die Kurse steigen, weil der Staat auf den Finanzmarkt drängt, gewinnen jene, die die Aktien bereits besitzen – die Wohlhabenden.

Zum Glück will die Ampel nur 10 Milliarden Euro in diesen Irrweg pumpen. SPD und Grüne sprechen gern von „Spielgeld“ für die Liberalen. Aber eigentlich sind auch 10 Milliarden zu viel.

Während die „Aktienrente“ tückisch undurchsichtig ist, sind die Profiteure beim nächsten FDP-Projekt eindeutig: die Immobilienbesitzer. Der Ampelvertrag sieht vor, dass die lineare Abschreibung bei neugebauten Mietwohnungen von 2 auf 3 Prozent ansteigt. Das klingt wenig, ist aber ein gigantisches Steuergeschenk. Man nehme an, ein neues Mietshaus ist 4 Millionen Euro teuer – dann lassen sich jährlich 120.000 Euro mit den Mieteinnahmen verrechnen.

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Nun ließe sich argumentieren, dass ein Haus an Wert verliert, wenn nicht Fenster, Dächer, Heizungen und Fassaden regelmäßig erneuert werden. Nur: Diesen „Erhaltungsaufwand“ dürfen Vermieter sowieso von der Steuer absetzen. Faktisch wird also doppelt abgeschrieben. Man macht einen Wertverlust geltend, den es gar nicht gibt, weil man ja Reparaturen durchgeführt hat – ebenfalls steuerbefreit.

Leider steht im Koalitionsvertrag nirgends, was geplante Maßnahmen kosten

Preisschilder fehlen

Aber es kommt noch besser: Wird das Haus nach mehr als zehn Jahren verkauft, bleibt der Erlös komplett steuerfrei. Diese Schlupflöcher werden noch vergrößert, indem künftig bei Neubauten sogar mit 3 Prozent abgeschrieben werden darf. Man wüsste gern, wie teuer dieses üppige Steuergeschenk wird. Aber leider steht im Koalitionsvertrag nirgends, was geplante Maßnahmen kosten. Die Preisschilder fehlen.

Tückisch ist auch: Wenn die erhöhte Abschreibung erst einmal im Gesetz steht, wird sie ewig gelten. Keine Regierung wird sie wieder kippen können. Denn der Bundesrat muss fast allen Steuergesetzen zustimmen – und dort haben FDP und Union faktisch eine Vetomacht. Die erhöhte Abschreibung wäre also fatal, wenn sie nicht zeitlich begrenzt wird.

Quelle      :         TAZ-online        >>>>>        weiterlesen

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Oben           —       Casino im Resort World Sentosa (Singapur)

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Unten   —      Ulrike Herrmann (taz, Berlin) und Markus Pühringer (Grüne) beim Querdenken #18 („Der Sieg des Kapitals“) in Linz

 

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Corona ohne Krankenhäuser

Erstellt von Redaktion am 17. Dezember 2021

Bettenabbau und Krankenhausschließungen trotz Corona-Notlage!

Haan, Kaiserstr. 10-14, Altbau, von NW, im Sonnenschein.jpg

Haan, Kaiserstr. 10-14, zurückgesetzter Altbau, ehem. Krankenhaus, von Nordwesten

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Inge Höger

34 Krankenhäuser mit staatlicher Förderung geschlossen!

Im Jahr 2019 sorgte eine Studie der Bertelsmann-Stiftung für Aufsehen, in der behauptet wurde, dass es in Deutschland zu viele Krankenhäuser gibt. Der Vorschlag von berufener Seite: „Eine starke Verringerung der Klinikanzahl auf deutlich unter 600 Häuser.“ Schon damals wurde dies von vielen die sich im Gesundheitswesen auskennen heftig kritisiert. In der Corona-Pandemie waren und sind viele Patient*innen froh, dass es noch genügend Krankenhäuser mit ausreichend Betten für die Versorgung gibt und uns Bilder von Engpässen wie in Bergamo bisher erspart blieben. Die Verantwortlichen in den Regierungen scheinen aber alles zu tun, um die Vorschläge der Bertelsmann-Stiftung und der nationalen Akademie Leopoldina (die bereits 2016 eine Reduktion der Zahl der Krankenhäuser nicht nur der Betten forderte) umzusetzen.

In den letzten zwanzig Jahren von 2000 bis 2019 wurden deutschlandweit 328 Kliniken geschlossen und zehn Prozent der Betten abgebaut. Ende 2019 waren es noch 1 914. Trotz stetig steigender Fallzahlen ist die Gesamtzahl der Krankenhäuser seit Jahren rückläufig. Vom Abbau betroffen sind vor allem die öffentlichen und freigemeinnützigen Träger, während private Konzerne ihre Kapazitäten ausbauen konnten. Auch die Anzahl verfügbarer Krankenhausbetten ist seit dem Jahr 2000 um über zehn Prozent auf bundesweit rund 494.300 Betten zurückgegangen. Die Bettenauslastung beträgt im Durchschnitt 77,2Prozent. In der gleichen Zeit von 2000 bis 2020 stiegen die Ausgaben der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für die Krankenhausversorgung von 44 auf 81,5 Mrd. Euro. Die Kommerzialisierung und Einführung von Fallpauschalen hat zu einer Ausweitung der Behandlungen und zu einer massiven Kostensteigerung geführt, von der vor allem privat Krankenhauskonzerne profitieren.

In der Corona-Pandemie hat sich gezeigt wie wichtig Reserven an Behandlungskapazitäten und Schutzausrüstung sind. Deutschland war mit knapp 34 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner*innen im Gegensatz zu Spanien mit nur 9,7 oder Italien mit 8,6 relativ gut aufgestellt. Und obwohl die Anzahl der Belegung der Intensivbetten in der Öffentlichkeit immer als Gradmesser für die Ausbreitung der Epidemie bzw. für Social Distancing und das Flatten-the-Curve-Prinzip herangezogen wurde, erleben wir im Laufe der letzten zwei Jahre einen massiven Abbau von Intensivbetten. Von 31.190 Anfang Mai 2022 stehen Mitte Dezember 2021 nur noch 21.860 zur Verfügung: ein Abbau von über 9.000 Intensivbetten oder fast 30 Prozent. Kein Wunder dass uns inzwischen fast täglich Horrorszenarien von zu wenig Intensivbetten berichtet werden. Dieser Zustand wurde offenen Auges herbeigeführt.

Neben diesem Abbau von Intensivbetten wurde insgesamt die Versorgungsstruktur abgebaut statt in der Krise in den Ausbau der Kapazitäten und Personal zu investieren. Die meisten Patient*innen liegen bekanntlich auf den Normalstationen und werden dort behandelt. Trotzdem wurden 34 Krankenhäuser mit Geldern aus dem Krankenhaustrukturfons geschlossen. Das Geld floss nicht in den Ausbau sondern in den Abbau der Daseinsvorsorge, wie ein Bericht im Ärzteblatt vom 10.12.21 belegt.

Demnach hat die Bundesregierung über den Krankenhausstrukturfonds viel Geld ausgegeben, um „die Versorgungsstrukturen im Krankenhausbereich zu verbessern“ – ein Euphemismus für das Schließen von Kliniken. Mit Mitteln aus dem Förderprogramm wurden beziehungsweise werden 34 Krankenhäuser oder -standorte geschlossen. Das umfasst nicht nur die „reinen Schließungsvorhaben“ sondern auch die Fälle, in denen Abteilungen an anderen Standorten konzentriert werden sollen. Zusätzlich dazu wurden an 24 weiteren Standorten insgesamt 36 Abteilungen geschlossen. Betroffen waren vor allem die Stationen, die den Kliniken wenig Geld einbringen: überwiegend Geburtshilfe- oder Kinderstationen.

Zusätzlich brachte eine Recherche des Bündnisses Klinikrettung ans Licht, dass eine Mehrzahl der Krankenhäuser im Land keine Corona-Patient*innen behandelt. Nur Allgemeinkrankenhäuser oder Maximalversorger nehmen Corona-Patient*innen auf.
Von den 1.914 Krankenhäusern in Deutschland sind 716 (37 Prozent) reine Fachkliniken mit nur einer Fachabteilung, die sich auf orthopädische, intensiv-geriatrische oder Herzerkrankungen spezialisiert haben und damit für die Notfallversorgung nicht zur Verfügung stehen.

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Und all diese betrifft ja nicht nur Corona-Patient*innen, sondern Menschen die im Krankenhaus aus den unterschiedlichsten Gründen Behandlung benötigen. Seit Beginn der Corona-Pandemie wird aus medizinischer Sicher immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Rückgang an Herzinfarkt-, Schlaganfall- und Krebsbehandlungen zu verzeichnen ist, der nicht mit einem Rückgang dieser Erkrankungen erklärbar ist, sondern nur damit, dass Kranke aus den verschiedensten Gründen nicht ins Krankenhaus zu Behandlung kommen.

Es wird Zeit für ein Umsteuern im Gesundheitswesen hin zu einem öffentlichen Gesundheitssystem ohne die Möglichkeit Profite zu erwirtschaften mit ausreichend Personal, guten Arbeitsbedingungen und besserer Bezahlung; ein Gesundheitssystem in dem auch die Entwicklung und Produktion von Medikamenten und Gemeingut sind.

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Oben      — Haan, Kaiserstr. 10-14, zurückgesetzter Altbau, ehem. Krankenhaus, von Nordwesten

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Unten        —       Dies ist ein Foto eines architektonischen Denkmals. Es steht auf der Liste der Kulturdenkmäler von Wetter (Ruhr), Nr. 19

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Analyse der Coronaproteste

Erstellt von Redaktion am 17. Dezember 2021

Virus gegen Geschichtsbewusstsein

Verschwörungsprotest Berlin 2021-04-21 21.jpg

Verschwörungstheoretiker haben noch keine Kriege vom Zaun gebrochen – das haben Politiker und Religionen immer unter sich ausgemacht.

Von Micha Brumlik

Die Pandemie verwirrt den Sinn für Geschichte. Das zumindest lassen die Coronaproteste vermuten. Sie zeigen auch schräge Allianzen.

Die jüngsten Berichte bestätigen es: Spätestens seit den Mord­drohungen gegen die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping sowie den Ministerpräsidenten von Sachsen, Michael Kretschmer, ist es unübersehbar, dass die Szene der Impfgegner sich zu einer in der Geschichte der Bundesrepublik bisher unbekannten rechtsradikalen Massenbewegung entwickelt. Das ist verwunderlich, weil die Impfgegnerinnen einem ganz anderen Milieu entstammten. So jedenfalls die von Oliver Nachtwey und Nadine Frei erstellte empirische Untersuchung „Quellen des Querdenkertums. Eine politische Soziologie der Corona-Proteste in Baden-Württemberg“.

Dieser nicht streng repräsentativen, aber auf einer zureichenden Fülle von Interviews beruhenden Studie ist zu entnehmen, dass die typischen QuerdenkerInnen gerade keine abgehängten, politisch eher rechts eingestellten Provinzler sind. Im Gegenteil, die Studie ergab, dass es sich um den Idealtyp der grünen Wählerin handelte: in aller Regel um eher weibliche, höher gebildete, der gehobenen Mittelschicht zugehörige Personen.

Zudem wurden vier mögliche Herkunftsmilieus dieses Personenkreises untersucht: 1. das Alternativmilieu, 2. das anthroposophische Milieu, 3. das christlich-evangelikale Milieu sowie 4. das bürgerliche Protestmilieu, das in den Auseinandersetzungen um „Stuttgart 21“ führend war. Tatsächlich gab es kaum Überschneidungen mit dem evangelikalen beziehungsweise dem bürgerlichen Protestmilieu, nein, die meisten Befragten ordneten sich dem alternativen oder anthroposophischen Milieu zu.

Gleichwohl habe man – so Oliver Nachtwey bei der Vorstellung der Studie – eher vernünftige Personen erreicht und keine harten Verschwörungstheoretiker oder gar Reichsbürger. Vor allem aber seien im Südwesten doppelt so viele ehemalige Grünen- und Linke-Wähler unter den Protestlern als im Osten, wo – zum Beispiel in Sachsen – die Proteste stärker von der extremen Rechten und deutlich weniger esoterisch geprägt seien.

Linke und rechte Eckpunkte

Nun fragt sich, ob man es hier mit Phänomenen zu tun hat, die sich am besten mit der von Politologen gering geschätzten Hufeisentheorie erklären lassen: einer Theorie, die die politische Landschaft nicht als horizontale Gerade, sondern als hufeisenförmig darstellt: ein unvollständiger Kreis mit einander naheliegenden rechten und linken Endpunkten. Aber sogar, wenn diese Theorie zu schlicht ist, bleibt dennoch die Frage, warum in der Impfgegnerschaft Menschen und Milieus zusammenfinden, die ansonsten weiter entfernt nicht sein könnten.

Manfred Kriener hat in der taz vom 13. 12. darauf hingewiesen, dass Epidemien seit jeher Verschwörungstheorien und Antisemitismus provoziert haben – wie der tschechische Historiker František Graus mit seiner bereits 1994 erschienenen Studie „Pest, Geißler, Judenmorde. Das 14. Jahrhundert als Krisenzeit“ penibel belegt hat.

File:Bundesarchiv Bild 183-H08449, Quedlinburg, Heinrichs-Feier, Heinrich Himmler.jpg

Mit  Fahnen, Fackeln und Uniformen im Geleit, erinnert Politik an ihre tolle Vergangenheit ?

Und tatsächlich ist die Szene der Impfgegner und Querdenker – auch dort, wo sie nicht der extremen Rechten zuzurechnen ist – keineswegs frei von Antisemitismus. So berichtet der Direktor der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank, Meron Mendel: „In ein Seminar mit 30 von mir geschätzten Teilnehmern kam ein Student sichtlich aufgebracht. Ihn störte die Uni-Regel mit zwei Bändchen, einem für 3G und einem weiteren, länger gültigen für Studierende, die freiwillig mehr Angaben machen. Das Bändchen sei ‚wie der Judenstern in der Nazizeit‘. Es ist etwas anderes, ob das jemand denkt oder das selbstsicher vor einer Gruppe ausspricht. Das hatte ich noch nicht erlebt.“

Andere – nicht zuletzt junge, gebildete Frauen – verweigerten die Impfung und verglichen sich sogar mit Anne Frank oder Sophie Scholl. Tatsächlich belegen diese anekdotischen Mitteilungen die Stimmigkeit der Untersuchung von Oliver Nachtwey. Ist doch nicht davon auszu­gehen, dass sich Reichsbürger und Neonazis mit Anne Frank oder Sophie Scholl vergleichen.

Judenhass als Chiffre für alle Übel der Welt

Die empirische Forschung zum Geschichtsbewusstein hat gezeigt, dass die in einer Bevölkerung vorhandene Erinnerung an historische Ereignisse in dem Ausmaß schwindet, in dem das Ereignis weiter zurückliegt. So auch die deutsche Erinnerung an Nationalsozialismus und Judenmord, die ohnehin frühestens mit dem Frankfurter Auschwitzprozess in den 1960er Jahren begann.

Quelle         :         TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —     Protest von Verschwörungsgläubigen gegen die Änderung des Infektionsschutzgesetzes während der Abstimmung im Bundestag am 21. März 2021. Die Kundegebung wurde wegen Missachtung der Hygieneregeln aufgelöst, woraufhin versucht wurde an das Brandenburg Tor zu gelangen und den Tiergarten zu besetzen.

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Ein Lob der Langsamkeit

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2021

Tempo spart keine Fahrzeit

Bildergebnis für Wikimedia Commons Bilder Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer

Wer sich langsam in einer Kutsche bewegt – wird länger gesehen !!

Von Roland Stimpel

Warum wir mit Tempo 25 in der Stadt eher am Ziel sind – und sicherer, klimafreundlicher, entspannter und gesünder sowieso.

Entschleunigung klingt hübsch, aber romantisch-gestrig. Man genießt sie im Urlaub in gemütlichen Örtchen mit dem „Cittàslow“-Siegel. Aber im Alltag müssen wir immer schnellstmöglich irgendwohin. Langsamer würden wir unser Pensum gar nicht schaffen, glauben wir.

Aber das täuscht gewaltig: Tempo spart erstens keine Fahrzeit und bringt uns zweitens nicht an mehr Ziele. Das zeigt eine alle paar Jahre wiederholte Langzeitstudie mit wechselndem Titel; derzeit heißt sie „Mobilität in Deutschland“.

Zwar ist seit den 1970er Jahren unser Durchschnittstempo auf der Straße, dem Gleis und in der Luft um 43 Prozent gestiegen, aber die täglich zurückgelegten Kilometer haben sogar um 68 Prozent zugenommen. Also sind wir länger unterwegs, und das trotz der höheren Geschwindigkeit. Wir machen mehr Wege per Auto und nicht zu Fuß, mit der S-Bahn statt dem Bus, im Billigflieger statt im Nachtzug, aber wir kommen immer später an.

Gestiegen ist der Aufwand an Zeit, Geld, Energie und Nerven, sind Flächenfraß und Treibhausgas – aber nicht gestiegen ist verrückterweise der Ertrag. Laut der ersten Studie von 1976 erreichten die Menschen im Schnitt 3,1 Ziele pro Tag. Und nach der Explosion von Tempo und Kilometern waren es 2017 – seufz – genauso viele. Mit mehr Tempo kommen wir nicht öfter irgendwo an, sondern fahren wir bloß weiter weg.

Den Aufwand gigantisch erhöht, den Ertrag nicht im Geringsten gesteigert. Deutschlands Verkehrsminister mit ihren Multi-Milliarden-Etats sind nicht erst seit Andreas Scheuer (CSU) die miserabelsten Manager im Land.

Aber natürlich liegt es nicht nur an ihnen. Fast alle haben wir die fatale Neigung, mehr Tempo nicht in kürzere Fahrzeit umzumünzen, sondern in längere Wege. Von der Stadtwohnung ins Eigenheim im Grünen – auch weil die Straße vor der Wohnung so laut geworden ist. Als Berliner mit einem Job bei VW zweimal täglich 180 ICE-Kilometer, damit man nicht in Wolfsburg wohnen muss. Der VW-Konzern wirbt dafür auf einer eigenen Website „Pendeln zum Arbeitsplatz“.

Man könnte ja sagen: Tempo ist halb so schlimm, wenn nur die Verkehrsmittel stimmen. Aber jährlich zwei Erdumrundungen per VW-ICE haben mit Klimaschutz auch nichts mehr zu tun. Und es gibt tückische Rückwirkungen: Wird eine Stadtbahn unter die Straße verlegt und dabei beschleunigt, füllen oben zusätzliche Autos den gewonnenen Raum gleich wieder.

Und da die Leute vom Stadtrand jetzt unten fahren, gibt es oben mehr Raum für Autofahrer vom Dorf, die Trips in die Stadt machen. Alle sind schneller – und auf der Straße fahren sie längere Strecken.

Selbst gut gemeinte Radwege können zusätzlichen Autoverkehr provozieren. In den viel gelobten Niederlanden wurden sie konsequent abseits der Fahrbahnen gebaut; auch Mopeds mussten hier fahren. Die breiten Straßen wurden Zweirad-frei, das Autofahren damit attraktiver. Seit den 1990er Jahren stieg in den Niederlanden die Zahl der jährlichen Autokilometer dreißigmal mehr als die Zahl der Radkilometer – ein ökologisches Desaster.

Doch Deutschland lernt nicht daraus: Berlins Radplaner bei der Senatsfirma Infravelo propagieren breite Schnellpisten im Grünen und durch Parks, auf Kosten von Natur und Erholung – aber zur „Entlastung des Straßenverkehrs für die Kraftfahrzeug-Fahrenden“.

Tempo bringt uns nicht an mehr Orte, ist klimaschädlich, raumfressend, gefährlich und wegen seiner Kosten unsozial. Es kann und muss runter. Aber auf welches Niveau? Die Frage drängt vor allem in den Städten, wo Verkehr besonders dicht und bunt ist. Gesucht wird die optimale Geschwindigkeit auf Straßen fürs Gehen, Rad- und Autofahren.

Dieses bestmögliche Tempo soll uns mit wenig Zeitaufwand, sicher, angenehm und für die übrige Welt schonend ans Ziel bringen. Dazu soll es den Verkehr möglichst effizient, gleichmäßig und hemmungsfrei laufen lassen.

Fangen wir mit der Sicherheit auf Fahrbahnen an, die zu Fuß überquert oder per Rad befahren werden. Dummy-Tests und Studien zeigen: Werden Menschen frontal von Fahrzeugen gerammt, dann wird es schon bei Tempo 30 lebensgefährlich; ein Zehntel der Angefahrenen stirbt. Die Kurve geht danach steil hoch: Bei Fahrzeugtempo 50 kommen viermal so viele Gerammte um, bei 70 sterben fast alle.

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Ein guter Kompromiss zwischen Sicherheit und Beweglichkeit liegt also irgendwo unter 30 Stundenkilometern. Zumal bei dieser niedrigen Geschwindigkeit der Bremsweg nur wenige Meter lang ist, also viele Unfälle gar nicht mehr passieren.

Wir brauchen die Verkehrswende – als Entschleunigung

Dies rettet und bewahrt viel Lebenszeit. Die vom Unfall Verschonten bleiben gesund und glücklich, ihre Liebsten werden nicht zu Hinterbliebenen, und auch all jene Menschen, die den Unfällen hinterherräumen müssten, sparen viel Zeit – in Krankenhäusern und Gerichten, bei Versicherungen und Bestattern, in Werkstätten und Reha-Zentren.

Autobahnen sind alles andere als leistungsstark

Effizienter ist eine niedrige Geschwindigkeit auch. Ein gängiges Vorurteil heißt: Unter 30 Stundenkilometern schleicht alles und staut sich, auf der Autobahn brausen gleichzeitig Tausende zum Ziel. Aber das täuscht – die Autobahnen sind alles andere als leistungsstark. Denn je schneller gefahren wird, desto mehr muss der Sicherheitsabstand wachsen. Die Autoschlange besteht zum größten Teil aus schlechter Luft und braucht nicht weniger, sondern mehr Straßenraum.

Bei welchem Tempo und angemessenem Abstand am meisten Fahrzeuge in einer Stunde durchkommen, lässt sich genau berechnen. Von 0 bis 22,5 Stundenkilometer können umso mehr Autos passieren, je schneller sie sind.

Doch danach ist es genau anders herum: Je schneller die FahrerInnen sein wollen, umso langsamer geht es voran. Denn je höher die Geschwindigkeit wird, desto größer muss der Sicherheitsabstand sein, um im Notfall bremsen zu können. Das Ergebnis ist paradox: Ab Tempo 22,5 wird mehr Sicherheitsabstand nötig, als schnelleres Durchfahren Raum frei macht.

Quelle       :       TAZ-online        >>>>>       weiterlesen

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Oben     —   Besuch von Bundesinnenminister Horst Seehofer bei dem Ministerpräsidenten von Sachsen-AnhaltReiner Haseloff, am 29. November 2018 in MagdeburgStaatskanzlei des Landes.

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Vom Corona-Unsinn-Sinn

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2021

 Die Logik der 2G-Regel

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Humpty  Dumpty 

Bearbeitung durch Dr. Nikolaus Götz

Im Rahmen der medial verbreiteten Virus-Hysterie erlassen die mitwirkenden Bürokratien der Bundesrepublik Deutschland oder auch die politischen Repräsentanten des Volkes in den Parlamenten Anordnungen, deren Widersinn offen legt, wie weit ein staatlich-denkender ’Bürokrat’ oder die ’Politiker-Innen’ von der realen Lebenswelt entfernt sind. Doch auch hier, so sei dem denkenden Bürger gesagt, gilt die seit der römischen Antike allein gültige Regel: „Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist!“ Ave Cäsar! Morituri te salutant! (dt.: Heil Dir mein Kaiser! Die Todgeweihten grüßen Dich!

Im Blickpunkt heute: ’ Die Logik der 2G-Regel: „Geimpft, genesen…“

(Gefunden im Internet…ohne Autorangabe)

G1: GEIMPFT:

Man weiß nicht, ob das Virus vorhanden ist; eventuell kann die geimpfte Person jedoch eine andere Person anstecken!

Politische Kommentierung: „Keine Gefahr!“

G2: GENESEN:

Man weiß nicht, ob das Virus vorhanden ist; eventuell kann die genesene Person jedoch eine andere Person anstecken!

Politische Kommentierung: „Keine Gefahr!“

G3: GETESTET:

Man weiß, dass die Person den Virus nicht hat und, dass sie deshalb auch keine andere Person anstecken kann.

Politische Kommentierung: Achtung: Gefahr!

Der neuste Corona-Witz:

Ein kleiner Junge macht mit seinem Vater einen Waldspaziergang. Plötzlich frägt der Junge seinen Vater: „Papa hat der Wald Corona? Der Vater antwortet: Nein mein Sohn! Keine Sorge: Der Wald ist sicher. Er hat „Zwei-ge.“

Eine Fortsetzung in der Reihe: ’Vom Corona-Unsinn-Sinn’ folgt bestimmt. Gerne werden auch Zuschriften veröffentlicht!

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08. Humpty Dumpty

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Das große Linke erwachen?

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2021

Für einen humanistischen und rationalen Umgang mit der Corona-Pandemie

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Der neue Zwangsverwalter: – Schaut mir in die Augen: „Können solche Augen töten, solch eine  Nase näseln, oder solche Zähne beißen?“

Quelle:    Scharf  —  Link

Von Inge Höger, Jürgen Aust, Michael Droste, Udo Hase, Thomas Zmrzly

Gegen eine Impfpflicht und für 1G am Arbeitsplatz!

„Die Welt ist aus den Fugen geraten.“ Ganz aktuell nicht durch die wachsende Kriegsgefahr, den nach wie vor drohenden Einsatz von Atombomben, den Klimawandel, der die Lebensgrundlagen zu zerstören scheint, sondern durch ein Virus, das sich weltweit in immer neuen Mutationen ausbreitet. Zunächst erschien es, als ob dieses Virus alle Menschen gleich trifft oder bedroht. Es wurde durch Geschäftsreisende der Business-Class in aller Welt verbreitet, bedroht aber in der Folge vor allem ältere Menschen und Menschen mit Vorerkrankungen. Besonders leiden nachweislich Menschen der Arbeiter*innenklasse, die in zu kleinen Wohnungen und unter schlechten Arbeitsbedingungen leben und arbeiten.

Nichtsdestotrotz gelang es in einer medialen Angstkampagne, viele Menschen in Angst und Schrecken zu versetzen. Damit wurden Protesten gegen ungerechtfertigte und die Geschäfte nur der kapitalistischen Wirtschaft dienende Maßnahmen weitgehend verhindert. Die Stilllegung des öffentlichen Lebens, Kontaktbeschränkungen und Einschränkungen der Versammlungsfreiheit konnten überwiegend geräuschlos durchgesetzt werden, um den reibungslosen Ablauf der Ausbeutung in den Betrieben nicht zu stören. Inzwischen verläuft die Spaltung (Grenze) der Gesellschaft Auseinandersetzung augenscheinlich nicht mehr zwischen Arm und Reich oder Oben und Unten, sondern in Geimpfte und Ungeimpfte. Das Kriterium für Gut und Böse oder solidarisch und unsolidarisch wird zu geimpft oder ungeimpft. Als Antikapitalist*innen versuchen wir, dieser Kampagne entgegenzuwirken und gemeinsam mit der Mehrheit der Gesellschaft für eine solidarische Überwindung der Pandemie, eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Unterdrückung und ein Ende der Zerstörung von Natur und Klima zu kämpfen.

Wie ist die Mehrheit der Gesellschaft dahin gebracht worden?

Ein Virus – wahrscheinlich entstanden aus der Zerstörung der Natur und letzter Lebensräume vieler Wildtiere – hat die Welt erobert und in Bann gezogen. Und mit dem Auftreten der ersten Infektionen wurde aus einer pandemischen Lage eine Welle der Angst erzeugt. Angst mag gut sein für die Herrschenden, aber es ist kein guter Ratgeber für den Klassenkampf. Von Anfang an waren alle Maßnahmen der Regierenden darauf gerichtet, die Wirtschaft – und hier vor allem die Produktionsbetriebe der Exportindustrie – am Laufen zu halten. Dafür gab es massive Einschränkungen des öffentlichen Lebens vom Einzelhandel über Kultur und Restaurants bis hin zu Messen (die ins Internet verlegt wurden). Dazu kamen Einschränkungen des Versammlungsrechtes, Kontaktbeschränkungen und sogar Ausgehverbote. Die Verantwortung für das Übertragen des Virus wurde ins Private verschoben. Profitiert haben große Konzerne und der Versandhandel in unvorstellbarem Ausmaß, während der Einzelhandel, Soloselbständige sowie die Hotel- und Gastronomiebranche massive Einschränkungen hinnehmen mussten.

Aber was schert das schon das Kapital. Der Konzentrationsprozess des Kapitals wurde massiv befördert. Die ca. 2.700 Milliardäre weltweit konnten im Corona-Jahr 2020 ihr Vermögen um 60 Prozent steigern. Während also weltweit mehr als 100 Millionen Menschen nach Schätzung der Weltbank durch Corona in absolute Armut gefallen sind und von weniger als 1,80 Dollar pro Tag leben müssen, war 2020 für die Hochvermögenden das finanziell erfolgreichste Jahr in der Menschheitsgeschichte. Von dem 750 Milliarden schweren ersten Hilfspaket der Bundesregierung gingen allein 600 Milliarden an das Großkapital.

Besonders gefördert wurde die Pharmaindustrie. Seit Beginn der Pandemie wurde von den Regierenden fast ausschließlich auf die Entwicklung eines Impfstoffes gesetzt. Für die Entwicklung von Impfstoffen gab es massive Subventionen. Für die Entwicklung von wirksamen Medikamenten oder den Ausbau des Gesundheitswesens durch mehr Intensivbetten sowie mehr Personal in den Krankenhäusern und in der Pflege kaum Mittel gab.

Das Versprechen der Regierenden und der Pharmalobby war: wenn ihr euch impfen lasst, bekommt ihr euer altes Leben schnell zurück. Dieses Versprechen war unrealistisch und konnte daher auch nicht eingelöst werden. Von Beginn der Pandemie an warnten Mediziner, Soziologen und andere Wissenschaftler, dass Corona nicht wieder verschwinden sondern mutieren und in neuen Varianten auftauchen würde. Die Empfehlungen aus diesem Kreis, vor allem Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen zu schützen, wurde wenig beachtet. Auch die StKo empfahl zunächst die dritte Impfung vor allem für Ältere und Menschen mit Vorerkrankungen, um diese Gruppe prioritär zu schützen. Sie korrigierte dies nach der Häufung von Impfdurchbrüchen und empfahl die dritte Impfung für alle. Der als Minister scheidenden Pharmalobbyist Jens Spahn wollte sich wohl noch ein letztes Mal für gute Geschäfte einsetzen. Nachdem die EU-Kommission 2020 das Versprechen abgab, keine Impfdose würde mehr als 15 € kosten, haben bei den jüngsten Verhandlungen BioNTech/Pfizer und Moderna ihre Preise deutliche erhöht. Pfizer/Biontech nimmt nun 19,50 € statt 15,50 € und Moderna 25,50 $ (21,60 €) statt 22,50 $. Lt. einer Studie des Imperial-Colleges in London liegen die Herstellungskosten für mRNA-Impfstoffe in Massenproduktion zwischen 1,18 bis 2,85 $ je Dosis. BioNTech/Pfizer hat die Lieferung von fünf Millionen zusätzliche Impfdosen an die BRD angekündigt. Die Steuerzahler*innen haben dreimal gezahlt. Zuerst mit Milliarden für die Forschung, dann mit aufgeblähten Preisen aus öffentlichen Kassen und schließlich, weil die meisten Pharmakonzerne zu wenig Steuern zahlen.

Mittlerweile sind über 70 % der Gesamtbevölkerung und 86 % der über 60-Jährigen in Deutschland geimpft. Die irreführende Information der Regierungen, mit zwei Mal piksen sei man oder frau vor Corona dauerhaft geschützt, stellt sich als falsch heraus. Die Schutzwirkung von Impfungen lassen mit der Zeit nach und auch Geimpfte können das Virus weitergeben und/oder schwer erkranken. Weitere Mutationen des Virus, wie aktuell Omikron können den Impfschutz möglicherweise umgehen und auch Geimpfte infizieren. Die Impfung bietet also keine sichere Immunität.

Gegen eine Impfpflicht!

Trotzdem diskutieren Politik und von der Pharmaindustrie abhängige Wissenschaftler über eine Impfpflicht als Allheilmittel. Das ist es nicht! Ein Gesetzentwurf mit einer Impfpflicht für Gesundheitsberufe wurde bereits im Bundestag verabschiedet. Um den durch viele bisherige Maßnahmen wie 3G am Arbeitsplatz und im ÖPNV, 2G im Einzelhandel, Gastronomie und Kulturveranstaltungen, indirekten Impfzwang und die irreführende Debatte über eine Impfpflicht zu beenden, müsste folgendes berücksichtigt werden:

  • Das 2G-Modell und 3G für die Arbeit und ÖPNV bedeuten nichts anderes als indirekten Impfzwang und ergeben wirkungsbezogen nur wenig Sinn. Wenn, dann müsste es ein kostenfreies 1G-Modell geben: Getestet. Am Arbeitsplatz müssten die Unternehmen, die schließlich von der Arbeitskraft profitieren, die Testung übernehmen. Dazu müssen ausreichende Testkapazitäten bereitgestellt werden.
  • Die Impfung sollte eine freie Entscheidung bleiben, und dies muss endlich akzeptiert werden. Impfzwang als allgemeine Maßnahme ist irrational und löst nicht das Problem. Andere Europäische Länder schaffen das vorbildlich (Spanien, Portugal, Schweden, Island …)
  • Viele Menschen, die sich bisher nicht haben impfen lassen, misstrauen den mRNA-Impfstoffen. Deshalb wird es Zeit, endlich proteinbasierte Impfstoffe zuzulassen.
  • Es gibt bislang einen von der WHO anerkannten proteinbasierten Impfstoff Sinopharm aus China, der weltweit im Einsatz ist. Und auch Kuba bemüht sich seit Monaten um die Anerkennung seiner sehr zuverlässigen Impfstoffe.
  • Wir fordern die Zulassung dieser Impfstoffe in der EU und in Deutschland! Sie sind ebenso wirksam, nach bisheriger Kenntnis nebenwirkungsärmer, einfacher zu lagern (keine Tiefkühlung erforderlich) und sie sind kostengünstiger. Der einzige Nachteil: Sie machen die großen Pharmakonzerne nicht reicher.

Offensichtlich geht es mehr um Profitsicherung für die Pharmaindustrie der Industrienationen als um Gesundheitsschutz. Dass es inzwischen Probleme mit Krankenhauskapazitäten gibt, liegt an der Profitorientierung, die u.a. dafür gesorgt hat, dass seit der ersten Corona-Welle über 9.000 Intensivbetten „verschwunden“ sind (DIVI-Intensivbetten-Register). Immer noch werden Stationen und ganze Kliniken geschlossen, weil es im Kapitalismus nicht um Gesundheitsversorgung, sondern um Shareholder-Value für Finanzinvestoren geht. Auch (noch) kommunale Kliniken werden durch das Fallpauschalen-System systematisch unterfinanziert. Viele stehen kurz vor der Insolvenz und/oder bauen Betten bzw. unrentable Stationen wie Geburtshilfe und Kinderstationen ab. Dazu kommt, dass nur Allgemeinkrankenhäuser Corona-Patient*innen behandeln. Fachkliniken wie z.B. orthopädische Kliniken, Psychiatrien, Herzkliniken oder rein internistisch-geriatrische Krankenhäuser fallen aus der Notfallversorgung von Corona-Patient*innen raus, weil sie nicht an der Allgemeinversorgung teilnehmen. Reine Fachkliniken sind bundesweit 716 der 1.914 Krankenhäuser oder 37 %.

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He – Bruder – Ich will nicht geimpft werden !

Und vor allem gibt es erheblich zu wenig Pflegepersonal – und das nicht erst seit Beginn der Corona-Pandemie. Notwendig sind:

  • eine gesetzliche, bedarfsgerechte Personalbemessung in Krankenhäusern und in der Pflege,
  • eine Reduzierung der Arbeitszeit für Beschäftigte im Gesundheitswesen auf eine 30 Std-Woche
  • und 500€ monatlich mehr und bessere Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen!

Damit wäre der Engpass in den Krankenhäusern und auf den Intensivstationen zu beheben. Krankenhäuser müssen endlich wieder ohne Profitstreben als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge betrieben werden. Die Fallpauschalen und Profite mit der Gesundheit gehören schnellstmöglich abgeschafft.

Wir wollen eine Kombination von angemessener Gesundheitsversorgung UND eine Politik für maximale Schutzwirkung in der Pandemie.

Das ausschließlich durch Kapitalinteressen verursachte Hauptproblem der Coronapolitik sind der Patenschutz und die grauenhafte Idee, man könne „den Rest der Welt“ ausblenden, wenn man nur genügend Impfstoff für die „eigene Bevölkerung“ habe. Das ist katastrophal, wegen der schlichten Inhumanität und auch wegen der Mutationsspielräume, die man dem Virus damit verschafft. Sollte das Kalkül sein, dass munteres Mutieren „glücklicherweise“ ständig neue Impfstoffgeschäfte ermöglicht, ist das einfach kriminell. Die jetzige Situation ist mit Impfen allein nicht radikal zu verbessern. „Social distancing“ (und FFP- 2 Masken für alle) wird also auch weiterhin sinnvoll und notwendig sein.

Zusammengefasst bedeutet das:

  • Die Lösung ist nach wie vor: Impfen und sinnvolles „social distancing“, im Schwerpunkt gestützt durch Testen. Bedingungen: Bereitstellen von Impfstoffen und Tests für die gesamte Weltbevölkerung (alles was produziert werden kann, egal ob proteinbasiert, Vektor – basiert oder mRNA – basiert).
  • Verteilen der Kosten auf die reichen Länder und zwar zu Herstellkosten, nicht zu „Marktpreisen“. Das erfordert für die Pharmariesen eine Behandlung, wie sie für alle Unternehmen zu Zeiten der Umstellung der amerikanischen Wirtschaft auf Kriegsproduktion in den 1930iger Jahren getroffen wurden. Wer nicht mitmacht, muss seine Produktionskapazitäten an den (jeweiligen) Staat abgeben.

Solidarität mit den Menschen dieser Welt erfordert eine sofortige Aufhebung des Patentschutzes und eine Verpflichtung für die Hersteller, Impfstoffe kostendeckend ohne Profite zu produzieren!

Die Verfasser*innen dieser Erklärung bitten um Verbreitung und Unterstützung. Unterzeichnung bitte an: GegenImpfpflicht@gmx.de

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Unterzeichner*innen:

Jürgen Aust – DIE LINKE. Duisburg, Antikapitalistische Linke

Michael Droste – DIE LINKE, Antikapitalistische Linke NRW

Udo Hase- DIE LINKE. Krefeld, Antikapitalistische Linke NRW

Inge Höger – DIE LINKE. Herford, Antikapitalistische Linke

Thomas Zmrzly, Antikapitalistische Linke NRW

Weiterführende Informationen:

RLS-Standpunkte:  Deja-vu in der 4. Welle – Aufklärung statt Verkleisterung von Widersprüchen (November 2021)

https://www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/Standpunkte/Standpunkte_11-2021.pdf

Peter Nowak:  Autoritäre Corona-Dauerwelle: Akzeptanz und Alternativen (Telepolis v. 05.12.2021)

https://www.heise.de/tp/features/Autoritaere-Corona-Dauerwelle-Akzeptanz-und-Alternativen-6286515.html

Timo Reuter:  Die Krise der Linken (FREITAG v. 29.12.2020)

https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/die-krise-der-linken

Joachim Hirsch:  Was ist aus der Linken geworden? (links-netz.de v. 07.11.2021)

http://wp.links-netz.de/?p=520

Philipp von Becker:  Denn wir wissen nicht, was wir tun? (FREITAG v. 21.04.2020)

https://www.freitag.de/autoren/philipp-von-becker/denn-wir-wissen-nicht-was-wir-tun-5

Urheberecht
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Grafikquellen      :

Oben          —     Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 16. Dezember 2021

Klima und Windräder: Bepreistes Ja

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Durch die Woche mit Ariane Lemme

Beim Streit muss es nicht immer entweder oder sein. Ein bezahltes Entgegenkommen könnte Lösung sein bei diplomatischen Herausforderungen.

Guten Tag. Mein Name ist Ariane und ich bin harmoniesüchtig. Puh. Jetzt ist es raus. Für meine Karriere im Streitbusiness des taz-Meinungsressorts ist das natürlich ein peinliches Eingeständnis. Vielleicht meldet sich ja das Auswärtige Amt bei mir. In Krisen vermitteln kann ich ganz gut. Schon als Kind hab ich, wenn am Familientisch mal Stunk aufzog, mit stress­schweiß­nassen Händen, versucht, der einen Seite (Mama) die andere Seite (Papa) zu erklären.

Leider ist der beste Freund von allen genauso drauf wie ich. Streit bei uns heißt, dass einer zum anderen sagt: Du, darf ich dich darum bitten, mal deinen Kram da wegzuräumen? Im schlimmsten Fall ist einer mal beleidigt und fängt an zu weinen (ich) oder zu schweigen (er). Weil keiner von uns das lange aushält, ist der Kram, den wir am schnellsten wegräumen, der zwischen uns. Trotzdem ist das natürlich verheerend. Ich weiß, dass meine Sucht zerstörerisch ist.

Alle Paartherapeuten beten es rauf und runter: Sich ordentlich streiten zu können ist wichtig. Allerdings – das ist mir diese Woche im großen Wie-wird-die-neue-Regierung-Gesummse aufgefallen – ist Harmoniesucht viel verbreiteter, als ich dachte. Der häufigste Satz, den ich hörte, war: Wie harmonisch kann das werden in der Ampel. Wo wird’s knallen und wann? Und ich dachte, häh? Warum sollen die sich vertragen, ist doch kein Kaffeekränzchen. Die sollen Politik machen und da gehört Streit dazu.

Sie merken schon, wenn’s um andere geht, bin ich ganz schlau. Dabei bin ich vor allem neidisch auf alle, die sich selbstbewusst die Fetzen um die Ohren hauen, ob am Kabinettstisch oder auf Twitter. Vielleicht, dachte ich dann, ist das, was bei anderen so glamourös zornig aussieht, auch nur die Suche nach Zustimmung, Bestätigung, am Ende Liebe – zumindest für die eigenen Ideen vom Leben.

Das würde erklären, warum trotz Dauerstreits auf allen Kanälen und der angeblich kurz bevorstehenden Spaltung der Gesellschaft sich gefühlt wenig bewegt. Am ehesten vielleicht bald an der Front zwischen denen, die sich – aus mir immer schleierhafter werdenden Gründen – nicht impfen lassen und denen, die darüber immer verzweifelter werden – wenn es hoffentlich bald eine allgemeine Impfpflicht gibt.

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Kein Streit mit Gewinnern

Klar, das wäre echt mal kein durch demokratisch-konstruktiven Streit gewonnener Fortschritt, sondern durch regieren – aber es wäre ein Fortschritt, der Menschenleben rettet, und da gibt’s eigentlich wenig zu diskutieren. Die völlige Missachtung der Unversehrtheit anderer verdient weder Respekt noch Applaus. Wahrscheinlich ist echter Streit, also welcher, wo es nicht nur darum geht, sich bei der eigenen Peergroup zu profilieren, für die meisten Menschen schwer auszuhalten.

Weil er immer beide Seiten was kostet, keiner kommt als Gewinner raus. Die immer noch lachenden Gesichter von Putin, Xi Jinping und Konsorten zeigen auch, dass manche die von mir geschätzte Diplomatie auch einfach ignorieren können wie einen schlechten Geruch. Deshalb bin ich echt mal gespannt, was Baerbock als Außenministerin an „Dialog und Härte“ zu bieten hat.

Quelle       :       TAZ-online          >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten     —     Bild der Penouta-Höhe, die sich im nordwestlichen Teil der Gemeinde Boal (Asturien, Spanien) befindet. Wie Sie sehen können, gibt es ein paar Windkraftmühlen auf der Oberseite.

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Covid-Patent-Profit tötet

Erstellt von Redaktion am 15. Dezember 2021

Covid-Patent-Profit tötet: Bringt Dr. med. Lauterbach die Wende?

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Schaut mir in die Augen: „Können solche Augen töten, solch eine  Nase näseln, oder solche Zähne beißen?“

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Hannes Sies

„Impfstoff für alle“ forderte Attac am 12.12.2021 bei Biontech in Mainz sowie vor Lauterbachs Gesundheitsministerium und auch bei der EU-Kommission in Berlin wurde für die Freigabe der Patente auf Covid-Impfstoffe und -Medikamente demonstriert.

Covid-Patente kosten Menschenleben, die WTO könnte den Patentschutz der Pharmafirmen außer Kraft setzen. Aber die WTO wird blockiert von Deutschland (unter dem Duo Merkel/Scholz), Norwegen und Kanada -diese drei Staaten wollen Global Justice Now, Ärzte ohne Grenzen und andere daher verklagen. Denn die WTO-Blockade von Merkel, Scholz &Co verhindert eine massive Ausweitung und Verbilligung der Impfstoff-Produktion. Es träfe keinen Armen: Pharmaprofite explodieren durch die Corona-Pandemie. BigPharm lässt durch seine PR lautstark verkünden, dies habe man sich verdient, man habe viel in die Entwicklung investiert, man brauche den Profit-Tsunami für weitere Forschung. Aber ist das auch wahr? Nein, natürlich nicht. Warum wir von Lauterbach leider wenig erwarten können und wie die Bertelsmann-Stiftung im Gesundheits-Desaster mit drin hängt wird anschließend erörtert.

Wir alle zahlen für BigPharm-Covid-Fettlebe

BigPharm schwimmt im Geld. Die Zeche an die Konzerne zahlen wir alle über unsere ausgeplünderten Gesundheitsetats -vor allem aber weltweit arme Länder, denen Impfstoff fehlt. Die Menschen in Afrika, Asien, Lateinamerika zahlen mit ihrem Leben für die Pharma-Profite, die von zynischer und mutmaßlich korrupter Politik gesichert werden. Merkels Gerede von globaler Solidarität entpuppt sich als pure Heuchelei -allein schon durch diese durch die Blockade der WTO-Patent-Freigabe. Sogar die USA sind mittlerweile unter Biden nicht mehr gegen die Aussetzung der Pharma-Patente, mit denen BigPharm-Konzerne Milliarden scheffeln -ohne dass die Monopolisten viel dafür getan hätten.

Der Lobby-Club von BigPharm nennt sich euphemistisch „Verband der forschenden Pharma-Unternehmen“, um sich Erfolge wissenschaftlicher Forschung dreist als Leistung zuzuschreiben. Tatsächlich stehen bei diesen Konzernen Profitgier, Lobbymacht und PR-Kampagnen in eigener Sache ganz oben. Forschungsergebnisse werden meist für wenig Geld von staatlichen Universitäten und Instituten oder kleineren Firmen weggekauft -ob immer mit ganz sauberen Methoden, sei mal dahingestellt.

Gegen die sofortige Patent-Freigabe von Covid-Impfstoff behaupten die BigPharm-PR-Leute dreist, dass man die Profite brauche, um Forschungskosten wieder wettzumachen. Und dass BigPharm bei der nächsten Pandemie nicht mehr Forschen würde, wenn man ihnen „ihr geistiges Eigentum wegnehmen“ würde. Sind das glaubhafte Argumente? Pure Propaganda? Oder zynisch-verlogene Erpressung? Unser Medien-Mainstream lobhudelt meist kritiklos BigPharm und wird mit lukrativen Werbeprofiten aus deren prall gefüllten PR-Kassen belohnt.

Patentschutz für Forschung -oder für Profit?

Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Marcel Fratscher, beteuert, Patentschutz sei wichtig für die Risikoabdeckung forschender Firmen. Aber in der Corona-Pandemie betont Fratscher auch, dass alle involvierten Pharma-Firmen bereits mehr als genug Profit mit Covid-Impfstoff gemacht haben, um beim nächsten Virus Forschung fortzusetzen („Alle haben sich dumm und dusselig verdient“, Wissenschaftssendung Nano, 3sat 3.12.2021). Eine WTO-Patent-Freistellung sei das Gebot der Stunde und der Humanität.

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Aber haben BigPharm-Konzerne, die jetzt Milliarden mit Covid abkassieren, überhaupt ein Forschungs-Risiko vorfinanziert? Die ungarische mRNA-Forscherin Katalin Kariko entwickelte an einer staatlichen Universität in den USA über Jahrzehnte die Grundlagen. Es floss über eine Milliarde Dollar Steuergeld in die mRNA-Forschung, BigPharm war derweil mit PR und Steuervermeidung beschäftigt. Die Universität von Dr.Kariko verhökerte die Rechte an das Unternehmen Sellscript, das sie für je 75 Millionen weiterverkaufte an Biontec und Moderna.

Biontec: „dumm und dusselig verdient“

15-20 Milliarden hat Biontec bislang verdient, aber im Vorfeld floss „noch reichlich Fördergeld“ (Nano), 12 Millionen von Merkel, 50 Millionen von der EU, 2020 nochmal 375 Millionen von unserem Gesundheitsminister Spahn. Sicher, dieses Geld war gut angelegt, jedenfalls besser als die Schrott-Masken-Deals der korrupten CDU/CSU-Maskenmafia, die zur Wahlniederlage Laschets vermutlich beitrugen. Andere bedienten sich noch ungenierter an Steuergeldern: BigPharm-Konzerne wie Sanofi, Glaxo, AstraSeneca, Johnson&Johnson, Moderna griffen in der Covid-Hype je ca. 1-2 Milliarden Staatsknete ab (Nano), Moderna entwickelte seinen Impfstoff sowieso in Kooperation mit dem staatlichen NIH der USA, lässt dies jetzt jedoch von seiner Rechtsabteilung bestreiten und reklamiert die Patentrechte für sich allein.

Pharma-PR-Propaganda trompetet angebliche Segnungen heraus, allein dafür verpulvert BigPharm Milliarden, die Realität sieht anders aus: Weltweit warten Millionen Menschen auf die lebensrettende Impfung, selbst medizinisches Personal muss in vielen armen Ländern ungeschützt arbeiten. Konzerne scheffeln weitgehend unverdient Profit, zynisch erpresst mit der Gefahr der Pandemie.

Gesundheit neoliberal: Lauterbach und Bertelsmann

Und Dr.med.Karl Lauterbach, der als Covid-Kassandra meist leider Recht behielt und nun Gesundheitsminister ist? Können wir von ihm einen radikalen Kurswechsel gegen BigPharm erwarten? Wenn wir uns kurz an die letzte SPD-Regierung (1998-2004) erinnern: wahrscheinlich nicht. Im rotgrünen Regierungsteam Schröder/Fischer half Lauterbach bekanntlich der SPD-Gesundheitsministerin Ulla „Lebensqualität“ Schmidt das unselige System der Fallpauschalen durchzudrücken.

Dieser neoliberale Umbau unseres zuvor guten Gesundheitswesens brachte weniger Lebensqualität durch mehr „Effizienz“ auf Kosten von Patienten und Pflegepersonal. Vorbereitet wurde dies durch eine Bertelsmann-Propaganda-Kampagne, die eine nicht existierende „Kostenexplosion im Gesundheitswesen“ behauptet hatte. Man wollte an den Kranken das einsparen, was Rotgrün per Geldregen an Superreiche und Konzerne aus unserem Staatshaushalt mit beiden Händen austeilte: Streichung der Erbschaftssteuer, Senkung der Spitzen- und Unternehmenssteuersätze usw. Dafür hatte Bertelsmann in RTL, „Stern“ und „Spiegel“ seinen Medienkanzler Gerhard Schröder an die Macht gebracht.

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Der neoliberale Konzern-Think Tank „Bertelsmann-Stiftung“ werkelte auch in seiner Tarnorganisation „Centrum für Krankenhaus-Management“ kräftig am Privatisierungskurs mit (während Bertelsmanns „Centrum für Hochschulentwicklung“ Bildung privatisierte usw.). Konzerne wurden reicher, Patienten blieben kränker und aus Pflegepersonen wurde das letzte an Profit heraus gequetscht. Lauterbach müsste sich erst von diesen falschen Ideologien lösen, die seine Karriere in der SPD offensichtlich erst möglich machten. Dann könnte eine Entprivatisierung und Rekonstruktion unseres Gesundheitswesens beginnen und Kanzler Scholz würde von Lauterbach zu einer Aufgabe der WTO-Blockade gegen Patent-Aussetzungen motiviert werden.

Covid-Schurkenstaaten stoppen

Die WTO, die mit heute schon vorhandenen Rechtsmitteln die grausamen Patente aussetzen könnte, ist blockiert von der Regierung Merkel/Scholz in Deutschland sowie Norwegen und Kanada. Warum sind gerade diese drei Länder die Covid-Schurkenstaaten? Weil dort BigPharm besonders viel Lobbymacht hat? Weil diese Regierungen auf dem letzten Bilderberg-Geheimtreffen die kurzen Streichhölzer gezogen haben?

In unserer westlichen Unkultur plutokratischer Intransparenz können wir das nicht genau wissen. Aber wir müssen Druck auf die Regierungen ausüben und deren Wähler informieren. Gegen die Milliarden PR-Etats der Konzerne wird das schwer, vor allem, weil der Mainstream der Medien oft nicht weniger korrupt ist als Parteien und Regierungen und sich in Kriegs-Propaganda für Rüstungsprofite ergeht, Kriegsgegner wie Julian Assange im Londoner Kerker Belmarsh verrotten lässt, Uranmunition verharmlost, die Atomkonzerne belobhudelt, gegen Arbeiterrechte und Gewerkschaften hetzt. Doch wir werden uns nicht mundtot machen lassen.

Wie frei sind die „Freien Medien“, auf denen das „Narrativ“ vom Freien Westen zentral basiert, wirklich? Am Ende nur gerade eben so frei, dass sie die Illusion der Medienfreiheit bei einer Mehrheit aufrecht erhalten können. Schon allein regimekritische Begriffe wie Deep State und Mainstream-Medien werden gerne in die stigmatisierte Schublade „Verschwörungstheorie“ gesteckt. Gerade der Fall Assange ist zu einem Lackmustest der Medienfreiheit geworden, dessen Ergebnis bislang wenig überzeugend ausfällt (siehe die folgende Quellenliste).

Quellen

https://publikumskonferenz.de/blog/2021/09/11/die-ard-dokureihe-deutschland-9-11-milde-mainstream-propaganda/

https://publikumskonferenz.de/blog/2021/08/15/zug-faellt-heute-aus-wie-die-ard-gegen-streiks-hetzt/

Atom-PR-Doku „Uran und Mensch“

Uranmunition: Die Grünen gehen in Deckung, die Linke kämpft

https://www.heise.de/tp/features/Das-Medien-Imperium-schlaegt-zurueck-4524106.html

https://www.heise.de/tp/features/Deep-State-hinter-Trump-4519775.html

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Grafikquellen      :

Oben          —     Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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Porsche-Klaus und die Autos

Erstellt von Redaktion am 15. Dezember 2021

Ex-Linken-Chef soll Klimaausschuss leiten

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Hier will der Zeigefinger etwas erklären was er selber nicht versteht! Aber nicht zu Trotz: Ein Funktionär der Gewerkschaft bleibt immer ein Sprecher der Wirtschaft, sowie eine Bücherschreiberin ihre Bücher verkaufen will.  Da kommen dann schnell die Clans der Partei ins Gespräch.  So hatte es der Chor des WDR einst vorgetragen: „Unsere Oma fährt im Hühnerstall Motorrad, Motorrad ….. – ….. unsere Oma ist ne alte Umweltsau.“

Von Anna Lehmann

„Bist mit dem Porsche gekommen?“, fragte ein Genosse Klaus Ernst 2018 bei einer Wahlkampfveranstaltung. Ernst und Porsche – das gehört für viele zusammen. Nicht nur weil der Bayer, als er noch Linken-Parteichef war, tatsächlich in einem weißen Porsche durch die Gegend brauste.

Sondern auch, weil sein Leben eng mit der Automobilindustrie verwoben ist. Geboren 1954 in München, Ausbildung zum Elektromechaniker. Mit 18 Jahren Eintritt in die IG Metall, nach dem VWL-Studium Gewerkschaftssekretär und unter anderem Arbeitnehmervertreter im Porsche-Aufsichtsrat.

Auch als Linken-Abgeordneter machte Ernst keinen Hehl aus seiner Liebe zum Auto: Er kritisierte Anfang 2020 die Klimapläne der Linken, die ab 2030 auf Verbrennungsmotoren verzichten will, sah darin „eine gewisse Autofeindlichkeit und setzte dagegen auch auf „Verbrennungsmotoren, die mit Biogas oder Synfuels laufen“. Erst im Juli twitterte er ein Foto von sich vor einem Wasserstoffauto, das er gerade Probe gefahren war. Fazit: „Individuelle und ökologische Mobilität, es geht also!“

Mit den klimapolitischen Forderungen der Linken, die vor allem auf einen Ausbau des Nahverkehrs, auf Bahn und Fahrrad setzt, hat das nicht viel zu tun. Trotzdem hat ihn die Bundestagsfraktion nun für den Vorsitz des Ausschusses für Klima und Energie nominiert. Die Entscheidung fiel mit 23 zu 14 Stimmen klar für Ernst aus. Nicht wenige fragen sich, was die Ge­nos­s:in­nen im Bundestag da eigentlich treiben? Zumal sich der rüstige Ernst einst selbst gegenüber der taz als „eine Art Auslaufmodell“ bezeichnete.

Posten nach Loyalität vergeben

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Die naheliegende Antwort lautet, dass das von Fraktionschef Dietmar Bartsch geschmiedete Mehrheitsbündnis nun mal so funktioniert: Wichtige Posten – der Klimaausschuss als einziger, den die Linke führen darf – werden nach Loyalität vergeben. Und Ernst liegt in puncto Autofahren mit Bartsch, der auch gern aufs Gaspedal drückt, auf einer Wellenlänge.

Quelle       :      TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —      Klaus Ernst während einer Plenarsitzung des Deutschen Bundestages am 2. Juli 2020 in Berlin.

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Unten      —     Porsche 911 Carrera RS auf den Classic Days Schloss Dyck 2012. Ansicht: vorne links

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Ein Blackout der EU

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2021

Viel Spielraum für Reformen

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Ein Riesenblock vollgestopft mit politischen Zwergen ?

Von Barbara Oertel

Sehr erfolgreich ist die EU in Sachen Östliche Partnerschaft bislang nicht gewesen. Gerade jetzt wäre eine engere Anbindung bitter nötig.

Totgesagte leben länger. Gefragt bei einem Treffen von Spitzendiplomaten in Brüssel Mitte November, ob die Östliche Partnerschaft der EU mit der Ukraine, Moldau, Belarus, Georgien, Armenien und Aserbaidschan (ÖP) im Sterben liege, sagte der EU-Chefdiplomat Josep Borrell: „Für uns ist dies im Moment der wichtigste Teil unserer Außenpolitik.“ Wie ernst es der EU damit ist, wird sich am 15. Dezember zeigen, wenn in Brüssel der nächste ÖP-Gipfel stattfindet.

Grundlage ist eine neue „Aufbau-, Resilienz- und Reformagenda“ flankiert von einem Wirtschafts- und Investitionsplan. Im Fokus stehen die Bereiche Wirtschaft, gute Regierungsführung, Sicherheit, Umwelt, Klima, digitale Transformation und Gesellschaft. Bis zu 2,3 Milliarden Euro sollen aus dem EU-Haushalt dafür mobilisiert werden, wodurch weitere 17 Milliarden Euro an staatlichen und privaten Investitionen freigesetzt werden könnten.

Die ÖP wurde 2009 als ein Teilprojekt der Europäischen Nachbarschaftspolitik aus der Taufe gehoben. Zielvorgabe war es, die beteiligten Staaten durch eine engere Zusammenarbeit politisch und wirtschaftlich an die EU heranzuführen. Das alles folgte auch dem Motto: Hauptsache, Ruhe im Osten. Um eine reale Perspektive für eine EU-Mitgliedschaft ging es nie – bis heute nicht.

Zwölf Jahre danach ist die Bilanz durchwachsen. Zwar sind mit der Ukraine, der Republik Moldau und Georgien Assoziierungsabkommen nebst umfassenden Freihandelsabkommen in Kraft getreten. Auch ihre Visumspolitik hat die EU gegenüber diesen drei Staaten liberalisiert. Doch in Sachen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Korruptionsbekämpfung und Sicherheit ist die Strategie gescheitert.

Beispiel Ukraine: Bei Fortschritten in guter Regierungsführung, Kampf gegen die Korruption, der „De-Oligarchisierung“ sowie Justizreformen ist die Liste der Erfolge auch unter Präsident Wolodimir Selenski überschaubar. In den von prorussischen Kämpfern besetzten Gebieten Lugansk und Donezk ist eine Friedenslösung nicht in Sicht. Hinzu kommt eine massive Bedrohung durch den jüngsten russischen Truppenaufmarsch an der Grenze.

Georgien steckt innenpolitisch in einer Dauerkrise, die vor allem durch einen erbitterten Machtkampf zwischen der Regierungspartei Georgischer Traum und der größten Oppositionspartei, Vereinte Nationale Bewegung (ENM), gekennzeichnet ist. In diesem Jahr vermittelte die EU ein Wahlabkommen zwischen den beiden Kräften, das der Georgische Traum kurz darauf platzen ließ. In ihrer Auseinandersetzung mit der Zivilgesellschaft findet die Regierung nichts dabei, elementare Grundrechte zu verletzen. So geschehen bei einer Pride-Parade im vergangenen Juli, als ein homophober Mob auch 50 Jour­na­lis­t*in­nen attackierte, die Polizei jedoch kaum eingriff.

Ursula von der Leyen September 2021.jpg

So beschwöre ich denn, die  Geister meiner Ahnen.  Gebt mir Kraft so richtig abzusahnen.

Auch in Georgiens direkter Nachbarschaft kann von Ruhe keine Rede sein. Gut ein Jahr nach dem Krieg zwischen Armenien und Aserbaidschan um Bergkarabach, der für Jerewan bedeutende Gebietsverluste zur Folge hatte, ist der von Russland vermittelte Waffenstillstand brüchig. Die Niederlage hat die Position des armenischen Regierungschefs Nikol Paschinjan geschwächt. Ohnehin ist der Vertrauensvorschuss für den „Helden“ der Samtenen Revolution (2018) längst aufgebraucht. Mit solchen Kleinigkeiten halten sich Aserbaidschans autokratischer Präsident Ilham Alijew und sein kleptokratischer Klan nicht auf. In Aserbaidschan sind schwere Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung. Derzeit sitzen 122 politische Gefangene hinter Gittern.

In Belarus sind es im Dezember 2021 knapp 800 Häftlinge mehr – eine Folge drastischer Repressionen, mit denen das Regime seine Kri­ti­ke­r*in­nen bestraft. Staatschef Alexander Lukaschenko sitzt dank Moskau immer noch im Sattel und versucht sogar, die EU zu erpressen, indem er Geflüchtete an die EU-Außengrenze bringen lässt. Im vergangenen Juni stieg Minsk als Reaktion auf EU-Sanktionen aus der ÖP aus.

Quelle       :        TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Bruselas (Bélgica), 19 de Marzo 2012. En el Edificio Berlamont, de la Comisión Europea, el Canciller Ricardo Patiño se reunión con la Vicepresidenta de la Comisión Europea y Alta Representante para la Política Exterior y de Seguridad de la Unión Europea, Catherine Ashton.

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Unten      —       Eines der Bilder, die während der zweiten Rede zur Lage der Union aufgenommen wurden, die die Präsidentin der Europäischen Kommission Ursula von der Leyen am 15. September 2021 in Straßburg gehalten hat. Im Anschluss fand eine Aussprache mit den Mitgliedern des Parlaments statt, in der sie die von der Kommission in den vorangegangenen zwölf Monaten geleistete Arbeit bewerten und künftige Herausforderungen erörtern. Weiterlesen: www.europarl.europa.eu/news/en/headlines/priorities/soteu… Dieses Foto kann unter der Creative Commons Lizenz CC-BY-4.0 frei verwendet werden und muss mit folgendem Vermerk versehen werden: „CC-BY-4.0: © European Union 2021 – Source: EP“.

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Ampel steht auf Kreuzzug

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2021

Alle im Corona-Glaubenskrieg mit den ungeimpften Protestanten im Visier ihrer schwarz-rot-grün-goldenen Jäger!

Wer macht hier den Olaf?

Von Dr. Nikolaus Götz

Der fanatische Glaubenskrieg (1), der zeitlich mit dem Abgang der Altkanzlerin Angela Merkel, offen in der Bundesrepublik Deutschland ausgebrochen ist, erreicht mit der weiteren Entrechtung und beabsichtigten Kriminalisierung von rund 20 Millionen deutscher Bundesbürger seinen nächsten Höhepunkt. Wie im finsteren Mittelalter rufen gewisse verantwortungslose Politiker aller Couleur deutscher Lande nun zur Hexenjagd gegen ihre eigenen Mitbürger auf. Nicht nur Erwachsene sollen sich dem ausgerufenen Impfzwang und der durchgeführten Entrechtung unterwerfen, nein auch besonders die Schulkinder (und selbst Babys) stehen fest im Blickfeld dieser fanatischen Virenaustreiber! Schon mahnen besorgte Kinderärzte und weisen auf das Anwachsen der Depressionserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen hin. Auch die Anzahl an Kindersuiziden hat sich im Jahr 2021 verdoppelt!

Schon einmal in der deutschen Gesichte haben „die Leitmedien“ gleichgeschaltet einen autoritären und seine Bürger kontrollierenden Staat unterstützt! Seit März 2020 waren es nun diese Redakteure in den Leitmedien, die mit ihrer unaufrichtigen, übertreibenden, unausgewogenen, undifferenzierter ja mit ihrer wie gleichgeschalteten Berichterstattung diese aktuelle politische Spaltung der Gesellschaft in der BRD mit heraufbeschworen haben! Die einseitige schockartige Dauerberieselung der breiten Bevölkerung mit dem Thema „Corona“, die unsäglichen Propagandarunden mit „Stars“ aus dem öffentlichen Leben und die Diffamierung der gleich als „Spinner“ gebrannt markten ’Querdenker’ unter Ausblendung der Mahnungen und Hinweise von kritischen Fachspezialisten aus der Ärzteschaft waren Teil der täglichen ’schwarzen’ TV-Show in Göbbelscher Qualität (2). Das betraf besonders auch das Bundestagswahljahr. Die Frage im Fernsehen an den bis dato ’unbekannten’ Karl Lauterbach (SPD) noch vom März 2020, wann denn ein Impfstoff gegen Corona käme, war symptomatisch für das offen gezeigt Unwissen der TV-Reporter. Diese Leitmedien, allen voran ARD, ZDF und/ oder auch RTL und ihre Sendungen, tragen große Mitschuld an der aktuellen humanitären, wirtschaftlich-sozial-politischen Katastrophe. Doch unser TV-Star wie aus der „Truman-Show“ Herr Dr. Lauterbach hat ’Karriere’ gemacht und ist nun neuer deutscher Bundesgesundheitsminister (3).

Der noch 2020 durch die demokratisch gewählten alten Repräsentanten getätigte Abbau von eigentlich durch die Verfassung garantierten Bürgerrechten, der dem Volk von den Medien kaum erklärte ’Umsturz’ der politischen Parteipositionen, führte zur einer Zerrüttung des „sozialen Friedens“, mündete ein in die aktuelle Spaltung der bundesdeutschen Gesellschaft und in die neuen zwei „fanatischen Religionen“, die der Geimpften und die der Ungeimpften. Darin liegt die hauptsächliche mediale Schuld, die diese ’Vierte Gewalt’ im Staate unreflektiert auf sich geladen hat. Diese ’kleberschen’ Redakteure in ARD, ZDF und Co sind mit zur Verantwortung zu ziehen, bei der irgendwann sicher kommenden politischen Aufarbeitung der bundesdeutschen „Corona-Zeit“.

Die schädliche Aufgeregtheit der Leit-Medien, mit der Bevorzugung gewisser gewünschter Politiker, bestimmte jedoch urplötzlich und wie gleichgeschaltet politisches Handeln in Stadt und Land. All zu auffällig war die TV-Präsentation von Markus Söder (CSU) als der „Corona-Macher“ und bessere Kanzlerkandidat für die CDU, der es dann aber doch nicht wurde. Fast unreflektiert folgten Politiker von rechts bis links dem medial inaugurierten „Kurs der Stärke gegen das Virus“, dem Heilruf zur „Maske auf!“, der AHA-Regel und endlich dem, auch die Wirtschaft schwer schädigenden, ’Lockdown’ mit der propagierten Impfung für „Zero-Covid“ als Schutzmaßnahme für das zu behütende Volk! Die zahlreichen kritisch- medizinischen Hinweise zu den erlassenen Anordnungen aus den Reihen der Ärzteschaft wurden in der BRD von den Leitmedien (fast) ebenso unterdrückt, wie die im „ach so böse“ hingestellten kommunistischen China! Der ehemalige Bundestagsabgeordnete für die SPD Dr. Wolfgang Wodarg beschreibt die gegen ihn gerichtete diffamierende Hetzkampagne (4), und der Univ. Professor Dr. med. Sucharit Bhakdi, Facharzt für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie hat aus Sicherheitsgründen längst die BRD verlassen (5). Armes ’freies’ geblockboostertes Deutschland!

Und auch politisch bisher eher ’links’ einzuordnende Gruppierungen forderten den ’Lockdown’ im Zusammenhang mit den Corona-Infektionen offensiv (6). Wollten sie doch im Parteien-Impfchorus nicht fehlen. Dieser unreflektierte ’Call of Duty’, dieses Bei-pflichten von sogenannten LINKEN erstaunt, da sie es waren, die um die Gefahren des staatlichen Notstandes Bescheid wussten und darunter, wie der Blick in die deutsche Geschichte zeigt, zu leiden hatten, ebenso wie die geschichtsvergessene Sozialdemokratie! Furchtbar, denn nur mit Hilfe all dieser ’Blockflöten’ war es möglich, ein Reiseverbot, ein Kontakt- und Versammlungsverbot durchzusetzen ebenso wie das Aussetzen des Rechtes auf Bildung, Kunst und Religion. Statt die notwendigen Reformen am Gesundheitssystem der BRD vorzunehmen haben diese undemokratischen Führungseliten lieber und „endlich“ jetzt gar mit der juristischen Verfolgung der ungeimpften ’Protestanten’ (!!!) begonnen! Die kommende ’Impfpflicht’ oder ehrlicher der ’Impfzwang’ ist das Glockengeläute der anfangenden ’Impfdiktatur’ im Überwachungsstaat, nur wegen der Vireneindämmung und nur zum Schutz der Bürger, der bisher demokratischen Bundesrepublik Deutschland.

Zum Erstaunen der Öffentlichkeit waren/sind es jetzt die bisherigen ’Rechten’, die im Bundestag sich für die sogenannten ’Grundrechte’ lautstark einsetzen: „Grundrechte heißen Grundrechte, weil sie die Grundlagen unseres Lebens bilden. Grundrechte sind gerade für die Notzeiten da. Wenn sie in Krisen und Notzeiten weggeschoben werden, dann sind sie nichts wert, dann kann man sie vergessen!“ (7). Was ist passiert in den Köpfen der politisch Denkenden, dass ein solches ’Renversement des Alliances’(dt.: Umkehr der Allianzen), ein solch fundamentaler Umschwung plötzlich in den parteipolitischen Positionen möglich war? Die medial übertrieben dargestellte Corona-Pandemie veranlasste natürlich die Politiker zum Handeln. Diese Macher wollten ihr politisches Können beweisen und griffen zurück ins dunkle Mittelalter! Gegen das Virus agierend wollend, vergasen viele Repräsentanten dabei die demokratischen Grundwerte und zudem ihren Wählerauftrag gegenüber „ihren“ Bürgern, den ’einfachen’ Menschen in der BRD.

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Seht hier wie das Karlchen grinst – wenn er seine Viren fängt

Statt die alte deutsche Bonner Republik friedlich, ökologisch und ggf. auch emanzipativ (?) weiter zu entwickeln, zerstörten diese ’LeidpolitikerInnen’ das bisher geltende Wertesystem und brachten/bringen ihrem Volk wirtschaftlichen Ruin. Anstatt, wie schon gesagt, das Gesundheitssystem zu modernisieren, wurde/wird es sogar abgebaut! Das „Verboten für Ungeimpfte“ und der „Gelbe Stern“ schweben jetzt und heute so ungeschrieben und unangeheftet über den Köpfen der Ungeimpften, die „ausgeschlossen“ sind bei der normalen Staatsteilhabe. Sie sind ausgeschlossen beispielsweise aus ihrer Stammkneipe, dem Frisör, ihrem Bäcker oder aus dem Nachbarschaftsladen! Ja, noch dürfen die Bürger einkaufen, wenn das nicht alsbald auch ’Amazon’ kostenpflichtig übernehmen darf! Der propagierte ’Lock-down’ wird endlich zum demokratischen „Lock up“!

Sollen die Ungeimpften jetzt etwa ihrer Regierung „Danke!“ sagen? Und so können wir Deutsche unsere ’undemokratischen’ chinesischen Besucher freundlich mit den Worten empfangen: „Herzlich willkommen in der Deutschen Demokratischen IMpf-Republik (DDiR)“, musikalisch untermauert mit den Klängen des im Inneren eingesetzten Bundeswehrmusikcorps: „Habt Ihr den Farbfilm nicht vergessen….“ (8).

Anmerkungen:

1 Dieser ’Wind of change’, ein typischer ’Westwind’, brach in Frankreich aus, erreichte als Sturm zwar die Niederlande, ebbte aber erwartungsgemäß ganz lau werdend über Deutschland ab. Der ’Wetterfrosch’ weis aber: ’Ruhe’ ist stets das Zeichen vor dem kommenden Sturm!

2 Siehe die zahlenreichen Artikel des Autorenteams Friedhelm Klinkhammer und Volker Bräutigam, die versuchen gegen die ’FAKE-NEWS’ der deutschen öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten anzuschreiben. Siehe beispielsweise veröffentlicht auf „www.scharf-links. de“

vom 11. 12. 2020: Die Erfolgsgeschichte der Gehirnwäscher

vom 28. 11. 2020: ARD-Insider packen aus: zwischen Feindbild und Wetterbericht

vom 16. 11. 2020: Ungebrochen: die häusliche Gewalt der Tagesschau u.a. mehr…

sowie deren Buchveröffentlichungen:

Maren Müller, Volker Bräutigam u. Friedhelm Klinkhammer: Zwischen Feindbild und Wetterbericht. Tagesschau & Co. – Auftrag und Realität. Papyrossaverlag, Köln 2019. Paperback, 253 Seiten, 16,90 Euro.

3 Herr Dr. Karl Lauterbach ist kein ordentlicher deutscher „Uni. Prof. habil.“ (Siehe: de.wikipedia.org/wiki/Karl_Lauterbach); dort wird sein Professortitel als „Adjunct professor“ (dt.= außerplanmäßiger Professor) angegeben.

4 Siehe auch die diesbezüglichen Ausführungen von Wolfgang Wodarg in seinem Buch: Falsche Pandemien: Argumente gegen die Herrschaft der Angst, München 2021, S. 20.Auf WIKIPEDIA ist zu lesen: „Seine Stellungnahmen während der COVID-19-Pandemie in Deutschland stießen bei Wissenschaftlern, Politikern und Medien auf breite Kritik: Wodarg verharmlose Charakter und Wirkungen der Pandemie.“ (siehe WIKIPEDIA: de.wikipedia.org/ wiki/Wolfgang_Wodarg).

5 Siehe das Buch: Dr. Karina Reiss/Uni.-Prof. Dr. Sucharit Bhakdi: Corona Fehlalarm, Berlin 2020.

6 Die DKD lancierte die Bürgerbewegung Zero-Corid: Heute schreibt Christian Zeller in: Marx 21.de: „Corona: Die Pandemie ist außer Kontrolle“; über DKP-Saarland-Info 12-2021:

Die im Januar 2021 gegründete Initiative ZeroCovid forderte zunächst mit beträchtlicher medialer Beachtung einen solidarischen Shutdown und massive Unterstützungsmaßnahmen für alle Menschen, die unter einem Shutdown leiden. Der Regierungen verfolgen einen anderen Kurs. Ihnen geht es bloß darum, die Ansteckungsdynamik abzuflachen, aber nicht wirklich zu brechen.“…..Und einige Zeilen später: Einige linke Intellektuelle kritisierten ZeroCovid scharf. Sie meinten, ZeroCovid würde einem starken Staat das Wort reden. Die Banalität, dass ZeroCovid politische Forderungen an Regierungen stellt, reicht wohl nicht um diesen absurden Vorwurf zu begründen. Kommentar: Der Autor widerlegt mit seiner Begründung jedoch nicht den erhobenen Vorwurf, er negiert ihn nur! Und dann schreibt Zeller: ZeroCovid richtete die ganze Kampagne auf die Selbstorganisierung der Menschen aus.“ Jetzt wird es also furchtbar dumm: Ein Mensch, beispielsweise mit einen geplatzten ’Binddarm’, soll sich „selbst organisieren“! Na denn Prost Herr Zeller!

7 Zitat nach Prantl, Chefkommentator der Süddeutschen Zeitung, zitiert von Dr. Alexander Gauland (AfD) in: Das Parlament, Debattendokumentation, Nr.48, vom 23. Nov. 2020, S.1. Das Renversement des alliances (dt.: Umdrehung/Umkehrung der Allianzen) war eine grundlegende Wende in der europäischen Bündnispolitik zwischen Frankreich und den Staaten ’England’, ’Preußen’ und ’Habsburg’ sowie ’Russland’(Vgl.: WIKIPEDIA).

8 Anspielung auf das Lied von Nina Hagen: „Du hast den Farbfilm vergessen… (Siehe: wikipedia.org/wiki/Nina_Hagen). Ob es vielleicht die größte Leistung von seit heute „Altkanzlerin“ Frau Merkel (Corona Derivate Unterstützer: CDU) war, die Westdemokratie der Bonner Republik „aus später Rache“ gegen das kapitalistischen System in einer unbemerkten ’Wende’ in ihre alte zentralistisch geführte, autokratische Staatsheimat mit scheinparlamentarischer Demokratie, also in die altbackene „Ostzone“, später auch „DDR“ (Eigenbenennung) zurückverwandelt zu haben? Nein, eine solche abstruse Annahme wäre eine sogenannte „Verschwörungstheorie“. Sie ist schlechtweg Unsinn! Vielleicht würde die These aber so den „linken Applaus“ gewisser Menschen in West wie Ost an den aktuellen politischen Zuständen in der freiheitlich demokratischen Bundesrepublik Deutschland erklären können.

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Grafikquellen          :

Oben     —  Simon von Cyrene, Lebendiger Kreuzweg, UlmKarfreitag 2011

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Unten      — Karl Lauterbach in der WDR-Sendung „Maischberger“ am 2019-04-10

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Diplomatische Eistänze

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2021

Deutsche Außenpolitik auf dem Glatteis

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Quelle:    Scharf  —  Links

Ein Kommentar von Georg Korfmacher, München

Dass die ersten internationalen Auftritte der neuen Außenminsterin schwierig sein würden, war zu erwarten. Umso interessierter hörte man hin, zu was und wie sie sich verhalten und äussern würde. Geradezu zu erwarten war, dass sie sich zu nichts so recht festlegen wollte und sich prompt auf die regelbasierte internationale Ordnung (RiO) berief. Darunter versteht sie im Wesentlichen eine Ordnung basierend auf den Menschenrechten, internationalen Verträgen und der Demokratie. Und genau damit begibt sie sich auf ein schwieriges Glatteis. Denn um welche Demokratie soll es sich dabei handeln? Um die verschrobenen Demokratiegebahren in England, über die sich schon Rousseau mokierte? Oder etwa um die Demokratie amerikanischer Prägung mit dominant militanter Einstellung, Rassismus ohne Ende und gegenseitiger Behinderung zweier Parteien am Volksinteresse vorbei? Die deuitsche parlamentarische oder vielleicht doch eher die französische direkte Demokratie? Also, eine weltweit nach gleichen Regeln praktizierte Demokratie hat es noch nie gegeben und wird es auch nie geben! Das sollte eine Außenministerin unserer Republik an sich wissen und beherzigen.

Eine Hilfe, bei ihrer selbst provozierten Gefahr nicht auszurutschen, bestünde darin, sich mit den 5 Prinzipien der friedlichen Koexistenz vertraut zu machen. Dort sind politische und menschliche Vorstellungen formuliert, die heute noch jeder Mensch mit Herz und Verstand unterschreiben kann. Das würde ihr auch helfen, ihre verkrampfte Haltung gegenüber China zu reviedieren. Selbstverständlich sind Produkte aus Kinderarbeit ebenso abzulehnen wie solche aus Internierungslagern, aber das ist zunächst Sache der großen Industrien und Händler, die ihre Lieferketten auf Einhaltung der Menschenrechte und sauberer Arbeitsbedingungen überprüfen müssen. Leider herrscht da aber allzu oft das Prinzip „pecunia non olet“ (Geld stinkt nicht).

Und ob „die Demokratie“ die beste politische Organisationsform ist, bleibt noch zu beweisen. Einige kleinere Staaten wie Schweden, Dänemark und Norwegen scheinen mit ihr Erfolg zu haben. Sobald es sich aber um größere Staaten wie USA oder Brasilien handelt, kann die dort praktizierte Demokratie höchst fragwürdig werden. Und auch unsere Demokratie ist kein Exportschlager, wenn man etwas genauer hinschaut.

Die Wahrung der Menschenrechte ist heute in fast allen Ländern der Welt verfassungsmäßig festgeschrieben, inklusive China. Internationale Vereinbarungen werden schlecht und recht eingehalten, schreiben abe mindestens fest, wie es eigentlich gehen sollte. Aber wo bleiben der Respekt der Souveränität und territorialen Integrität, der Verzicht auf Gewalt, die Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten sowie Gleichberechtigung und gegenseitiger Nutzen bei friedlicher Koexistenz. Das sind gigantische Betätigungsfelder für unsere Aussenpolitik. Solange das alles nicht vernünftig geregelt ist, befindet sich die deutsche Außenpolitik auf gefährlichem Glatteis, denn Demokratie darf und kann keine Bedingung für eine regalbasierte internationale Ordnung sein.

Urheberecht
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Boulevard der Albträume

Erstellt von Redaktion am 14. Dezember 2021

Roter Teppich für die „Bild“

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Von   Ömer Erzeren

„Hürriyet“ und „Bild“-Zeitung haben viel gemein. Hinter beiden Medien stehen mächtige, quasi staatstragende Konzerne. Ein wahrer Abgrund.

2006 hat sich die Springer-Verlagsgruppe beim größten türkischen Medienkonzern Doğan (dazu gehört als Flaggschiff die Boulevardzeitung Hürriyet) eingekauft. 2018 wurden die Anteile wieder abgestoßen. Zuvor waren die Hauptanteile des Medienhauses an den Unternehmer Demirören verkauft worden.

Einen Mann, den Staatspräsident Erdoğan telefonisch ausschimpfen und zum Weinen bringen konnte. Die Springer-AG kassierte seinerzeit eine dreistellige Millionensumme. Und ihr Vorstandsvorsitzender Mathias Döpfner war traurig: „Ein außerordentlich bedauernswertes Zeichen für den Journalismus in der Türkei“. Heute setzen die gleichgeschalteten Medien um, was die Herrschenden einfordern: Die Wirklichkeit verzerren, Inflationsraten und Covid-Infektionszahlen senken, Bösewichte konstruieren und die Herrschenden rühmen.

Als Gegenleistung gibt es gewaltige staatliche Bauaufträge (Autobahnen, Flughäfen, Brücken) und die Chefredakteure dürfen sogar im türkischen Präsidentenjet mitfliegen.

Die guten, bösen alten Zeiten

In den guten alten Zeiten, als sich der Axel-Springer-Konzern bei der Doğan-Gruppe einkaufte – war Hürriyet noch Staat im Staat, um dessen Gunst Politiker buhlten. Das Boulevardblatt brachte Minister zu Fall und stürzte türkische Regierungen. Doch der Umstand, dass Hürriyet nicht unmittelbarer Erfüllungsgehilfe der Regierung war, machte sie nicht besser. Journalistisches Ethos wurde mit Füßen getreten, Menschenleben wurden zerstört.

Die Ermordung des kurdischen Menschenrechtsaktivisten und Vorsitzenden der Anwaltskammer der Stadt Diyarbakir, Tahir Elçi, folgte unmittelbar der Medienkampange in Hürriyet, in welcher Elçi als „Terrorist“ denunziert wurde.

An die guten alten Zeiten der Hürriyet erinnerte ich mich anlässlich der Spendengala „Ein Herz für Kinder“, die Bild veranstaltet. Nicht der Vergangenheit von Bild wegen. Nicht wegen den Schüssen auf Rudi Dutschke, nachdem dieser im Boulevard als Bösewicht dargestellt wurde, nicht wegen der Hetzkampagne gegen den Schriftsteller Heinrich Böll wegen seines Romans „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“.

Gewehr bei Fuß

Die Politik stand damals Gewehr bei Fuß, um die Bild-Zeitung zu verteidigen und Böll in die Nähe des Terrorismus zu rücken. So tat es auch der CDU-Politiker und spätere Bundespräsident Karl Carstens. Er hatte Bölls Roman zwar nicht gelesen, wusste aber, dass das Boulevardblatt gegen terroristische Schriftsteller verteidigt werden müsse.

Auch der Investigativjournalist Günter Wallraff, der das Binnenleben von Bild aufdeckte und dafür verleumdet wurde, ist Vergangenheit. Vergangenheit ist auch CDU-Politiker Christian Wulff, der vom Bundespräsidentenamt zurücktreten musste, weil er es sich mit der Bild-Zeitung verscherzt hatte.

Nein, wir sind in der Gegenwart. Und aktuell sind Olaf Scholz, Annalena Baerbock und Robert Habeck gemeinsam mit Mathias Döpfner bei einer Charity. Jener Döpfner, von dem wir wissen, dass er den Zustand des Journalismus in der Türkei bedauert und auch große Gefahren für Deutschland sieht. Just am Tag der Gala wurden in Bild die Wis­sen­schaft­le­r:In­nen Dirk Brokmann, Viola Priesemann und Michael Meyer-Hermann als „Die Lockdown-Macher“ (so die Schlagzeile auf Seite eins) denunziert.

Quelle      :           TAZ-online          >>>>>>         weiterlesen 

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Oben     —   BILD Werbung / „BILD“ advertising

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Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte   

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Pandemien und Paranoia

Erstellt von Redaktion am 13. Dezember 2021

Ein Triumph des Irrationalen

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Von Gastkommentator Manfred Kriener

Ob Aids oder Corona: Pandemien mobilisieren Ängste und Ohnmachtsgefühle. Da ist es fast zwangsläufig, dass Verschwörungsmythen florieren.

Die Herren waren aus Bremen angereist. US-Physiker Ernest Sternglass und sein Berufskollege Jens Scheer, beides angesehene Autoritäten der Anti-Atombewegung, standen in der taz-Redaktion, um Tacheles zu reden. Es war Mitte der 1980er Jahre, Aids begann zu wüten, und die beiden Professoren wussten genau, warum: Das Immunschwächesyndrom sei die tödliche Folge radioaktiver Niedrigstrahlung durch den weltweiten Ausbau der Atomkraft. HIV sei der gigantische Vertuschungsversuch einer Atomkatastrophe.

Es war nicht die einzige Verschwörungstheorie, die sich um Aids rankte. Mal wurde die Immunschwäche als Folge der Umweltkrise erklärt, mal als Krankheit der Armut, natürlich auch als Strafe des zürnenden Gottes. US-Forscher Peter Duesberg versammelte eine riesige Anhängerschar, die teilweise bis heute überzeugt ist, dass Aids nichts mit Viren zu tun hat.

Auch zur Herkunft des Erregers zirkulierten schillernde Thesen. Die Bekannteste: HIV sei eine aus dem Ruder gelaufene, laborgezüchtete Biowaffe des US-Militärs. Ähnlich irrationale Positionen bestimmten die Aidsbekämpfung. Selbst der Spiegel war infiziert und machte im Schulterschluss mit CSU-Mann Peter Gauweiler in Panik, um potenzielle Virusträger zu testen, auszusondern, wegzusperren.

HIV und Coronavirus sind grundverschieden, aber sie haben eines gemeinsam. Sie mobilisier(t)en weltweit Angst, Unsicherheit, Ohnmachtsgefühle und gemeingefährlichen Irrsinn in erstaunlichem Ausmaß.

Viren sind eine lautlose, unsichtbare und damit heimtückische Bedrohung. Bei HIV waren vor allem sogenannte Risikogruppen gefährdet, bei Corona sind wir alle dran. Aber die einen sterben an Covid, die anderen spüren nicht mal ein Kratzen im Hals. Gleichzeitig mutiert das Virus permanent, nimmt immer gefährlichere Formen an. Als Folge blüht die Kriegsrhetorik, Politiker wie Macron und Johnson erklären den Kampf gegen Sars-CoV-2 zur Mutter aller Schlachten, den deutschen Coronakrisenstab kommandiert ein General.

In dieser Gemengelage ist eine paranoide Weltdeutung die fast schon logische Konsequenz. Der Verlust wissenschaftlicher Faktizität, der Untergang des Arguments gehören zur Pandemie wie die tägliche Arithmetik der Ansteckung. Dass aber ein naheliegendes Schutzkonzept wie die Impfung von jedem fünften Erwachsenen in Deutschland verweigert oder verschludert wird, überrascht dann doch. Sind wir so vernagelt, so idiotisch im griechischen Sinne?

Die Triage beginnt

Statt die Viruslast durch konsequente Impfdisziplin gegen Null zu drücken, steuert das Land wegen des Bettennotstands der Intensivmedizin auf eine Triage zu, die in zarten Anfängen schon begonnen hat. Wer kommt frühzeitig und wer etwas später auf die Intensivstation, wer wird per Hubschrauber in andere Kliniken verlegt und wer nicht, wen versorgt das medizinische Personal mal mehr, mal weniger aufopferungsvoll? Das wird in den Coronahotspots täglich entschieden.

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Die Wut auf die Ungeimpften wächst. Sie sind es vor allem, die unsere medizinischen Ressourcen auffressen; auf manchen Stationen belegen sie 90 Prozent der Covid-Intensivbetten. Sie sorgen dafür, dass dringende Operationen verschoben werden.

Die Konstellationen sind bizarr. Pflegepersonal und Ärzte werden jetzt gesetzlich verdonnert, sich impfen zu lassen, damit sie die wachsenden Heerscharen der Ungeimpften in den Krankenhausbetten bestens versorgen können.

Die meisten der nicht geimpften Krankenhaus-Patienten sind „Umkehrer“. Sie machen sich Vorwürfe oder bedauern aufrichtig, dass sie die Vakzine verweigert haben. Sie setzen sich damit ihren Schamgefühlen aus. Doch es gibt auch die zweite Kategorie. Menschen, die selbst nach lebensrettender Intensivbehandlung ihrer paranoiden Sicht treu bleiben.

Der Triumph des Irrationalen mache selbst vor dem Tod nicht halt, sagt der Aachener Psychoanalytiker Micha Hilgers. Es geht nicht nur um Corona, es geht um die eigene Identität, die bei diesen Menschen unauflöslich mit der Ablehnung staatlicher und wissenschaftlicher Instanzen verknüpft ist; Misstrauen, Bitterkeit und oft auch Hass sind grenzenlos.

Wenn es um Leben und Tod geht

Quelle         :          TAZ-online           >>>>>       weiterlesen

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Oben     —     Charleroi (Belgique) – Station Janson du métro légerLes Psy.

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Viren und die Gerichte

Erstellt von Redaktion am 13. Dezember 2021

Warum gegen die Steinzeit-Virologen beim RKI kein Ankommen ist

Bundesarchiv Bild 137-03206, Georg Sultan, Japanbesuch.jpg

Von Johannes Kreis

Heute  möchten ich darauf hinweisen, dass Viren vor Gericht nicht Neues sind, z.B. HIV,

Frau Benaissa wurde vom Amtsgericht Darmstadt im August 2010 wg. gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung und 300 Arbeitsstunden in einer AIDS-Einrichtung verurteilte. Niemand hat Frau Benaissa gesagt, dass alle offenen Fragen zu der HIV=AID Syndrom Vermutung ungeklärt waren  und weiterhin sind.

Noch nie hat irgendein Gericht, weltweit, die Konsensvermutung, HIV sei die kausale Ursache des AID Syndroms, in Frage gestellt. Trotz schwerwiegender Widersprüche in der Virustheorie und ganz grundlegenden offenen Fragen, wie z.B. „How does HIV-1 cause AIDS?“.

HOW DOES HIV-1 CAUSE AIDS?  As is apparent from this article and the rest of the collection, in the 25+ years since its discovery, we have learned an enormous amount about HIV, but we still cannot answer the one big questionHow does HIV-1 cause AIDS?

Bei den schwer drogenabhängigen, multipel infizierten Homosexuellen in den USA in den 1980er Jahren, also den echten AID Syndrom Patienten, starben vor allem die nicht infizierten CD4 Zellen des Immunsystems. D.h. die Zellen ohne HIV. Das sogenannte Bystander-Zellen-Rätsel von AIDS (nicht HIV!). Es ist nur dann ein Rätsel, wenn man eine virale Ursache unterstellt. Es ist kein Rätsel, wenn man von dem langjährigen Drogen- und Medikamentenabusus sowie den zahlreichen (klassischen) Infektionen in dieser Population ausgeht (Syphilis, Herpes, Gonorrhoe, …). Das betrifft alle Zellen gleichermaßen. Das Gleiche gilt für die hochtoxischen Substanzen, die man als antiretrovirale „Therapie“ bezeichnet.

Niemand hat Frau Benaissa darüber aufgeklärt, welch haarsträubenden Zufalls es um 1930 in Afrika bedurft hätte, damit fast zeitgleich mindestens 13 Zoonosen (2010 wußte man von mindestens 7) von insgesamt 3 verschiedenen Affenarten erfolgten. Niemand hat ihr, oder dem Gericht erklärt, dass jeder objektive Beweis dafür fehlt. Man interpretiert einfach alle Daten unter dieser Annahme. Warum auch nicht, so steht es schließlich im Lehrbuch.

  • Jawetz, Melnick and AdelbergMedical Microbiology”, McGraw-Hill Education, 26th Edition, 2013, p. 656:

Origin of AIDS – HIV in humans originated from cross-species infections by simian viruses in rural Africa, probably due to direct human contact with infected primate blood. Current evidence is that the primate counterparts of HIV-1 and HIV-2 were transmitted to humans in multiple (at least seven) different occasions. Sequence evolution analyses place the introduction of SIVcpz into humans that gave rise to HIV-1 group M about 1930, although some estimates push the date back to about 1908. Presumably, such transmissions occurred repeatedly over the ages, but particular social, economic, and behavioral changes that occurred in the mid 20th century provided circumstances that allowed these virus infections to expand, become well-established in humans, and reach epidemic proportions.”

“More in detailed studies showed that SIVs from chimpanzees and gorillas have crossed the species barrier on at least four occasions leading to HIV-1 group M, N, O and P in humans [6,23]. The different HIV-2 groups are the result from at least nine independant transmissions of SIVs from sooty mangabeys in west Africa [6,23,24].”

Was das für besondere soziale, ökonomische und verhaltensbezogene Umstände Mitte des 20. Jahrhunderts gewesen sein sollen, über die das Lehrbuch spekuliert, weiß niemand. Aber, soll ein Gericht anzweifeln, was im Lehrbuch steht? Wo kommen wir denn da hin, wenn man nicht einmal dem glauben kann, was im Lehrbuch steht?

Die Virus-Hypothese von AIDS benötigt diese mindestens 13 Zoonosen um 1930 herum in Afrika, damit es gemäß der ebenfalls unbewiesenen slow virus Theorie von HIV und den 15 – 20 Jahren Inkubationszeit dieser langsamen Viren (Lentiviren), Anfang der 1980 Jahre in den USA zu einer Pandemie kommen konnte. Ohne neuen Virus funktionieren die Hypothesen nicht, denn vor 1981 gab es kein AIDS.

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Es geht bei SARS-CoV2 und dem Rest der Virus-Fakedemien, einschließlich HIV, um mehr als nur Kritik an der Methodik. Es geht um den Absolutheitsanspruch der Wissenschaft und die Selbstverständlichkeit mit der wissenschaftliche Hypothesen unser Leben regieren. Die Wirtschaft hat sich das clever zunutze gemacht. Dr. Best und seine Zahnbürste lassen grüßen.

Was soll da ein Gericht noch ausurteilen? Der Sachverhalt wird nicht vom Gericht festgelegt. Das besorgt das RKI, das PEI und diverse andere sogenannte „wissenschaftliche Institute“, z.B. bei der Max-Planck-Gesellschaft, der Fraunhofer-Gesellschaft, der Leibniz-Gemeinschaft und der Helmholtz-Gemeinschaft. Kritik an der Wissenschaft oder gar Selbstkritik wird man von dieser Seite nicht hören.

Denn wer die Konsensvermutungen hinterfragt, der ist kein Wissenschaftler. Punkt. Man muß diesen Kern verstanden haben, und hoffentlich findet sich irgendwann einmal ein Gericht, dass ihn versteht: Die Wissenschaft entscheidet in einem Konsensverfahren, was die jeweils angesagte Theorie ist. Alles was dem Konsens widerspricht wird ausgeblendet. Die vornehmste Fähigkeit der sogenannten Professoren ist es, sich an der richtigen Stelle dumm zu stellen.

Man ist Lichtjahre von der Idee entfernt, eine Theorie sei so lange gültig, bis sie im theoriefalsifizierenden Experiment wiederlegt worden ist. Zum einen unterläßt man vielfach das entscheidende Experiment. Man erklärt es einfach für nicht notwendig, denn nur „Spinner“ und „Leugner“ ziehen den Konsens in Zweifel. Zum anderen, selbst wenn ein Experiment der Theorie widerspricht, so wird es umgedeutet, als Sonderfall deklariert und/oder methodisch in Zweifel gezogen. Eine ergebnisoffene Diskussion von Daten gibt es in der Wissenschaft nicht. Inzwischen werden wissenschaftliche Hypothesen politisch durchgesetzt. Da macht dann eine inhaltliche Argumentation keinen Sinn mehr. Es ist nur noch eine Frage der Mehrheit, welche Theorie in der Natur realisiert sein soll und welche nicht.

Die Mehrheiten beschafft man sich mit Pseudostatistiken. Es ist erbärmlich, was die Landes- und Bundesbeamten an den Universitäten und Instituten hier abliefern. Viele SARS-CoV2 Kennzahlen, wie die „Zahl der positiven Tests“ („Inzidenz“ genannt), ergeben weder medizinischen noch statistischen Sinn, oder sie werden beliebig manipuliert, wie die Impfquote in der Notfallmedizin, wo die Fälle mit unklarem Impfstatus pauschal den Ungeimpften zugerechnet werden. Da ist nicht mal ansatzweise irgendeine Wissenschaft drin. Aber man kommt trotzdem damit durch. Welches Gericht kann sich dem entgegenstellen? Wo sollen die unabhängigen Sachverständigen herkommen? Vielleicht aus Polen, Schweden oder Florida?

Viele, die jetzt fassungslos vor dem Corona-Lockdown-Impf-Scherbenhaufen stehen, haben jahrelang, die Rufe der Kritiker des HIV=AIDS Dogmas überhört und ohne weitere Prüfung denjenigen geglaubt, die die Kritik als Spinnerei abgetan haben. Erst wenn man die Anfänge des Viruswahns versteht, versteht man die ungeheure Verblendung und Anmaßung der Wissenschaft, und die entsetzliche Naivität all derer, die ihr unkritisch folgen. Ein einzelnes Gericht, und seien es auch die Edeljuristen in Karlsruhe, wird das nicht korrigieren können.

Das Bundesverfassungsgericht hat zu der Bundesnotbremse ausgeurteilt, was man von ihm erwartet hat. Nicht nur im politischen Sinne, sondern auch im gesellschaftlichen Sinne. Jeder will, dass die Wissenschaft den Weg weist, dass sie weiß was sie tut, dass alles in Ordnung ist, der nächste Nobelpreis wieder ein Quantensprung ist, usw. Kaum zu glauben, dass es noch etwas geben soll, was die Wissenschaft nicht weiß. Das ist das Wunschdenken der „Wissenschaftsjournalisten“, von denen die Mehrzahl vor 20 Jahren das letzte Mal in einem Labor gewesen ist, wenn überhaupt. Die haben schon lange jeden Realitätsbezug verloren.

Unter geschickter Direktion der Lobbyverbände und der Ärztefunkionäre hat man das alles weit überdreht. Wenn die Wissenschaft nun absolute, letzte Wahrheiten präsentiert, und nur „Wissenschaftsleugner“ zweifeln das an, was soll dann ein Gericht noch sagen? Die Wichtig-Menschen an den Gerichten, mit Prädikatsexamen, sind nur Statisten.

Um die Strafverfahren wg. mutmaßlicher Körperverletzung durch angebliche Übertragung von HIV (nicht AIDS!) ist es ruhig geworden. Inzwischen ist klar, dass jeder HIV+ gemessene Mensch seine eigenen Virusvarianten trägt und man eine Übertragung praktisch nicht nachweisen kann. Zu diesem Punkt kann man die HIV (Mit-)Entdeckerin und Nobelpreisträgerin Françoise Barré-Sinoussi zitieren,

.Barré-Sinoussi et al., “Expert consensus statement on the science of HIV in the context of criminal law.”, J Int AIDS Soc. 2018 Jul;21(7):e25161, https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/30044059

“Mutations of the virus occur repeatedly so that every person living with HIV has more than one virus variant [154]. During transmission, a limited number of virus variants (one to a few) are transmitted, but these will also mutate to form new variants so that no two persons’ HIV is identical [155].

Soll man das wissenschaftlichen Fortschritt nennen? Wir wissen jetzt mehr? Wissen ja, aber anwenden, nein. Die Großkotz-Wissenschaft ignoriert, was ihrem Absolutheitsanspruch entgegensteht und erklärt, dass jede Variante dasselbe Pathogen darstellt, 90 Jahre nach der unterstellten Zoonose.

Das ergibt keinen Sinn, oder genauer, es hat noch nie einen Sinn ergeben. Ein Alltagsbeispiel dazu aus der derzeit täglichen Erfahrung jedes Einzelnen: wenn die mutmaßlichen Impfstoffe aus dem Wirkungsfenster laufen, weil sich das Virom im menschlichen Körper weiterentwickelt (Evolution), dann sollte klar sein, dass die molekularbiologischen Tests analog aus dem Detektionsfenster laufen. Was also messen die Tests, wenn die Zahlen rauf und runter und wieder rauf gehen? Diese Frage ist für deutsche Zeitungsdeppen zu tiefgründig. Soll ein Gericht mehr wissen, als in der Zeitung steht?

Es ist noch nie, weltweit, ein Gericht auf die Idee gekommen, die Herstellerangaben zu den molekularbiologischen Tests zu hinterfragen, nicht bei HIV, nicht bei einem anderen Erreger. Bis heute gibt es in Deutschland keine behördliche Überprüfung der Tests, weder bei HIV noch bei irgendeinem anderen Erreger. Trotzdem werden symptomlose Menschen aufgrund von Tests verurteilt und Grundrechte eingeschränkt. Selbst in vormals als seriös geltenden Zeitungen liest man den Unsinn von den „asymptomatisch Erkrankten“. Bei einer Test-Spezifität von 98% liegt die Falsch-Entdeckungsrate eines Tests, bei 1 Kranken auf 1000 Gesunde, bei 95%. Man überlege mal, was das bei HIV bedeutet, wo sich der Theorie nach erste Symptome nach 15 – 20 Jahren zeigen sollen (slow virus Hypothese).

Was in der „modernen Wissenschaft“ nicht passt, wird passend gemacht. Und so sehen am Ende die Gerichtsurteile aus. Je weniger man  versteht, desto mehr klammert man sich an die Illusion der allwissenden Wissenschaft. Es ist vermutlich einfach zu bequem. Bequemlichkeit ist aber kein Straftatbestand.

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Grafikquellen  :

Oben       —       For documentary purposes the German Federal Archive often retained the original image captions, which may be erroneous, biased, obsolete or politically extremeGeorg Sultan, Japanbesuch Deutsches Auslandsinstizut Japan, Besuch von Geh. Rat Prof. Dr. Sultan im Kitasato- Institut in Tokyo. Prof. Dr. [Georg] Sultan stattete gelegentlich seiner Japanreise dem Kitasato- Institut einen Besuch ab, um dort im Namen des Instituts „Robert Koch“ einen Kranz zu Ehren des verstorbenen Prof. Baron Kitasato, einem der ältesten Schüler Robert Kochs, niederzulegen. Das Bild zeigt Geh. Rat Sultan und verschiedene Herren des Kitasato- Instituts bei der Kranzniederlegung an dem Schrein des Verstorbenen. Die einzelnen Herren in der Reihenfolge von l. nach r. sind: Prof. Dr. Shiga, Dr.F.C. Kitashima (derzeitiger Direktor des Kitasato- Instituts), Prof. Dr. Sultan, Prof. Dr. M. Miyajima, Prof. Dr. S. Hata. Erworben(Schenkung): Pr. Inst. für Inf.Kr.(1932) Institut besitzt das Recht der Veröffentlichung: Ja “ “ “ alleinige Verfügungsrecht : Nein Lichtbild vorhanden(Nr): 32806 Negativ vorhanden(Nr):32806 Abgebildete Personen: Sultan, Georg Prof. Dr.: Geheimrat, Robert-Koch-Institut, Deutschland

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Corona in Deutschland

Erstellt von Redaktion am 12. Dezember 2021

Linke, bleibt autoritätsskeptisch!

Kaiser, Könige und andere Lumpen wurden abgeschafft um Platz für Politiker zu schaffen.  Respekt will erarbeitet werden und heulende  Wölfe beißen nicht.

Von  Jörg Wimalasena

Die Coronabestimmungen können zum Teil nur mit härtesten Maßnahmen durchgesetzt werden. Wo bleibt der Aufschrei der politischen Linken?

Mit der linken Geduld für Impfverweigerer ist es vorbei. „Viel zu viele benötigen offenbar die Peitsche der Obrigkeit, um sich im Sinne des Gemeinwohls zu verhalten“, schrieb erst vor wenigen Tagen der Schriftsteller Ilja Trojanow in der taz zum Impfverhalten in diesem Land. Trojanow veröffentlichte 2009 das Buch „Angriff auf die Freiheit. Sicherheitswahn, Überwachungsstaat und der Abbau bürgerlicher Rechte“, in dem er sich kritisch mit staatlichen Eingriffen in die Privatsphäre von Bürgern auseinandersetzte.

Doch in der Covidkrise fantasiert auch er zumindest implizit einen starken Staat herbei, der endlich entschlossener gegen Ungeimpfte vorgehen möge – zum Beispiel durch eine Impfpflicht.

Und Trojanow ist wahrlich nicht allein mit seinem Ruf nach einem harten Eingreifen der Obrigkeit. Im vergangenen Winter schon forderten diverse linke Publizisten und Aktivisten einen ZeroCovid-Lockdown. Um die Zahl der Infektionen auf zero – also null – zu senken, solle es Kontaktbeschränkungen und eine weitgehende Stilllegung des öffentlichen Lebens geben.

Zwar warben die Initiatoren dafür, mithilfe von umfangreichen Umverteilungsmaßnahmen die soziale Last gerade für Arme abzufedern – aber trotz allem hätte ein solcher Komplettstillstand die Frage aufgeworfen, wie man entsprechende Vorgaben eigentlich durchsetzt.

Die Antwort ist simpel: Mit staatlicher Gewalt – eine andere Möglichkeit gibt es nicht. In der Covidkrise entdeckten und entdecken viele eigentlich antiautoritäre Linke offenbar ihre Liebe zu Polizei und Obrigkeit und nehmen dabei weitgehend kritiklos erhebliche Eingriffe in die Selbstbestimmung von Menschen hin – mitunter von Menschen, die keineswegs zu den Privilegierten im Land gehören.

Schwerverbrechen Autofahren

Der Autor dieses Textes hat vor einigen Wochen erst in der Berliner U-Bahn beobachtet, wie vier Sicherheitsleute einen Mann umringten, der keine Maske aufgesetzt hatte. Man verstellte dem Mann „Fluchtwege“, die Körpersprache der Securitys wirkte alles andere als deeskalierend. Breitschultrig thronten sie über dem „Ertappten“, der seinerseits mit hängenden Schultern sofort seine Maske aufzog, nachdem man ihn dazu aufgefordert hatte.

Als der Mann, der vermutlich die 50-Euro-Strafe nicht zahlen konnte oder wollte, nur kurz verweigerte, seinen Personalausweis vorzuzeigen, drohten die Männer sogleich mit der Polizei und führten ihn aus der Bahn wie einen Schwerverbrecher.

Das sind die Szenen, die eine konsequente Umsetzung von Coronamaßnahmen fast zwangsläufig erzeugt. In Baden-Württemberg errichtete die Polizei im vergangenen Winter Kontrollpunkte, um Autofahrer aufzuhalten, die gegen die damals herrschende Ausgangssperre verstießen.

Jovial teilte etwa die Polizei in Stuttgart-Mitte im Dezember mit, dass sie einen Autofahrer aufgegriffen habe, der „glaubhaft versichert [habe], dass er pünktlich losgefahren war“ und nur wegen eines Staus nicht rechtzeitig am Ziel angekommen sei. Am damals ersten Wochenende mit Ausgangssperre habe man es noch bei Ermahnungen belassen. Rechtschaffene Bürger mussten sich vor der Polizei rechtfertigen, warum sie sich frei in der Öffentlichkeit bewegten, obwohl die Erfahrungswerte für den Nutzen einer Ausgangssperre widersprüchlich waren.

In Hamburg jagte die Polizei im März mit einem Streifenwagen einen Jugendlichen durch den Park, weil er – im Freien – gegen Coronamaßnahmen verstieß. Er habe andere „umarmt und abgeklatscht“, teilte die Polizei später mit. Ist das ein Grund, eine gefährliche Verfolgungsjagd in einem öffentlichen Park aufzunehmen?

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Einen breiten gesellschaftlichen Aufschrei aufseiten der Linken gegen derlei Auswüchse gab es nicht. Der Kreis Hildesheim richtete sogar eine E-Mail-Adresse ein, unter der Bürger Verstöße gegen Corona­restriktionen melden konnten. Ein Stern-Autor sah darin „einen letzten verzweifelten Versuch, diejenigen ins gemeinschaftliche Rettungsboot zu zwingen, die meinen, auf der potenziell tödlichen Welle auch noch surfen zu müssen“.

Arme besonders betroffen

Ein Klima der De­nun­zi­a­ti­on machte sich breit. Aktuell ist es vor allem Die Linke, die einen harten Lockdown fordert. Zwar erneut mit sozialem Ausgleich, doch in der politischen Realität in Deutschland dürfte der nächste Lockdown eher wieder kaum ausreichende Kompensation für Arme geben.

Laut Reichtums- und Armutsbericht der Bundesregierung hatten im vergangenen Sommer 30 Prozent der Befragten mit besonders niedrigen Einkommen seit Beginn der Pandemie Probleme, laufende Ausgaben zu decken. Was bleibt, ist vermutlich die harte staatliche Hand. In Thüringen will Gesundheitsministerin Heike Werner, auch sie von den Linken, verstärkt die Polizei einsetzen, um 2G in Lokalen zu kontrollieren. Polizisten, die durch Gastronomie-Einrichtungen streifen – ist das linke Politik?

Oben        —  Konkurrenzverhalten mit Drohgebärden wie gesträubtem Fell, gekräuselter Schnauze, Blecken der Eckzähne und aufgerichtetem Schwanz (Wölfe im Parc Omega, Quebec, Kanada).

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Impfen – ist ein Problem?

Erstellt von Redaktion am 12. Dezember 2021

Und bist Du nicht willig, so brauch ich…

File:Corona-Impfzentrum Hamburg 02.jpg

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Suitbert Cechura

Mit den steigenden Infektionszahlen wurde mehr und mehr die Notwendigkeit einer Impfpflicht in die öffentliche Debatte eingeführt, und zwar von denjenigen, die sie zu Beginn der Pandemie am heftigsten abgelehnt hatten. Hieß es im November noch „Bundesregierung eiert um Impfpflicht herum“ (https://krass-und-konkret.de/wissenschaft-technik/warum-eine-allgemeine-covid-19-impfpflicht-schon-praktisch-kaum-umsetzbar-ist/), gibt es jetzt einen neuen Konsens.

Demnach ist alles ist im Programm – 3G, 2G, 2GPlus, Lockdown, Teillockdown, Abstandgebot und Mundschutz – und nach der letzten Runde der Ministerpräsidenten mit der geschäftsführenden Kanzlerin sowie nach Auskunft des künftigen Kanzlers, aber auch des FDP-Chefs Lindner soll die Impfpflicht bald kommen.

Die Pandemiebekämpfung geht also nicht einfach ihren Gang, sie scheint, trotz umfangreicher wissenschaftlicher Beratung, eine sehr komplexe, widersprüchliche Angelegenheit zu sein. Das liegt allerdings nicht an dem Erreger und der Seuche, sondern hat viel mehr mit der Verfasstheit dieser Gesellschaft zu tun.

Impfen als medizinische Indikation

Vorbeugen ist besser als Heilen, besagt eine bald 200 Jahre alte Mediziner-Weisheit. Demnach ist es besser, von vornherein die Wirkung des Virus auszuschalten als auf Medikamente zur Heilung zu setzen. Medikamente gegen Viren können den Verlauf einer Erkrankung abschwächen, ein Mittel gegen den Krankheitserreger selbst sind sie nicht. Es gibt nur zwei Arten, ihn effektiv zu bekämpfen: die radikale Kontaktunterbrechung, damit das Virus keinen Wirt mehr findet, oder die Impfung, die jedoch nur dann zur Ausrottung des Virus führt, wenn sie so umfangreich erfolgt, dass Herdenimmunität eintritt, und zwar nicht nur regional, sondern weltweit.

Beim Impfen werden abgeschwächte, getötete Viren oder Teile von ihnen in den menschlichen Organismus eingebracht, was das Immunsystem zu Abwehrreaktionen angeregt. Inzwischen gibt es auch künstlich hergestellte Impfstoffe vom sogenannten mRNA-Typ: „Die mRNA-Impfstoffe enthalten den Bauplan für einen bestimmten Bestandteil des Virus. Dieser Bauplan wird im Reagenzglas künstlich hergestellt und besteht aus mRNA. Im Fall der Covid-19-Impfung trägt der Bauplan die Anleitung für das Spike-Protein des Coronavirus.“(naturwissenschaften.ch/covid19-vaccination-explained/mrna_vaccines/wie_funktioniert_ein_mrna_impfstoff_) Die Impfung stärkt das Abwehrpotenzial, mit dem Erreger muss der Organismus dann selber fertig werden.

Die Wirkung des Eingriffs in den menschlichen Körper bedarf der Kontrolle, zum einen hinsichtlich einer schädlichen Wirkung, z.B. einer Überreaktion des Immunsystems, zum anderen zur Prüfung seiner Wirksamkeit. Für beides braucht man Versuchspersonen, die sich einem solchen Versuch unterziehen. Die ersten Impfforscher lösten das Problem zum Teil dadurch, dass sie Selbstversuche unternahmen.

Die Bildung von Abwehrstoffen kann durch Blutkontrolle ermittelt werden. Menschen reagieren allerdings unterschiedlich auf Medikamente oder Impfungen, sie verfügen zudem über ein Abwehr- und Selbstheilungssystem, das individuelle Stärken und Schwächen aufweist. Deshalb wird die Wirkung eines Medikaments oder Impfstoffs in der Regel bei einer größeren Gruppe getestet und mit einer Gruppe von Unbehandelten verglichen. So soll herausgefunden werden, ob der verabreichte Stoff besser wirkt als die Abwehr- oder Selbstheilungskräfte des Körpers.

Einwirkungen auf den menschlichen Organismus in Form von Medikamenten oder Vakzinen führen meist zu erwünschten wie unerwünschten Wirkungen – und das bei unterschiedlichen Menschen unterschiedlich. Die unerwünschten Wirkungen, oft auch Nebenwirkungen genannt, zeigen sich allerdings nicht bei jedem; je seltener sie auftreten, desto eher lassen sie sich bei der Anwendung in einer größeren Gruppe nachweisen. Ob allerdings die unerwünschte Nebenwirkung gleich bei der ersten Versuchsperson oder erst bei der 10.000sten auftritt, ist damit nicht gesagt. Rein statistisch gesehen bedarf es einer Patientengruppe von 10.000 Menschen, wenn die Auftretenswahrscheinlichkeit 0,01 Prozent beträgt. In einem solchen Fall gilt eine Nebenwirkung als sehr selten. Eine Sicherheit für den Einzelnen ist damit aber nicht gegeben, schließlich weiß man mit der Risikoangabe nicht, ob man derjenige von 10.000 ist, bei dem die unerwünschten Wirkungen auftreten.

Impfstoffe als Geschäft

Die Entwicklung von Impfstoffen überlassen die Staaten privaten Unternehmen, die damit ein Geschäft machen. Auch da, wo ein Impfstoff oder ein Medikament an einer staatlichen Universität entwickelt wird, besteht das Interesse des Forschers darin, seine Entdeckung zu Geld zu machen, ein Patent anzumelden, eine Firma zu gründen etc. Was auch politisch durchaus gewollt ist. Denn schließlich wird aus einer wissenschaftlichen Erkenntnis nur dann ein Geschäftsmittel, wenn durchs Patentrecht diese Erkenntnis zu einem geistigen Eigentum erklärt und andere von deren Nutzung ausgeschlossen werden. So sorgt das Patentrecht dafür, dass die Impfpraxis im Prinzip auf die Staaten und Menschen beschränkt bleibt, die dafür bezahlen können. Eine umfassende Vorbeugung wird so, wie an der aktuellen Pandemiebekämpfung im globalen Rahmen zu besichtigen ist, verhindert. Ausgerechnet der deutsche Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) weist immer wieder darauf hin, dass hier „viel zu wenig“ geschieht, dass etwa erst sieben Prozent aller Afrikaner vollständig geimpft seien und dass in Afrika unbedingt rasch gehandelt werden müsste (https://www.dw.com/de/m%C3%BCller-will-schnelles-impfen-in-afrika/a-59983061).

Delta delivers COVID-19 vaccine shipments (50733451928).jpg

Es geht bei diesen Produkten eben nicht einfach darum, dass Menschen möglichst gut geholfen wird – auch wenn die Unternehmen alles tun, um sich als humanitäre Idealisten darzustellen. Es geht vielmehr darum, aus dem investierten Kapital einen möglichst hohen Gewinn zu erzielen. Bei der Entwicklung von Pharmaprodukten kommt es darauf an, dies in möglichst kurzer Zeit zu realisieren, um dann eine staatliche Genehmigung zu erhalten und als erster auf dem Markt zu erscheinen. Denn so kann das Unternehmen den Marktpreis diktieren, hat es doch zunächst ein Monopol, das es zu nutzen gilt. Mit dem Auftreten von Konkurrenten geht das verloren, dann spielen der Preis und die Qualität eine entscheidende Rolle.

Das Vermarktungs-Interesse steht natürlich einer gründlichen Erforschung und Prüfung entgegen. Die Überprüfung von Ungefährlichkeit und Wirksamkeit überlässt der Staat denjenigen, die mit diesem Medikament ein Geschäft erzielen wollen. Ganz gleich, ob das Unternehmen die Prüfung selber durchführt oder eine Universität damit beauftragt, es geht in beiden Fällen darum, ein positives Ergebnis zu erzielen. Forscher, die sich kritisch mit dem Produkt ihres Auftraggebers auseinandersetzen, werden wohl kaum weitere Forschungsaufträge erhalten, zudem hängen wissenschaftliche Karrieren hierzulande von der Einwerbung von Drittmitteln ab, also von Geldgebern aus der Industrie.

Die besagte Überprüfung braucht Menschen, die sich dafür zur Verfügung stellen. Und da kann die Pharmaindustrie nicht immer auf die Freiwilligkeit von Bürgern setzen. Es wird häufig Geld aufgewendet, damit sich Personen zur Teilnehme bereit erklären, wobei man weniger zahlen muss, wenn die Untersuchungen in Ländern Asiens oder Afrikas durchgeführt werden. Die Armut dort lässt sich so benutzen, hat aber den negativen Nebeneffekt, dass sich Menschen unter Umständen gleich für mehrere Studien zur Verfügung stellen, so dass nicht immer auszumachen ist, was der Effekt des untersuchten Mittels ist. Natürlich sichern sich die Unternehmen gegen diese Praxis durch entsprechende Erklärungen ab, kontrollieren können sie das aber nicht immer.

Die Zusammensetzung der ausgewählten Versuchspersonen soll möglichst repräsentativ sein, also alle möglichen Patientengruppen umfassen. Doch wirft dies gleich einige Rechtsfragen auf. Denn auch wenn die Versuchspersonen bezahlt und auf die Risiken hingewiesen werden, sind damit nicht unbedingt alle möglichen Folgeschäden abgedeckt. Daher wägen die Unternehmen von vornherein ab, ob sie die Zulassung für alle Personengruppen anstreben. Schwangere Frauen stellen z.B. ein erhöhtes Haftungsrisiko dar, und da den Frauen nicht unbedingt anzusehen ist, ob sie schwanger sind, ist ihre Einbeziehung immer schon problematisch. Schäden bei Kindern können lebenslange Zahlungen nach sich ziehen, zudem bedarf es für sie gesonderter Untersuchungen, da Kinder nicht einfach kleine Erwachsene sind. Also wird auch dort die Zulassung nicht unbedingt angestrebt.

Damit die Wirkung genau bestimmt werden kann, ist es wichtig, dass sich die Zusammensetzung von Versuchs- und Kontrollgruppe nicht unterscheidet und dadurch Unterschiede im Ergebnis entstehen. Die Verteilung von Menschen auf Versuchs- und Kontrollgruppe erfolgt nach dem Zufallsprinzip in der Erwartung, dass in der Zusammensetzung der Gruppen keine Unterschiede feststellbar sind. Ob dies auch wirklich eintritt, ist eine ganz andere Frage. Auch wenn die Studie Alte wie Junge, Männlein wie Weiblein in gleichem Umfang in den beiden Gruppen umfasst, besteht durch Auswahl der Versuchspersonen die Möglichkeit, das gewünschte Ergebnis zu beeinflussen. So können überwiegend gesunde Menschen in die Studie einbezogen werden oder mehr Menschen mit Vorerkrankungen. Gesunde werden mehr Abwehrkräfte mitbringen und von einer Impfung weniger profitieren als Menschen mit Vorerkrankungen.

Das Ergebnis hängt natürlich auch davon ab, was als Erfolgskriterium für die Impfung gewählt wird. Ist es die Zahl der Infizierten bzw. Nichtinfizierten? Oder nimmt man die Zahl der Erkrankten bzw. Nichterkrankten oder gar die Zahl der schweren Verläufe? Je nach Kriterium ergeben sich unterschiedliche Ergebnisse und auch das gewählte statistische Auswertungsverfahren ermöglicht es, das Ergebnis in einem positiveren oder negativeren Licht erscheinen zu lassen. Von daher beeinflusst das Interesse am Geschäft mit Impfstoff oder Medikament ebenfalls die Prüfung der Wirksamkeit oder Ungefährlichkeit der Produkte. Dass diese Mittel des Geschäfts sind, ist daher auch die Basis für einen begründeten Verdacht gegenüber dem besonderen Warenangebot. Der Verdacht sollte sich jedoch dagegen wenden, dass sie Geschäftsmittel sind, und nicht dagegen, dass geimpft werden soll.

Der Staat als „Impfskeptiker“

In gewisser Weise ist der Staat selber der größte Impfskeptiker, wobei seine Skepsis natürlich einen ganz anderen Inhalt hat als in der bunt gemischten „skeptischen“ Szene, die es hierzulande und anderswo gibt. Auch er weiß, dass das unternehmerische Interesse an Medikamenten und Impfstoffen nicht einfach mit seinem Interesse an einer brauchbaren Bevölkerung zusammenfällt. Deshalb erteilt er Pharmaunternehmen nicht einfach die Lizenz zum Geschäftemachen und lässt sie dann mit ihren Produkten auf die Menschheit los. Wenn es um den Bereich von Gesundheit und Krankheit geht, unterzieht er das betreffende Warenangebot einer besonderen staatlichen Kontrolle. Es bedarf der staatlichen Zulassung durch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte bzw. durch die Europäische Medizin Agentur (EMA – European Medicines Agency). Diese Behörden prüfen die von den Herstellern vorgelegten Unterlagen bzw. Studien über die Ungefährlichkeit und Wirksamkeit und entscheiden auf Grund dieser Angaben über die Zulassung zum Gesundheitsmarkt, der weitgehend staatlich reguliert ist. (Näheres dazu bei: S. Cechura, Unsere Gesellschaft macht krank – Die Leiden der Zivilisation und das Geschäft mit der Gesundheit, Baden-Baden 2018.)

Die Zulassung erfolgt bei Impfstoffen auf der Grundlage der Erfahrungen bei Tausenden von Impfpersonen. Unerwünschte Folgen der Impfungen, die sehr selten auftreten, zeigen sich somit nicht unbedingt in den Studien, die den Zulassungsbehörden vorliegen. Dem trägt der Staat dadurch Rechnung, dass er eine Ständige Impfkommission (STIKO) ins Leben ruft. „Die Stän­dige Impf­kom­mis­sion (STIKO) ent­wickelt Impf­em­pfehl­ungen für Deutsch­land und be­rück­sichtigt dabei nicht nur deren Nutzen für das ge­impfte Indivi­duum, sondern auch für die ge­samte Be­völke­rung. Die STIKO orientiert sich dabei an den Kriterien der evi­denz­basierten Me­dizin.“ (rki.de/DE/Content/Kommissionen/STIKO/stiko_node.html)

Die evidenzbasierte Medizin begnügt sich nicht mit labormedizinischen Befunden und naturwissenschaftlichen Beweisen, sondern verfolgt das Ideal, alle möglichen medizinischen Verfahren klinischen Studien zu unterwerfen und so in ihrer Wirksamkeit zu prüfen. Dabei sollen möglichst alle verfügbaren Studien in die Prüfung einbezogen werden. Das klingt nach besonderer Gründlichkeit, wirft aber auch Fragen auf. Das Verfahren weist nämlich einen gewissen Widerspruch auf: Die Empfehlung für die umfassende Anwendung einer Impfung in der Bevölkerung soll möglichst nach einer umfassenden Datenlage, also durch Einsatz bei möglichst vielen Menschen, erfolgen. D.h., man macht die Empfehlung für die eigene Bevölkerung davon abhängig, dass anderswo das Mittel bereits massenhaft eingesetzt worden ist.

So verzögert sich u.U. der Einsatz von Impfstoffen, wie sich jetzt in der Pandemie zeigte: „Im Sommer sei zudem wertvolle Zeit verschenkt worden, da die Impfung für Kinder ab zwölf Jahren erst ‚mit viel zeitlichem Verzug durch die Stiko empfohlen worden sei‘. Richter-Scheer (Vorsitzende des Hausärzteverbands Westfalen-Lippe): ‚Dadurch hat sich der gesamte Impfprozess unnötig in die Länge gezogen und kollidiert nun mit der Infektsaison und steigenden Inzidenzen‘.“ (WAZ, 23.11.21) Obgleich der Stoff in vielen Ländern geprüft und massenhaft im Einsatz ist, damit auch viele Erfahrungen über erwünschte wie unerwünschte Wirkungen vorliegen, wird er dennoch in Deutschland entsprechend der veröffentlichten Studien nochmals einer erneuten Prüfung unterzogen, um dann erst im positiven Fall eine Empfehlung auszusprechen.

Politiker, Gesundheitswissenschaftler und auch Vertreter der Medien verweisen immer wieder auf das gründliche staatliche Prüfverfahren, wenn es um die Ungefährlichkeit von Impfstoffen geht. Nur ist das staatliche Interesse an der Gesundheit seiner Bevölkerung nicht identisch mit dem Interesse des Einzelnen an seiner Gesunderhaltung. Schließlich schützt der Staat mit seiner Hoheit das Geschäft mit der Gesundheit, und wenn er die Produkte der Pharmaindustrie prüft, dann ist das Prüfkriterium auch nicht die Verhinderung des Schadens für jeden einzelnen Bürger. Die Prüfung zielt vielmehr auf die Vereinbarkeit zwischen dem Geschäft mit Medizinprodukten und dem Erhalt der Funktionsfähigkeit der Bevölkerung. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass der Staat den Beweis für die Tauglichkeit der Produkte den Herstellern selber überlässt.

Wenn es um die Wirkung auf die Gesamtheit der Bevölkerung geht, dann gilt der Standpunkt, dass diese tauglich bleiben soll für die verschiedenen Funktionen in der Gesellschaft – angefangen vom Arbeiten gehen, Kinder kriegen, Steuern zahlen bis zu den diversen staatsbürgerlichen Rollen und Verpflichtungen. Der Erhalt der Funktionsfähigkeit der Bevölkerung schließt ein, dass ein gewisser Prozentsatz ausfällt, krank wird oder stirbt. Dieser Standpunkt verdient daher alles andere als das Vertrauen derer, die auf einen effektiven Gesundheitsschutz angewiesen sind.

Impfangebote für freie Bürger

Für alle Bürger dieses Staates gilt natürlich das Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit. Jeder Eingriff in den Körper bedarf daher der Zustimmung durch den Patienten, alles andere gilt als Körperverletzung. Mit diesem Grundrecht ist aber auch die Sorge um die Gesundheit zu einer Privatangelegenheit erklärt. Und das ist seltsam. Denn schließlich kann der Einzelne nur bedingt über den Erhalt seiner Gesundheit bestimmen, hat sie also gar nicht in der Hand. Weder kann er sich den Belastungen des Arbeitslebens, den Schadstoffen in der Atemluft, den schädlichen Zusätzen in Lebensmitteln oder den Giften in Kleidung wie anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs entziehen, noch verfügt er über die medizinischen Kenntnisse und Hilfsmittel, um auftretenden Beeinträchtigungen zu begegnen. Dokumentiert wird diese Ohnmacht in den zahlreichen Gesetzen zum Arbeitsschutz, Verbraucherschutz oder in gesetzlich festgelegten Grenzwerten, die die Schädigung, wie der Name schon sagt, begrenzen und dosiert erlauben.

Das Ergebnis findet sich dann in den Statistiken zu den sogenannten Zivilisationskrankheiten, den neuen Volkskrankheiten, wieder. So meldet die Europäische Umweltagentur für das Jahr 2012 (veröffentlicht am 23.11.2020) in Deutschland über 70.000 vorzeitige Todesfälle durch Luftverschmutzung (eea.europa.eu/de/pressroom/newsreleases/zahlreiche-europaeer-sind-immer-noch/vorzeitige-todesfaelle-durch-luftverschmutzung). Also mehr Todesfälle als in einem Jahr durch Corona! Die Liste ließe sich gleich fortsetzen mit der Zahl der jährlich auftretenden Toten durch die stetige und dauerhafte Vergiftung, die sich in entsprechenden Zahlen an Krebserkrankung niederschlagen. Denn schließlich ist auch die Liste der krebserregenden Mittel lang und z.B. Dioxin flächendeckend auf die Republik verteilt, so dass es sich auch in Bioprodukten wiederfindet.

Obgleich die Bürger selbst ihre Gesundheit nicht wirklich sichern können, werden sie von Politik und Medien ständig aufgefordert, sich entsprechend gesundheitsbewusst zu verhalten. Sie sollen sich gesund ernähren, wenig Alkohol trinken, nicht rauchen und sich viel bewegen. Essen soll also nicht einfach Genuss sein; auf die Alltagsdrogen Alkohol und Nikotin zum Aushalten der alltäglichen Beanspruchungen und als Freizeitvergnügen soll man möglichst verzichten, stattdessen die Anstrengungen des Alltags durch ein Bewegungs- und Fitnessprogramm ergänzen. Diese Sorge um die Gesundheit bringt auch die entsprechenden Resultate hervor: Einige joggen emsig, kaufen Bio und verzichten auf Alkohol und Tabak. Die Mehrheit arrangiert sich irgendwie mit den Folgen ihrer ständigen Gesundheitsschädigung, während die gesundheitspolitische Agitation aber auch eine Menge von Leuten auf die Idee bringt, ihre Gesundheit auf alternativen, esoterischen Wegen jenseits der „Schulmedizin“ zu sichern.

Bislang hat der Staat an der Position festgehalten, dass der Bürger für seine Gesundheit selber zu sorgen hat: Abstand halten, Maske tragen und die Hände desinfizieren. Mit der Entwicklung des Impfstoffes wurde der Bevölkerung dann ein Impfangebot unterbreitet, das sie gefälligst nicht ausschlagen sollte. So wurde schnell eine Impfinfrastruktur mit Impfungen in den Arztpraxen und eigenen Impfzentren aufgebaut, d.h. darauf gesetzt, dass sich möglichst viele Menschen von diesem Angebot beeindrucken und daher impfen lassen. Die Politik bekam es aber mit unerwünschten Wirkungen ihrer Gesundheitsagitation zu tun und stieß auf eine nicht unerhebliche Zahl an Impfskeptikern, die sich aus unterschiedlichen medizinischen oder politischen Motiven diesem Angebot verweigerten.

Vielen Impfkritikern sind die Zahlen der Toten, die durch die neuen, als Begleiterscheinung „der Zivilisation“ eingestuften Volkskrankheiten anfallen, ein Beleg dafür, dass es bei der Pandemiebekämpfung nicht um die Gesundheit der Bürger gehen kann. In Wahrheit verfolge der Staat, der Panikmache betreibe, mit seinen Maßnahmen finstere Absichten. Übersehen wird dabei, dass die Todesfälle der Zivilisationskrankheiten kalkulierbar sind und das Funktionieren dieser Gesellschaft nicht wesentlich beeinträchtigen, sondern zu den Kollateralschäden gehören. Das neue Virus ist aber im Blick auf seine Gesundheitsschädigungen unkalkulierbar.

Das Bestreben der Pandemiebekämpfung zielt deshalb darauf, den Krankheitsverlauf kalkulierbar zu machen. Es geht also nicht einfach darum, das Virus durch einen radikalen Lockdown auszuschalten oder ihm mit einer gemeinsamen, umfassenden Impfaktion der Staatenwelt zu begegnen. Es geht um die Begrenzung des Impfgeschehens ähnlich wie bei einer Grippe. Auch da fallen reichlich Tote an, aber der Geschäftsbetrieb und damit das „normale Leben“ wird dadurch nicht wesentlich beeinträchtigt. Die Warnung vor der Überbelastung des Gesundheitswesens durch Corona macht deutlich, dass es um die Begrenzung der Fallzahlen geht, idealerweise so, dass weitere Einschränkungen überflüssig werden. Angesichts von Mutationen und zeitlich beschränkter Impfwirkung wird Impfen so zur Daueraufgabe. Weil es um die Kalkulierbarkeit hinsichtlich des normalen Lebens und dem Gang der Geschäfte geht, haben die nationalen Inzidenzzahlen eine so große Bedeutung, werden Maßnahmen mal in Gang und dann auch wieder ausgesetzt. Wer sich dem widersetzt, wird damit schnell zum Volksfeind erklärt: „Nun sind aber diese wütenden Schwurbler zur echten Gefahr geworden. Sie wollen sich um keinen Preis impfen lassen, weil sie glauben, der Staat würde damit in ihre Freiheitsrechte eingreifen. Nicht allein, aber vor allem ihretwegen müssen diejenigen, die auf Vernunft gesetzt haben, abermals auf ihre Freiheit verzichten.“ (Hilmar Klute, SZ, 20/21.11.21)

Wie man sieht, werden hier Schuldfragen aufgeworfen. Politik wie Medien rechnen bei ihren Adressaten kaum damit, dass sie rationalen Argumenten zugänglich sind. Pädagogische Ermahnungen und moralischer Druck sind angesagt.

Impfen als Bürgerpflicht

In der Impfkampagne konnten Vertreter der Medien dafür auf geisteswissenschaftliche Hilfestellungen zurückgreifen, die erzieherische oder therapeutische Vorschläge beisteuerten: „Wann in den vergangenen Wochen gab es mal Worte der Anerkennung? Wann ein ‚Danke, dass Sie mitmachen?‘ So eine Form der positiven Verstärkung wäre dringend nötig und würde womöglich den einen oder anderen Zauderer dazu bringen, sich einen Ruck zu geben.“ (Mareen Linnartz, SZ, 24.11.21) Mit Anleihen bei psychologischen Erkenntnissen über die Konditionierung von Ratten schlägt die Autorin ein Verstärkerprogramm vor. Betrachtet werden die Bürger dabei wie kleine Kinder, die man mit etwas Schulterklopfen und Lob auf den richtigen Weg zu bringen versucht, wobei positive Verstärkung bei Tieren funktioniert, bei Kindern oft schon scheitert.

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Wie viele Bürger möchten sich wie Kamele von den Politbanausen treiben lassen ?

Andere setzten mehr auf soziales Lernen und Vorbilder: „Der Profi-Fußball mit seiner Vorbildfunktion und Strahlkraft muss sich dringend und mit aller Macht wieder zum Vorreiter der Corona-Bekämpfung machen.“ (Lars Wallrodt, Bild am Sonntag, 21.11.21) Eine Steigerung bestand dann in der Präsentation von Vorbildern kombiniert mit dem Verschenken von Wurstsemmeln: „Im Sommer stand niemand Schlange. Da stand hier nur Uli Hoeneß mit einer Grillzange und drückte den Leuten Wurstsemmeln in die Hand mit der Ermutigung, sich impfen zu lassen.“ (SZ, 23.11.21)

Und nicht nur die Geimpften werden so gegen die Ungeimpften aufgehetzt, gleichzeitig wird die Sorge bekannt gemacht, dass es zu einer Spaltung der Gesellschaft kommen könnte, um deren Zusammenhalt sich alle kümmern müssten. „Wenige Entscheidungen haben das Potenzial, eine Gesellschaft tiefer zu spalten, als die Impfpflicht“ (Georg Mascolo, SZ, 23.11.21). Dazu gehört dann eben auch die Sorge um das sparsam ausgestattete Gesundheitssystem: „Auch Gernot Marx, Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), nannte die Situation in den Krankenhäusern am Montag ‚sehr besorgniserregend‘.“ (SZ, 23.11.21)

Mit Bildern einer Bundeswehrmaschine, die Patienten von Bayern nach Hamburg fliegt, wird der Menschheit vor Augen geführt, wohin ihre Verantwortungslosigkeit führt und welche Notlagen sie schafft. Dass mit solchen Argumenten der Vernunft des Bürgers zum Durchbruch verholfen werden soll, kann man getrost bezweifeln.

Als nicht genügend Bürger aus Eigeninteresse das Impfangebot wahrnahmen, wurde nicht der Nutzen für die eigene Gesundheit das schlagende Argument in puncto Impfung, sondern der Nutzen für die Gesellschaft. Solidarität war plötzlich gefordert. Eine merkwürdige Forderung – ist es doch erst einmal das Prinzip dieser Gesellschaft, dass jeder mit seinen Mitteln für sich selbst zu sorgen hat. Das wird ja gerade als Freiheit des Individuums – und als Gütesiegel der bundesdeutschen Gesellschaft – gefeiert. Jetzt aber wird von den Menschen, die immer ihres eigenen Glückes Schmied sein sollen, erwartet, dass sie sich für andere hergeben, dass sie solidarisch sind im modernen Sinne, nämlich Opferbereitschaft zeigen.

Dabei war Solidarität einmal ein Kampfbegriff der Arbeiterbewegung, der aus der Einsicht resultierte, dass Arbeiter nur durch Aufhebung der Konkurrenz untereinander ihre Interessen vertreten und der Macht der Unternehmer etwas entgegensetzen können. Es war gerade das Eigeninteresse, das zur Solidarität mit Kollegen führte, die sich in der gleichen Lage befanden. Jetzt steht Solidarität für das Absehen vom Eigeninteresse und als Wert für Selbstlosigkeit im gesellschaftlichen Zusammenhang, gewissermaßen als (zivil-)religiöse Verpflichtung. Bischof Overbeck: „Impfen ist Ausdruck konkreter Nächstenliebe“ (Bild, 25.11.21).

Man soll sich mit Menschen solidarisch erklären, mit denen einen gar nichts verbindet, zu denen man vielmehr meist im Gegensatz steht. Schließlich ist der Bäcker nicht solidarisch mit Hungernden und schenkt ihnen sein Brot, der Hausbesitzer lässt keinen Obdachlosen in seiner Wohnung wohnen, die er selber nicht nutzt, eine Firma ist natürlich keine Caritas usw. usf. Die Gemeinschaftlichkeit, für die der Staat eintritt, besteht in dem Interesse am Funktionieren dieser Gesellschaft. Und wo das in Gefahr ist, brandmarkt er asoziale Verhaltensweisen. „Nordrheins-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) sagte am Dienstag, dass die Menschen, die alles getan hätten, ‚um sich, ihre Liebsten und andere zu schützen‘, nicht nachvollziehen könnten, dass wegen einer Minderheit ein neuer Lockdown riskiert werde.“ (SZ, 24.11.21)

Der Staatsmann verlässt sich allerdings nicht auf den guten Willen seiner Bürger. Mit Einschränkungen für Ungeimpfte verleiht er seinem Angebot den entsprechenden Nachdruck: „Die NRW-Landesregierung verschärft ab dem heutigen Mittwoch die Corona-Regeln und erhöht den Druck auf Personen, die sich bisher nicht impfen lassen wollen deutlich. ‘Man kann sagen, dass Menschen, die nicht geimpft sind, noch in die Geschäfte gehen können und ansonsten außerhalb der Arbeit weitestgehend von gesellschaftlichen Veranstaltungen ausgeschlossen sind‘, sagte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU)“ (WAZ, 24.11.21).

So werden Menschen in ihrer Freizeitbetätigung eingeschränkt. Ihnen wird mitgeteilt, wozu sie da sind: zum Arbeiten und zum Abliefern ihrer Kaufkraft. Denn ob geimpft oder nicht, der Weg zur Arbeit muss immer offen bleiben in der Pandemie, die Wirtschaft soll schließlich so wenig wie möglich eingeschränkt werden – und die braucht ihre Arbeitskräfte.

Und bist Du nicht willig, so brauch ich…

So steht gegenwärtig die Impfpflicht zur Debatte: Zunächst wurde sie für Kontakt- oder Pflegeberufe ins Gespräch gebracht, wobei man aber schnell auf die Notwendigkeit einer allgemeinen Impfpflicht einschwenkte: „In NRW werden angesichts der dramatischen Entwicklungen in der Corona-Pandemie die Rufe nach Einführung einer allgemeinen Impfpflicht lauter.“ (WAZ, 23.11.21) Und damit kam die Gewaltandrohung durch den Staat auf die Tagesordnung: „Die Möglichkeit des Staates könnte bei einem Ordnungsgeld beginnen, aber auch Freiheitsstrafen oder sogar die Zwangsimpfung sei denkbar.“ So Staatsrechtler Thiele in der WAZ.

Dabei wird überwiegend betont, dass die Impfpflicht nicht in Form polizeilichen Zwangs daherkommen soll. Der Staat setzt, wie üblich in dieser Gesellschaft, auf den sachlichen Zwang durch Geld. Wohl wissend, dass die Mehrheit seiner Bürger nur über eine sehr begrenzte Zahlungsfähigkeit verfügt, soll die Androhung eines Bußgeldes ihre Wirkung tun. Wer erwischt wird, muss zahlen. Dabei betonen alle Verantwortlichen und ihre Fürsprecher in den Medien, dass es sich bei der Impfpflicht nicht um einen Impfzwang handele: „Der Jurist betonte, dass Impfpflicht nicht Impfzwang bedeute. Man könne die Leute ‚ja schlecht mit der Polizei abholen‘.“ (WAZ, 23.11.21) Weil der Zwang nicht als persönlich durchgesetzter Gewaltakt daher kommt, sondern in Form einer angedrohten Geldbuße (in deren Hintergrund natürlich wieder eine Sanktionsgewalt steht), soll es sich nicht mehr um eine Zwangsmaßnahme handeln.

Auch ein lautstarker Vertreter der Freiheitsrechte wie NRW-FDP-Chef und Familienminister Joachim Stamp weiß, warum diese Rechte einzuschränken sind: „Eine Impfpflicht sei ein massiver Grundrechtseingriff, der aber notwendig werden könne, wenn wir anders nicht aus der Spirale anderer Grundrechtsbeschränkungen kommen“. (WAZ, 24.11.21) Zwar gelten Grundrechte – gerade bei den Vertretern des Liberalismus – als etwas Absolutes, doch zu ihrer eigenen Rettung steht einer Abschaffung oder Begrenzung nichts im Wege, es sei denn, eine solche Einschränkung wäre nicht notwendig, also unverhältnismäßig: „Der stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Thorsten Frei, sagte der ‚Welt‘, eine allgemeine Impfpflicht dürfte unter den derzeitigen Rahmenbedingungen ‚unverhältnismäßig und damit verfassungswidrig sein‘.“ (WAZ, 23.11.21)

Woran sich die Verhältnismäßigkeit zu messen hat, ist allerdings ein schwieriges Problem: „Die verfassungsrechtlichen Bedenken wiegen schwer. Angesichts einer Sterblichkeitsrate von 30 Prozent bei Pocken haben Richter 1959 die Impfung als verfassungsgemäß eingestuft. Das lässt sich bei Corona mit einer Letalitätsrate von unter zwei Prozent schwerer sagen. Zumal das Risiko verschieden verteilt ist – bei Kindern und Jugendlichen ist es kaum messbar“. (Matthias Iken, WAZ, 23.11.21) Der Staat ist also hier als die hoheitliche Instanz gefragt, die über Leben und Tod bestimmt. Ihm stellt sich die Frage, wie viele Tote hinzunehmen sind und ab wann er Staat seine Bürger zu Gegenmaßnahmen verpflichten darf.

Großer Wert wird in der Öffentlichkeit auch darauf gelegt, dass die Impfpflicht sich durchaus mit der Freiheit des Bürgers und seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit verträgt. Dieses „unveräußerliche“ Recht findet nach offiziellem Verständnis sowieso seine Schranke am Unversehrtheitsanspruch des anderen, der sich ebenfalls seine Rechtseinschränkung gefallen lassen muss. Das Freiheitsrecht selber soll nicht beeinträchtigt sein, wenn seine Geltung beschränkt wird: „Eine Impfpflicht ist kein Verstoß gegen die Freiheitsrechte“, schreibt die FAZ; „vielmehr ist sie die Voraussetzung dafür, dass wir unsere Freiheit zurückgewinnen“ (zit. nach SZ, 24.11.21). Rechtskundige und Ethikkommissionsmitglieder wissen ja gleich zu verkünden, dass zur Freiheit auch Verantwortung gehört, nämlich für die anderen, d.h. für das große Ganze, dessen störungsfreier Ablauf, der Erhalt und die Mehrung ökonomischer wie politischer Macht, gewährleistet sein muss.

Und mit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Rechtmäßigkeit der bisherigen Pandemiemaßnahmen herrscht nun Klarheit: Der Staat darf das, was er in seine Gesetze geschrieben hat und was er auf deren Grundlage zur Abwehr einer Notlage unternimmt. Auch dank dieser Rechtssicherheit dürfte es bei den maßgeblichen Stellen keine Vorbehalte mehr gegen eine Impfpflicht geben.

Fazit

Das Volk, das sich allem Anschein nach mehrheitlich mit dieser neuen Ansage arrangiert, hat abzuwarten, was konkret an Pflicht oder Zwang verordnet wird. Wer hier zur Skepsis neigt, sollte nur eins bedenken: Nicht das Impfen ist das Problem, sondern die – auf Geschäft und Gewalt basierende – Gesellschaft, in der es stattfinden soll.

Zuerst erschienen bei „krass und konkret“

Urheberecht
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Grafikquellen      :

Oben          —         Corona-Impfzentrum in den Messehallen in Hamburg

Author Hinnerk11       /         Source   :     Own work     /   Date    :  16 January 2021, 14:52:45

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2.) von Oben        —         Delta delivers COVID-19 vaccine shipments

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Die Kalküle des Kanzlers

Erstellt von Redaktion am 12. Dezember 2021

Scholz eröffnet nächsten Wahlkampf

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Von Barbara Junge

Die SPD setzt auf Respekt und „normale“ Menschen – in Abgrenzung gegen Eliten und den „woken“ Mainstream. Das ist ein gefährliches Spiel.

Direkt nach der Bundestagswahl sah die politische Landschaft noch anders aus. Damals erschienen die kleinen Parteien als die Großen. Grüne und FDP inszenierten sich selbstbewusst, fast überheblich, mit Robert Habeck und Christian Lindner als Königsmacher in den Hauptrollen. Olaf Scholz schwieg dazu. Er dürfte das eitle Theater mit Amüsement betrachtet haben.

Wie die Rollenverteilung heute aussieht, kann man an den ersten Übereinkünften der Ampel gut ablesen, im Sondierungspapier, im Koalitionsvertrag und an der Verteilung der Etatmittel. Die Dokumente sind mit einer sozialdemokratischen Melodie unterlegt, in der neuen Regierung haben die So­zi­al­de­mo­kra­t:in­nen Geld zu verteilen: 227,2 Milliarden Euro für die SPD-Ministerien, 65,8 Milliarden für die FDP und nur 39,1 Milliarden für die Grünen. Die Kernthemen der anderen, Klima und Finanzen, sind nur die Begleitmusik.

Dass die stärkste Partei den Ton bestimmt, kann nicht überraschen. Aber Scholz trägt seine Melodie schon seit dem Sommer mit einem Unterton vor, der hellhörig macht und der jetzt von symbolträchtigen Entscheidungen begleitet wird. Die Rede ist viel von sogenannten normalen Menschen, in Abgrenzung gegen die Eliten und im Kern damit gegen jenes aufgeklärte bürgerliche Klientel, das Grüne und FDP repräsentieren.

Im Sommer rang Scholz darum, diese normalen Menschen mit dem Begriff des „Respekts“ für sich zu gewinnen und hatte damit hinreichend Erfolg. Er verband den Begriff mit der handfesten Versprechung von 12 Euro Mindestlohn. Etwa für die „Anerkennung auch für die, die fleißig sind im Warenlager oder die einen Truck fahren“.

Für „NYT“ der Retter der Sozialdemokratie

Und er flocht gerade genug Klimaschutz ein, um zu den Grünen hin wählbar zu bleiben. Scholz versucht, auf diese Weise eine neue sozialdemokratische Koalition zu formen, mit Ar­bei­te­r:in­nen und Angestellten im Zentrum. Die New York Times feierte ihn schon als Retter der europäischen Sozialdemokratie.

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Die Sozialdemokratie verdient es, gerettet zu werden, und nichts ist dagegen zu sagen, einen Teil der abwandernden Arbeiterklasse wieder einzufangen. Die Frage ist nur, zu welchem Preis und was das für die rot-grün-gelbe Koaltion bedeutet.

Von der Formulierung, „Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten sind nicht bei denen, die sich für was Besseres halten“, ist der Weg nicht weit zu einer Erzählung von der elitären neuen Mittelklasse, die sich auf Kosten der arbeitenden Bevölkerung bereichert und den Mainstream diktiert, einen woken, natürlich.

Es gibt ein Medium in Deutschland, das dieses Narrativ seit einigen Jahren mit großer Lust bedient und es zum Widerstandsmotiv stilisiert: die Bild-Zeitung. Wie der neue Kanzler seine Politik ausrichtet, ließ sich innerhalb kurzer Zeit gleich zweimal beobachten: Eine Woche vor seiner Wahl stellte sich Scholz zu Bild-TV, um ausgerechnet dort die Impfpflicht anzukündigen. Es war ein Anklang an das alte Motto seines alten Bosses Gerhard Schröder: „Zum Regieren brauche ich nur Bild, BamS und Glotze.“

Quelle      :      TAZ-online       >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“

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Unten     —   Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Ende der Ära Merkel

Erstellt von Redaktion am 10. Dezember 2021

Wo war die Wissenschaftlerin?

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16 Jahre auf einen Esel gesessen

Eine Kolumne von Christian Stöcker

Angela Merkel hat als Kanzlerin Bewunderung und Hass auf sich gezogen. Ihr politisches Vermächtnis scheint eindrucksvoll – aber in wenigen Jahren wird sie womöglich vor allem als schlechtes Beispiel dienen.

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Und wie geht es weiter?

Erstellt von Redaktion am 10. Dezember 2021

Mit Heine:  „Den Dummen ein bisschen Verstand“

Quelle:    Scharf  —  Links

Eine Polemik von Wolfgang Bittner

Es wird immer kälter in Deutschland, in der Natur, in der Gesellschaft und in der Politik. Viele fragen sich, wie es weitergehen wird. Sollen die Corona-Notstandsmaßnahmen ewig andauern? Werden noch mehr Menschen ihre Arbeit verlieren? Wird es Krieg geben? Was wird aus unserem Geld? Werden wir den Winter über ausreichend Gas und Strom haben? Soll nun die Bevölkerung alle paar Monate mit einem genbasierten, unerprobten Vakzin durchgeimpft und im Falle der Weigerung dazu gezwungen werden? Gibt es wirklich keine anderen Möglichkeiten, einer Epidemie zu begegnen? Und was haben diese furchtbaren, gnadenlosen Politiker, Journalisten und Populärwissenschaftler, die aus einem armseligen Bodensatz hochgespült wurden und uns nun schon seit längerem peinigen, mit uns vor?

Selbst gutwillige, obrigkeitsgläubige Bürger merken inzwischen, dass vieles, was uns vorgesetzt wird, nicht stimmt, dass wir belogen und betrogen werden. Da werden unveräußerliche Grundrechte einfach ausgesetzt und Maßnahmen beschlossen, die viele Menschen ins Unglück stürzen. Eine Abwägung, ob diese einschneidenden Maßnahmen verhältnismäßig sind, findet aufgrund einer künstlich erzeugten Hysterie nicht statt. Es herrscht Panik, die blanke Angst, an einem offenbar aus dem Nichts (bzw. China) gekommenen Virus zu sterben.

Stündlich werden wir von allen Seiten mit Zahlen über Neuinfektionen überschüttet, obwohl es gar nicht um Erkrankte, sondern um positiv Getestete geht, von denen nur wenige auf überlastete Intensivstationen kommen. Die Frage, warum in letzter Zeit Krankenhäuser geschlossen wurden und etwa 6.000 Intensivbetten weniger zur Verfügung stehen, ist so tabu wie manches andere auch. Deswegen lässt sich auch nicht klären, warum Intensivstationen überlastet sind. Stattdessen wird der Fokus verschoben und mit unabsehbaren Folgen eine „Pandemie der Ungeimpften“ herbeigeredet.

Erfahren wir etwas über die Krise des Finanzsystems? Erfahren wir etwas über die Kriegsgefahr an den Grenzen Russlands und Chinas? Gibt es Kritik an der permanenten Hetze gegen andere Länder? Warum wird gegen Andersdenkende und Impfverweigerer zu Felde gezogen? Warum diese drastischen Maßnahmen? Warum wird nicht intensivst nach anderen als genbasierten Impfstoffen und nach Medikamenten zur Vorsorge und wirkungsvolleren Behandlung einer Covid-Infektion geforscht? Warum verteuern sich die Gaspreise, obwohl Russland beliebige Lieferungen zu den vereinbarten Bedingungen anbietet? Warum spitzt sich die weltpolitische Situation zu, obwohl die Regierungen von Russland und China seit Jahren partnerschaftliche Beziehungen anbieten?

Fragen über Fragen, viele, die uns existenziell betreffen, von den zuständigen Politikern aber nicht beantwortet werden. Warum nicht? Was geht da vor? Was wird uns vorenthalten? Immer mehr Menschen merken inzwischen, dass etwas in diesem Land, und nicht nur hier, faul ist. Zwar möchte immer noch die Mehrzahl der Schafe geprügelt werden oder die Augen vor den Tatsachen verschließen, aber die Unruhe nimmt zu. Man sollte denken, dass es die amtierenden Politiker und ihre Anhängerschaft warnen würde. Doch bisher ist davon noch nichts zu merken.

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Die Betten bleiben leer – wir haben keine Pflegekräfte mehr!

In schwerer Zeit wünschte der Dichter Heinrich Heine „den Dummen ein bisschen Verstand und den Verständigen ein bisschen Poesie“. Dem möchte ich mich anschließen und der Welt eine weniger grausame Zukunft wünschen. Ich weiß, das ist ein frommer Wunsch, aber es sieht zurzeit nicht danach aus, dass wir mehr tun können, als aufzuklären und für unsere Rechte einzustehen.

Der Schriftsteller und Publizist Dr. jur. Wolfgang Bittner lebt in Göttingen. Von ihm erschienen 2014 „Die Eroberung Europas durch die USA“, 2019 „Die Heimat, der Krieg und der Goldene Westen“ sowie „Der neue West-Ost-Konflikt“ und 2021 „Deutschland – verraten und verkauft. Hintergründe und Analysen“.

Urheberecht
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Oben          —        Bundeskanzlerin Deutschland Federal Chancellor Germany

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Das Versagen der Linken

Erstellt von Redaktion am 9. Dezember 2021

Das Covid Versagen der Linken

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Das Schiff voller Narren in der Krise

Quelle     :     Untergrundblättle – CH 

Von Toby Green and Thomas Fazi –  Übersetzung: Thomas Trüten

Auf die Erfahrung grossen Vergnügens folgt oft der Wunsch nach erneuter Autorität. Während der verschiedenen Phasen der globalen Pandemie haben sich die Präferenzen der Menschen in Bezug auf epidemiologische Strategien eng mit ihrer politischen Orientierung überschnitten.

Seit Donald Trump und Jair Bolsonaro im März 2020 Zweifel an der Weisheit einer Abriegelungsstrategie geäussert haben, haben sich Liberale und die Linken des westlichen politischen Spektrums, einschliesslich der meisten Sozialisten, in der Öffentlichkeit für die Abriegelungsstrategie der Pandemieabschwächung stark gemacht – und neuerdings auch für die Logik der Impfpässe. Jetzt, da Länder in ganz Europa mit strengeren Restriktionen für Ungeimpfte experimentieren, fallen linke Kommentatoren – die sonst so lautstark Minderheiten verteidigen, die unter Diskriminierung leiden – durch ihr Schweigen auf.Als Schriftsteller, die sich immer auf der linken Seite positioniert haben, sind wir beunruhigt über diese Wendung der Ereignisse. Kann man wirklich keine fortschrittliche Kritik an der Quarantäne gesunder Menschen üben, wenn die neuesten Forschungsergebnisse darauf hindeuten, dass der Unterschied zwischen geimpften und nicht geimpften Personen in Bezug auf die Übertragung verschwindend gering ist? Die Reaktion der Linken auf Covid erscheint nun als Teil einer umfassenderen Krise der linken Politik und des linken Denkens – einer Krise, die seit mindestens drei Jahrzehnten andauert. Deshalb ist es wichtig, den Prozess zu identifizieren, durch den diese Krise Gestalt angenommen hat.In der ersten Phase der Pandemie – der Phase der Abschottung – waren es eher die kulturell und wirtschaftlich rechts Stehenden, die den sozialen, wirtschaftlichen und psychologischen Schaden der Abschottung betonten. In der Zwischenzeit machte Donald Trumps anfängliche Skepsis gegenüber Abriegelungen diese Position für die meisten derjenigen, die der kulturellen und wirtschaftlichen Linken angehören, unhaltbar. Die Algorithmen der sozialen Medien haben diese Polarisierung dann noch verstärkt.

Die westliche Linke machte sich daher sehr schnell für die Abriegelung stark, die als „Pro-Life“- und „Pro-Kollektiv“-Entscheidung angesehen wurde – eine Politik, die theoretisch die öffentliche Gesundheit oder das kollektive Recht auf Gesundheit fördert. In der Zwischenzeit wurde jede Kritik an den Schliessungen als „rechts“, „pro-ökonomisch“ und „pro-individuell“ verunglimpft und beschuldigt, „Profit“ und „business as usual“ über das Leben der Menschen zu stellen.

Alles in allem wurde durch die jahrzehntelange politische Polarisierung ein Thema der öffentlichen Gesundheit sofort politisiert, ohne dass eine Diskussion darüber möglich gewesen wäre, wie eine kohärente linke Antwort aussehen könnte. Gleichzeitig distanzierte sich die Linke mit ihrer Position von jeder Art von Arbeiterbasis, da Arbeitnehmer mit niedrigem Einkommen am stärksten von den sozioökonomischen Auswirkungen der fortgesetzten Abschottungspolitik betroffen waren und auch diejenigen waren, die am ehesten arbeiten mussten, während die Laptop-Klasse von Zoom profitierte.

Dieselben politischen Verwerfungen traten auch bei der Einführung der Impfstoffe und jetzt bei der Einführung der Covid-Pässe auf. Der Widerstand wird mit der Rechten assoziiert, während die Linken beide Massnahmen im Allgemeinen unterstützen. Die Opposition wird als eine verworrene Mischung aus wissenschaftsfeindlichem Irrationalismus und individualistischem Libertarismus verteufelt.

Aber warum hat die Mainstream-Linke praktisch alle Covid-Massnahmen unterstützt? Wie kam es zu einer derart vereinfachenden Sichtweise der Beziehung zwischen Gesundheit und Wirtschaft, die jahrzehntelange (linke) sozialwissenschaftliche Forschung, die zeigt, wie eng Wohlstand und Gesundheitsergebnisse zusammenhängen, ins Lächerliche zieht? Warum hat die Linke die massive Zunahme der Ungleichheiten, den Angriff auf die Armen, auf die armen Länder, auf Frauen und Kinder, die grausame Behandlung älterer Menschen und die enorme Zunahme des Reichtums der reichsten Einzelpersonen und Unternehmen infolge dieser Politik ignoriert?

Wie kommt es, dass die Linke im Zusammenhang mit der Entwicklung und Einführung von Impfstoffen den Gedanken ins Lächerliche zieht, dass angesichts des Geldes, das auf dem Spiel steht, und angesichts der Tatsache, dass BioNTech, Moderna und Pfizer derzeit zusammen über 1.000 US-Dollar pro Sekunde mit den Covid-Impfstoffen verdienen, bei den Impfstoffherstellern andere Beweggründe als das „öffentliche Wohl“ im Spiel sein könnten? Und wie ist es möglich, dass die Linke, die oft unter staatlicher Repression leidet, heute die besorgniserregenden ethischen und politischen Implikationen der Covid-Pässe nicht zu erkennen scheint?

Während der Kalte Krieg mit der Ära der Dekolonisierung und dem Aufkommen einer globalen antirassistischen Politik zusammenfiel, leitete das Ende des Kalten Krieges – neben dem symbolischen Triumph der Dekolonisierungspolitik mit dem Ende der Apartheid – eine existenzielle Krise für linke Politik ein. Der Aufstieg der neoliberalen wirtschaftlichen Hegemonie, die Globalisierung und der Transnationalismus der Unternehmen haben die historische Auffassung der Linken vom Staat als Motor der Umverteilung untergraben.

Hinzu kommt die Erkenntnis, dass die Linke, wie der brasilianische Theoretiker Roberto Mangabeira Unger argumentiert hat, in Zeiten grosser Krisen immer am meisten profitiert hat – die Russische Revolution profitierte vom Ersten Weltkrieg, der Wohlfahrtskapitalismus von den Folgen des Zweiten Weltkriegs. Diese Geschichte mag zum Teil die heutige Positionierung der Linken erklären: Die Verstärkung der Krise und ihre Verlängerung durch nicht enden wollende Restriktionen mag von einigen als ein Weg gesehen werden, linke Politik nach Jahrzehnten der existenziellen Krise wieder aufzubauen.

Das fehlerhafte Verständnis der Linken über das Wesen des Neoliberalismus mag auch ihre Reaktion auf die Krise beeinflusst haben. Die meisten Linken glauben, dass der Neoliberalismus einen „Rückzug“ oder eine „Aushöhlung“ des Staates zugunsten des Marktes bedeutet. Daher interpretierten sie den Aktivismus der Regierung während der Pandemie als willkommene „Rückkehr des Staates“, die ihrer Ansicht nach potenziell in der Lage ist, das angeblich antistaatliche Projekt des Neoliberalismus letztendlich rückgängig zu machen. Das Problem mit diesem Argument, selbst wenn man seine zweifelhafte Logik akzeptiert, ist, dass der Neoliberalismus nicht zu einem Absterben des Staates geführt hat. Im Gegenteil, der Anteil des Staates am BIP hat während der gesamten neoliberalen Ära weiter zugenommen.

Dies sollte nicht überraschen. Der Neoliberalismus stützt sich ebenso wie der „Keynesianismus“ auf umfangreiche staatliche Interventionen, nur dass der Staat jetzt fast ausschliesslich zur Förderung der Interessen des Grosskapitals eingreift – zur Überwachung der Arbeiterklassen, zur Rettung grosser Banken und Unternehmen, die sonst bankrott gehen würden, usw. Tatsächlich ist das Kapital heute in vielerlei Hinsicht mehr denn je vom Staat abhängig. Wie Shimshon Bichler und Jonathan Nitzan anmerken: „In dem Masse, in dem sich der Kapitalismus entwickelt, werden Regierungen und Grossunternehmen immer enger miteinander verflochten. … Der kapitalistische Machtmodus und die ihn beherrschenden Kapitalkoalitionen erfordern keine kleinen Regierungen. Tatsächlich brauchen sie in vielerlei Hinsicht grössere“.

Der heutige Neoliberalismus ähnelt eher einer Form des Staatsmonopolistischen Kapitalismus – oder der Korporatokratie – als der Art von kleinstaatlichem Kapitalismus der freien Marktwirtschaft, die er oft zu sein vorgibt. Dies erklärt, warum er immer mächtigere, interventionistische und sogar autoritäre Staatsapparate hervorgebracht hat.

Das allein macht den Jubel der Linken über eine nicht existierende „Rückkehr des Staates“ peinlich naiv. Und das Schlimmste daran ist, dass sie diesen Fehler schon einmal gemacht hat. Selbst nach der Finanzkrise von 2008 haben viele Linke hohe Staatsdefizite als „Rückkehr von Keynes“ gefeiert – obwohl diese Massnahmen in Wirklichkeit sehr wenig mit Keynes zu tun hatten, der zu Staatsausgaben riet, um Vollbeschäftigung zu erreichen, und stattdessen darauf abzielten, die Schuldigen der Krise, die Grossbanken, zu stützen. Darauf folgte ein beispielloser Angriff auf die Sozialsysteme und die Rechte der Arbeitnehmer in ganz Europa.

Etwas Ähnliches geschieht heute, da staatliche Aufträge für Covid-Tests, PSA, Impfstoffe und jetzt auch für Impfpass-Technologien an transnationale Unternehmen vergeben werden (oft durch zwielichtige Geschäfte, die nach Vetternwirtschaft stinken). In der Zwischenzeit wird das Leben und die Lebensgrundlage der Bürgerinnen und Bürger durch die „neue Normalität“ erschüttert. Die Tatsache, dass die Linke dies nicht zu bemerken scheint, ist besonders rätselhaft. Schliesslich ist der Gedanke, dass Regierungen dazu neigen, Krisen auszunutzen, um die neoliberale Agenda weiter zu festigen, in der jüngeren Literatur der Linken weit verbreitet.

Pierre Dardot und Christian Laval haben zum Beispiel argumentiert, dass die Krise im Neoliberalismus zu einer „Regierungsmethode“ geworden ist. Berühmter ist Naomi Klein, die in ihrem 2007 erschienenen Buch „Die Schock Strategie“ die Idee des „Katastrophenkapitalismus“ untersucht hat. Ihre zentrale These lautet, dass es in Momenten öffentlicher Angst und Orientierungslosigkeit einfacher ist, Gesellschaften umzugestalten: Dramatische Veränderungen der bestehenden Wirtschaftsordnung, die normalerweise politisch unmöglich wären, werden in rascher Folge durchgesetzt, bevor die Öffentlichkeit Zeit hatte zu verstehen, was passiert.

Heute ist eine ähnliche Dynamik im Spiel. Nehmen wir zum Beispiel die Hightech-Überwachungsmassnahmen, die digitalen Ausweise, die Unterdrückung öffentlicher Demonstrationen und die Beschleunigung von Gesetzen, die von den Regierungen zur Bekämpfung des Coronavirus eingeführt wurden. Wenn die jüngste Geschichte etwas hergibt, werden die Regierungen sicherlich einen Weg finden, viele der Notstandsregelungen dauerhaft zu machen – so wie sie es mit vielen Anti-Terror-Gesetzen nach dem 11. September getan haben. Wie Edward Snowden bemerkte: „Wenn wir sehen, dass Notstandsmassnahmen verabschiedet werden, vor allem heute, dann sind sie in der Regel von Dauer. Der Notstand wird tendenziell ausgeweitet“. Dies bestätigt auch die Ideen des italienischen Philosophen Giorgio Agamben über den „Ausnahmezustand“, der jedoch von der Mainstream-Linken für seine Anti-Einsperr-Position verunglimpft wurde.

Letztlich sollte jede Form staatlichen Handelns danach beurteilt werden, wofür sie tatsächlich steht. Wir unterstützen staatliche Eingriffe, wenn sie dazu dienen, die Rechte von Arbeitnehmern und Minderheiten zu fördern, Vollbeschäftigung zu schaffen, wichtige öffentliche Dienstleistungen bereitzustellen, die Macht der Unternehmen zu zügeln, die Dysfunktionalität der Märkte zu korrigieren und die Kontrolle über wichtige Branchen im öffentlichen Interesse zu übernehmen. Doch in den letzten 18 Monaten haben wir genau das Gegenteil erlebt: eine beispiellose Stärkung der transnationalen Konzernriesen und ihrer Oligarchen auf Kosten der Arbeitnehmer und der lokalen Unternehmen. Aus einem Bericht vom letzten Monat, der sich auf Daten von Forbes stützt, geht hervor, dass allein die amerikanischen Milliardäre während der Pandemie einen Vermögenszuwachs von 2 Billionen US-Dollar verzeichnen konnten.

Ein weiteres linkes Hirngespinst, das von der Realität zunichte gemacht wurde, ist die Vorstellung, dass die Pandemie einen neuen Kollektivgeist hervorbringen würde, der Jahrzehnte des neoliberalen Individualismus überwinden könnte. Im Gegenteil, die Pandemie hat die Gesellschaft noch mehr gespalten – in Geimpfte und Ungeimpfte, in diejenigen, die von den Vorteilen intelligenter Arbeit profitieren können, und diejenigen, die das nicht können. Darüber hinaus ist ein Demos aus traumatisierten Individuen, die von ihren Angehörigen getrennt wurden, sich gegenseitig als potenzielle Krankheitsüberträger fürchten und Angst vor körperlichem Kontakt haben, kaum ein guter Nährboden für kollektive Solidarität.

Aber vielleicht lässt sich die Reaktion der Linken besser in individuellen als in kollektiven Begriffen verstehen. Die klassische psychoanalytische Theorie hat einen klaren Zusammenhang zwischen Vergnügen und Autorität aufgezeigt: Auf die Erfahrung grossen Vergnügens (Befriedigung des Vergnügungsprinzips) folgt oft der Wunsch nach erneuter Autorität und Kontrolle, die durch das Ich oder das „Realitätsprinzip“ zum Ausdruck kommt. Dies kann in der Tat zu einer umgekehrten Form des Vergnügens führen. Die letzten zwei Jahrzehnte der Globalisierung haben eine enorme Ausweitung der „Lust an der Erfahrung“ mit sich gebracht, die von der zunehmend transnationalen globalen liberalen Klasse geteilt wird – von denen sich viele, historisch gesehen, als links identifizierten (und diese Position in der Tat zunehmend von den traditionellen Arbeiterklassen-Wählerschaften der Linken usurpierten).

Diese massive Zunahme von Vergnügen und Erfahrung in der liberalen Klasse ging einher mit einem wachsenden Säkularismus und dem Fehlen jeglicher anerkannter moralischer Zwänge oder Autoritäten. Aus der Sicht der Psychoanalyse lässt sich die Unterstützung dieser Klasse für die „Covid-Massnahmen“ ganz einfach so erklären: als das gewünschte Auftreten einer Gruppe von restriktiven und autoritären Massnahmen, die zur Einschränkung des Vergnügens auferlegt werden können, im Rahmen eines moralischen Kodexes, der dort einspringt, wo er zuvor fehlte.

Ein weiterer Faktor, der das Eintreten der Linken für „Covidmassnahmen“ erklärt, ist ihr blindes Vertrauen in die „Wissenschaft“. Dies hat seine Wurzeln in dem traditionellen Glauben der Linken an den Rationalismus. Es ist jedoch eine Sache, an die unbestreitbaren Tugenden der wissenschaftlichen Methode zu glauben – eine andere ist es, die Art und Weise, in der die Machthaber die „Wissenschaft“ zur Durchsetzung ihrer Ziele ausnutzen, völlig zu ignorieren. Die Möglichkeit, sich auf „harte wissenschaftliche Daten“ zu berufen, um die eigenen politischen Entscheidungen zu rechtfertigen, ist ein unglaublich mächtiges Instrument in den Händen der Regierungen – es ist in der Tat das Wesen der Technokratie. Dies bedeutet jedoch, dass man sorgfältig die „Wissenschaft“ auswählt, die die eigene Agenda unterstützt, und dass man alle alternativen Ansichten aggressiv an den Rand drängt, unabhängig von ihrem wissenschaftlichen Wert.

Dies geschieht schon seit Jahren im Bereich der Wirtschaft. Ist es wirklich so schwer zu glauben, dass eine solche Vereinnahmung durch Unternehmen heute in der medizinischen Wissenschaft stattfindet? Nach Ansicht von John P. Ioannidis, Professor für Medizin und Epidemiologie an der Stanford University, nicht. Ioannidis geriet Anfang 2021 in die Schlagzeilen, als er zusammen mit einigen seiner Kollegen eine Arbeit veröffentlichte, in der er behauptete, dass es in epidemiologischer Hinsicht keinen praktischen Unterschied zwischen Ländern gibt, die sich abgeschottet haben, und solchen, die dies nicht getan haben. Die Gegenreaktion gegen die Arbeit – und insbesondere gegen Ioannidis – war heftig, vor allem unter seinen wissenschaftlichen Kollegen.

Dies erklärt, warum er kürzlich seinen eigenen Berufsstand scharf anprangerte. In einem Artikel mit dem Titel „How the Pandemic Is Changing the Norms of Science“ (Wie die Pandemie die Normen der Wissenschaft verändert) stellt Ioannidis fest, dass die meisten Menschen – vor allem auf der Linken – zu glauben scheinen, dass die Wissenschaft auf der Grundlage der „Mertonschen Normen des Kommunalismus, des Universalismus, des Desinteresses und des organisierten Skeptizismus“ funktioniert. Aber so funktioniert die wissenschaftliche Gemeinschaft leider nicht, erklärt Ioannidis. Mit der Pandemie explodierten die Interessenkonflikte der Unternehmen – und dennoch wurde das Reden darüber zu einem Anathema.

Er fährt fort: „Berater, die Millionen von Dollar mit der Beratung von Unternehmen und Regierungen verdienten, erhielten prestigeträchtige Positionen, Macht und öffentliches Lob, während unbelastete Wissenschaftler, die pro bono arbeiteten, es aber wagten, die vorherrschenden Narrative zu hinterfragen, als konfliktbehaftet verleumdet wurden. Der organisierte Skeptizismus wurde als Bedrohung für die öffentliche Gesundheit angesehen. Es kam zu einem Zusammenstoss zwischen zwei Denkschulen, der autoritären öffentlichen Gesundheitspflege und der Wissenschaft – und die Wissenschaft verlor“.

Letztlich ist die eklatante Missachtung und Verhöhnung der berechtigten Sorgen der Menschen (über Abriegelungen, Impfstoffe oder Covid-Pässe) durch die Linke beschämend. Diese Sorgen sind nicht nur in tatsächlicher Not begründet, sondern entspringen auch einem verständlichen Misstrauen gegenüber Regierungen und Institutionen, die unbestreitbar von Unternehmensinteressen vereinnahmt worden sind. Wer wie wir einen wirklich progressiv-interventionistischen Staat befürwortet, muss sich mit diesen Bedenken auseinandersetzen – und darf sie nicht abtun.

Aber die Antwort der Linken ist auf der Weltbühne am unzureichendsten, wenn es um die Beziehung zwischen den Beschränkungen des Covid und der sich vertiefenden Armut im globalen Süden geht. Hat sie wirklich nichts zu sagen über die enorme Zunahme von Kinderheiraten, den Zusammenbruch der Schulbildung und die Zerstörung von formellen Arbeitsplätzen in Nigeria, wo nach Angaben der staatlichen Statistikbehörde 20 % der Menschen während der Abriegelungen ihre Arbeit verloren haben?

Was ist mit der Tatsache, dass das Land mit den höchsten Covid-Sterblichkeitszahlen und der höchsten Übersterblichkeitsrate im Jahr 2020 Peru war, das eine der strengsten Abriegelungen der Welt hatte? Zu all dem wurde praktisch geschwiegen. Diese Position muss im Zusammenhang mit der Vorrangstellung nationalistischer Politik auf der Weltbühne gesehen werden: Das Scheitern linker Internationalisten wie Jeremy Corbyn bei den Wahlen bedeutete, dass umfassendere globale Themen wenig Zugkraft hatten, wenn es um eine breitere Reaktion der westlichen Linken auf Covid-19 ging.

Es ist erwähnenswert, dass es in der Linken Ausreisser gab – linksradikale und sozialistische Bewegungen, die sich gegen den vorherrschenden Umgang mit der Pandemie ausgesprochen haben. Dazu gehören Black Lives Matter in New York, linke Lockdown-Skeptiker im Vereinigten Königreich, die chilenische städtische Linke, Wu Ming in Italien und nicht zuletzt die sozialdemokratisch-grüne Allianz, die derzeit in Schweden regiert. Das gesamte linke Meinungsspektrum wurde jedoch ignoriert, was zum Teil auf die geringe Zahl linker Medien zurückzuführen ist, aber auch auf die Marginalisierung abweichender Meinungen vor allem durch die Mainstream-Linke.

Vor allem aber war dies ein historisches Versagen der Linken, das katastrophale Folgen haben wird. Jede Form des populären Dissenses wird wahrscheinlich wieder von der (extremen) Rechten hegemonisiert werden, was jede Chance der Linken zunichte macht, die Wähler zu gewinnen, die sie braucht, um die Hegemonie der Rechten zu brechen. In der Zwischenzeit hält die Linke an einer Technokratie von Experten fest, die durch den katastrophalen Umgang mit der Pandemie im Hinblick auf den sozialen Progressivismus schwer geschwächt ist. Da jede Art von wählbarer Linker der Vergangenheit angehört, werden die Diskussion und der Dissens, die das Herzstück jedes echten demokratischen Prozesses sind, wahrscheinlich mit ihr verschwinden.

Toby Green ist Professor für Geschichte am Kings College London. Sein neuestes Buch ist The Covid Consensus: The New Politics of Global Inequality (Hurst).

Thomas Fazi ist Schriftsteller, Journalist und Übersetzer. Sein neuestes Buch ‚Reclaiming the State‘ ist bei Pluto Press erschienen. @battleforeurope

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.

Grafikquellen          :

Oben      —         Narrenschiff, Ölbild Thomas Bühler. Beschreibung des Bilds durch das Presse- und Informationsamt Osnabrück

Thomas Bühler – Archiv des Künstlers

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2.) von Oben        —       Graffiti „Destroy Capitalism!“ auf einer Fabrikmauer

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395 – mal ein Ja

Erstellt von Redaktion am 9. Dezember 2021

Bundestag wählt Olaf Scholz zum Kanzler

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Von  Jasmin Kalarickal, Anna Lehmann und Stefan Reinecke

Mehr als 700 Bundestagsabgeordnete kamen am Mittwoch zusammen, um den neuen Kanzler Scholz zu wählen. Die taz hat drei von ihnen begleitet.

Ria Schröder, gekleidet in einem roten Hosenanzug aus Leinenstoff, eilt den Gang auf der Plenarebene des Bundestags entlang, da ertönt auch schon der Klingelton. „Es ist ein aufregender Tag, sagt sie, „für mich als neues Mitglied im Bundestag, für Deutschland, für die Welt.“ Ein friedlicher Machtwechsel, ohne Waffen, ohne Militär sei ja alles andere als selbstverständlich. „Wir wählen demokratisch aus dem Parlament heraus eine neue Regierung und einen neuen Kanzler, das ist so besonders“, sagt Schröder, 29, die für die FDP neu im Bundestag sitzt. „Ich bin geehrt, Teil davon sein zu dürfen.“

Am Mittwochmorgen um kurz nach acht kommt auch Katharina Beck schnellen Schrittes zum Osteingang des Reichstagsgebäudes. Im dicken Mantel gegen die Kälte und hochhackigen gelben Stiefeln für den Schick. Vor dem Mund trägt die Grünen-Abgeordnete eine, na klar, grüne Maske mit gelber Sonnenblume. Später im Plenarsaal muss sie die leider austauschen, denn die Sonnenblume gilt als politisches Abzeichen. Auch Beck, 39, ist neu im Bundestag. Vor einem Jahr arbeitete sie noch als Managerin bei einer großen Unternehmensberatung. Wie Schröder kommt Beck aus Hamburg. Was sie von Olaf Scholz hält, hat die taz sie in einem Vorgespräch gefragt. Sie hat verschmitzt gelächelt. „Ein Schlitzohr.“

Beck ist im selben Jahr bei den Grünen aktiv geworden, in dem Scholz Erster Bürgermeister von Hamburg wurde. 2011 war das. Die Kritikpunkte sind bekannt: Der in Krawallen endende G20-Gipfel in Hamburg, die Steuernachlässe in Millionenhöhe für Banker. All dies fiel in Scholz’ Amtszeit. Doch am heutigen Mittwoch hält Beck sich mit Kritik zurück: „Um das große Ganze nicht zu gefährden.“

Lars Klingbeil sieht am Mittwochmorgen um kurz nach acht aus wie immer. Ausgeruht. Das ist erstaunlich. Der Generalsekretär der SPD steht seit Monaten unter Stress. Er hat den Wahlkampf geplant und organisiert, er hat die Koalitionsverhandlungen gemanagt. „Ich bin schon sehr emotional“, sagt Klingbeil durch seine schwarze Maske auf dem Weg vom Abgeordnetenbüro in den Bundestag. Zwar hat er Angela Merkel schon zweimal zur Kanzlerin gewählt. Er kennt das Prozedere. Aber das jetzt ist anders. Ein SPD-Kanzler, „und ich habe Anteil daran“, sagt er.

Schröder, Beck, Klingbeil und die anderen Abgeordneten des Deutschen Bundestages kommen an diesem 8. Dezember 2021 zusammen, um den Bundeskanzler zu wählen. 369 Stimmen werden gebraucht, insgesamt 416 Abgeordnete stellen SPD, Grüne und FDP, die zusammen die Ampelkoalition bilden werden. Das sollte reichen.

Im Aufzug zur Fraktionsebene des Reichstages drängeln sich Abgeordnete auf dem Weg zur Kanzlerwahl. Klingbeil sagt: „Es wird nicht knapp. Es wird reichen.“ 202 SPD-Abgeordnete strömen um halb neun zur Fraktionssitzung. Vier sind krank. Eine Art Zählappell. Damit Olaf Scholz auch keine Stimme fehlt. Sind Sie stolz, Herr Klingbeil? „Megastolz“, sagt er. „Ich habe eineinhalb Jahre meines Lebens auf diesen Tag hingearbeitet. Vor eineinhalb Jahren haben viele gesagt: Du bist ein Spinner, du kriegst Scholz nie ins Kanzleramt. Wer hätte das der SPD zugetraut?“

File:Lars Klingbeil, 2013.JPG

Lars Klingbeil, SPD :  „Ich habe eineinhalb Jahre meines Leben auf diesen Tag hingearbeitet. Wer hätte das der SPD zugetraut?“

Der wundersame Wiederaufstieg der SPD und Klingbeils Karriere verliefen synchron. Wahrscheinlich wäre er, Sohn eines Soldaten mit einer für SPD-Rechte typischen innigen Beziehung zur Bundeswehr, gerne Verteidigungsminister geworden. Aber das zählt heute nicht. Am kommenden Samstag wird er zum SPD-Vorsitzenden gewählt werden. Mit 43 Jahren. So jung wie noch keiner vor ihm.

Auch die Grünen haben noch einmal durchgezählt. Katharina Beck setzt sich danach in die fünfte Reihe der Fraktion. Ihre grüne Maske hat sie gegen eine lachsfarbene ausgetauscht. Auch auf der prangen Sonnenblumen, aber dezenter. Dass sie Scholz ihre Stimme geben wird, daran lässt sie keinen Zweifel. Denn nach diesem Tag geht es daran, den Koalitionsvertrag umzusetzen. Und diesem hat sie „aus vollem Herzen zugestimmt“.

Beck sieht sehr viele grüne Forderungen erfüllt, darunter eines ihrer Herzensprojekte. Unternehmen müssen künftig ökologische und soziale Aspekte in ihre Rechnungslegung integrieren. Häh? Beck, die Unternehmensberaterin, erklärt geduldig. Bisher weisen nur Umsätze oder Gewinne den Erfolg eines Unternehmens aus. Künftig werden auch CO2-Emissionen in die Bilanzen integriert, gewissermaßen das Herzstück der Unternehmenssteuerung. Erfolg werde damit neu definiert. „Klimaschutz wird sich endlich unternehmerisch lohnen – und zwar fair für alle Unternehmen.“ Dass die Grünen Scholz den Kohleausstieg 2038 „abgeluchst“ und im Koalitionsvertrag „idealerweise“ 2030 als Ausstiegsdatum definiert haben, sieht Beck ebenfalls als Er

Als Hamburgerin hat Ria Schröder den designierten Kanzler schon viele Jahre aus der Nähe erlebt. „Er hat als Bürgermeister in der Mietenpolitik einen respektablen Job gemacht, davon profitieren wir heute noch“, erzählt sie, aber sie war natürlich nicht mit allem einverstanden: „G20 hat die ganze Stadt erschüttert.“ Dennoch wird Ria Schröder ihm an diesem Mittwoch ihre Stimme geben, „einen Vertrauensvorschuss“.

Noch 20 Minuten bis zum Beginn der Sitzung. Auf der Ehrentribüne über Beck nimmt Angela Merkel Platz. Sie trägt einen schwarzen Hosenanzug, eine eher ungewöhnliche Farbwahl für die Ex-Kanzlerin in spe. Doch ein wenig Abschiedsschmerz könnte sich an diesem Tag wohl doch in die Vorfreude auf den Ruhestand mischen.

Vorn im Plenarsaal vor den Bänken der SPD-Fraktion steht ihr Nachfolger. Auch er in Schwarz – als hätten sie sich abgesprochen.

Applaus für Angela Merkel

Um neun Uhr eröffnet Bundestagspräsidentin Bärbel Bas die Sitzung. Sie begrüßt Angela Merkel, die geschäftsführende Bundeskanzlerin. Der Applaus der Abgeordneten ist warm und lang. Katharina Beck springt spontan auf, setzt sich wieder, doch dann folgen andere Abgeordnete ihrem Beispiel. Der ganze Bundestag steht auf für Merkel. Fast. Nur bei der AfD rührt sich kein Sitzfleisch und keine Hand. Klingbeil ist einer der Ersten, die aufstehen und weiterklatschen. „Merkel hat das verdient“, sagt er später. Beck gerät sogar richtig ins Schwärmen. „Sie ist eine unfassbar tolle und beeindruckende Person, die 16 Jahre lang das Land regiert hat.“

Dann erklärt Bas als Präsidentin die Formalitäten der Kanzlerwahl: Mit verdeckter Stimmkarte, ankreuzen in der Wahlkabine, dann in die Wahlurne einwerfen. „Bitte erst nach Aufruf, nicht alle auf einmal!“ Die Namen der Abgeordneten werden nun in alphabetischer Reihenfolge vorgelesen: Beck folgt nach Bayram, Klingbeil vor Klöckner, Schröder kommt ziemlich weit hinten.

Quelle        :          TAZ-online         >>>>>        weiterlesen

Deutschlands neue Regierung: Keine Zäsur, aber eine Chance

Ampel Sondierungen und FridaysForFuture protestieren 2021-10-15 169.jpg

Kommentar von Stefan Reinecke

Die neue Ampelkoalition ist eher aus Not und praktischer Vernunft geboren. Doch sie ist das progressivste Bündnis, das derzeit geht.

Der Machtwechsel ist vollzogen. Er ging kühl und symbolarm über die Bühne, so wie die Bundesrepublik eben ist. Bundestagspräsidentin Bärbel Bas hob für den Tag das Verbot auf, im Parlament Fotos zu machen. Das war, vom Unterhaltungswert her betrachtet, der Höhepunkt. Die geschäftsführende Merkel-Regierung ist nicht mehr im Amt. Die neue Ampelregierung wirkt schon an ihrem ersten Tag geschäftsmäßig.

Dieser Wechsel ist keine Zäsur wie 1969 und 1998. 1998 war ein generationeller Bruch: Die mittig gewordenen 68er übernahmen die Macht. Willy Brandts Kanzlerschaft war ein Demokratisierungsschub und Ausdruck des Bündnisses von Arbeiterbewegung und liberalem Bürgertum. Die Ampel ist eher bedeutungsarm. Man kann sie nur schwer als Reflexion mächtiger gesellschaftlicher Umbrüche lesen. Es ist kein Zufall, dass die Ampel ihren Fortschritts-Slogan als Zitat von Willy Brandt verkauft.

Die Ampel ist eher aus Not und praktischer Vernunft geboren. Es gäbe sie kaum, wenn die Union nicht so ausgelaugt vom Regieren wäre. Die Kanzlerin trat nicht mehr an, nun sitzt der Vizekanzler auf ihrem Posten. Die Deutschen ziehen fast immer Kontinuität dem Wandel vor, das Vertraute dem Unbekannten.

Quelle         :      TAZ-online          >>>>>        weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     — Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“

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2.) von Oben        :         Lars Klingbeil, Netzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion zu Besuch am Stand des D-64 e.V. auf dem SPD-Bundesparteitag in Leipzig am 15. Oktober 2013

Verfasser Kaffeeringe         /      Diese Datei ist lizenziert unter der Creative CommonsAttribution-Share Alike 3.0 Unported Lizenz.

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Unten     —         Protest von FridaysForFuture und Anderen, sowie Ankunft der Verhandlungsteilnehmenden an der Messe Berlin zum letzten Tag der Sondierungsgespräche für eine Ampelkoalition.

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Ohne Visionen und Gefühle

Erstellt von Redaktion am 8. Dezember 2021

Vor der Scholz-Wahl zum Kanzler

2021.08.21 Olaf Scholz 0289.JPG

Von Gunnar Hinck

Als Brandt Kanzler wurde flossen Freudentränen. Schmidt war kalt und autoritär. Schröder belebte den Sozistolz  wieder und enttäuschte. Olaf Scholz wird der vierte SPD-Kanzler sein. Doch den sozialdemokratischen Zauber von einst sucht man vergebens.

Am 27. September 1998 zwängten sich fünf junge Leute in ein kleines Auto, um quer durch die Republik nach Bonn zu fahren. Das Ziel: Die SPD-Zentrale, wo der erwartete Wahlsieg Gerhard Schröders aus nächster Nähe erlebt werden sollte. Problemlos konnte sich die unangemeldete Gruppe von StudentInnen – die einen SPD-Anhänger, die anderen Erlebnishungrige – durch die Kontrollen schmuggeln, Security war damals noch nicht so ein Thema.

Das Erich-Ollenhauer-Haus sah nicht nur von außen, sondern auch von drinnen enttäuschenderweise wie eine Gesamtschule in Bielefeld aus, dafür war es zum Bersten voll. Irgendwann nach 18 Uhr stellte sich Schröder mit seinem Parteichef Oskar Lafontaine auf die Bühne und ließ sich feiern. Unter die Aufgedrehtheit der kleinen Reisegruppe mischten sich schnell Irritationen: Warum standen Schröder und Lafontaine vor einer blauen Leinwand statt einer roten? Was sollte der rätselhafte Spruch „Die neue Mitte“ an der Wand?

Und Schröders Grinsen hatte etwas Selbstgefälliges, so als wollte er sagen: Danke für die Macht, die ihr mir naiverweise gegeben habt. Den Abend sollten diese Beobachtungen aber nicht trüben. Im Presseraum standen auf Tischen klobige Telefone aus den achtziger Jahren. Stolzer Anruf bei den Eltern: Ich bin mitten im Geschehen! Es gab Freibier vom Fass.

SPD-Kanzler sind in der bundesdeutschen Geschichte eher selten. Nur in 20 von 72 Jahren haben sie bislang den Kanzler gestellt. Bis in die sechziger Jahre existierten in der SPD noch Reste einer Arbeiterbewegungskultur, einer Gegenkultur zur Mehrheitsgesellschaft. Man fühlte sich als Außenseiter, denen die Macht vorenthalten wurde. Die Alten kannten noch die Geschichten ihrer Eltern, wie sie sich im Kaiserreich vor der Polizei versteckten. In diesem Milieu hat man seine Kinder natürlich beim Arbeitersportverein angemeldet und nicht bei der bürgerlichen Konkurrenz. Und wenn Herbert Wehner im Bundestag sprach, wurde der Fernseher lauter gestellt.

Es flossen Freudentränen

Als Willy Brandt 1969 zum Kanzler gewählt wurde – der erste SPD-Kanzler seit 1930 –, flossen in diesem Milieu Freudentränen. Die flossen erst recht, als CDU-Bundestagspräsident Kai-Uwe von Hassel 1971 eine Bundestagssitzung mit der Nachricht unterbrach, „dass die Nobelpreiskommission des norwegischen Parlaments dem Herrn Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland den Friedensnobelpreis verliehen hat“. Mit seiner Wahl habe Hitler endgültig den Krieg verloren, schrieb Brandt etwas Ich-bezogen in seinen Memoiren. Aber er hatte nicht Unrecht.

Brandt war in diesem Milieu mit seiner Biografie ein Gigant: Linkssozialist in der späten Weimarer Republik, Flucht aus Deutschland 1933 mit einem Fischerboot nach Dänemark und weiter nach Norwegen, illegale Parteiarbeit unter Decknamen und unter Lebensgefahr in Berlin 1936, Rückkehr nach Deutschland nach dem Krieg als norwegischer Staatsbürger, verachtet von Konservativen als Vaterlandsverräter.

Die sogenannten kleinen Leute profitierten enorm von der Brandt-Regierung, aber am Ende wuchsen die Staatsschulden, die Wirtschaft kriselte. Auch deswegen folgte Helmut Schmidt, der als ehemaliger Wehrmachtsoberleutnant aller­dings von anderem Schlag war. Schmidt gehörte zu der Kohorte orientierungsloser junger Leute nach 1945, die sich aus eher pragmatischen Gründen der SPD anschlossen – die CDU war ihnen zu kirchennah, die FDP zu dünkelhaft.

1982 war die SPD eine zerrissene Partei

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Viel später sollte Schmidt in seiner Rolle als gutmütiger Uropa-Typus von Sandra Maischberger und anderen in Talkshows hofiert werden, aber damals litten viele Sozialdemokraten unter seinem autoritären Ton – der Sozifunktionären freilich nie ganz fremd war. Der bayerische SPD-Kulturpolitiker Dieter Lattmann notierte über eine Kabinettssitzung unter Schmidt, bei der er Gast war: „‚Nicht verstanden‘, sagte er schneidend und zündete sich eine seiner Mentholzigaretten aus der Packung neben dem Coca-Cola-Glas an. Umständliche Leute wollte er nicht an diesem Tisch haben. … ‚Erklären Sie das noch mal‘, forderte er, ‚aber so, dass es ein normaler Mensch begreifen kann.‘

Quelle      :         TAZ-online            >>>>>          weiterlesen

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Oben     —     Olaf Scholz, Politiker (SPD) – Zur Zeit Vizekanzler und Bundesminister der Finanzen der Bundesrepublik Deutschland. Außerdem ist er Kanzlerkandidat der SPD für die Bundestagswahl 2021. Hier während einer SPD-Wahlkampfveranstaltung im August 2021 in München. Titel des Werks: „Olaf Scholz – August 2021 (Wahlkampf)“

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Unten     —  Lügen HABEN KURZE BEINE. >>Ich stehe dafür, daß die Renten steigen wie die Nettoeinkommen.<< Gerhard Schröder, 17. Februar 1999 Abbildung: Porträtfoto Plakatart: Kandidaten-/Personenplakat mit Porträt Auftraggeber: CDU-Bundesgeschäftsstelle, Hauptabteilung Öffentlichkeitsarbeit, Bonn Objekt-Signatur: 10-025 : 311 Bestand: Wandzeitungen (10-025) GliederungBestand10-18: CDU-Bundesgeschäftsstelle Lizenz: KAS/ACDP 10-025 : 311 CC-BY-SA 3.0 DE

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Die Suche nach den Wurzeln

Erstellt von Redaktion am 8. Dezember 2021

Hat Deutschland eine souveräne Rolle im gegenwärtigen Umbruch?

Bundesarchiv Bild 102-05952, Wilhelmshaven, Stapellauf Kreuzer »Köln«.jpg

Was wäre für ein Land denn normal gewesen wo es nie über politische Floskeln hinauskam?

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Kai Ehlers

Und welche Aufgabe haben wir, Du und ich dabei?

Reden wir nicht darum herum: die Coronakrise hat auch die unbequeme Frage wieder hochgebracht, ob Deutschland souverän ist. Das führt zu der Notwendigkeit zu klären, was unter Souveränität zu verstehen ist und wer in Deutschland der Souverän ist, wenn die Frage nicht in skurrilen Theorien oder dumpfen Tabus steckenbleiben soll.

Um sinnlose Missverständnisse zu vermeiden, sei vorweggeschickt: Mit der Unterzeichnung des „Zwei-plus-Vier“-Vertrages am 1. Oktober 1990, mit dem die alliierten Siegermächte Frankreich, USA, Großbritannien und Russland im Beisein der Vertreter beider Deutscher Teilstaaten, BRD wie DDR, ihre Vorbehaltsrechte aufgaben, erhielt das wiedervereinigte Deutschland im heute geltenden völkerrechtlichen Sinne seine staatliche Souveränität auf der Grundlage des für die BRD seit dem 23.Mai 1949 geltenden Grundgesetzes.

Wir sehen keinen Anlass diese Vertragslage juristisch zu bezweifeln. Eine andere Frage ist, ob damit auch der geheime Zugriff der Westmächte auf den Post- und Fernmeldeverkehr sowie auf die Geheimdienste entfiel, den Konrad Adenauer seinerzeit außervertraglich legitimiert hatte oder ob dieser stillschweigend in die Zusatzvereinbarungen zum NATO-Truppenstatut eingegangen ist, wie es manche Staatsrechtler erklärten.

Eine andere Frage ist auch, wodurch die Souveränität der jetzigen Bundesregierung innenpolitisch legitimiert ist, wenn es im Grundgesetz heißt, dass alle Gewalt vom Volke ausgehe. Die neue Souveränität geht aber nur von dem „zwei-Plus-Vier“-Vertrag aus.

Nach diesem Vorspann können im Folgenden die eigentlichen Fragen erörtert werden: Wer oder was ist Deutschland? Worin besteht der Umbruch? Was heißt Souveränität? Und wer, schließlich, sind wir?

Beginnen wir mit dem Einfachsten, der Bedeutung des Begriffes „Souveränität“: Nach übereinstimmendem Sprachverständnis ist damit die Fähigkeit und Möglichkeit eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen gemeint selbstbestimmtes Subjekt der eigenen Leistungen zu sein. Das Subjekt kann eine natürliche oder eine juristische Person sein.

Historisch hat der Begriff entscheidende Verwandlungen erfahren: Erstmals formuliert wurde er für den abendländischen Raum um das Jahr 1600 von dem französischen Staatstheoretiker Jean Bodin als Konzeption der absoluten Herrschaft. Mit dem westfälischen Frieden von 1648 bekam der Begriff eine allgemeine Gültigkeit für die aus dem Krieg hervorgehende Ordnung Europas. Für Frankreich definierte er den „Sonnenstaat“. Dazu gehört der bekannte Ausspruch Ludwig XIV. „Der Staat bin ich“. Er war der „Souverän“. Das übrige Europa gliederte sich in eine Vielzahl mittlerer und kleiner souveräner Fürsten- und Bistümer auf, deren Mächtige jeder für sich die Rolle des Souveräns beanspruchten. Daraus ergab sich, anders als im zentralistischen Frankreich, eine lebendige staatliche, geistige und kulturelle Vielfalt. Der deutsche Idealismus, generell die deutsche Geistigkeit ist ein Produkt dieser Realität; sie brachte aber auch die Gefahr der unproduktiven Zersplitterung einander bekämpfender souveräner Egos in einer unüberschaubaren Kleinstaaterei mit sich.

File:Christmas Market at Berlin Breitscheidplatz during Covid-19 2021-11-20 05.jpg

Erst die Französische Revolution brachte das Volk als Souverän auf die historische Tagesordnung. Sie reduzierte, bzw. erhöhte, je nachdem, von welchem Blickwinkel aus man den Prozess betrachten möchte, das System absoluter Herrschaft staatsrechtlich auf den „contrat social“ zwischen Staat und Volk als Nation. Das hieß aber nicht etwa, dass Herrschaft und Beherrschte sich in Freiheit auf diesen Vertrag geeinigt hätten. Vielmehr ging diese Konstruktion als widersprüchlicher Zwitter in die Zukunft.

Mit dem Ende des 1. Weltkrieges wurde der so entstandene Zwitter aus staatlicher und persönlicher Selbstbestimmung, der alle Lebensbereiche einer Nation unter seinem Gewaltmonopol zusammenführte, nicht selten auch zusammenzwang, unter dem Stichwort der Selbstbestimmung des einheitlichen Nationalstaates zum Credo der neu entstehenden Völkerordnung erhoben, wie sie sich in den Vereinten Nationen abbildete. Diese Ordnung, dieses doppelte Verständnis von Souveränität gilt bis heute.

Real hat sich staatliche Souveränität immer an jeweils herrschenden Mächten ausrichten oder abarbeiten müssen, im 19. Jahrhundert am britischen Commonwealth, nach dem ersten Weltkrieg an der heraufziehenden bipolaren Frontlage zwischen den USA und der Sowjetunion, nach der „Wende“, die dem Zusammenbruch der Sowjetunion folgte, an der „einzig verbliebenen Weltmacht“ USA und jetzt an den sich neu herausbildenden Konstellationen. Und real wurde die Souveränität des Volkes immer wieder von Staatsführungen missachtet, eingeschränkt, umgangen oder direkt unterdrückt – und passte sich an, so dass die Aussage des deutschen Grundgesetzes, dass alle Gewalt vom Volke ausgeht, bis heute nicht Realität, sondern immer noch unerfüllter Anspruch für eine noch zu gestaltende Zukunft ist.

Damit sind wir bei einem wesentlichen Kriterium des heutigen Umbruchs angekommen – im Übergang von einer durch abendländische Kultur geprägten, zuletzt US-dominierten Weltordnung in eine große allgemeine Unsicherheit. Sie kann Verschiedenes bringen: neue Lagerbildungen, neue Dominanzen oder eine Explosion der nationalen Vielfalt – alles noch in den Strukturen des einheitlichen Nationalstaats mit ihrer widersprüchlichen Realität von Souveränität, die immer wieder in zwischenstaatlichen wie auch innenpolitischen Konflikten aufbricht und immer am Rande neuer kriegerischer Eskalationen entlangschliddert.

Ergebnis des Umbruchs kann aber auch eine Überwindung der Nationalstaatsordnung – wohlgemerkt: des herrschenden Credos einheitlicher Nationalstaaten – in Richtung selbstverwalteter Netzwerke entlang grenzüberschreitender Interessen, Wirkungen, kultureller Sphären bringen. Das wäre gleichbedeutend mit einer Reduzierung nationalstaatlicher Allmacht auf ein Verständnis von Staat, der darauf beschränkt wird, als Verwalter die Sicherheitsinteressen von Menschen wahrzunehmen, die lokal oder regional zusammenleben. Er hätte diese Menschen gegenüber anderen Regionen zu vertreten, während die in seinen Grenzen lebende Bevölkerung ihre wirtschaftlichen und kulturellen Interessen und Aktivitäten über die Grenzen des so definierten Staates hinaus selbst verwaltet und organisiert.

In dieser möglichen Entwicklung leuchten die Ideen auf, die seinerzeit unter dem Stichwort der Dreigliederung des sozialen Organismus von Rudolf Steiner und von verschiedenen rätesozialistischen Utopien vorgebracht wurden. Sie wurden bisher aber immer wieder von Realitäten des nationalen Einheitsstaates verdrängt, obwohl die materiellen Bedingungen der globalen Gesellschaft für eine solche Entwicklung reif wären. Schon 1918, erst recht nach dem Niedergang des Faschismus, später des Stalinismus war der nationale Einheitsstaat, der Staatssouveränität und Volkssouveränität, Wirtschaft und Geistesleben in einer Rüstung zusammenhalten und gegen alle anderen ebenso gerüsteten Staaten verteidigen muss, ein auslaufendes Modell. Inzwischen ist es sogar überfällig. Die Krise, die wir gegenwärtig erleben, ist Ausdruck dieser Tatsache. Neue Wege der zivilen, vielgliedrigen Organisation des Lebens werden gebraucht. Die materielle Grundlage für ihre Entwicklung ist gegeben.

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Damit sind wir endlich bei der Frage angekommen, welche Rolle Deutschland in diesem Prozess hat, haben könnte, haben sollte. Einfach gesprochen, die Deutschen könnten die Strukturen föderaler Vielfalt, die ihre Wurzeln tief in der Geschichte der staatlichen und geistigen Vielfalt Mitteleuropas haben, heute als bewusste Botschaft in die Welt hinaustragen. Darin könnten sich staatliche Vertreter/innen, ebenso wie eine wache Bevölkerung, welche die Geschichte Deutschlands als ihre eigene, unverwechselbare Geschichte ernst nimmt, als souverän im Sinne ihrer Selbstbestimmung erweisen.

Eine nähere Betrachtung dieser Frage zeigt jedoch, dass Deutschland diese Souveränität zurzeit nicht hat. Staatlich ist Deutschland eingeengt in die Westliche Allianz, die NATO-Mitgliedschaft, aktuell in das Vorkriegsbündnis gegen Russland und China. Innenpolitisch sind die staatlichen organisierten Kräfte dabei, die föderalen Wurzeln des deutschen Gemeinwesens den Anforderungen eines präventiven Sicherheitsstaates unter zu wollen. Corona macht es möglich.

Anders gesagt, der deutsche Staat leistet nicht, was er leisten könnte und sollte, nämlich Bedingungen herzustellen, die die Entfaltung von staatlicher Souveränität möglich machen – und die Bevölkerung duckt sich vor dieser Entwicklung in ihrer großen Mehrheit weg. Was also könnte, was sollte unsere Aufgabe in dieser Umbruchssituation sein? Wer sind „wir“?

„Wir“, um es kurz zu machen, sind diejenigen, die sich diese Souveränität, die „oben“ wie „unten“ nicht zu finden ist, selbst holen, selbst erarbeiten müssen, indem sie sich erinnern, was deutsche Geschichte, was deutscher Geist in ihren Höhen wie auch Tiefen war – und welche Impulse davon jetzt ausgehen könnten. Das ist zum einen der Rückgriff auf die geistige, kulturelle und staatliche Vielgestaltigkeit Mitteleuropas, aus dessen Schoß das heutige Deutschland hervorging. Das ist zum anderen die Erfahrung des tiefen Sturzes in den Ungeist des Faschismus, der zeigte, was geschieht, wenn die geistige Vielfalt in ihr Gegenteil, einen geisttötenden Zentralismus umschlägt. Aus beidem zusammen, aus der Erinnerung an die Kraft der Vielfalt und aus den Lehren, die aus der Brutalität faschistischer Gleichmacherei zu ziehen sind, können die Impulse gewonnen werden, welche die Deutschen, staatlich wie privat, heute in das gegenwärtige Umbruchgeschehen einbringen können. Es ist die Botschaft der Selbstbestimmung, die sich in organisierter Vielfalt verwirklicht. Erst aus der aktiven Vermittlung dieser Impulse kann Deutschlands wahre Souveränität erwachsen.

Kai Ehlers, www.kai-ehlers.de

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Grafikquellen :

Oben      —     Zu dokumentarischen Zwecken behielt das Deutsche Bundesarchiv häufig die original-bildunterschriften, die sein kann fehlerhaft, voreingenommen, veraltet oder politisch extrem. Der feierliche Stapellauf des neuen deutschen Kreuzers Köln auf der Staatswerft in Wilhelmshaven. Die feierliche Taufe wurde unter Anwesenheit des Reichswehrministers Groener, des Admiral Zenker, dem Oberbürgermeister von Köln Adenauer sowie dem Oberpräsidenten von Hannover Noske und einer vieltausendköpfigen Menschenmenge vollzogen. Die Festgäste anläßlich des Stapellaufes des Kreuzers Köln, v.lin.re.: Admiral Zenker, Reichswehrminister Groener, der Oberbürgermeister von Köln Adenauer, und der Oberpräsident von Hannover, Noske.

2.) von Oben    —     Weihnachtsmarkt

Eigene Arbeit (IPTC Unique Object Name: CS-jylidjvjyli)

Zuschreibung: C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 commons.wikimedia.org

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Ufo im märkischen Sand

Erstellt von Redaktion am 7. Dezember 2021

Tesla Gigafactory bei Berlin

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Von Susanne Messmer

Bald könnten in der Tesla Gigafactory in Grünheide die ersten Autos vom Band rollen. Wie gefällt das den Leuten vor Ort? Ein Besuch.

Diesmal setzt sich Arne Christiani sogar auf einen Stuhl für das Gespräch mit der Presse. Der Bürgermeister der verschlafenen Gemeinde Grünheide südöstliche von Berlin wirkt ruhig, geordnet, konzentriert. Er springt nicht mehr bei jeder Gelegenheit ans Telefon, rennt beim Sprechen nicht mehr auf und ab. Die Tage, in denen Grünheide in Aufruhr war, in denen die Bür­ge­r*in­nen für oder gegen die Ansiedlung des amerikanischen Elektroautoherstellers Tesla auf die Straße gingen, sie scheinen endgültig vorbei.

Es ist ein grauer Tag Ende November, auch tagsüber muss man Licht anschalten im Rathaus. Die Erörterung von ungefähr 800 Einwendungen aus drei Beteiligungsverfahren ist gerade zu Ende gegangen – und Arne Christiani ist sichtbaƒr gelöst. „Die Genehmigung wird kommen“, glaubt er und grinst. „Noch im Dezember werden bei Tesla die ersten Autos vom Band rollen.“

Tatsächlich hat das Unternehmen begonnen, eine Belegschaft aufzubauen und laut Medienberichten erste Testkarossen zu produzieren. Tesla rechnet damit, so ein Pressesprecher gegenüber der taz, dass im Laufe des Jahres 2022 bis zu 12.000 Mit­ar­bei­te­r*in­nen in Grünheide angestellt sein werden. 500.000 Elektroautos für den europäischen Markt sollen dann jährlich hier produziert werden. Das heißt: Wenn die Fabrik in den nächsten Jahren weiter ausgebaut würde, könnten es sogar noch mehr werden.

Alle Sorgen sind null und nichtig

Das klingt viel, aber nicht zu viel in den Ohren von Arne Christiani. Für ihn sind die Kühe gut versorgt, die sich in den ersten Monaten nach der Entscheidung von Tesla für seine Gemeinde noch eher auf dem Eis befanden. Tesla kann kommen, alle Sorgen sind null und nichtig.

Jede Menge Autos und Lieferverkehr, die sich zu jedem Schichtwechsel durch die Straßen der verschlafenen Gemeinde quälen werden? Christiani sagt: Vor einer Woche hat Tesla eine eigene provisorische Autobahnabfahrt eröffnet. Am Bahnhof Fangschleuse, zwei Kilometer südlich vom Ortskern, fährt der Regionalexpress seit einem Jahr im Halbstundentakt. „Wir werden hier gar nicht viel von Tesla merken.“

Tesla baut auf Basis von inzwischen 19 Einzelgenehmigungen, also ohne endgültiges Go und auf eigenes Risiko in einem Wasserschutzgebiet, das hat viele Naturschützer auf den Plan gerufen. Herr Christiani ist zufrieden, denn Tesla hat den Wasserverbrauch um mehr als 30 Prozent gesenkt.

Und was ist mit dem Neubau, der Grünheide völlig umkrempeln könnte, den Wohnungen, Kitas und Schulen, den Firmen, die sich dank Tesla ansiedeln werden? Grünheide ist umgeben von Seen und Wäldern, viel davon steht unter Naturschutz. Im Moment hat die Gemeinde 9.000 Einwohner, mehr als 13.000 können es nicht werden, sagt Christiani. „Grünheide wird kein zweites Wolfsburg“, freut er sich ziemlich genau zwei Jahre nach der Nachricht, dass Tesla nach Grünheide kommt und ein halbes Jahr, nachdem die Tesla-Fabrik eigentlich schon hätte in Betrieb gehen sollen.

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Arne Christiani hat oft gehört, er habe Tesla den roten Teppich ausgerollt. In einer Talkshow hat er vor wenigen Wochen gesagt, er sei „nicht der größte Verfechter der Demokratie“, um sich gleich darauf dafür zu entschuldigen. Trotzdem ist das, was sich dieser Bürgermeister für Grünheide erhofft, echt. Für ihn wird Tesla möglich machen, dass junge Leute auch in der Region arbeiten können.

Aber gilt das tatsächlich für alle Menschen in Grünheide?

Drei Kilometer Luftlinie vom Rathaus in Grünheide entfernt steht Steffen Schorcht vor dem werdenden Werk von Tesla und holt sein Fernglas aus der Manteltasche.

Personenverkehr auf Luftkissen

Man sieht dieser gerade wohl berühmtesten Baustelle des Landes an, dass sie von einem Mann dirigiert wird, der es eilig hat. Elon Musk, das einprägsame Gesicht von Tesla, will die Welt vom Verbrennungsmotor befreien, Menschen auf dem Mars ansiedeln und den Personenverkehr auf Luftkissen verlegen, die in Röhren über 1.200 Kilometer pro Stunde schaffen. Im Februar 2020 rodete sein Unternehmen in Grünheide, wo heute riesige Hallen stehen, 92 Hektar Kiefernwald. Im Juni 2020 erfolgten die ersten Gründungs- und Fundamentarbeiten, fünf Monate später die Rodung von weiteren knapp 83 Hektar Wald, trotz Protesten.

Die Baustelle, vor der Schorcht nun steht und auf der angeblich rund um die Uhr bis zu 3.500 Menschen arbeiten, ist gewaltig. Schorcht betont, dass sie noch immer nicht genehmigt ist – und doch stehen da auf mehr als 420 Fußballfeldern große Hallen, der Rohbau eines Batteriewerkes, das 2022 in Betrieb gehen soll, Tanker, Laster, Krane. Ein Ufo im märkischen Sand, und das eine halbe Stunde entfernt vom Berliner Flughafen BER, der Jahrzehnte geplant und 14 Jahre lang gebaut wurde.

Wie in der Wüste von Australien

Von Anfang an kämpfte Schorcht, der einen Kilometer von der Baustelle entfernt wohnt, gegen ein solches Werk mitten im Wasserschutzgebiet. Noch immer fordert er mit der Bürgerinitiative Grünheide den Baustopp. Auch, als Tesla versprach, weniger Wasser zu verbrauchen, knickte er nicht ein. Brandenburg ist eine der trockensten Regionen Deutschlands, es gibt Prognosen, nach denen es hier 2050 aussehen wird wie in der Wüste von Australien. Selbst heute, wo nach knapp zwei Jahren Kampf für Wald, Artenschutz, Wasser und Luft viele Naturschützer müde geworden sind, wo sich kaum mehr einer auf Presseanfragen zurückmeldet: Schorcht ist da, wenn man Fragen hat.

Und er hat zahlreiche Antworten. Schorcht, ein freundlicher, aber bestimmter Mann mit leichtem Thüringer Akzent, berichtet, dass es Anfang November Starkregen gegeben hat. Die Feuerwehr und das THW mussten kommen, um Wasser abzupumpen. Nun weiß keiner ganz genau, was da im Grundwasser ankommen ist und weiter Richtung Brunnenanlage fließt.

Dann steigt Schorcht in sein Auto, er will noch etwas weiter südlich, zu einer Reihe zu diesen Brunnen, die 70.000 Menschen in der Region mit Wasser versorgen. Da kann er gut erklären, dass Grundwasserspiegel sinken, wo gebaut wird – und dass der Trichter zum Brunnen immer größer wird, wenn das der Fall ist. „Der Trinkwasserbedarf ist nicht gesichert, wenn das Werk noch größer wird und Ansiedlungen mit weiterem Wasserbedarf folgen“, sagt er.

Es geht weiter zu einem Ortsteil, wo einige Leute im Sommer kein Wasser mehr in ihren Hausbrunnen hatten. Vorbei an einem Wald, wo jetzt ein Teil der Eidechsen, Nattern und Ameisen vom Tesla-Gelände wohnen. Und dann steigt Schorcht an der Löcknitz aus, stapft entschlossen durch den Matsch, zeigt auf das klare Wasser des gewundenen Flusses.

Das Naturschutzgebiet Löcknitztal beginnt östlich von Grünheide. Hier brüten sogar seltene Fischadler. Die Löcknitz fließt in die Spree und die Spree fließt in Berlins größten See, den Müggelsee, weiß Schorcht. Und der ist als Reinwasserspeicher unentbehrlich für die Wasserversorgung der Hauptstadt. Unter anderem deshalb gibt es gerade viel Stunk um den Standort eines neuen Klärwerks für Tesla, denn auch in gereinigtem Wasser bleiben Spuren der Abwässer, besonders von nicht abbaubaren organischen Substanzen.

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Zweifel hegen, Fragen stellen

Schorcht hört nicht auf zu erklären, er fährt immer weiter. Doch eigentlich ist es gar nicht nur die Frage nach dem Wasser, die ihn so aufregt. Wie kann es sein, meint er, dass Land und Gemeinde hinter geschlossenen Türen mit Tesla verhandelt – und dass Viele in der Region die Neuigkeit aus der Zeitung erfahren haben? Tesla, weiß er, hat hier in Brandenburg die verlässlichen Mühlen der deutschen Bürokratie einfach übersprungen. Die Firma konnte sofort loslegen, von Null auf Hundert. Und trotzdem haben viele Menschen in Schorchts Umfeld nicht getan, was man in der Demokratie in solchen Fällen tun kann: Zweifel hegen, Fragen stellen, den Leuten auf die Finger sehen.

Dass da einfach so ein Elon Musk in den Medien laut lacht, wenn er nach dem Wasser gefragt wird, das ist Schorch unbegreiflich. Und noch unbegreiflicher ist es ihm, dass er trotzdem noch wie ein Popstar gefeiert wird. Schorcht war mal für die SPD, mal für die Linken in der Stadtverordnetenversammlung. Als sich am Anfang der Proteste auch Leute um die AfD herum zu den Demos kamen, hat er sich wie auch die BI Grünheide schnell distanziert.

Steffen Schorcht weiß genau, wie schlecht die Fabriken von Tesla in den USA oft bei Nachhaltigkeitsberichten abgeschnitten haben. „Das E-Auto ist nicht der Heilsbringer für die grüne Zukunft“, weiß er. Tatsächlich wird bei seiner Produktion nicht weniger C02 produziert. Und: „Da werden knallhart reine Kapitalinteressen durchgesetzt“.

Steffen Schorcht ist weiter davon entfernt denn je, die Politik und die Wirtschaft einfach machen zu lassen.

Aber sieht das die Mehrheit der Menschen in Grünheide ebenso? Hat sie dasselbe Standvermögen?

Arne Christiani meint, mindestens 80 Prozent seiner Gemeindemitglieder begrüßen die Ansiedlung von Tesla.

Ist das wirklich so?

Man muss zurück zum zugigen Marktplatz von Grünheide, um Näheres zu erfahren. Viele, die man dort auf dem rosa Betonpflaster oder unter den Arkaden, im Asia Bistro oder beim Feierabendeinkauf trifft, sagen: Tesla ist ein tolles Unternehmen.

Endlich ein Job nach der Ausbildung

„Vielleicht findet mein Sohn jetzt nach der Ausbildung einen Job in Grünheide“, sagt eine große, schlanke Frau um die Vierzig, die gerade in den Blumenladen will.

„Ich finde es toll, dass hier frischer Wind rein kommt“, sagt ein Teenager im schwarzen Dufflecoat, der mit ein paar Büchsen Cola aus dem Edeka schlurft, auch wenn es ihm damals leid getan habe um den Kiefernwald.

Quelle        :        TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Grafikquellen          :

Oben     —     Blick auf das Gelände der Tesla Gigafactory Berlin-Brandenburg

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2.) von Oben      —     Gelände der zukünftigen Fabrik von Tesla in Grünheide, am linken Bildrand der Berliner Ring, rechts das Gewerbegebiet Freienbrink

 Unten      —     Grünheide, im Hintergrund Baustelle von Tesla

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Kontrolliert ist heute Normal

Erstellt von Redaktion am 7. Dezember 2021

Deutschland: Eingezäunt ist das neue Frei

File:Christmas Market at Berlin Breitscheidplatz during Covid-19 2021-11-20 05.jpg

Quelle     :     Untergrundblättle – CH 

Von  Hanna Mittelstädt

In Hamburg ist jetzt alles dicht für Ungeimpfte, nur noch Lebensmittelläden und Apotheken stehen ihnen offen.

Überall Einlass nur noch für Geimpfte und Genesene: 2G. Zu kontrollieren mit Impfnachweis plus Personalausweis. Frontstadt Hamburg, SPD-Grünen-Regierung ganz vorn im Kampf.Keine Kultur, kein Lokal (nicht mal draussen, nicht mal to go), keine Bibliothek, keine Ausstellung, kein Laden (ausser Lebensmitteln). Test für jede Bus- oder Bahnfahrt – für die Ungeimpften.“Wir werden sie austrocknen, die Luft muss ganz dünn werden, die müssen´s so richtig spüren, dass es nur eine Lösung gibt.”

Und das, während die Lösung bereits offenbar keine Lösung ist. Die Impfung gibt Schutz für maximal sechs Monate, danach muss aufgefrischt werden. Die Geimpften können sich infizieren wie die Ungeimpften, sie übertragen das Virus ebenfalls. Die Hospitalisierungsrate unter den Geimpften ist inzwischen in etwa gleich wie die der Ungeimpften.

50 % der aktuellen Inzidenzen sind Kinder bis 14 Jahre, die sich regelmässig in der Schule testen müssen, und die die Krankenhäuser nicht belasten/werden.

4.000 Intensivbetten wurden seit Ausbruch der Corona-Krise in Deutschland wegen Personalmangel geschlossen. Etwas mehr als 4.000 Covid-Patienten liegen zurzeit deutschlandweit auf Intensivstationen, in etwa so viel, wie Betten abgebaut wurden. Gäbe es diese Betten noch, gäbe es kein „Hospitalisierungsproblem“. Abgesehen davon nehmen die Covid-Patienten nur einen kleinen Teil der Intensivbettenkapazität ein.

Die Lohnerhöhung des Verdi-Abschlusses für Pflegekräfte liegt unterhalb der Inflationsrate, Verbesserungen der Arbeitssituation werden nicht ermöglicht. Dafür die Impfpflicht. Vorneweg für Pflegekräfte! Kontrolle, Zwang. Die Dankbarkeit für ihre Kompetenzen verflacht sich im Klatschen auf den Balkonen. Hat jemand die Streiks im Krankenhaussektor unterstützt, als sie in der niedrigen Infektionskurve im Spätsommer durchgeführt wurden? Wurde das medial gefördert? Wurde da von Gerechtigkeit gesprochen? Von Dringlichkeit? Nein, aber sie können ja kündigen (wenn sie nicht in persönlichen Zwängen stecken), die heldinnenhaften Pflegekräfte, und das haben auch viele getan.

Warum gibt es, gerade gegenüber den Arbeitenden im medizinischen und Pflegebereich, so wenig Respekt vor ihrer Berufserfahrung, die sie, ganz individuell, für ihre persönliche Entscheidung qualifiziert, ob sie diese Impfung für sich persönlich als sinnvoll erachten oder nicht?

Warum spricht niemand von den Impfschäden? Nicht nur von den „Impfdurchbrüchen“, also den Infektionen und Hospitalisierungen trotz Impfung, sondern von den schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden nach Impfungen weltweit. Jede Impfung ist ein Abwägen: Was wiegt für mich, in meiner Situation, schwerer, eine mögliche Infektion oder ein möglicher Impfschaden. Warum darf das nicht öffentlich diskutiert werden?

Warum diese Ausgrenzung, dieser absurde Diskurs, diese heissgelaufene Rechthaberei? Dieser enggeführte Tunnelblick?

Warum ist seit Beginn der Pandemie alles auf den staatlich lizensierten Diskurs und nicht auf einen Austausch verschiedener Erfahrungen und Kenntnisse ausgerichtet? Es gibt weltweit Studien, die die Covid-Krankheiten mit unterschiedlichen Einschätzungen begleiten, auch in Deutschland.

Die Weihnachtsmärkte sind mit Maschendraht eingezäunt. Am Eingang Security, Zugang mit Impfnachweis und Lichtbilddokument. Drinnen die Menschen, die sich frei fühlen. Und sicher! Sie stehen da enggedrängt mit ihren sechs Monate alten Impfpässen ohne Masken. Genauso sitzen sie in den Lokalen beieinander. Endlich frei, endlich unter sich, endlich keine Impfverweigerer mehr anwesend. Sie stecken die Köpfe zusammen, für sie gilt keine Abstandsregel.

Es gibt drinnen und draussen. Draussen um Europa herum sind die Zäune aus Nato-Draht vier Meter hoch. Drinnen wollen wir uns sicher fühlen. Es muss alles geregelt vor sich gehen, nach Gesetz und Ordnung, so der politisch-mediale Diskurs. Staatliche Ordnung. Und drinnen Sicherheit.

Die neuen TGV-Bahnhöfe in Frankreich sind Hochsicherheitszonen. Eingezäunt mit Maschendraht, rundum überwacht. Nicht mehr im Stadtzentrum, draussen im Nirgendwo. Man kommt da mit dem Taxi hin, mit dem Auto, selten einmal mit einem Shuttlebus oder Zug, Zugang zu Fuss nur als Extremsport. Aber sie erfüllen die Sicherheitsmassnahmen des staatlichen Anti-Terror-Kampfes.

Das Virus lacht, es ist noch beweglicher als die Terroristen. Noch unsichtbarer.

Warum erwägt niemand das mögliche Scheitern der allein auf diese Impfungen ausgerichteten Strategie? Ist es nicht eine allgemeine Weisheit, seit Jahrtausenden gewachsen, dass es nie nur eine Lösung gibt? Dass Wissenschaft Streit ist? Nicht Einstimmigkeit?

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Um mir hier Paul Feyerabend an die Seite zu stellen: „Wissenschaften sind nicht Bedingungen der Rationalität, der Freiheit, sie sind nicht Voraussetzungen der Erziehung, sie sind Waren. Die Wissenschaftler selbst aber sind Verkäufer dieser Waren, sie sind nicht Richter über wahr und falsch. Sie sind bezahlte Diener der Gesellschaft, sie werden angestellt, um gewisse beschränkte Aufgaben zu lösen, und zwar unter Aufsicht der Bürger, die allein über die Natur der Aufgaben und die Art ihrer Ausführung entscheiden.“

Nein, wir haben einen Schuldigen, machen wir es uns einfach: Der Schuldige ist der Impfverweigerer, übrigens jedweden Geschlechts und leider ohne jede Vernunft oder ethisches Verhalten. Die Impfverweigerer in ihrer geringen Zahl stören eigentlich nicht so sehr die Eindämmung der Inzidenzzahlen, ihr gefährlichster Einfluss ist die Zersetzung des Diskurses.

Die Impfung für die jüngsten Impflinge, Kinder ab 5 Jahren, wurde von Biontech in der gewohnten überstürzten, nicht wissenschaftlichen Pragmatik des Notstands an 2.000 Kindern getestet. Also: sie ist sicher. Natürlich. 2.000 Kinder in vielleicht zwei Monaten als Probanden! Sicher! Was bedeutet diese genetische Impfung für das Immunsystem der Kinder? Was ist mit all den Kindern, die jetzt schon mit schweren Atemwegserkrankungen in die Kliniken kommen, weil ihr Immunsystem durch das Maskentragen und das viele zu-Hause-bleiben nicht mehr trainiert wurde? Abgesehen von ihren Depressionen und körperlichen Defekten aus Bewegungsmangel.

Und was wird mit den Älteren, die genauso leben? Was wird aus dem durch ständige mRNA-Impfungen manipulierten Immunsystem? Wie wird es mit anderen Krankheiten fertig? Müssen wir nun gegen alles geimpft werden? Gegen alle Viren, Mutationen, Krebserreger etc.? Die Forschungen dazu laufen ja bereits.

Warum stehen solche Fragestellungen nicht ganz vorn?

„Am Ende des Winters werden alle Menschen entweder geimpft, genesen oder gestorben sein.“ So schallt es aus Bayern zu uns in den Norden. Das sind so die Vorstellungen des politischen Führungspersonals. Man darf vielleicht staunen, dass das so durchgeht? Dass, öffentlich, kaum jemand widerspricht?

Nein, die mediale Öffentlichkeit ist ganz d´accord. Natürlich. Es geht um den Erhalt der Impfstrategie. Wenn jetzt den Geimpften etwas auferlegt würde, würde man ja die ganze Strategie in Frage stellen. Die Geimpften haben sich geopfert, sie sind solidarisch, sie sind der staatlich vermittelten Vernunft gefolgt, der Wissenschaft, und nun müssen sie belohnt werden. Es muss Gerechtigkeit für die Geimpften geben. Deshalb nun die Impfpflicht für alle.

Niemand soll mehr stören. Die Störenfriede wurden lange genug denunziert und rechtsaussen auf der politischen Skala verortet, und sie zeigten sich nicht einsichtig. Darum ist jetzt Schluss mit freiwillig. Und wenn dann alle halbe Jahr geimpft werden muss, muss das die Gesellschaft eben gemeinsam hinkriegen. Und wenn es dann immer noch nicht reicht, werden wir für alle gemeinsam etwas finden. Um es hier auch einmal auszusprechen: Nicht wir werden es finden, sondern die Pharmaindustrie wird es für uns finden und Gehilfe Staat wird es uns vermitteln.

An der Spitze der neu installierten Pandemiekommission steht ein General. Darf man in irgendeiner Weise beunruhigt sein? Dass die rot-grün-gelbe Koalition das so einfach macht? Die Armee ins Boot holt? Für die Lage im Inneren der Gesellschaft? Weil die Armee so effektiv ist? Und darf man äussern, dass es einen beunruhigt, dass es keine mediale Infragestellung dafür gibt?

Natürlich: die Helden der Armee transportieren mit der Luftwaffe schwerkranke Patienten aus den überlasteten Krankenhäusern des Südens (Deutschlands, nicht des globalen Südens) zu uns in den Norden, wo die Hospitalisierungsrate aktuell bei 1,5 liegt. Im letzten Jahr lag sie zu Spitzenzeiten bei 15. Wir sind also bei 10 % der Hospitalisierungsrate gegenüber der Spitze des letzten Jahres. Aber natürlich, es fehlen die 4.000 Betten. Und 35.000 Pflegekräfte fehlen übrigens auch. Aber dazu ein anderes Mal. Erstmal die Impfpflicht durchsetzen. Und später dann werden wir die 35.000 Pflegekräfte nicht mehr brauchen. Wir werden sie durch Roboter ersetzen.

Eine meiner Freundinnen hat einen Essstand auf dem Markt bei mir in der Nachbarschaft. Da sitzen die Leute unterm Zelt, im Freien, und essen in fluider Gemeinschaft das gebratene Gemüse oder eine Merguez. Sassen. Das ist nun nicht mehr. Sie hätte es einzäunen und jeden Einzelnen kontrollieren müssen. Das will sie aber nicht. Nun stehen da zwei Schilder mit der Bekanntmachung, dass sie Einzäunung und Kontrolle ablehnt. Sie lebt von ihrem Stand, sie hat einen halben Tag lang geweint, dass es nicht mehr geht. Nun ist das Zelt mit dem flüchtigen Beieinander weg. Es bleibt etwas leer da, immerhin kein Zaun.

Ich esse meine Suppe bei Irina aus Rumänien, einer sehr hübschen jungen Frau, wie ich neulich entdeckte, als sie ihre Maske abnahm. Sie hat in diesem Sommer einen Eisladen bei mir um die Ecke eröffnet. Ich habe mir schon immer einen Eisladen gewünscht und blieb ihr treu, auch als der November aufzog. Irgendwann klebte ein selbstformulierter Zettel an der Scheibe: „Bei mir sind alle willkommen, unabhängig von ihrer Herkunft, Geschlecht, Religion und Impfstatus.“

Das kam bei mir so aus dem Bauch, sagte sie, als ich sie darauf ansprach. Man kann bei ihr draussen und drinnen sitzen. Jetzt ist es wirklich hart draussen, so setze ich mich rein. Sie lässt mich sitzen. Kontrolliert nicht. Ich sagte ihr freiwillig, dass ich gültige Papiere habe, aber sie winkt ab. Sie kennt mich ja und weiss, wie ich heisse: Hanna.

Die 55. (!!) Hamburger Rechtsverordnung zum Schutz vor dem Corona-Virus vom 26. November 2021 heisst: Verordnung zur Eindämmung der Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 in der Freien und Hansestadt Hamburg (Hamburgische SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung – HmbSARS-CoV-2-EindämmungsVO) (gültig vom 29. November bis 15. Dezember 2021)

26. November 2021: 55. Verordnung zur Änderung der Hamburgischen SARS-CoV-2-Eindämmungsverordnung vom 26. November 2021 (PDF) Sie umfasst, als nicht-amtliches PDF, ca. 30 Seiten, und das sind nur die Änderungen gegenüber der 54. Verordnung vom 19.November 2021, die bereits amtlich als Gesetz- und Verordnungsblatt vorliegt.

Einen Grossteil der Seiten nimmt das perfekte Durchgendern der Begriffe ein:

„die Inanspruchnahme des Angebots ist vorbehaltlich des Absatzes 2 nur solchen Kundinnen und Kunden, Nutzerinnen und Nutzern, Besucherinnen und Besuchern, Veranstaltungsteilnehmerinnen und Veranstaltungsteilnehmern oder Gästen gestattet, die einen Coronavirus-Impfnachweis nach §2 Absatz 5, einen Genesenennachweis nach § 2 Absatz 6, jeweils in Verbindung mit einem amtlichen Lichtbildausweis vorgelegt haben, oder die einen amtlichen Lichtbildausweis vorgelegt haben, aus dem die Nichtvollendung des 18. Lebensjahres folgt … “ Und: „die Betriebsinhaberin oder der Betriebsinhaber, die Betreiberin oder der Betreiber, die Veranstalterin oder der Veranstalter oder die Dienstleistungserbringerin oder der Dienstleistungserbringer hat durch eine wirksame Zugangskontrolle zu gewährleisten, dass die Vorgaben nach den Nummern 1 bis 3 und nach Absatz 2 eingehalten werden; hierbei ist die Erfüllung der Vorgaben personenbezogen zu prüfen … “

Danke an dieser Stelle an die Gleichstellungsbeauftragt:innen, dass alles so korrekt zweigeschlechtlich aufgeführt wird.

Es folgen in allen Einzelheiten alle Einschränkungen, bussgeldbewehrten und polizeilich zu kontrollierenden Verbote und Massnahmen, und wie der bürokratische Geist jede mögliche Laxheit in Öffentlichkeit und Privatheit unter Kontrolle zwingen will. Besonders interessant für Hamburg, ehemals weltweit bekannt als Stadt der Vergnügungsviertel, des Welthafens, der lockeren Sitten: eine sehr lange Liste der Strassen, Plätze und Parks in ganz Hamburg, von welcher Hausnummer bis zu welcher, von welcher Strassenseite zu welcher, von welcher Stunde bis zu welcher an welchen Tagen Alkoholverbot (Verkauf, Verzehr und mit sich führen offener Flaschen) herrscht, also Prohibition.

Natürlich gelten diese genauen Massregelungen nur für draussen, drinnen, hinter der Glasscheibe der Restaurants, herrschen andere Regeln, und unter der 2G-Kontrolle herrschten gar keine mehr. Dieser Status stand für Freiheit und Sicherheit gleichzeitig. Jetzt wird allerdings doch auch die Freiheit unter 2G möglicherweise eingeschränkt werden müssen, weil das Medikament ja nicht hält, was es auch gar nicht versprach: nämlich ein steriler Impfstoff zu sein.

Wer will hier jammern? die Geimpften? die Ungeimpften? Jammern gilt nicht. Innere Emigration vielleicht, egal ob geimpft oder ungeimpft. Innere Emigration derjenigen, die sich dem Diskurs verweigern, die so nicht leben wollen, eingezäunt und kontrolliert, von der Angst bestimmt und mit der aufgeschobenen/aufgegebenen (?) Lust am freien Sprechen, an der Poesie der Weite, am Archipelischen, am Eigensinn.

Können wir über die gesellschaftlichen Entwicklungen der forcierten Digitalisierung und Kontrolle, des Ausschlusses an den Grenzen jedweder Art, noch frei diskutieren? Werden wir durch den Impfstreit davon abgehalten? Ist das der eigentliche Sinn der Kampagne? Dass wir nicht mehr frei miteinander sprechen, dass wir uns nicht mehr trauen, sondern nur irgendwo durchwollen, wo es dann angeblich Sicherheit gibt? Die es sowieso nicht gibt, ausser im freien sozialen Miteinander, in einer respektvollen Kommunikation, in der Solidarität von Freundschaften und Nachbarschaften.

Wollen wir uns weiterhin den Impfstatus zurufen (schon geboostert!!), wenn wir uns „trocken“ umarmen, oder wollen wir weiterhin rumhampeln, um auszudrücken, dass uns eine freundschaftliche Umarmung zu wenig sicher ist? Wollen wir weiter „soziale Distanzierung“ betreiben? Die Öffentlichkeit meiden, Gesundheitsvorsorge, Arbeit und Bildung privatisieren, standardisieren, digitalisieren?

Und die fundamentalen Änderungen der Gesellschaft, die gerade vorgehen, aus dem Blick verlieren? Aus Angst, die Sicherheit aufs Spiel zu setzen?

Ich kann nur meine abgrundtiefe Distanz zu diesem Diskurs, diesem Staat und seinen Verteidigerinnen jeden Geschlechts bekräftigen. Lasst uns den „Bund des Vielfältigen“ gründen, im Sinne der Entwicklung eines eigenständigen und selbstständigen Individuums, das sich freiwillig in solidarischen Gemeinschaften zusammenschliesst, wie es der Anarchist Gustav Landauer vor mehr als 100 Jahren formulierte, bevor er nach der Niederschlagung der deutschen Revolution von Faschisten im Staatsdienst ermordet wurde.

Grafikquellen          :

Oben     —    Weihnachtsmarkt

Eigene Arbeit (IPTC Unique Object Name: CS-jylidjvjyli)

Zuschreibung: C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 commons.wikimedia.org

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Unten        —     Eingezäunte Schafherde mit Schäfer auf der Dreiborner Hochfläche im Nationalpark Eifel.

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Über Care-Tätigkeiten

Erstellt von Redaktion am 7. Dezember 2021

Geschlechterverhältnis und Stellenwert von Care-Tätigkeiten in der Gesellschaft

Quelle:    Scharf  —  Links

Von Meinhard Creydt

Auch eine Kritik an feministischen Missverständnissen

Von der Qualität von Care-Tätigkeiten für Kinder, Kranke und Senioren hängt viel ab. In der modernen und kapitalistischen Gesellschaft kommt ihnen jedoch ein nachgeordneter Stellenwert zu. Spezialisierung und Zweck-Mittel-Rationalität haben in modernen Betrieben und Organisationen Priorität. Klar bezifferbare Leistung und Produktivitätssteigerung sowie die Verlagerung von Kompetenzen in Maschinen und Apparate stehen im Mittelpunkt. Care-Tätigkeiten vertragen sich schlecht mit der effizienten Bearbeitung von Objekten und der sachlichen Distanz zu ihnen. Kein Wunder, dass bei diesen Maßstäben das Sich-Kümmern um Kinder, ihre Erziehung durch ihre Eltern sowie die Betreuung kranker Angehöriger oder Freunde ins Hintertreffen geraten.

Eine andere Ursache für die Nachrangigkeit von Care-Tätigkeit ist der Vergleich, in den sie durch die kapitalistische Ökonomie eingestellt wird. Arbeit, die Mehrwert schafft, bildet hier den herrschenden Maßstab. Für die Verwertungserfordernisse der Kapitale stellen viele gesellschaftliche Bereiche (Bildung, Gesundheit) zwar notwendige Bedingungen dar. Sie ermöglichen aber nur ausnahmsweise (Privatkliniken, Privatschulen) profitables Geschäft. Meistens werden sie öffentlich finanziert aus Steuereinnahmen und erfordern also kostspielige Abzüge zulasten der profitablen Wirtschaft. An ihnen gilt es dann so weit wie möglich zu sparen. Die schlechten Arbeitsbedingungen (Personalschlüssel in Kliniken, Klassengröße in Schulen) bilden eine Konsequenz.

Insofern, jedenfalls bislang, faktisch vor allem Frauen kleine Kinder umsorgen, wirkt sich das nachteilig auf ihre Stellung im kapitalistischen Erwerbsleben aus. „Solange das Erwerbsleben zugeschnitten ist auf den Vollzeiterwerbstätigen, der weitestgehend frei von Familienverpflichtungen dem Betrieb mit ganzer Arbeitskraft zur Verfügung steht, werden Personen, die dies nicht können oder nicht wollen oder von denen nur erwartet wird, dass dies irgendwann der Fall sein könnte, Nachteile im Beruf in Kauf nehmen müssen“ (Krombholz 1991, 226).

Bei Schwangerschaft ist eine neue Arbeitskraft zu suchen und einzuarbeiten. Kleine Kinder sind für Krankheiten anfällig. Arbeitskollegen haben dann Mehrarbeit zu leisten.„Eben mal“ Überstunden oder eine plötzlich anberaumte Zusatzarbeit sind für Mütter häufig nicht möglich. Bei ihnen können leichter Störungen des effizient geregelten Arbeitstages anfallen, wenn der Kindergarten plötzlich anruft, weil das Kind fiebert, oder wenn die Tagesmutter überraschend absagt. Mütter kleiner Kinder unterliegen Einschränkungen in der Verfügung über ihre Arbeitskraft. Frauen stellen insofern ein „unternehmerisches Risiko“ dar, solange sie gebärfähig sind. Auch Frauen, die sich aktuell keine Kinder wünschen, könnten es sich ja noch anders überlegen. Die Einstellungskriterien beziehen sich auf Maßstäbe, die nicht daraus resultieren, dass die Unternehmer Männer sind. Auch Unternehmerinnen müssen so handeln, um ihr Kapital zu erhalten, und das heißt, es zu vermehren.

Nachteile für diejenigen, die Care-Tätigkeiten ausüben

Wenn jemand unter den gegebenen Bedingungen bei der Versorgung des Nachwuchses die Arbeit aufgibt, dann eher die Person, die weniger an Einkommen nach Hause bringt. Frauen haben durch Unterbrechung ihrer Erwerbsbiographie infolge von Schwangerschaft erstens durchschnittlich geringere Chancen zum Aufstieg in Betrieben bzw. Organisationen. Ein Kreislauf bildet sich heraus, in dem die Nachteile, die Frauen mit Kindern in der Erwerbsarbeit haben, diese Frauen in die innerfamiliäre Arbeit drängen.

Zweitens existiert eine geschlechtsspezifische Unterteilung des Arbeitsmarkts. Männer bilden eine winzige Minderheit unter Sprechstundenhilfen und eine kleine Minderheit unter Erziehern und Krankenpflegepersonal. Frauen sind unter Mechanikern, Elektrikern und Ingenieuren selten. Frauen wählen im Durchschnitt faktisch eher Arbeitsstellen, die schlechter bezahlt sind. Hinzu kommen als sekundäre Ursachen für die Ungleichheit der Arbeitseinkommen, dass die Tätigkeiten eher in Klein- als Großbetrieben erbracht werden, der gewerkschaftliche Organisationsgrad dort gering ist und es entsprechend schwer fällt, kollektiv für die eigenen Interessen einzutreten.

Auch der Altersunterschied zwischen Partnern in einer gemischtgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft spielt eine Rolle. Immerhin bei 23,7% betrug im Jahre 2019 in Deutschland der Unterschied 4-7 Jahre, bei 14,2% 7-11 Jahre.1 Und dann heißt es leicht: „Alle Frauen, die ich kenne, die Kinder bekommen, kommen gar nicht mehr auf die Idee, dass die Erziehung und Arbeit auf beide verteilt werden könnte. Denn immer verdienen die Männer mehr (weil sie meistens vier, fünf Jahre älter sind, das ist in dem Alter entscheidend), oder weil sie besser bezahlte Berufe haben“ (Faller 2006).

Für die moderne und kapitalistische Gesellschaft ist die Unterordnung der selbst nicht an Kapitalverwertung orientierten Bedingungen der Mehrwertproduktion unter ihre Imperative charakteristisch. Um ein Resultat von Frauenfeindlichkeit oder „Männerherrschaft“ handelt es sich dabei nicht. Wir haben es vielmehr mit indirekten Konsequenzen zu tun, die aus den allgemein geltenden Maßstäben des Geschäfts- und Erwerbslebens resultieren. Wirkungen mit Zwecken zu verwechseln ist ein Fehler.2

Der „unökonomische“ und „ineffiziente“ Anteil von Care-Tätigkeiten und Arbeiten in der Familie

Die in der eigenen Familie erbrachte Hausarbeit, die Erziehung und Care-Tätigkeiten unterscheiden sich nicht nur von Arbeit in modernen Betrieben und Organisationen mit ihren Maßstäben der Effizienz und der Zweck-Mittel-Rationalität, sondern auch von mehrwertproduktiver Arbeit. „Die Trennung Arbeit/Hobby/Freizeit lässt sich bei der Hausarbeit nicht per definitionem lösen. So ist Kochen mit Sicherheit Hausarbeit, Wäsche waschen auch; aber wie ist das mit einem Pullover für den Mann stricken, einen schönen Blumenstrauß hinstellen, mit den Kindern spielen?– die Grenzen sind flüssig. […] ‚Verzettelung’“ muss „als wesentliches Merkmal der Hausarbeit“ gelten, insofern „ständig kurzfristig die Tätigkeiten gewechselt werden und, auf der andern Seite, auch häufig verschiedene Tätigkeiten gleichzeitig verrichtet werden. (Die Frau übt beim Abwasch mit dem Kind ein Diktat.)“ (Keil 1978, 97f.). „Das Umfeld kann gestaltet werden, äußerlich, akustisch. Pausen können individuell genommen und gestaltet werden. Solche Privilegien sind in Betriebshierarchien erst auf einer hohen Ebene möglich. Und ein Teil der zu leistenden Arbeit kann auch noch lustbetont sein: ‚die verspielten, verschmusten, verplemperten Nachmittage zusammen mit dem Kind’ (Dilloo 1992)“ (Stach 1993, 268). „Familienarbeit bedeutet die Gestaltung eines vielschichtigen, in der Realität eben nicht quantifizierbaren Prozesses“ (Gesterkamp, Schnack 1998, 138).

In den Diensten der Frau innerhalb der Familie oder Paarbeziehung wird keine Ware erzeugt, die die Frau infolge ihrer Hausarbeit oder ihrer emotionale Unterstützung auf den Markt bringt. Anders verhält es sich dort, wo Personen Dienstleistungen (als Reinigungskraft, als Koch, als Pflegekraft) auf dem Markt anbieten und diese Offerten auf zahlungsfähige Nachfrage nach ihnen treffen. Die Arbeit, die unter Voraussetzung der kapitalistischen Marktwirtschaft, als Dienst einer Person für eine andere Person innerhalb einer Paarbeziehung oder einer Familie geleistet wird, „ist ökonomisch wertlos, da ihr Gebrauchswert, der ja, von der Nützlichkeit […] her betrachtet, ohne Zweifel ein außerordentlich großer ist, auf dem Markt nicht gefragt ist und von daher auch keinen Tauschwert besitzt. Für die Logik des Kapitals, die Gebrauchswerte nur als Träger von Wert kennt, liegt nichts Widersprüchliches darin, dass die für die gesellschaftliche Lebenserhaltung ganz unentbehrliche, nützliche Arbeit der Kinderaufzucht wertlos ist, während für die Existenz der Gesellschaft überflüssige und schädliche Gebrauchswerte Profit versprechen und daher produziert werden“ (Müller 1976, 22). Die in der kapitalistischen Marktwirtschaft gegebene ökonomische Wertlosigkeit sowohl von Diensten im eigenen Haushalt als auch von der Erziehung von eigenen Kindern stellt keinen Verstoß gegen das Wertgesetz dar, sondern seine Konsequenz. (Zur Kritik an der feministischen These, die Kapitalismuskritik (speziell ihre Bestimmung des Werts der Ware Arbeitskraft) ignoriere den „Wert“ der Hausarbeit, vgl. Seccombe 1974, Beer 1983, insbes. S. 30f., Rohwer 1985, Schlosser 1982, 43-73.) Wer es normativ darauf absieht, alle Arbeit als produktiv anzusehen, sieht von zwei realen Unterschieden ab. Erstens dem Unterschied zwischen dem Gebrauchswert und dem Tauschwert von Arbeitsprodukten oder Dienstleistungen. Zweitens dem Unterschied zwischen Arbeiten und Dienstleistungen, die produktiv für die Kapitalverwertung sind und solchen, die dies nicht sind.

Viele Feministinnen vertreten die These, die von Frauen geleistete Arbeit senke die Kosten für die Arbeitskraft. „Wenn der (männliche) Arbeiter auswärts essen oder vorgepackte Mahlzeiten kaufen, seine Wäsche zum Waschsalon bringen müsste usw., würde er mehr ausgeben, als wenn eine Frau für ihn zu Hause kocht und wäscht. Dank der unbezahlten Tätigkeit dieser Frau spart der Chef Geld. Er profitiert von dieser Arbeit, da sie die Kosten für Unterhalt und Großziehen der männlichen Lohnarbeiter auf die Frauen abwälzt. Hausarbeit, so die These, ist wie ein kostenloses Geschenk an den Kapitalisten und eine der wesentlichen permanenten Quellen der Kapitalverwertung. […] Wäre das wahr, würde der allein lebende männliche Arbeiter mehr kosten, als sein verheirateter Kollege, und er sollte mehr Geld erhalten, da der Lohn die Kosten für die Produktion von Arbeitskraft deckt. […] Dies ist nicht der Fall. […] Ob die Hausarbeit gleichmäßig verteilt wird […] oder ob der Mann seine Frau ausnutzt, ändert nichts an der Reproduktion des Kapitals. Männer ‚profitieren’ sicherlich von Frauen, aber das hat nichts mit einem Unternehmensprofit zu tun“ (Dauvé 2019, 60).

Feministische Missverständnisse

Der Titel eines feministischen Buches (von Claudia Pinl) lautet: „Das faule Geschlecht. Wie Männer es schaffen, Frauen für sich arbeiten zu lassen.“ (Frankfurt M. 2000). Bei manchen Feministinnen ist das Bild eines Eisbergs beliebt. Die über dem Wasserspiegel befindliche Spitze verhalte sich so zur großen, für die Beobachter unsichtbaren Masse unterhalb des Wasserspiegels wie die bezahlte zur unbezahlten Arbeit. Zeitbudgetuntersuchungen bestätigen solche Vorstellungen nicht. Männer und Frauen leisten eine durchschnittlich gleiche Zahl von (bezahlten plus unbezahlten) Arbeitsstunden. Frauen leisten im Durchschnitt mehr Haushalts- und Sorgearbeit, Männer mehr Erwerbsarbeit. Feministen heben häufig hervor, dass Männer in Familien weniger Hausarbeit und Care-Tätigkeiten übernehmen, übergehen aber gern das von Männern geleistete höhere Ausmaß an Erwerbsarbeit.

Einer Untersuchung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom Juni 2012 zufolge arbeiteten 2010 weibliche Erwerbstätige im Durchschnitt 30,6 Stunden und damit 9,5 Stunden weniger als ihre männlichen Kollegen. 1991 betrug die Differenz knapp sieben Stunden.

2015 lag die durchschnittliche Arbeitszeit von erwerbstätigen Frauen in Deutschland bei 30,1 Stunden, die von erwerbstätigen Männern bei 38,3 Stunden [https://www.boeckler.de/51977.htm; 10.07.2017]. 2016 waren 69,8% der Frauen und 77,8% der Männer erwerbstätig. 9,3% der Männer und 46,7% der Frauen arbeiten in Teilzeit (Eurostat 2019). Althaber (2018) zufolge „arbeitet fast jede zweite erwerbstätige Frau in sozialversicherungspflichtiger Teilzeit oder geringfügiger Beschäftigung (46%), ein Großteil davon sind Mütter. Bei Männern sind es lediglich 9%. […] Diese ausgeprägten Unterschiede in der Teilzeitbeschäftigung von Frauen und Männern haben sich in den letzten 30 Jahren kaum verändert. […] Das ist insofern erstaunlich, als in derselben Zeit andere Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern abgebaut wurden: Frauen und Männer haben heute vergleichbare Qualifikationen und damit ähnliche Startbedingungen für den Arbeitsmarkt“.

Männer in Partnerschaften teilen ihr Einkommen mit dem der Frauen. Wer in einer Partnerschaft oder Ehe ein höheres Arbeitseinkommen nach Hause bringt, ermöglicht der jeweils anderen Person insofern einen höheren Lebensstandard. Frauen in Partnerschaften trugen 2013 ein gutes Drittel zum gemeinsamen Haushaltseinkommen bei (Frankfurter Rundschau 23.6.2017). Dass im Durchschnitt immer noch Frauen mehr Haus- und Erziehungsarbeit in einer Paarbeziehung oder einer Familie leisten als Männer, heißt dann nicht, dass sie unbezahlte Arbeit leisten, wenn der Mann mehr Erwerbsarbeit leistet und aus dem damit erzielten Einkommen die Frau mit unterhält.

Die durchschnittlich sieben Jahre kürzere Lebenszeit von Männern in Deutschland bildet ein weiteres Moment, das bei der Frage nach den unterschiedlichen Lasten, die Frauen und Männer zu tragen haben, eine Rolle spielt. Die meisten Feministinnen klammern das aus. Viele fordern von ihnen Quoten. Bereiche wie den Straßenbau oder die Bauwirtschaft meinen sie damit nicht. Die höheren gesundheitlichen Risiken, denen Männer unterliegen, sind zum großen Teil nicht selbstgemacht, sondern hängen mit längeren Arbeitszeiten in der Erwerbsarbeit, gefährlicheren Arbeitsaufgaben und höherem Arbeitsstress zusammen (vgl. Brandes 2002, S. 227f.). „In den USA hat sich der weibliche Vorsprung (an Lebenserwartung – Verf.) seit dem Jahr 1900 vervierfacht: von damals zwei auf heute rund acht Jahre. In Deutschland ist er nicht ganz so stark gewachsen, aber immer noch von knapp drei Jahren zum Zeitpunkt der Reichsgründung 1871 auf gegenwärtig annähernd sieben. Die Kluft ist also großenteils das Werk des 20. Jahrhunderts und hat insofern eher gesellschaftliche als natürliche Ursachen“ (Traub 1997, S. 23).

Wer die Erziehungs- und Sorgetätigkeit ausschließlich als Domäne privater Dienste ansieht, klammert eine massive historische Veränderung aus. Die Proportion zwischen innerfamilialen bzw. privaten Diensten und öffentlichen Institutionen, die zur Erziehung und Gesundheit beitragen (öffentliche Kinderbetreuung, Schule, Gesundheitswesen), hat sich zugunsten letzterer verschoben. Zudem unterscheiden sich Ideologie („ein guter Partner macht alles wieder heil und bewahrt vor allen Unbilden der Welt“) und Realität ums Ganze. Die nicht (oder in geringerem Umfang) erwerbstätige Person A, die die erwerbstätige Person B unterstützt und ihr manches „an der Heimatfront“ bzw. im Privaten vom Halse hält, tut einiges dafür, dass B es leichter hat in der Arbeit. Dem Verschleiß der Arbeitskraft und den Schädigungen des Individuums B durch die Erwerbsarbeit kann A aber nur in engen Grenzen entgegenwirken.

Die Perspektive

Eine Aufgabe der Gesellschaft des guten Lebens besteht darin, den nachgeordneten Stellenwert von Care-Tätigkeiten zu überwinden. Hinzu kommen Maßnahmen, um die Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit und Care-Tätigkeiten so zu ermöglichen, dass es nicht zur überfordernden Mehrfachbelastung kommt. Zu dem, was für die Kapitalverwertung nicht zählt, gehört das Interesse von Frauen, Erwerbsarbeit und Mutterschaft auf eine Weise zu verbinden, die sie gegenüber den Männern nicht schlechter stellt. Geschädigt wird auch das Interesse von Männern an einer Erwerbsarbeit, die einen intensiven Umgang mit Kindern nicht behindert.

Väter sind in der Rolle des Haupternährers der Familie infolge langer Arbeits- und Wegezeiten den größten Teil der wachen Zeit ihrer Kinder abwesend. Man kann den Vater „mit Recht lieblos und desinteressiert finden; in seiner eigenen Geschichte erscheint er hingegen als ein Mann, der um seine Liebe betrogen worden ist.“ Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf stellt nicht nur für Frauen, sondern auch für Männer ein Problem dar. „Mütter sind in der Gefahr, die Verankerung im Berufsleben zu verlieren. Väter sind in der Gefahr, die Verankerung in ihrem eigenen Privatleben zu verlieren“ (Gesterkamp, Schnack 1998, 107). „Die wenigsten Männer trauen sich zuzugeben, dass die alltägliche Erziehungskompetenz weitgehend in den Händen ihrer Frau liegt. […]Sie […] wissen nicht, welche Konflikte in der Schulklasse ihres Kindes bestehen. Sie kennen sich einfach zu wenig aus, um qualifiziert mitsprechen zu können“ (Ebd., 108).

Praktisch erforderliche Schritte sind:

  • eine Arbeitszeitverkürzung, die es den Arbeitenden erlaubt, neben der Erwerbsarbeit sich um Kinder sowie kranke und alte Verwandte und Freunde zu kümmern,

  • mehr Mittel für Kindertagesstätten, Horte und Ganztagesschulen,

  • die Gestaltung von Erwerbsarbeit nach Maßgabe ihrer Vereinbarkeit mit den Wechselfällen des Zusammenlebens mit Kindern und Senioren. Das erfordert einen weniger knappen Stellenschlüssel bzw. eine großzügigere Vertretungsreserve,

  • eine Gestaltung der Erwerbsarbeit, in der die diskontinuierliche Teilnahme an ihr nicht auf Stellen mit weniger Arbeitseinkommen verweist.

  • eine Überwindung jener Erwerbsarbeit, in der aus jungen Arbeitskräften besonders viel herausgeholt wird. Sie unterliegen hohen Leistungsanforderungen gerade dann, wenn sie am dringendsten Zeit bräuchten für das Zusammensein mit Kindern,

  • eine gesellschaftliche Kompensation der mit Kindern verbundenen Ausgabensteigerung, sodass sie nicht mit Überstunden und Nebenjobs auf eine Weise aufgefangen werden muss, die die „Erwerbsperson“ der Familie zusätzlich entfremdet.

Wer einen höheren Stellenwert von Care-Tätigkeiten in der gesellschaftlichen Prioritätenhierarchie will, muss die modernen Maßstäbe von Effizienz und instrumenteller Rationalität in ein sie übergreifendes Paradigma des guten Lebens einordnen (vgl. Creydt 2017, 2019) und die Imperative der kapitalistischen Ökonomie überwinden. Um die beschriebenen Maßnahmen durchzusetzen, dafür „braucht es keine Nachweise, dass da irgendwas an sich wertproduktiv ist, durch gesellschaftliche und individuelle Notwendigkeiten und Bedürfnisse ist es genügend legitimiert“ (Klaus Braunwarth). Manche Feministinnen wollen die Nachteile, die Frauen infolge der kapitalistischen Marktwirtschaft erleiden, dadurch aus der Welt schaffen, dass sie allen von ihnen geleisteten Diensten ein Preisschild anheften. Das ist ungefähr so sinnvoll wie der Vorschlag, die Schädigung ökologisch für die Menschen gedeihlicher Lebensbedingungen dadurch zurückzudrängen, dass nun auch in der Natur alles wie eine Ware behandelt wird. Von diesen Ideen unterscheidet sich die Frage, was dafür erforderlich ist, eine Wirtschaft zu überwinden, die nur funktioniert mit der Trennung zwischen der Mehrwertproduktion und ihren selbst unprofitablen Bedingungen sowie mit der gesellschaftlichen Rangfolge, in der die Kapitalverwertung an erster Stelle steht.

Literatur

Althaber, Agnieszka 2018: Die Suche nach Gemeinsamkeiten. Strukturelle Gründe für die Teilzeitarbeit von Frauen und Männern. In: Wissenschaftszentrum Berlin: WZB-Mitteilungen, Nr. 161, S. 17-20

Beer, Ursula 1983: Marx auf die Füße gestellt? Zum theoretischen Entwurf von Claudia v. Werlhof. In: Prokla, Nr. 50 https://www.prokla.de/index.php/PROKLA/article/view/1487/1419

Brandes, Holger 2002: Der männliche Habitus. Band 2: Männerforschung und Männerpolitik. Opladen

Creydt, Meinhard 2017: Die Armut des kapitalistischen Reichtums und das gute Leben. München

Creydt, Meinhard 2019: Was kommt nach dem Kapitalismus? Berlin

Dauvé, Gilles 2019: Federici versus Marx. In: Wildcat, Nr. 104. Köln

Eurostat 2019: Beschäftigungsstatistik. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php?title=Archive:Employment_statistics/de&oldid=456269

Faller, Heike 2006: Haben wir die Emanzipation verspielt? In: Die Zeit, Nr. 17, 20.4. 2006, S. 61

Gesterkamp, Thomas; Schnack, Dieter 1998: Hauptsache Arbeit – Männer zwischen Beruf und Familie. Reinbek bei Hamburg

Huisken, Freerk 2002: z. B Erfurt. Was das bürgerliche Bildungs- und Einbildungswesen so alles anrichtet. Hamburg

Keil, Gertraude 1978: Zur geschlechtsspezifischen Verteilung von Produktions- und Zirkulationsarbeit. In: Mehrwert, Nr. 15/16. Berlin

Krombholz, Heinz 1991: Arbeit und Familie. In: Bertram, Hans (Hg.): Die Familie in Westdeutschland. Opladen

Müller, Ludmilla 1976: Die Wertlosigkeit der Arbeit der Kinderaufzucht im Kapitalismus. In: Prokla, Nr. 22

https://www.prokla.de/index.php/PROKLA/article/view/1730/1673

Rohwer, Götz 1985: Zur politischen Ökonomie der Hausarbeit. In: Leviathan, Jg. 13, H. 2

Schlosser, Robert 1982: Zusammenhänge. Manuskript. https://mao-archiv.de/Scans/BRD/NRW/ORG/KGBE/KGBE_Zusammenhaenge_1982.pdf

Seccombe, Wally 1974: The Housewife and her Labour under Capitalism. In: New Left Review, Nr. 83. Dt. Übersetzung in: Die Internationale, Nr. 7, 1975 (Theoretische Zeitschrift der Gruppe Internationaler Marxisten)

Stach, Meinhard 1993: Frauenunterdrückung als Tat beider Geschlechter. In: Ethik und Sozialwissenschaften. Streitforum für Erwägungskultur, Jg. 4, H. 2

Traub, Rainer 1997: Adams Fall. In: Spiegel-Special Nr. 7: Der deutsche Mann. Hamburg

1https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1004551/umfrage/altersunterschied-der-paare-in-lebensgemeinschaften-in-deutschland/.

2Robert Steinhäuser, der 2002 in Erfurt einen Amoklauf an seiner früheren Schule veranstaltete, interpretiert seinen Ausschluss von der Schule mutmaßlich so, als wollten die Lehrer ihn „fertig machen“. Er verfährt damit nach der Logik „Die Sache ist das, als was sie mich trifft“ (Huisken 2002, 112). „Und das stimmt eben nicht. Die Schule verfolgt ihren Auftrag, organisiert dafür den Leistungsvergleich und exekutiert ihn. Die Betroffenheitslogik, der immer ein Schuss Größenwahn innewohnt, macht daraus: Die Schule hat mich auf dem Kieker, der geht es um meinen Ruin!“ (Ebd.).

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DER ROTE FADEN

Erstellt von Redaktion am 7. Dezember 2021

Abschied von Merkel und KurzRote Rosen und ein Baby

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Durch die Woche mit Nina Apin

Angela Merkel zeigte bei ihrem Abschied als Kanzlerin Haltung. Österreichs Ex-Kanzler Sebastian Kurz hingegen demonstrierte nochmal, wie klein er ist.

Komm, wir wetten, wann sie heult, sagte der Sohn, als wir zusammen vor dem Bildschirm Platz nahmen. Großer Zapfenstreich für Angela Merkel, live aus dem Bendlerblock – das war ein Pflichttermin. Und, in Anbetracht der sonstigen Umstände – draußen dunkel, Krankheitsfälle im persönlichen Umfeld rücken näher – war das auch das einzige Wohlfühlevent der Woche.

Ist es nur eine weitere Skurrilität in Coronazeiten oder schon besorgniserregend, wenn eine demokratisch gewählte Kanzlerin mit militärischen Ehren verabschiedet wird wie eine Königin?ƒ

Auch Demokratien brauchen ein bisschen Pomp und Rituale der Selbstvergewisserung. Aber es ist schon auch was Besonderes, dass jemand freiwillig und selbstbestimmt dieses Amt aufgibt, an dem Vorgänger wie Kohl oder Schröder bis zuletzt klebten wie kleine Jungs.

Deshalb warten alle so sehnsüchtig auf die letzte Rede der Kanzlerin: Wird sie ihr Vermächtnis darlegen? Wird sie uns den Weg weisen in dunkler Zeit? Natürlich nicht. Merkel ist erfahren, aber nicht weise. Und einen wirklichen Plan hat sie auch nicht.

Ironie-Schlager aus dem Osten

„Mit Fröhlichkeit im Herzen an die Arbeit“, schön und gut. Aber wenn sie Radikalisierung, Klimakrise und Digitalisierung als so dringende Probleme empfindet – warum hat sie nach 16 Regierungsjahren dann einen solchen Handlungsstau hinterlassen?

Dass im Vorlauf des Zapfenstreichs so ausufernd spekuliert wurde über die Liedauswahl der Kanzlerin, die mit einem Ironie-Schlager aus dem Osten (getextet übrigens von einem Mann, der nach der Wende wegen Kindesmissbrauch verhaftet wurde – aber das thematisierte kaum jemand), einem Balladenklassiker und einem Kirchenlied aus dem Amt scheidet, liegt wohl vor allem daran, dass die allgemeine Nachrichtenlage so düster ist, dass man nach jedem Farbfilm und jeder roten Rose greift, die man kriegen kann. Und auch nach Gott, für die, denen das hilft.

File:Bundesarchiv Bild 183-H08449, Quedlinburg, Heinrichs-Feier, Heinrich Himmler.jpg

So wie die Alten sungen – so zwitschern heut die Jungen

Es könnte aber auch daran liegen, dass sich die Kanzlerin in ihren 16 Regierungsjahren so übermenschlich diszipliniert und im Politischen wie Privaten ungreifbar präsentiert hat, dass man sie jetzt wirklich mal die Contenance verlieren sehen wollte. „Das kann sie sich jetzt gönnen“, sagte der Nachwuchskommentator neben mir auf dem Sofa.

Die Bundeswehr und die ausrichtende Verteidigungsministerin gaben jedenfalls alles: Trommelwirbel und funkelnde Posaunen, Fackeln und weiße Glacéhandschuhe, Helm ab zum Gebet und schultert das Gewehr. Doch erst bei Hilde Knefs roten Rosen hieß es „Wasser marsch“ bei Merkel – selbstverständlich protestantisch gebremst. Was für eine Haltung! Und Olaf Scholz schaute auf der Tribüne unter seiner Maske drein, als dämmerte ihm erst jetzt, welche Verantwortung auf ihn zukommt.

Quelle      :     TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben     —    Roter Faden in Hannover mit beschriftetem Aufkleber als Test für einen möglichen Ersatz des auf das Pflaster gemalten roten Strichs

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Unten          —    Heinrichsfeier in Quedlinburg

Anlässlich des Todestages von König Heinrich I. fand am 1. Juli wie in den Vorjahren, eine nächtliche Feierstunde statt.
UBz: Reichsführer SS Himmler verlässt in Begleitung von Gauleiter und Reichsstatthalter Jordan (links) und SS Obergruppenführer Heissmeyer (rechts) nach der Feierstunde durch das Spalier der SS-Fackelträger den Dom.

Personen    :     Himmler, Heinrich: Reichsführer der SS, Deutschland (GND 11855123X)

  • Jordan, Rudolf: Gauleiter, Reichsstatthalter Magdeburg-Anhalt, Deutschland
  • Heißmeyer, August: SS-Obergruppenführer, Chef des SS-Hauptamtes, Deutschland

Namensnennung: Bundesarchiv, Bild 183-H08449 / CC-BY-SA 3.0

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Klima contra Arbeit

Erstellt von Redaktion am 6. Dezember 2021

Wenn es um die Existenz von Unternehmen geht, zählen in den Arbeitnehmerverbänden moralische Bedenken wenig

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Von Thomas Gesterkamp

Klimapolitik kann Arbeitsplätze kosten. Aufgabe der Gewerkschaften ist, bei ökologischen Lösungskonzepten an die sozialen Folgen zu erinnern.

Die Entscheidung sei „politisch unklug, unüberlegt und populistisch“, wetterte Betriebsratschef Alois Schwarz 1992 in den Produktionshallen von Messerschmidt-Bölkow-Blohm. 8.000 hochqualifizierte Stellen sah der bayerische Metallgewerkschafter in Gefahr, als die Bundesregierung den Auftrag zum Bau des Kampffliegers Jäger 90 bei der Mutterfirma Deutsche Aerospace stornieren wollte. Nach dem Ende des Kalten Krieges schien Rüstungskonversion das Gebot der Stunde, zudem belastete die deutsche Vereinigung die öffentlichen Etats. Der massive Druck von Konzernleitung und Arbeitnehmerorganisationen hatte dennoch Erfolg. Das in Eurofighter umbenannte und gemeinsam mit Partnerländern in Serie gebaute Flugzeug kostete in den folgenden Jahrzehnten rund hundert Milliarden Euro.

Betriebsräte als Militärlobbyisten, weil ihnen die Angst vor Werksschließungen im Nacken sitzt: Dieses Muster wiederholte sich 2014. Die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen befürwortete nach anfänglichem Zögern die Entwicklung bewaffneter Drohnen. Auf ihre Zusage reagierten neben Rüstungsmanagern auch Gewerkschafter begeistert: Das sichere Tausende von Jobs in der Branche, jubelte Bernhard Stiedl von der IG Metall Ingolstadt. Hauptsache Arbeitsplatz: Ist es den Interessenvertretungen egal, womit Beschäftigte ihr Geld verdienen? Wenn es um die Existenz von Unternehmen geht, zählen in den Arbeitnehmerverbänden moralische Bedenken relativ wenig. Das gilt für den Umgang mit Waffenherstellern und erst recht im Kampf gegen die Erderwärmung.

Die konservative Industriegewerkschaft Bergbau-Chemie-Energie warnt regelmäßig vor einem frühen Ausstieg aus der Braunkohleverstromung, den Kli­mak­ti­vis­t:in­nen eindringlich anmahnen. Auto-Betriebsräte versuchen das Verbot des Verbrennungsmotors auszubremsen, im ersten Corona-Lockdown verlangten sie wie in der Finanzkrise staatliche Abwrackprämien beim Kauf von Neuwagen. Als die schwarz-rote Koalition dies verweigerte und selbst die gewerkschaftsnahe Sozialdemokratie nicht mitzog, kamen scharfe Reaktionen aus der IG Metall und vom DGB-Bundesvorstand.

Unter den Metallern gibt es aber auch Gegenstimmen. Seit Jahren wird intern über die ökologische „Transformation“ diskutiert. Man will das Thema mit positiven Vorschlägen besetzen. Die Funktionäre hoffen dabei vor allem auf den Bau von Elektrofahrzeugen. Mobilitätskonzepte, bei denen nicht der private Besitz von Autos im Mittelpunkt steht, gehen den meisten allerdings zu weit. Denn eine fundamentale Verkehrswende auf der Basis der Sharing-Ökonomie und öffentlicher Transportmittel könnte zahlreiche Jobs in der deutschen Leitbranche kosten.

Der schwierige Balanceakt zwischen Arbeitsplatzinteressen und ethischen Grundsätzen ist eine historische Endlosschleife. Schon in den 1970er Jahren gingen Werftarbeiter für den Export von Unterseebooten in das von einer Militärdiktatur beherrschte Chile auf die Straße. Beschäftigte der Energiewirtschaft demonstrierten nicht gegen, sondern für den Bau von Atomkraftwerken.

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Doch blinde Flecken gibt es nicht nur auf der Seite der Arbeitnehmer, wie die Klimadebatte zeigt. Die Fridays-for-Future-Aktivist:innen, oft aufgewachsen in saturierten bürgerlichen Familien, sind nicht gerade für ihre sozialpolitische Sensibilität bekannt. Die eigene privilegierte Situation reflektieren sie meist wenig, die Perspektiven der Kumpel im rheinischen Revier oder in der Lausitz sind ihnen weitgehend gleichgültig.

Der Jenaer Soziologe Klaus Dörre fordert angesichts der ökonomisch-ökologischen „Zangenkrise“ einen Labour turn bei den Klimabewegten und einen Climate turn bei den Gewerkschaften. Ermutigt hat ihn die Stimmung im überfüllten Audimax der Universität Leipzig im Mai 2019, bei der Gründung der Students for Future. Auf die Frage, ob eine Nachhaltigkeitsrevolution innerhalb kapitalistischer Verhältnisse möglich sei, habe er vom Publikum ein vielstimmiges „Nein!“ zu hören bekommen. Und der Vorschlag, große Konzerne bei einer Blockadehaltung gegenüber Klimazielen zu sozialisieren, erhielt tosenden Applaus. Der Wissenschaftler propagiert seither den „Ökosozialismus“.

Quelle       :          TAZ-online           >>>>>         weiterlesen

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Oben      —   Ein Bo-105 Hubschrauber des Philippine Army (PA) Aviation Hiraya Regiment während des Besuchs von Brigadegeneral Edgar Nigos in der Einheit

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Beide müssten deeskalieren

Erstellt von Redaktion am 6. Dezember 2021

Ukraine: Es braucht zwei für einen Tango

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Quelle      :        INFOsperber CH.

Andreas Zumach /   Für eine Entschärfung des Ukraine-Konflikts müssen sich sowohl Putin als auch Biden bewegen.

Der seit Jahren ständig eskalierende Konflikt zwischen Russland und den Mitgliedsstaaten der NATO um die Ukraine hat einen kriegsgefährlichen Höhepunkt erreicht. Das für Dienstag angekündigte Gipfeltelefonat zwischen den Präsidenten Putin und Biden kann nur dann zu einer Entschärfung beitragen, wenn beide Seiten sich bewegen.

Die in der Brüsseler NATO-Zentrale und den westlichen Haupstädten  erhobene sowie in den meisten Medien sekundierte Forderung, nur Putin müsse einen Schritt machen und die in der Tat besorgniserregende Konzentration von Truppen und schweren Waffen im Grenzgebiet zur Ukraine  beenden, wird scheitern. Denn diese einseitige Forderung  folgt dem im Westen weitverbreiteten Narrativ, die  Konfrontation in den Beziehungen mit Moskau habe erst mit Russlands  völkerrechtswidriger Annexion der Krim  im März 2014 und der seitdem anhaltenden Unterstützung der Sezessionisten im Donbas begonnen.

Dieses Narrativ ist falsch. Die Verschlechterung der Beziehungen begann bereits mit der NATO-Osterweiterung, die ab 1996 vollzogen wurde unter Bruch des Versprechens, das US-Aussenminister Baker, Bundeskanzler  Kohl und Aussenminister Genscher dem sowjetischen Präsidenten Gorbatschow Anfang Februar 1990 nachweislich gegeben hatten. Der schwere historische Fehler der NATO-Osterweiterung – statt auf das von Gorbatschow vorgeschlagene «Gemeinsame Haus Europa» und ein kollektives, auch für Polen und die baltischen Staaten verlässliches Sicherheitssystem mit Russland im Rahmen der OSZE zu setzen – ist zwar heute wahrscheinlich leider nicht mehr revidierbar.

Doch die NATO hätte mit der Rücknahme ihrer Gipfelentscheidung von 2008, auch noch der Ukraine die Option auf eine Mitgliedschaft zu eröffnen, in den letzten Jahren längst ein wichtiges Deeskalationssignal nach Mokau schicken können.  Dieser weiterhin richtige Schritt ist, nachdem inzwischen eine entsprechende Forderung der Regierung Putin öffentlich auf dem Tisch liegt und Biden im Vorfeld des  Telefonats mit Putin «rote Linien» Russlands bereits abgelehnt hat, sicher schwieriger geworden.

Doch es gibt auch andere Deeskalationsschritte, welche die beiden Präsidenten bilateral vereinbaren oder auch unilateral unternehmen könnten. Am dringendsten wäre der sofortige Wiederbeitritt zum «Open Skies-Abkommen» über vertrauensbildende Massnahmen im Luftraum, den nach dem Austritt der USA unter Präsident Trump auch Russland aufgekündigt hatte.

Wie dringend diese Massnahme wäre, unterstreicht die Beinahe-Kollision eines russischen Passagierflugzeuges mit einem westlichen Aufklärungsjet über dem Schwarzen Meer am Samstag. Weitere hilfreiche Deeskalationsschritte wären die Einstellung jeglicher militärischer Unterstützung Russlands für die Sezessionisten im Donbas und der USA für die Regierung der Ulkraine sowie der Rückzug russischer sowie NATO-unterstellter Truppen aus Regionen beiderseits der Grenze.

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Grafikquellen        :

Oben      —   Präsident Joe Biden und der russische Präsident Wladimir Putin nehmen an einem Tete-a-Tete während eines US-Russland-Gipfels am Mittwoch, den 16. Juni 2021, in der Villa La Grange in Genf teil. (Offizielles Foto des Weißen Hauses von Adam Schultz)

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Krieg – Russland + USA?

Erstellt von Redaktion am 6. Dezember 2021

Schlacht um Moskau

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Quelle:    Scharf  —  Links

Von René Lindenau, Cottbus

Nikolai Bucharin warnte auf dem XVII. Parteitag der KPdSU am 31. Januar 1934 vor der Möglichkeit eines „konterrevolutionären Überfalls“ auf das Land entweder durch das „faschistische Deutschland“ oder durch das japanische Kaiserreich. Nachfolgend resümierte er: „Hitler ruft also ganz unverhüllt dazu auf, unseren Staat zu zerschlagen ( Ian Kershaw, ‚Wendepunkte‘ DVA, S. 322). Obwohl von vielen Stimmen vor einem Überfall Hitlerdeutschlands gewarnt, blieben sie bei Bucharins Henker, J.S: Stalin ungehört. Nicht einmal der Volkskommissar für Staatssicherheit, Wsewolod Merkulow drang mit seinen Warnungen nur fünf Tage vor Kriegsbeginn nicht zu dem Diktator vor. Einem Brief an Merkulow vertraute Stalin folgende Zeilen an: „…sagen Sie ihrer „Quelle“ aus dem Hauptquartier der deutschen Luftwaffe, dass er seine Mutter ficken soll. Das ist keine „Quelle“- das ist jemand, der Desinformation betreibt“(Ian Kershaw „Wendepunkte“ DVA, Seite 310). Umso größer das Erstaunen, als die deutschen Wehrmacht in den Morgenstunden des 22. Juni 1941 über dem Territorium der UdSSR das Kriegsgeheul zu intonieren begann.

Nun, da Hitlers Blitzkrieger in den ersten Wochen des Krieges kilometerweit in die Sowjetunion eindrangen, es ihnen gelang, Truppen der Rote Armee in zahlreichen Kesselschlachten vernichtend zu schlagen und ca. 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene dem Hungertod preisgegeben worden waren, kam der Generalstabschef des Heeres, Generaloberst Franz Halder (1938-1942) laut einer Notiz am 3. Juli 1941 zu dem Schluss: „Es ist wohl nicht zu viel gesagt, wenn ich behaupte, dass der Feldzug gegen Russland innerhalb von vierzehn Tagen gewonnen wurde“. Aber hier irrte der Jahrgangsbeste (1914) der bayerischen Kriegsakademie. Denn schon sechs Wochen später, am 11. August formulierte Halder folgendes: „Unsere letzten Kräfte sind ausgegeben… In der gesamten Lage hebt sich immer deutlicher ab, dass der Koloss Russland…von uns unterschätzt worden ist…“ (SPIEGEL 31/1964). Und so kam es im Winter 1941/42 zur Schlacht um Moskau, die zur ersten großen Niederlage der sieggewohnten faschistischen Wehrmacht werden sollte. Aber bis dahin war es ein opferreicher, verlustreicher Kampf. Hitler schwor am 2. Oktober 1941 die Truppen des Ostheeres mit fanatischen Worten auf die Moskauer Schlacht ein. In er Operation Taifun sollten sie den sowjetischen Armeen mit einem „gewaltigen Hieb“ den „tödlichsten Schlag“ versetzen. Beiden Kriegsparteien stand eine dramatische Zeit bevor. Manche Deutsche konnten mit ihren Ferngläsern die goldenen Kremltürme erspähen. Die nächste Annäherung an Moskau gelang einem Stoßtrupp des Heeres – Pionierbatailllons 62, das bis zu 16 Kilometer vor dem Kreml vorstieß. Auf Beschluss des Staatlichen Verteidigungskomitees wurde am 20. Oktober in Moskau der Belagerungszustand verkündet. Zahlreiche Regierungsstellen und Botschaften wurden nach Kuibyschew an der Wolga evakuiert, Stalin blieb. Laut den Angaben von Generalmajor a.D. P. D. Korkodinow rief die Moskauer Parteiorganisation entsprechend einer Anweisung des Zentralkomitees der KPdSU zum Schutz der Hauptstadt auf. Demnach bauten über eine halbe Million Einwohner Verteidigungsstellungen auf, 120.000 Moskauer traten freiwillig in die (schlecht bewaffneten) Volkswehrdivisionen ein (siehe „Die wichtigsten Operationen des Großen Vaterländischen Krieges 1941-1945“, Seite 132, Verlag des Ministeriums für Nationale Verteidigung, 1958). Maßgeblich organisierte Armeegeneral Georgi K.Shukow die Verteidigung Moskaus, dem es noch gelang, seine Mutter aus dem Kampfgebiet herauszuschaffen. Das Hauptquartier ernannte ihn am 10. Oktober 1941 zum Oberbefehlshaber der Westfront, die am 5. Dezember mit anderen Fronten zur Gegenoffensive antrat (Georgi K. Shukow „Erinnerungen und Gedanken“, Militärverlag der DDR, 7. Auflage 1983, Seite 16 ff.). Nach den Worten des Stabschefs der Westfront, Marschall Wassili D. Sokolowski standen den faschistischen Truppen „drei unserer Fronten gegenüber: Westfront, Reservefront und die Brjansker Front, deren Armeen insgesamt 800.000 Mann zählten. Doch während der Unterschied in der Mannstärke gering war, waren uns die faschistischen Truppen an Panzern und Artillerie weit überlegen. Gegen unsere 770 Panzer und 9.150 Geschütze/Minenwerfer setzen sie 1 700 Panzer und 19. 450 Geschütze/Minenwerfer ein“ (Sowjetische Marschälle über Schlachten des zweiten Weltkrieges, APN Verlag Nowosti Moskau, 1985, Seite 25). Das Kräfteverhältnis war demnach zu Beginn jener Operationen von sowjetischer Warte aus nicht gerade günstig. Bis zum 20. Oktober gelang es den Deutschen mit ihren 3 Panzerarmeen, die sowjetische Frontlinie zu zertrümmern und in den Kesselschlachten von Wjasma und Brjansk noch einmal 673.000 Rotarmisten zu umzingeln.

Unterstützende Aktivitäten der Volkswehrdivisionen und von Partisanenverbänden allein reichten nicht aus, um die Rote Armee vor Moskau in großen Stile – angriffsfähig – zu machen. Dazu bedurfte es großer Anstrengungen der Kriegswirtschaft und erheblicher Verstärkungen aus dem Fernen Osten, die aber erst herangeführt werden konnten, nachdem klar war, dass Japan die Sowjetunion nicht angreifen werde. Doch am 5. Dezember war es so weit: die sowjetische Gegenoffensive begann. Somit erfuhr der durch den Generalstab unter Marschall B. M. Schaposchnikow, seit dem 20. November in den Umrissen festgelegte und von den Oberkommandos der drei Fronten im einzelnen ausgearbeitete alsdann bestätigte Offensivplan seine Umsetzung (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, DVA 1983, Band 4, Seite 770 ff.). Der im vorgenannten Buch geschilderte Kampfverlauf gestalte sich für die „Offensivhändler“ durchaus unterschiedlich und durchwachsen. Die einen erzielten rasche Erfolge, gewannen okkupiertes Land zurück, andere waren weniger erfolgreich – sehr zum Unwillen der Kremlherren, des Generalstabes u.a.. Unzufrieden zeigte man sich beispielsweise über das unverhältnismäßig langsame Vorankommen der Kalininer Front, insbesondere das der 29. Armee. Man mag hier an die Worte des preußischen Generalfeldmarschalls, Helmuth Graf von Moltke denken: „Kein Plan überlebt die erste Feindberührung“. Über die Feindberührungen von General Andrej Wlassow, allerdings, der in der Schlacht um Moskau als Befehlshaber der 20. Armee so erfolgreich agierte, dürfte man sich gefreut haben; Stalin ernannte ihn aufgrund dessen jedenfalls zum Generalleutnant. Die Freude und Anerkennung Wlassows schon in Vorjahren gewürdigten militärischen Fähigkeiten dürften 1942 verflogen sein, als dieser in deutsche Gefangenschaft geriet und fortan sein Heil bei einer sogenannten Russischen Befreiungsarmee suchte. Dieses Unterfangen endete für das jahrzehntelange Tabu in der parteioffiziellen Geschichtsschreibung über den Großen Vaterländischen Krieges am 1. August 1946 in Moskau am Galgen.

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Orden ohne Fackeln – wie sich die Bilder mit Grußonkel gleichen ?

„Insgesamt gesehen hatten die sowjetischen Truppen den Gegner an der Front vor Moskau bis Anfang 1942 zwischen 100 und 250 Kilometer zurückgeworfen und ihm schwere Verluste zugefügt. Die große strategische Umfassung war jedoch ungeachtet der operativen Durchbrüche bei Rschew und Kaluga misslungen, eine Tatsache, die die sowjetische Geschichtsschreibung hinter den sichtbaren Erfolgen der Gegenoffensive vor Moskau heute geschickt zu verschleiern weiß“ (Das Deutsche Reich und der Zweite Weltkrieg, DVA 1983, Band 4, Seite 775 ff.).

Ungeachtet dessen, dass die Rote Armee in der Schlacht um Moskau nicht all ihre Ziele erreicht haben mag, so blieben ihre militärischen Leistungen, einschließlich ihrer Befehlshaber bei der Wehrmacht nicht unbeachtet. So verriet der Generalstabsoffizier Hans Meier – Welcker am 6. Januar 1942 über Shukow: „Shukow, der Nachfolger Timoschenkos als Oberbefehlshaber, macht Operationen, die ich bewundern muss. Ich verfolge die Leistungen des russischen Heeres mit wachsendem Staunen“ (Militärgeschichtliches Forschungsamt, Herausgeber, Aufzeichnungen eines Generalstabsoffiziers 1939 -1942. Freiburg 1982, Seite 147). Das „Staunen“ durfte noch ein paar Jahre weitergehen – bis Georgi Shukow als „Marschall der Sieger“ am 8. Mai 1945 in Berlin von Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel die bedingungslose Kapitulation aller deutschen Streitkräfte abnahm.

Cottbus, 5.12. 2021  René Lindenau

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Grafikquelle :

Oben      —   Коллаж фотографий времён Великой Отечественной войны. Левый столбик (сверху вниз): немецкая танковая колонна во время наступления на Мурманскую железную дорогу, июль 1941 года; бои в Сталинграде, февраль 1943 года; установка советского знамени на крыше рейхстага, май 1945 года. Правый столбик (сверху вниз): расчёт зенитной пулемётной установки М4 на крыше гостиницы «Москва», август 1941 года; танки Т-34 во взаимодействии с пехотой контратакуют противника в ходе Курской битвы, июль 1943 года; генерал-фельдмаршал Вильгельм Кейтель подписывает акт о капитуляции Германии в Карлсхорсте, 8 мая 1945 года.

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